Otmar Suitner- Ein Österreicher in der ehemaligen DDR

  • (übrigens ist der Threadtitel falsch: er wirkte in der DDR, nicht in der »ehemaligen«, was war sie nämlich erst, als er dort nicht mehr wirken konnte, weil es sie nicht mehr gab)

    Argonaut hat natürlich recht: Als Suitner in der DDR wirkte, war sie nicht ehemalig. Und in der "ehemaligen" DDR wirkte Suitner nie ... wegen Parkinson.

    (Und Erweiterung in Richtung des "ehemaligen Suitners" hat hoffentlich niemand geplant ...)

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Argonaut hat natürlich recht: Als Suitner in der DDR wirkte, war sie nicht ehemalig

    Aus heutiger Sicht ist es "die ehemalige DDR", er hat also NICHT recht. Da kannst Du schreiben was Du willst.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Nein, der ist richtig. Stand heute ist diese Zeit Vergangenheit, also "ehemalig", damals DDR. Was soll daran falsch sein? Er konnte auch nicht mehr wirken, weil er es gesundheitlich nicht mehr konnte.

    Die Aussage ist falsch. Da es die DDR nicht mehr gibt, ist sie kann sie keine Eigenschaften mehr haben, also auch nicht die, ehemalig zu sein. Gegenwärtig ist sie einfach gar nicht mehr. Und als Suitner dort wirkte, war sie nicht ehemalig. Die Betonung der Tatsache, dass die DDR der Vergangenheit angehört, ist einfach überflüssig und außerdem sprachlich falsch (wenn auch politisch dem Mainstream entsprechend).
    Oder irre ich? Muss man sagen »Ramses II., der Pharao des ehemaligen ägyptischen Reichs«? Das wäre mir neu.


    Wenn das denn so gewesen ist, frage ich mich, warum er sich dann dort hatte 30 Jahre halte können. Irgendwo ist da ein Haken bei.

    Das Argument verstehe ich nicht. Wo soll der Haken sein? Es gab nicht viel Auswahl, ein Österreicher, das klang in dem kleinen Ländchen immer irgendwie glamurös... Das klingt nun geradezu, als wäre es ein unerklärlicher Ausnahmefall, dass sich ein mittelmäßiger Künstler auf einem bedeutenden Posten halten konnte. Das ist aber doch wirklich nicht selten. Übrigens haben nicht nur seine Opernaufführungen gelangweilt. Aber bei denen reichte es einem schon immer, wenn er sich auf den Sitz hinter dem Dirigentenpult fläzte. Genauso engagiert, wie das aussah, hörte es sich dann auch an. In Konzerten habe ich ihn so gut wie nie erlebt, aber ich kenne, wie gesagt, notgedrungen eine Menge Platteneinspielungen, z. B. die Mozart-Sinfonien. Und bei denen kann es nun wirklich keine Diskussion geben. Vielleicht sollte man nicht vergessen, dass es im »real existierenden Sozialismus« und vor allem im kleinen Ländchen DDR eine ausgesprägte Tendenz gab, das Mittelmaß zu fördern und zu bevorzugen, und zwar vor allem deshalb, weil vom Mittelmaß keine Unruhe zu befürchten war, die man auf jedem Gebiet vor allem fürchtete wie der Teufel das Weihwasser (das betraf nicht nur die Kunst, aber auch sie). Das kann immerhin das Argument entkräften, dass sich ein mittelmäßiger Künstler nicht so lange hätte halten können. Zwei andere Beispiele, die mir gerade zufällig in den Kopf kommen: Helmut Koch war nicht einmal mittelmäßig, war aber jahrzehntelang mit seinen ausgesprägt langweiligen und ungenauen Darbietungen praktisch der einzige Dirigent für Barock-Musik (wenn man von den beiden Kantoren der großen Knabenchöre absieht). Und Reiner Süß konnte schlicht und einfach gar nicht singen, galt aber dennoch als der bedeutendste und stilprägende Bass-Buffo des Ländchens. Es ließen sich noch eine Menge anderer Beispiele anführen. Das macht aber keinen Spaß, ich belasse es also dabei.

  • Ich habe mir vorhin mal "Penthesilea" von Hugo Wolf und die Fantasie zu "Frau ohne Schatten" von Richard Strauss mit der Staatskapelle Berlin angehört. Das war schon recht gut musiziert, und auch aufnahmetechnisch ansprechend. In der Box (s.o) ist auch noch eine komplette Salome enthalten. Die muß ich mir demnächst mal anhören, ob er als Operndirigent wirklich so schlecht war wie beschrieben.

    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Spiegelt leider mehr und mehr auch meine Einschätzung.

    Es ist hier niemand "nieder gemacht" worden, was soll denn der Unsinn?

