Johannes Brahms: Streichquartett Nr. 2 a-Moll, Op. 51/2 - "Frei aber einsam"
Wie bereits in der Einführung zu Op. 51/1 erwähnt, entstand dieses zweite veröffentlichte Streichquartett von Johannes Brahms zusammen mit seinem leidenschaftlich-düsteren Schwesterwerk im Jahr 1873 nach bereits vielen verworfenen und vom Komponisten auch konsequent vernichteten Vorarbeiten in diesem Gebiet. Ursprünglich war der Geiger-Komponist Joseph Joachim als Widmungsträger vorgesehen. Das Grundmotiv des Kopfsatzes - A-F-A-E - ist eine Variante des Lebensmottos Joseph Joachims: F. A. E., "frei aber einsam". Der Fermatenakkord vor der Stretta des Finalsatzes wird ebenfalls aus diesen Tönen gebildet. Wegen eines Zerwürfnisses mit Joachim eignete Brahms das Werk dann aber wie auch Op. 51/1 Theodor Billroth zu.
Op. 51/2 steht in a-Moll und hat vier Sätze:
- Allegro non troppo
- Andante moderato
- Quasi Minuetto, moderato
- Finale. Allegro non assai
In der Satzfolge entspricht das Quartett also jenem in c-Moll. Auch die groben Satzcharaktere sind identisch. Die Ecksätze in Sonatenform, ein vergleichsweise zügiger langsamer Satz und ein eher kommoder Satz an Scherzostelle, hier als Minuetto bezeichnet, mit einem schnelleren Trio-Abschnitt.
Vom Charakter unterscheidet sich das a-Moll-Quartett allerdings von seinem Schwesterwerk. Frappierend zum Beispiel die Unterschiede im Motorischen. Im Kopfsatz von Op. 51/1 herrscht über weite Strecken Unruhe durch Achtelbewegungen mit Ostinato-Charakter. Das Hauptthemengebilde in Op. 51/1 mit seinem kontrastierenden Mittelteil ist deutlich ungewohnter und bringt mehr innere Spannung, der an sich ähnliche Kulminationspunkt am Ende der Durchführung des Kopfsatzes wird in Op. 51/2 im Unisono geführt, in Op. 51/1 handelt es sich zwar auch um eine gemeinsame Achtelbewegung, aber sie wird über die Stimmen verteilt, quasi zerrissen.
Überhaupt wirken die Grundstimmungen der beiden Kopfsätze unterschiedlich, in Op. 51/1 drängend-leidenschaftlich, in Op. 51/2 versonnen-melancholisch. Das Andante in Op. 51/2 ist deutlich bewegter als das eher hymnische Poco adagio in Op. 51/1. Im zweiten Quartett verwendet Brahms im B-Teil des Andante Zingharese-Elemente. Der dritte Satz beginnt zwar in beiden Werken verhalten, wirkt aber im a-Moll-Werk nicht ganz so klagsam. Mit seinem schnellen B-Teil erinnert er mich insgesamt an die Canzonetta aus Mendelssohns Op. 12. Das Finale hat in Op. 51/2 mit seinem Hemiolenthema auch etwas Drängendes, wirkt aber nicht ganz so verzweifelt-entschlossen wie das Finale von Op. 51/1. Außerdem bringt das liedhafte Seitenthema hier eine Phase der Ruhe und Gesanglichkeit, die man in Op. 51/1 vergeblich sucht.
Bei allen Unterschieden ist das a-Moll-Werk dennoch keineswegs Ausdruck heiterer Entspanntheit. Auch hier finden synkopische Kämpfe statt, auch hier mutet der Klang oft gleichsam symphonisch an, auch hier wird in den Ecksätzen am Ende das Tempo angezogen, auch dieses Quartett findet am Ende keine Dur-Versöhnung. Insofern finde ich die Unterschiede nicht ganz so deutlich wie in dem ebenfalls ungleichen Werkgeschwisterpaar Op. 25 und 26.
Aber jeder höre selbst.