BERG: Wozzeck - Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf, Premiere am 20.10.2017

  • BERG: Wozzeck - Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf, Premiere am 20.10.2017

    Besuchte Vorstellung am 27.10.2017

    Als Bühne auf der Bühne ist ein Guckkasten eingerichtet, in dem wir eine Hinrichtungszelle sehen (Bühne und Kostüme: Stefan Hetzner). Von der anderen Seite schauen auf Bänken sitzende Zeugen der Hinrichtung Wozzecks per Giftinfusion zu. Mit dem Einsetzen der Musik entpuppt sich der den Tod kontrollierende Beamte als der Hauptmann, Wozzeck erhebt sich wieder von der Liege. Die Geschichte wird nun aber weniger als Rückblende erzählt als in freier Assoziation über die einzelnen Szenen. Dabei treten die Darsteller immer wieder auch mal aus dem Guckkasten heraus und nach vorne an den Bühnenrand, dabei geht dann das Saallicht an - die Zuschauer sind direkt angesprochen. An Einfällen mangelt es Regisseur Stefan Herheim wie gewohnt nicht. Die Szene, in der Wozzeck und Andres Stecken schneiden und Wozzeck Gespenster sieht ("dort rollt abends ein Kopf") zitiert die Totengräber aus "Hamlet". Marie trägt ein Kleid in derselben Farbe wir Wozzecks Sträflingskleidung. Maries Knabe wird ansonsten auf einen Lichtkegel reduziert. Der Tambourmajor entspringt dem Rheinischen Karneval und kommt als Blauer Funke, der Marie bringt er außer Ohrringen auch ein Tanzmariechen-Kostüm mit. Der Pfarrer aus der vorgeschalteten Hinrichtungsszene entpuppt sich irgendwann als der Narr und verwandelt sich in eine zweites, allerdings glatzköpfiges Tanzmariechen. Die Vollzugsbeamten der Strafanstalt geben den Jägerchor und die Handwerksburschen und würgen sich gegenseitig zu Tode. Außerdem wird freudig kopuliert (allerdings mit Unterhose) und Wozzeck zum Cunnilingus gezwungen. Doktor und Hauptmann tragen in der vorletzten Szene Engelsflügelchen und sitzen über dem Proszenium des Guckkastens. Und wenn das alles nicht mehr reicht, kommen Videos (Fettfilm) zum Einsatz, damit z.B. Wozzeck Marie auch am See ermorden kann. Und die Darsteller kaspern und hampeln umher, zucken und wackeln, und fuchteln mit dem penetrant in Szene gesetzten Rasiermesser umher, das schon der Hauptmann zu Beginn Wozzeck bedeutungsschwanger in die Hand gedrückt hatte.

    Was Herheim, ganz anders als etwa in seiner letzten DOR-Produktion (Händels "Serse") nicht gelingt, ist seine Ideen in Zusammenhang zu bringen. So wird aus dem Stück eine grelle Farce, obwohl das doch alles gar nicht ironisch oder lustig gemeint ist, wie am Schluss erkennbar wird: da lesen wir dann auf dem Vorhang, was Alban Berg sich zum Orchester-Epilog gedacht hat; und ein Büchner-Zitat kommt noch hinterher. Und am Ende treten alle Darsteller aus der Bühne heraus, während Kinder in der gleichen roten Sträflingskleidung wie Wozzeck die Schlußszene vorführen. Da ist die Grenze zur Peinlichkeit endgültig erreicht.

    Die eigentliche Hinrichtung findet allerdings im Orchestergraben statt, wo die Düsseldorfer Sinfoniker unter Axel Kober einen groben Dauerlärm veranstalten und weder auf Feinheiten der Orchestrierung Rücksicht nehmen noch je zu rhythmischer Eindeutigkeit finden. So bleibt etwa vom Ländler in der Wirtshausszene nicht einmal eine Andeutung übrig - da geht ja André Rieu mit dem Wiener Walzer noch sorgsamer um. Von den Schönheiten und dem Anwechslungsreichtum der Wozzeck-Partitur bleibt geradezu nichts übrig. Die Sänger (darunter immerhin Bo Skovhus, Camilla Nylund und Matthias Klink) sind infolge nur teilweise hörbar und verlegen sich eher auf (gebrülltes) Deklamieren als aufs Singen.

    Schade - ein Abend auf den ich mich gefreut hatte! OK, abgehakt!

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

  • Nun habe ich den Düsseldorfer Wozzeck auch gesehen. Nach obiger Besprechung hatte ich meine Vorbehalte, war dann aber doch positiv überrascht. Mir hat die Inszenierung gut gefallen, peinlich fand ich sie nicht. Das Dirigat dagegen hat mich auch nicht überzeugt. Alles in allem dann aber doch ein schöner Abend -- im Gegensatz zum Düsseldorfer Hoffmann, den ich vor zwei Wochen gesehen habe.

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