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Suitner habe ich mit zwei Sinfonien-Zyklen kennengelernt - Dvorak und Brahms. Beides IMO nicht konkurrenzfähig oder i-wie besonders hörenswert. Brahms fürchterlich spannungsarm und lasch - man höre nur mal den von Suitner völlig belanglos zerdehnten Kopfsatz der 1. Sinfonie. Bernstein (DG) oder Guilini sind hier ja auch seeeehr langsam - und man muss das, insbesondere Bernsteins exaltierte Lesart, nicht mögen, aber er und Guilini vermögen hier eine Binnenspannung aufzubauen, während Suitner einfach nur langsam ist und die Zügel unentwegt über den Boden schleifen lässt. Ich hatte beim Hören immer den Eindruck, er mag die Musik nicht sonderlich und hat keine Lust das Zeug zu dirigieren.

    Die Dvorak-Sinfonien hab ich als nicht gar sooo schlecht in Erinnerung, die frühen sind allerdings einigermaßen als Pflichtübung exekutiert (man vergleiche die frühe c-Moll einmal in der hochdramatischen, diese Musik echt ernstnehmenden Interpretation von Kertesz!).

    Beide Zyklen zieren mein Regal nicht mehr.

    Ich besitze aber noch zwei Opernaufnahmen mit Suitner, nämlich diese Salome von 1963:

     

    Die finde ich ziemlich gut - das liegt allerdings vor allem an der Gestaltung der Salome von Christl Goltz. Das ist zwar nicht mehr die rasende Salome der Keilberth-Einspielung aus den späten 1940ern, aber Frau Goltz ist hier immer noch ganz in ihrem Element und bei ihrer Rolle. Aber auch das Ensemble und die Orchesterleistung habe ich sehr gut in Erinnerung. Müsste ich mal wieder hören.

    Und dann noch diese Entführung von 1961:

    Da mag ich das Cover.

    Adieu
    Algabal

    Keine Angst vor der Kultur - es ist nur noch ein Gramm da.

  • während Suitner einfach nur langsam ist und die Zügel unentwegt über den Boden schleifen lässt. Ich hatte beim Hören immer den Eindruck, er mag die Musik nicht sonderlich und hat keine Lust das Zeug zu dirigieren.

    Das beschreibt ziemlich gut, was ich in Erinnerung habe. Wobei es weniger eine Frage des Tempos war, als dieses Schleifenlassen und der Eindruck des Desinteresses. Ich hatte immer den Gefühl, seine Interpretationen sind so langweilig, weil er sich selbst so dabei langweilt. Aber vermutlich war es einfach ein Mangel an künstlerischer Befähigung.

    Zum Thema Mittelmäßigkeit, die sich wohl so lange nicht hätte halten können ist mir übrigens noch ein drastisches, tragisches, Beispiel eingefallen. Da wir schon bei der Berliner Staatsoper sind, liegt es nahe, an den Chefregisseur Erhard Fischer zu erinnern, den man nur als mittelmäßig bezeichnen kann, wenn man überaus freundlich sein will. (Ich sehe nach den vielen qualvollen Opernabenden mit seinen Inszenierungen dazu keinen Grund.) Während dieser Mann diesen großen Posten und damit eine weit über das Haus hinausgehende Machtfülle innehatte (zwar musste er zähneknirschend die Berghaus neben sich akzeptieren, konnte aber immerhin dafür sorgen und hat das auch getan, dass die notgedrungen akzeptierten Inszenierungen regelmäßig schnell in der Versenkung verschwanden), saß der – vermutlich auch nicht geniale, aber auf jeden Fall unendlich viel intelligentere und originellere – Peter Brähmig in Potsdam (das damals sehr weit von Berlin entfernt war und noch weniger beachtet wurde als weiter abliegende Provinzstädte) und entwickelte sich nach und nach seiner totalen Verbitterung entgegen. Man sieht: Dass sich einer jahrzehntelang auf so einem Posten halten konnte, bedeutet gar nichts.

  • Hier ist wieder geöffnet. Bitte die Forenregeln beim diskutieren beachten. Vielen Dank.

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Gustav Mahler: Sinfonie Nr.1: Staatskapelle Dresden, Cond: Otmar Suitner AD: 1963

    Die Aufnahme ist inzwischen über 50 Jahre alt - und klingt dafür doch erstaunlich gut. Doch ist das ein Mahler, wie ich ihn gerne höre? Wenn ich ehrlich bin - Nein !! Der erste Satz ist total "soft" gespielt, harmlos, keine innere Spannung, aber im Orchesterklang rund und stimmig. Doch das ann nicht der Anspruch eines Orchesters wie der SD sein, damals nicht, und heute noch viel weniger.

    Hier verstehe ich die Aussage Hempels, hier kann ich nachvollziehen, wenn er von einem "langweiligen" Dirigenten schreibt, der nur buchstabiert und nicht musiziert. Von einer Doppelbödigkeit gar kann schon mal überhaupt keine Rede sein. Nein, das hat mich weder abgesprochen, noch überzeugt.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Interessanter Thread vor dem Hintergrund von Karrieren im Kulturbetrieb politischer Regimes, in denen das Leistungsprinzip nicht immer im Vordergrund stand. Es wäre interessant zu sehen, ob so etwas in der Tschechoslowakei, Rumänien oder Polen ebenfalls in dieser Form möglich gewesen wäre. Die Sowjetunion sollte man da noch einmal gesondert betrachten.

