Frank Martin: Die Werke für Soloinstrument und Orchester

  • @ Beitrag 14 / Cembalo

    Damit wären wir wieder beim Thema Cembalo, das ich oben mal in die Runde geworfen habe, das allerdings bislang keine Antwort gefunden hat. Daher möchte ich jetzt konkret werden in der Hoffnung, dass jemand eine dezidiertere Meinung dazu hat.

    Frank Martin: Die Werke für Soloinstrument und Orchester

    Es ist nun so, dass das Label mdg beansprucht, ohne Manipulationen zu arbeiten. Das erscheint mir lobenswert, und in der Tat ist die SACD, alles in allem, sehr ansprechend im Klang. Nur das Cembalo empfinde ich als zu leise. Muss man dies als Folge einer (stärker) unverfälschten Einspielung akzeptieren? Ist es ein Problem der individuellen Schreibweise Frank Martins in diesem Konzert? Oder ein Problem des gewählten Instruments bzw. von dessen Aufstellung?

    Man vergleiche etwa mit folgender älterer Einspielung:

    https://www.youtube.com/watch?v=IISJXKl1Ih4

    Natürlich macht man im Konzertsaal bisweilen ähnliche Erfahrungen, welche nun in der Tat als authentisch bezeichnet werden müssen. Oft ist es dann eine Frage des Sitzplatzes.

    Ich weiß nicht recht.

    Gute Nacht!

    Wolfgang

    PS /EDIT : Interessanterweise finden sich gewisse Ansätze zur Diskussion meines Problems unter den Kommentaren der yt-Aufnahme.

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Ich möchte mich bei der Moderatorin Melanie für das Verlegen des Folgebeitrags in die Splitter ausdrücklich bedanken (1). Ganz so blöd, wie dort dargestellt, bin ich nun auch nicht. Bei Poulenc etwa, so habe ich erfahren, hat Landowska in ihrer frühen Aufnahme ein wesentlich klangstärkeres Instrument verwendet, als dies beispielsweise in einer aktuellen HIP-Aufnahme der Fall ist. Natürlich ist mir bekannt, dass man mit Stützmikrophonen arbeiten kann und dies aller Wahrscheinlichkeit nach in obiger Einspielung nicht geschehen ist. Das Resultat hat mich halt in diesem Fall nicht ganz überzeugt.

    Das wird man hoffentlich noch aussprechen und ggf. zur Diskussion stellen dürfen. Ich habe es auch nicht einfach nur in den Raum gesetzt, sondern hoffentlich in einen verständlichen und nicht gänzlich banalen Kontext (Live-Erfahrung; Vergleichseinspielung).

    Aber gut: Wenn es keine Kompromisslösung geben sollte, dann muss man eben damit leben, dass das Cembalo recht stark im Hintergrund bleibt, will man eine möglichst natürliche Klangvermittlung erzielen. Oder man könnte eine Kritik an Martins Komponierweise in diesem Konzert konstatieren.

    Wenn nichts mehr kommt, habe ich meine mehr oder minder minder- oder mehrbemittelte Frage jetzt eben selbst beantwortet. :P ;)

    (1) @ s. ggf. Splitter, und da leider nicht zum ersten Mal: :cursing: (Es gab mal eine Zeit, vor allem in einem anderen Forum, da hatte ich einen richtig angenehmen Kontakt zu ihm, das Gefühl, dass vor allem ich von ihm lernen konnte, er aber, nach seiner eigenen Aussage, schon auch von mir. Jammerschade, dass das vorbei ist.)

    (Mag auch sein, dass ich hier ein wenig zu empfindlich bin für das raue Forendasein. Es ist halt so.)

    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Ich bin zur Zeit mit der mir zur Verfügung stehenden Zeit etwas knapp, sonst häte ich früher geantwortet.
    Den Themenbereich »modernes Cembalokonzert und die Wahl von Instrument und Aufnahmetechnik« kann man in diesem Thread nicht wirklich erörtern, ohne das Thema zu sehr zu überlagern. (Zweitens ist die bestellte CD noch immer auf dem Weg, und »Auslandsversand« aus Berlin braucht deutlich länger. Erklärung: Weil DHL es nicht mehr hinbekommt. Heute nachmittag ist das Auto mit meinem Paket mit überhöhter Geschwindigkeit durch meine Straße gefahren).

