Gibt es alte Musik?

  • In Dir ist die Vorstellung dieser Melodie. Für das Erklingen einer Melodie ist es aber erforderlich, dass sie außerhalb ist, denn sie ist ein akustisches Phänomen. Alles andere ist Lyrik. Zwar vielleicht ganz hübsch, aber nicht brauchbar als exakte Beschreibung.

  • Nun - was ist denn ein akustisches Phänomen? Nur, damit wir wissen, worüber wir sprechen.

    Das ist im Zusammenhang mit dieser Frage vollkommen belanglos. Was immer ein akustisches Phänomen sein mag, der Satz bleibt unbestreitbar wahr: Alles, was ist, ist entweder ein solches Phänomen oder nicht. Man kann den Satz auch ganz allgemein formulieren: Für jeden Gegenstand X gilt, dass er entweder Y oder nicht Y ist. Es ist dabei vollkommen bedeutungslos, was Y ist, der Satz gilt immer. (Es handelt sich im den Satz vom ausgeschlossenen Dritten, eine der allerältesten philosophischen Binsenweisheiten nicht nur des abendländischen Denkens. Und übrigens ein Satz, der nicht nur Philosophen, sondern jedem einigermaßen denkfähigen Menschen vollkommen zugänglich ist. Jeder weiß, dass ein Ding entweder ein Apfel ist oder nicht. Das Manöver, das Du da gerade probiert hast, ist etwas arg durchsichtig, findest Du nicht auch?)
    Aber wenn Du wirklich eine Antwort auf die Frage brauchst: Sie ist einfach. Ein akustisches Phänomen ist eines, das über das Hörorgan wahrgenommen werden kann. Diese Bestimmung reicht für diesen Zusammenhang aus. Die Frage, welche Hörorgane gemeint sind, wie es sich also mit für uns Menschen oder auch für gehörlose Menschen nicht wahrnehmbaren akustischen Phänomenen verhält, können wir ausklammern, weil es jedenfalls klar ist, dass eine Partitur oder eine Erinnerung nicht über die Ohren wahrgenommen werden können, also keine akustischen Phänomene sind, we alle anderen, die nicht akustischer Natur sind und deshalb nicht über die Ohren wahrgenommen werden können. War das so schwer?

    Ich finde es zumindest nicht trivial.

    Wenn ein stocktauber Cellist eine Cellosuite von Bach in einem akustisch vollkommen isolierten Raum spielt, in welchem außer ihm nur ein weiteres, ebenfalls stocktaubes Wesen ist, ist dieses Spiel dann ein akustisches Phänomen? - Es kann über ein Hörorgan wahrgenommen werden - nach Deiner Definition also ja - trotzdem tue ich mich bei dem ein wenig konstruierten Beispiel schwer mit der Antwort. Schließlich ist ja kein funktionierendes Hörorgan da.

    (Nur, um nicht komplizierte Beispiele wie Schrödingers Katze zu benennen. Tertium datur.)

    Für jeden Gegenstand X gilt, dass er entweder Y oder nicht Y ist. Es ist dabei vollkommen bedeutungslos, was Y ist, der Satz gilt immer. (Es handelt sich im den Satz vom ausgeschlossenen Dritten, eine der allerältesten philosophischen Binsenweisheiten nicht nur des abendländischen Denkens. Und übrigens ein Satz, der nicht nur Philosophen, sondern jedem einigermaßen denkfähigen Menschen vollkommen zugänglich ist. Jeder weiß, dass ein Ding entweder ein Apfel ist oder nicht.


    Kann es sein, dass Du den Satz vom ausgeschlossenen Dritten mit dem Satz von Widerspruch verwechselst?

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Ich finde es zumindest nicht trivial.

    Wenn ein stocktauber Cellist eine Cellosuite von Bach in einem akustisch vollkommen isolierten Raum spielt, in dem außer ihn nur ein weiteres, ebenfalls stocktaubes Wesen ist, ist dieses Spiel dann ein akustisches Phänomen? - Es kann über ein Hörorgan wahrgenommen werden - nach Deiner Definition also ja - trotzdem tue ich mich bei dem ein wenig konstruierten Beispiel ein wenig schwer mit der Antwort. Schließlich ist ja kein Hörorgan da.

