Dmitri Schostakowitsch: Sonate für Klavier Nr. 1 op.12
Der zwanzigjährige aufstrebende Komponist selbst spielte seine 1. Klaviersonate erstmals öffentlich, am 12.12.1926 in Leningrad. Sie sollte, so liest man im Begleitheft zur Klaviersolo-Schostakowitsch-Gesamtaufnahme der 1961 in Detmold geborenen Caroline Weichert (4 CDs Universal/Accord 4428213), ursprünglich „Oktoberrevolution“ betitelt sein. In dem kühnen, etwa viertelstündigen einsätzigen Werk finden sich konstruktivistische und futuristische Tendenzen genauso wie ein Prokofjew-Einfluss, Dissonanzen, Chromatik, Polytonales bis fast Atonales.
Ich habe die Sonate so gehört: Der toccata-artige Beginn (Allegro) wird mit „frechen“ Sprüngen zwischendurch aufgebrochen. Nach fast zweieinhalb Minuten hört man einen trotzigen Marsch (Meno mosso) und dann ein „weicheres“ Thema. Geheimnisvoll-dunkel (Adagio) wechselt die Szenerie nach fast viereinhalb Minuten den Charakter. „Konfus laufend“, zerklüftet, legt das nächste Allegro los (nach fast sechs Minuten), ins nächste Meno mosso hinein. Nach acht Minuten: erneut Adagio, dann Lento, mystisch, geheimnisvoll, Musik wie im Zwielicht, wie ein Gleiten über eine spiegelglatte Fläche. Innehalten, verweilen in dieser Sphäre. Als fast 14 Minuten vorbei sind, legt das Schlussfurioso los, zunächst erneut Allegro, mündend in eine brillante, wilde „Final-Toccata“. Im Begleittext zur Weichert-Aufnahme wird von einem Sonatensatz geschrieben, dessen Durchführung mit dem ersten Adagio beginnt, und die Reprise bringt zunächst den Marsch mit der „weichen“ Melodie als cantus firmus.
Ein aufwühlendes, irrwitzig schwieriges, umwerfendes Klavierwerk! In den wilden Teilen nichts auslassend, in den ruhigen Passagen umso geheimnisvoll-faszinierender.
Weicherts 1988 in Thun entstandene Aufnahme (vom Schreiber in den bei Sikorski erschienenen Noten mitlesend gehört) besticht so wie ich sie höre virtuos ohne je äußerlichen Selbstzweck hervorzukehren, aber auch nuancenreich (die Spannung gerade der großen ruhigen Abschnitte grandios haltend!) und vor allem auch mit toller rhythmischer Prägnanz.