    Zusana Růžičková hat ebenfalls diese modernen Instrumente mit wuchtigerem Klang verwendet, und ihre Interpratation von Cembalowerken Händels hat mich durchaus gepägt (Supraphon-Doppel-LP). Ich weise in disem Zusammenhang auf das 1974/75 entstandene Cembalokonzert ihres Ehemanns Vicor Kalabis hin.


    Beste Grüße, Kermit :wink:

    Es ist vielfach leichter, eine Stecknadel in einem Heuhaufen zu finden, als einen Heuhaufen in einer Stecknadel.

  • Es ist nun so, dass das Label mdg beansprucht, ohne Manipulationen zu arbeiten. Das erscheint mir lobenswert, und in der Tat ist die SACD, alles in allem, sehr ansprechend im Klang. Nur das Cembalo empfinde ich als zu leise. Muss man dies als Folge einer (stärker) unverfälschten Einspielung akzeptieren? Ist es ein Problem der individuellen Schreibweise Frank Martins in diesem Konzert? Oder ein Problem des gewählten Instruments bzw. von dessen Aufstellung?

    Zu der Scheidegger/van Steen-Aufnahme lässt sich dieser Artikel aus der NZZ finden. Dort ist allerdings die Rede von einem sehr präsenten Klang des Cembalos, begünstigt durch das Aufnahmeverfahren und die Satztechnik des Werkes.


    Zitat

    Dank einer Satztechnik, die auf Alternieren von Solo und Tutti sowie auf komplementärer Rhythmik beruht, aber auch einem Aufnahmeverfahren, welches das Cembalo hervorhebt, ist der von Rudolf Scheidegger interpretierte Solopart sehr präsent.

    Lassen sich dem Begleitheft der MDG-Aufnahme Einzelheiten hinsichtlich des verwendeten Cembalos entnehmen?

  • Danke an Yukon und Kermit!

    Dem Begleitheft sind leider keine weiteren Informationen zu entnehmen, sonst hätte ich mich hoffentlich darauf bezogen.

    Es mag gänzlich subjektiv sein, aber ich empfinde den Klang des Soloinstruments eben als nicht sonderlich "präsent", was bei der älteren Einspielung, die ich oben verlinkt habe, meines Erachtens eher der Fall zu sein scheint. Wie gesagt, im Ganzen gesehen ist die SACD klanglich wie interpretatorisch schon überzeugend für mich.

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Es ist nun so, dass das Label mdg beansprucht, ohne Manipulationen zu arbeiten. Das erscheint mir lobenswert, und in der Tat ist die SACD, alles in allem, sehr ansprechend im Klang. Nur das Cembalo empfinde ich als zu leise. Muss man dies als Folge einer (stärker) unverfälschten Einspielung akzeptieren?

    Nein, das muss man nicht. Wenn man sich den hochgradig technischen Vorgang einer Schallaufzeichnung bzw. -wiedergabe vor Augen führt, erscheint der Anspruch "ohne Manipulationen" eher skurril: Akustische Signale (Schallwechseldruckschwingungen) werden zunächst in elektrische Spannungsänderungen transformiert, diese dann digitalisiert und gespeichert, und zum Hören wieder in ein elektrisches Signal und anschließend in die Schwingung einer Membran umgewandelt. Das ist, wenn man so will, "Manipulation" pur. "Ohne Manipulation" ergäbe eigentlich nur Sinn, wenn man in dieser Kette die Signale bzw. Spannungen hinter den Mikrofonen nicht weiter veränderte, also einfach in einem möglichst guten Raum den optimalen Platz für zwei möglichst gute Mikrofone fände, um deren Signal zu digitalisieren und ohne jede weitere Bearbeitung zu speichern. Diesen Anspruch erhebt aber nicht einmal MDG selbst: Auf ihrer Website schreiben sie zu ihrem "Klangkonzept":
    "Das puristische Ideal 'nur zwei Mikrofone' kann selten den komplexen Anforderungen einer Aufnahme mit mehreren Instrumenten gerecht werden."
    Hinzu kommt, dass ein "unverfälschtes" Klangbild keineswegs einfach zu definieren ist: Meint man damit, dass der Klang messbar nahe an dem ist, was man im Saal selbst hören würde? Oder soll eher seine Wirkung möglichst ähnlich sein? Das sind zwei verschiedene Dinge, weil z.B. im Konzert die optische Lokalisierung einzelner Instrumente bzw. Musiker (oder auch des Dirigenten) die akustische Durchhörbarkeit erleichtert, was vor den Lautsprechern natürlich wegfällt.
    Ich halte es deshalb (wenigstens in diesem einen Fall) lieber mit Helmut Kohl: Entscheidend ist, was hinten raus kommt. Ob nun mit zwei oder zweihundert Mikrofonen aufgenommen: Ein zu leises Cembalo ist nicht "unverfälscht" sondern - zu leise.