    Ich bin gern auch mal für Blödeleien zu haben. Aber ich schätze es nicht, wenn eine ernstgemeinte Diskussion durch Blödeleien an die Wand gefahren wird, vor allem dann nicht, wenn ich den Eindruck habe, dahinter steckt vielleicht sogar der Gedanke, dass ich zu blöd bin, zu bemerken, was da geschieht.

    Dass ich den Satz vom ausgeschlossenen Dritten mit dem Satz vom Widerspruch verwechsle, kann nicht sein. Glaube mir nur getrost, dass ich weiß,, wovon ich spreche und nicht von Dingen spreche, von denen ich nichts weiß.

  • Aber ich schätze es nicht, wenn eine ernstgemeinte Diskussion durch Blödeleien an die Wand gefahren wird,

    Das ist mir in der Tat bisher noch nicht aufgefallen.

    Und zu Schrödingers Katze hast Du eventuell auch keine Lust, etwas zu sagen. Finde ich nachvollziehbar.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • ad Argonaut: ich denke nicht, dass ich verpflichtet bin, eine Definition über Musik anzubieten, zumal wir hier ja über komponierte und notierte Musik diskutieren. Eine bedeutsame Erweiterung, wie ich meine. Weshalb ich Deine enge Auffassung als ungültig betrachte, habe ich ausgeführt. Man kann anhand einer Partitur von einem aktuellen physikalischen Ereignis abstrahieren und trotzdem ästhetischen Genuss empfinden. Das kann man auch bei Gedichten, ohne dass sie laut vorgelesen werden müssen. Dass ein vorgelesenes Gedicht einen anderen ästhetischen Wert hat als ein nicht vorgelesenes, erscheint logisch. Als Lyrik bezeichnet man aber beides.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Das ist mir in der Tat bisher noch nicht aufgefallen.

    Sehr komisch.

    Zu Schrödingers Katze habe ich sehr viel zu sagen, das gehör aber nicht hierher.

    Hierher gehört allerdings, dass ich Dir die Mühe ersparen möchte, ein Buch zur Hand zu nehmen und Dich über den Satz vom ausgeschlossenen Dritten zu informieren. Darum ganz zeitgemäß ein Link, durch den Du Dich über den Satz vom ausgeschlossenen Dritten informieren kannst. Dort findest Du auch den Hinweis auf den Satz vom Widerspruch, mit dem man ihn nicht verwechseln sollte. (Ich finde, bevor man einem anderen unzureichendes Wissen unterstellt, sollte man sich vergewissern, dass es bei einem selbst reicht.)

    https://de.wikipedia.org/wiki/Satz_vom_…ossenen_Dritten


    ad Argonaut: ich denke nicht, dass ich verpflichtet bin, eine Definition über Musik anzubieten, zumal wir hier ja über komponierte und notierte Musik diskutieren.


    Du verblüffst mich immer wieder. Hier gleich zweimal in einem Satz. Wer hat denn gesagt, dass Du zu irgendetwas verpflichtet bist? Ich ging davon aus, dass es Dein Interesse ist, einen sinnvollen Beitrag zur Debatte zu leisten, dass Du also möchtest, dass Dein Standpunkt verstanden wird. Wenn Du das willst, wirst Du ihn wohl erklären müssen. Wenn Du es nicht willst, ist es natürlich anders, aber warum redet man, wenn es einem egal ist, ob man was sagt? Das ist die erste Verblüffung. Die zweite ist: Mir ist ganz neu, dass wir hier über notierte Musik reden. Bisher gab es diese Einschränkung nicht. Wo kommt die so plötzlich her? Soweit ich mich erinnere (vielleicht täusche ich mich ja, dann bitte ich um Aufklärung), war hier ausdrücklich auch von Improvisationen die Rede. Und eine Improvisation zeichnet sich meiner Ansicht nach dadurch aus, dass sie nicht notiert ist, jedenfalls nicht, so lange improvisiert wird.

    Weshalb ich Deine enge Auffassung als ungültig betrachte, habe ich ausgeführt.


    Nanu? Ich erinnere mich lediglich daran, dass Du erklärt hast, für Dich wären auch Gedanken Musik. Die Erklärung, warum das so ist, hast Du hingegen gerade mit dem Hinweis, dass Du nicht verpflichtet bist, sie zu geben, verweigert.

    Man kann anhand einer Partitur von einem aktuellen physikalischen Ereignis abstrahieren und trotzdem ästhetischen Genuss empfinden.