    Ich hätte gedacht, dass ich zwei Aufnahmen mit Otmar Suitner habe. Aber es ist nur eine, dafür umso mehr Herbert Kegel.

    Hier gibt es wegen der geringeren Vergleichbarkeit deutlich weniger Probleme, zumal es ein »kleines« Spätwerk ist:

    < >
    Paul Dessau (1894–1979)

    »Leonce und Lena«. Oper nach dem gleichnamigen Lustspiel von Georg Büchner (1978), Text von Thomas Körner [58′24″]

    Reiner Süß, Bass (König Peter vom Reiche Popo); Eberhard Büchner, Tenor (Prinz Leonce, sein Sohn); Carola Nossek, Sopran (Prinzessin Lena vom Reiche Pipi); Peter Menzel, Tenor(Valerio); Edda Schaller, Mezzosopran (Die Gouvernante); Brigitte Eisenfeld, Sopran (Rosetta); Henno Garduhn, Tenor (Der Schulmeister); Günther Leib, Bariton (Der Landrat); Günther Kurth, Tenor (Der Hofprediger); PeterOlesch, Bass (Der Präsident des Staatsrates); Günther Fröhlich, Bass (Der Zeremonienmeister); Joachim Arndt, Tenor (Kammerdiener / Hofmeister); [i]Chor der Deutschen Staatsoper Berlin, Choreinstudierung: Christian Weber; Staatskapelle Berlin; Leitung: Otmar Suitner

    Aufgenommen im August und September 1980 im Studio Christuskirche, Berlin
    ℗ 1981 »edel« Gesellschaft für Produktmarketing mbH / © 1993 Berlin Classics — Berlin Classics / BC 1074-2

    Was hat er noch an »Zeitgenössischem« aufgenommen? Ist hier seine Bilanz vielleicht besser, kann er da mit Kegel oder Rögner mithalten?

    Hempel: Ich kann Deine Ausführungen sehr gut nachvollziehen. Mit Haydn konnte man in der Tschechoslowakei auch nicht gerade großartige Interpretationen erwarten. Wer erinnert sich noch an Nastudoval Břetislav Novotný (*1924)?

    LG, Kermit

    Es ist vielfach leichter, eine Stecknadel in einem Heuhaufen zu finden, als einen Heuhaufen in einer Stecknadel.

  • Es gibt noch Dessaus »Einstein«. Das dürfte es gewesen sein.

    (Übrigens glaube ich nicht daran, dass ein mittelmäßiger Dirigent gut wird, wenn er Neue Musik dirigiert. Das ist nämlich nicht leichter und erfordert nicht weniger Engagement. Und er fläzte beim »Einstein« genauso gelangweilt hinter dem Dirigentenpult wie bei allen anderen Dirigaten in der Staatsoper.)

  • Mit Haydn konnte man in der Tschechoslowakei auch nicht gerade großartige Interpretationen erwarten. Wer erinnert sich noch an Nastudoval Břetislav Novotný (*1924)?

    Das würde ich nicht pauschalisieren wollen. Josef Vlach, das Prager Kammerorchester ohne Dirigenten.....Milan Munclinger mit Ars Rediviva....da gab es durchaus Impulse, die meist noch von Talich ausgingen über Schüler und Enkelschüler oder "Dunstkreise".
    Da gab es etwas wie eine Auseinandersetzung mit Aufführungspraxis, ohne jedoch "alte Instrumente" verwenden zu wollen/ zu können.

    Selbst in der UdSSR hat Barshai solche Wege zu Mozart gesucht und kam im "Westen" damit nicht gut an, in Ungarn fand man dann auch zügig zu historischem Instrumentarium, vorbereitet durch, ja, Bartok und Kodaly, Vilmos Tatrai, Jozsef Gát, Janos Sebestyen etc..
    Pauschalisierungen sind immer schwierig, auch wenn sie ein durchaus "gültiges" Allgemeinbild abgeben können.

    Ist nun fast wieder ein anderes Thema... aber in eine Thematik "hineinbohren" wie die genannten Ungarn, wie Munclinger, wie auch polnische Musiker (eine Oper Alessandro Scarlattis hörte ich zuerst von einer polnischen LP), wie Barshai mit seinem "unbequemen" Mozart, das war Suitners Sache nicht. (Barschai wird hierzulande ja stets mit DSCH verbunden, seinen sperrigen Mozart scheint kaum jemand zu kennen). Seine, Suitners Art, war wohl einfach eine Art "breiter Pinsel", nie schlecht, nie besonders.
    DDR- Mentailität eines Österreichers: bloß nie auffallen, nie anecken. Konformität.

    So zumindest nehme ich ihn wahr, auch und vor allem im Kontext zu "Kollegen".

    Herzliche Grüße,
    Mike

    "Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst." Voltaire

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