    Christian

  • Nur das Cembalo empfinde ich als zu leise.

    Hallo Wolfgang,
    ich denke, dass es einfach ein Problem der Aufnahmetechnik sein dürfte.

    Ubrigens finde ich auch, dass das in Beitrag 21 ein ganz normaler Denkanstoss von Dir war, bei dem mich dann nur schwer wundert wie (in dieser abgedrehten Form = siehe Splitter) man daran Anstoss nehmen kann ?

    ______________

    Gruß aus Bonn

    Wolfgang

  • Danke auch Dir, Wolfgang aus Bonn! Ich verstehe Michael Schlechtriem nicht mehr.

    Und ebenso meinen Dank für den interessanten Beitrag an Christian Köhn!

    :wink:

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Beitrag 24 von Yukon

    Nochmals kurz meine Sicht zur Satztechnik des Werks. Im Großen und Ganzen ist diese zweifellos durchdacht, auf Wechselwirkungen hin orientiert und natürlich auf interessante Klangmischungen. Gegen Ende findet sich auch eine längere, nicht sonderlich virtuose, sondern bewusst materialfundierte Kadenz. Dass ein Soloinstrument hinter einem lauten Orchesterpart verschwindet, kann man nun wirklich auch live erleben - ich erinnere mich unangenehm an diese beinahe dauerhafte Erfahrung mit Rachmaninow, wobei der Pianist nicht Weltklasse gewesen sein mag.

    Aber - es tut mir leid - bei der Kadenz von Scheidegger gewinnt man den Eindruck, man habe das Instrument noch ein wenig weiter weggerückt, vergleicht man mit dessen Potential im ersten Satz des Konzerts.

    :cincinbier: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Nur das Cembalo empfinde ich als zu leise.

    a. Muss man dies als Folge einer (stärker) unverfälschten Einspielung akzeptieren?
    b. Ist es ein Problem der individuellen Schreibweise Frank Martins in diesem Konzert?
    c. Oder ein Problem des gewählten Instruments bzw. von dessen Aufstellung?

    a. Ist eine Frage, wie man es selber hält - MDG hat sich dafür entschieden, es eben nicht besonders hervorzuheben, so daß es der Wirklichkeit näher kommt. Ob es dem Hörer gefällt, ist eine andere Frage.

    b. Bestimmt nicht - er wird schon gewußt haben, daß ein Cembalo klanglich nicht so stark ist.

    c. siehe a. - hier geht es eher um einen speziellen klangästhetischen Anspruch.


    Mag das falsch sein? Ich weiß nicht so recht. Natürlich ist eine Aufnahme etwas anderes als die Wiedergabe der Realität, aber andererseits wissen gute Tontechniker, daß man technisch tricksen muß, um eine "authentische" Klangsituation zu simulieren. Ich kenne dieses Phänomen auch von anderen Aufnahmen, und die waren bestimmt nicht an eine authentische Wiedergabe interessiert. Hier ist es bewußt so gemacht worden.

    PS:
    Es kann natürlich sein, daß es hier auch um die Tonspur geht - hast du die CD-Spur angehört oder die Mehrkanal-Spur?

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Auch Dir danke ich für Deinen Kommentar, werter JD! Dein Hinweis bezüglich des Mehrkanalsystems war nicht unwichtig, ich hatte nicht in diese Richtung gedacht - vielleicht liegt hier der berühmte Hund begraben, vielleicht auch nicht.

    Denn ich besitze ein ordentliches SACD/CD-Gerät (Yamaha 1000), höre aber SACD zugegebenermaßen über nur zwei Lautsprecher, was ich aus verschiedenen Gründen nicht ändern werde.

    Vielleicht muss ich mich in der Tat an diese Einspielung gewöhnen, bin aber dennoch froh, dass ich solche Erfahrungen eher selten machen muss.

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.


  • Dem Begleitheft sind leider keine weiteren Informationen zu entnehmen, sonst hätte ich mich hoffentlich darauf bezogen.

    Schade - für mich hört sich das verwendete Instrument nach einem großdimensionierten Wittmayer oder Sperrhake/Neupert moderner Bauweise an (teilweise mußte ich vor dem Hintergrund der Hörbeispiele hinsichtlich des Klangs an Hans Pischners Bachaufnahmen denken), was dem behaupteten präsenten Klangbild entgegenkäme. In der Sache habe ich noch einmal recherchiert, konnte aber wider Erwarten nichts finden.