    Das hat meines Wissens niemand bestritten. Jedenfalls nicht in dieser Diskussion. Es gab auch gar keine Gelegenheit, weil das gar nicht der Gegenstand der Diskussion ist und auch in keiner Abschweifung gestreift wurde.

  • Niemand hat dies getan.

    Ist das eine Anspielung auf die Odyssee? Hieß, der, der meinte, mir unterstellen zu sollen, dass ich nicht weiß, was der Satz vom ausgeschlossenen Dritten ist, etwa Niemand? Mir schien, er trug den Namen Mauerblümchen. Hat da Schrödingers Katze dazwischenmiaut?

  • Mir schien, er trug den Namen Mauerblümchen.

    Dass es Dir so schien, ist ja keine Aussage über den Wahrheitswert der Aussage "Mauerblümchen hat gesagt, dass Argonaut den Unterschied zwischen dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten und den Satz vom Widerspruch nicht kennt".

    Was denn nun? Wie ist es mit Deinem "Scheinen"?

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Ich habe wirklich viel Humor. Aber wenn mich jemand unbedingt für blöd verkaufen will, ist der schnell am Ende. Lassen wir es also lieber sein.

    Ich füge allerdings hinzu, dass Du die Frage, die eine rhetorische war und selbstverständlich genau diesen Sinn hatte, nicht gestellt hättest, wenn Du über den Satz vom ausgeschlossenen Dritten Bescheid wüsstest. Die mir unterstellte Wissenslücke ist also offensichtlich auf Deiner Seite. Ich will Dich nicht weiter davon abhalten, sie zu stopfen.

  • ad Argonaut: also in Deinem Eingangsbeitrag geht es eindeutig um den Unterschied zwischen Notation und Realisierung. Und genau auf dieser Basis habe ich hier diskutiert. Deine vorgestellte These ist, dass es keine alte Musik geben könne, da Musik nur in der Gegenwart entstehen kann. Dies ist für mich eine unsinnige Reduktion von Kunst (dies gilt nämlich, siehe Lyrik, nicht nur für die Musik) auf physikalische Prozesse. Wenn wir uns darauf einigen, dass Musik Kunst ist, und Kunst des menschlichen Verstands bedarf, um zu entstehen, dann tritt hier die Idee in den Vordergrund. Hier wäre anzusetzten (ich schreibe jetzt nicht mehr "meiner Meinung nach").

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • 1. Der Ausgangspunkt war in gewissem Sinne die notierte Musik, die Fragestellung war auf diese nicht beschränkt und die Diskussion bewegte sich auch schnell zum Gebiet der Improvisation.
    2. Niemand reduzier Kunst auf ein physikalisches Phänomen, wenn er sagt, dass es Musik nicht gibt, wenn nichts erklingt. Sondern er äußert eine Binsenweistheit.

  • ich denke nicht, dass ich verpflichtet bin, eine Definition über Musik anzubieten

    Verpflichtet ist hier niemand, aber da Du (wie einige andere) die ganze Zeit mitteilst, was "für Dich" Musik sei, wäre in einer theoretischen Diskussion Deine Definition sehr hilfreich. So hingegen entsteht bei mir leider der Eindruck, dass eine potentiell interessante Diskussion gerade durch diejenigen zerstört wird, die an ihrem Thema weder interessiert sind noch etwas zu ihr beizutragen haben, sich aber dennoch beteiligen zu müssen meinen. Und selbst wenn Du keine Definition anbietest: Die Frage, welcher Vorteil darin liegen soll, Musik gleichermaßen und wahlweise als akustisches Phänomen, als die Erinnerung oder den Gedanken an ein solches und als eine strukturierte Sammlung von Zeichen aufzufassen, ist bisher nicht beantwortet worden. Die mehrfach vertretene "Meinung", man solle das doch alles nicht so genau nehmen, ist jedenfalls keine Antwort und hilft auch in dieser Diskussion nur dann weiter, wenn man deren Zerstörung betreiben will. Das findet gerade ziemlich erfolgreich statt.
    Mich hätten noch ganz andere Dinge interessiert, z.B.: Wie steht es um das Verhältnis von Musik zum Theater? Welche Analogien gibt es und welche Unterschiede? Statt dessen muss man sich hier mit Albernheiten rumschlagen, wie der Frage, ob eine Melodie, die "in mir klingt", tatsächlich klingt. Schade.

