KÁLMÁN: "Das Hollandweibchen"
Die Librettisten Leo Stein und Bela Jenbach - glorios erfolgreich mit der "Csárdásfürstin" - hofften wohl, mit der Masche der nostalgisch-parodistisch-aristokratischen Liebesgeschichte in der traurigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg erneut reüssieren zu können, aber das "Hollandweibchen" erlebte nach seiner Uraufführung 1920 zwar einen gewissen Höhenflug, geriet dann aber ziemlich in Vergessenheit. Es wieder ausgegraben und als Rundfunkaufnahme realisiert zu haben, war ein großes Verdienst von Max Schönherr, dessen Dirigat freilich mehr Temperament vertragen hätte.
Gala 2006 , erschienen auch bei Line:
Die Aufnahme entstand angeblich noch zu Lebzeiten des Komponisten, stammt also wohl aus den frühen 1950ern.
Die Handlung ist eher dürftig; der Begleittext der Gala-Edition merkt jedoch an, daß die witzig-karikaturistische Note der Urfassung in der Schönherr-Version etwas trivialisiert und sentimentalisiert wurde. Das kann ich mir schon vorstellen. Mit guten Schauspielsängern kann man da sicher mehr Schwung hineinbringen.
Prinzessin Jutta und Prinz Paul wurden schon im Säuglingsalter verlobt. Jetzt sind sie herangewachsen und sollen verheiratet werden, ohne sich je gesehen zu haben. Jutta hat sich allerdings in das übersandte Bild und auf Grund glühender Liebesbriefe tatsächlich in den Prinzen verliebt. Was sie nicht weiß: Von diesen Ergüssen hat ihr angeblicher Verfasser keine Ahnung, sie wurden auf Befehl seines Vaters von Pauls Sekretär Sterzel gedichtet. Während Jutta aufgeregt und selig auf die Ankunft ihres Bräutigams wartet, der mit Sterzel per Zug angereist kommt, entwickelt sich aber eine kleine Staatskatastrophe. Prinz Paul, ein bisserl der liebenswerte, aber nicht verdorbene Playboy-Typ, der seine Zwangsverlobung ebenso wenig schätzt wie seine Heiratspflicht, hat von der Existenz der Prinzessin bewußt keine Notiz genommen und nicht einmal ihr Porträt angesehen. Entschlossen, den Intrigen seines Vaters und der beiden Fürstenhöfe zu entgehen, reißt er kurzerhand während der Fahrt aus und genießt still und heimlich an der holländischen Küste sportliche und junggesellige Freuden. Sterzel hingegen steht vor der unangenehmen Aufgabe, in Glücksburg die peinliche Situation auszubaden. Er gibt an, der Prinz sei plötzlich unpäßlich geworden. Die Hofkamarilla versteht es allerdings, mit der peinlichen Situation fertig zu werden. Während Paul glaubt, durch seine Absenz die ganze Affäre hinter sich gelassen zu haben, wird die Trauung dennoch per procura vollzogen. Sterzel wird gezwungen, seinen Herrn dabei zu vertreten. Abgesehen davon, daß ihm davor bangt, dem Prinzen die unerwartete Wendung irgendwann irgendwie beibringen zu müssen, sticht ihm außerdem Juttas Hofdame Elly in die Augen, die ihrerseits ihm auch nicht ungern schöne Augen macht. Als Prinzessin Jutta die Wahrheit erfährt, daß Paul nichts von ihr wissen will, ist sie nicht nur betroffen, sondern auch wütend und will ihm zeigen, daß sie so nicht mit sich spielen läßt. Nachdem sie herausgekriegt hat, wo er sich aufhält, reist sie mit Elly dorthin und gibt sich als Kellnerin aus. Natürlich ist Paul von der charmanten und bildhübschen Mieze sofort hingerissen und nun doppelt entschlossen, Trauung und Prinzessin zu ignorieren und statt dessen mit der liebenswerten "Kellnerin" glücklich zu werden. Diese hat ihm zwar gern den Kopf verdreht, sträubt sich aber jetzt natürlich ein bisserl, um es dem schlimmen Kerl nicht zu leicht zu machen. Sterzer hingegen glaubt noch weiterhin, der Riß zwischen Prinz und Prinzesssin sei unüberbrückbar und kokettiert angesichts seiner Quasi-Trauung mit Jutta ungeniert mit einer künftigen Existenz als Prinzgemahl. Die Verwicklungen lösen sich aber letztlich rasch und ohne viel Komplikationen auf und die richtigen Paare finden endgültig zueinander.
Das Ganze hinterläßt einen doch sehr oberflächlichen Eindruck. Mit der Musik verhält es sich ähnlich. Klar, man merkt, daß Kálmán kein Dutzendkomponist ist. Seine Einfälle sind mitunter recht nett, aber alles wirkt doch zu sehr mit der linken Hand gestrickt. Es fehlen die echten Zugnummern. Aus mancher musikalischen Idee hätte sich mehr machen lassen, so bleibt es zu sehr gepflegte Routine.
Gerda Scheyrer scheint sich in der Rolle als Jutta nicht übermäßig wohl gefühlt zu haben, sie wirkt etwas zu bemüht, aber nicht recht überzeugt von dem, was sie da tut. Nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Sie konnte es anders (ich habe sie ja noch auf der Bühne der Wiener Staatsoper in natura erlebt). Hubert Paule kommt als Prinz mit seiner Aufgabe wesentlich besser zurecht, auch Toni Niessner als Sterzel macht sich nicht schlecht, so wie auch Kurt Preger als Obersthofmeister dem Geblödel Profil zu geben versucht.
Es ist verdienstvoll, das Opus wieder ein wenig ins Licht gerückt zu haben, abe rum dort einen dauerhaften Platz zu erringen, reicht die Substanz vermutlich nicht aus. Vielleicht könnte eine - nur von einem verhältnismäßig genialen Könner zu erwartende - Bearbeitung die Chancen verbessern.