  • Ich muss um Verzeihung bitten, dass ich nicht genau genug auf das Kleingedruckte geschaut habe (das Alter, die Konzentration ...):

    Konzertcembalo Martin Scholz, Basel. Baujahr 1963, Modell 260, 2 Manuale, 4 Register, Pedalschaltung. Im Besitz der Hochschule der Künste, Bern

    Das dürfte sich in Deiner Größenordnung bewegen, Yukon, denke ich. Es ändert aber nichts an meinem Höreindruck.

    Besten Gruß, Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Die Problematik mit dem zu leisen Cembalo war Frank Martin anscheinend sehr bewusst; ich zitiere aus der englischsprachigen Wikipedia zur "Petite symphonie concertante", die ebenfalls ein Cembalo enthält (Link: https://en.wikipedia.org/wiki/Petite_symphonie_concertante :(

    The piece was intended for the so-called "revival harpsichord", the large early-20th-century instruments built in the piano tradition by makers such as Robert Goble and Pleyel. It is one of the few pieces in the sinfonia concertante genre to be composed in the twentieth century. Fearing that the unusual instrumentation of the "Petite symphonie concertante" might limit performances, Martin later rescored the work for a conventional large orchestra (without solo instruments) as the "Symphonie concertante".


    Die hier erwähnte Fassung für großes Orchester stammt aus dem Jahr 1946 und ist auf dieser CD zu hören:
    < >
    https://www.amazon.de/Symphonic-Conc…g=UTF8&qid=&sr=
    (die CD kam heute endlich mit DHL statt am Montag wie mir avisiert wurde; ich konnte sie aber noch nicht hören)

    LG, Kermit :wink:

    Es ist vielfach leichter, eine Stecknadel in einem Heuhaufen zu finden, als einen Heuhaufen in einer Stecknadel.

  • Magst Du berichten, Kermit ?! Eine weitere Einspielung des bekanntesten Orchesterwerks von Frank Martin könnte ich verkraften ...

    Es gehört eigentlich nicht hierher, aber ganz kurz dennoch: Das Friedensoratorium In terra pax ( s.o. Beiträge 7, 8 : Frank Martin: Die Werke für Soloinstrument und Orchester) habe ich in der von einem Amazon-Kunden kritisierten Aufnahme heute gehört. Die Einspielung aus den Sechzigern erscheint mir klanglich unproblematisch, der pathetische, aber nirgends affektierte Gesang entspricht dem Wesen dieser Musik, die mich im Übrigen sehr anspricht - mich, der ich wahrlich kein großer Vokalmusik-Kenner bin. Aus meiner Sicht: Empfehlung!

    :cincinsekt: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Ich bekomme einen ersten Eindruck, und der ist erschütternd.
    Ohne die kleine Besetzung und die solistischen Abschnitte von Violine und (in der alten Decca-Aufnahme recht durchdringendem, zum Teil irritierend klingendem) Cembalo verliert die Sinfonia concertante (ohne das vorangestellte Petite) ihr vielleicht wesentlichstes Merkmal, die Spritzigkeit und Leichtigkeit. Teilweise wirkt das Ergebnis in der großen Besetzung erschreckend zäh. Die zusätzlichen Klangfarben des großen Orchesters bieten in diesem Zusammenhang keine wirkliche Entschädigung.
    Ich müsste noch mit anderen Aufnahmen vergleichen, denn Spaß bereitet keine. Denn die historische Klangqualität der Decca-Doppel-CD erscheint mir beim dritten Hören noch schlimmer.
    (Auch die Passacaglia, obwohl sechs Jahre später aufgenommen, schafft es in der gebotenen Klangcharakteristik Saties Vexations in den Schatten zu stellen :D )
    LG, Kermit

    Es ist vielfach leichter, eine Stecknadel in einem Heuhaufen zu finden, als einen Heuhaufen in einer Stecknadel.

  • Danke Dir! Dann werde ich das auf jeden Fall lassen. Ein Rundfunkmitschnitt der Petite Symphonie Concertante ist so schlecht nicht oder ich werde mir doch noch die folgende Einspielung zulegen, gegen die ja weder anhand dieses Fadens noch anhand der Kommentare beim Partner (noch anhand der Erwerbskosten ...) irgendetwas zu sprechen scheint:

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

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