    Christian

  • Ad 2: das ist eben falsch. Wir sind fähig die Idee eines Klangereignisses ästhetisch zu bewerten, etwa wie im Falle eines nicht vorgelesenen Gedichts. Ich stimme allerdings zu, dass man "Erfahrung" mit einem physikalischen Ereignis gemacht haben muss, um dessen ästhetischen Bedeutung zu erkennen. Analog gibt es einen Unterschied zwischen einem Blinden, der einst sah, und einem Blinden, der nie sah.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • 2. Niemand reduzier Kunst auf ein physikalisches Phänomen, wenn er sagt, dass es Musik nicht gibt, wenn nichts erklingt. Sondern er äußert eine Binsenweistheit.

    Das mit Binsenweisheiten ist manchmal so eine Sache.

    Ich folge der vorgelebten Praxis des Zitierens der Wikipedia. Dort gibt es im Artikel "Musik" einen Abschnitt "Begriff und Begriffsgeschichte" und darin einen Unterabschnitt "Definitionsgeschichte". Man lese. Offenbar gab es eine Menge kluger Geister, die mit der "Binsenweisheit" nicht so ganz konform gingen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Musik

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Verpflichtet ist hier niemand, aber da Du (wie einige andere) die ganze Zeit mitteilst, was "für Dich" Musik sei, wäre in einer theoretischen Diskussion Deine Definition sehr hilfreich. So hingegen entsteht bei mir leider der Eindruck, dass eine potentiell interessante Diskussion gerade durch diejenigen zerstört wird, die an ihrem Thema weder interessiert sind noch etwas zu ihr beizutragen haben, sich aber dennoch beteiligen zu müssen meinen. Und selbst wenn Du keine Definition anbietest: Die Frage, welcher Vorteil darin liegen soll, Musik gleichermaßen und wahlweise als akustisches Phänomen, als die Erinnerung oder den Gedanken an ein solches und als eine strukturierte Sammlung von Zeichen aufzufassen, ist bisher nicht beantwortet worden. Die mehrfach vertretene "Meinung", man solle das doch alles nicht so genau nehmen, ist jedenfalls keine Antwort und hilft auch in dieser Diskussion nur dann weiter, wenn man deren Zerstörung betreiben will. Das findet gerade ziemlich erfolgreich statt.
    Mich hätten noch ganz andere Dinge interessiert, z.B.: Wie steht es um das Verhältnis von Musik zum Theater? Welche Analogien gibt es und welche Unterschiede? Statt dessen muss man sich hier mit Albernheiten rumschlagen, wie der Frage, ob eine Melodie, die "in mir klingt", tatsächlich klingt. Schade.

    Christian

    Was albern oder destruktiv ist, steht nicht Dir zu zu entscheiden. Ich argumentiere hier nicht destruktiv sondern nur ohne jene Arroganz, mit der Du und Argonaut hier auftreten. Das mag Dir "wertlos" erscheinen, ist mir aber egal. Ich lasse mich nicht einschüchtern, da könnt Ihr Euch noch so blähen.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Ich folge der vorgelebten Praxis des Zitierens der Wikipedia. Dort gibt es im Artikel "Musik" einen Abschnitt "Begriff und Begriffsgeschichte" und darin einen Unterabschnitt "Definitionsgeschichte". Man lese. Offenbar gab es eine Menge kluger Geister, die mit der "Binsenweisheit" nicht so ganz konform gingen.

    Das ist aber eine Neuigkeit. Sollte es wirklich möglich sein, dass es auch andere Auffassungen gegeben hat? Danke, dass Du mich darüber informiert hast.

    Freilich ist das mit den Autoritätsbeweisen so eine Sache. Wenn wir nicht beide dieselbe Autorität anerkennen, funktioniert er nicht. Nun erkenne ich die von Dir genannten Autoritäten nicht an. Es wird Dir also nichts anderes übrig bleiben, als ein Argument zu formulieren, denn »X hat das so gesagt«, ist aus dem genannten Grund keins. Das Argument sollte zeigen, wie Deiner Ansicht nach Musik definiert werden sollte; wie diese Definition die Probleme ausräumt, die der Ausgangspunkt der Debatte sind; warum diese Deine Definition das besser tut als eine andere; mit einem Wort: welchen praktischen Wert es hat, die Definition so zu fassen. Bisher habe ich hier nichts dergleichen vernommen.

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