Donizetti: Lucia di Lammermoor - Neuinszenierung in Dresden

  • Donizetti: Lucia di Lammermoor - Neuinszenierung in Dresden

    Achtzig Jahre hat das Dresdner Opernpublikum auf eine szenische Neuinszenierung von Gaetano Donizettis Belcanto-Oper „Lucia di Lammermoor“ warten müssen.

    Zwar gab es2008 eine konzertante Aufführung mit Edita Gruberova in der Semperoper, aber nun hat es innerhalb eines Jahres gleich zwei Neuinszenierungen der „Lucia“ in unserem Einzugsgebiet gegeben.

    In Leipzig hatte Katharina Thalbach eine prachtvoll ausgestattete Inszenierung mit einer kuriosen Premiere im November 2016 vorgestellt: Die Sängerin der Titelpartie Anna Virovlansky hatte sich einen Bänderriss zugezogen und musste im Rollstuhl auftreten. Die Regisseurin sprang als böser Geist ein, um der gehandicapten Lucia zu helfen, sich auf der Bühne zu bewegen, was im Zeitalter des Regietheaters durchaus auch als Regieeinfall hätte durchgehen können.

    In Dresden hat nun der durch seine unkonventionellen Regiebearbeitungen bekannte Dietrich W. Hilsdorf die Oper als sein Hausdebüt ganz im Geist von Walter Scotts Roman „Die Braut von Lammermoor“ inszeniert. Keine bemühte Symbolik, kein erhobener Zeigefinger- volle Konzentration auf den Gesang, der von zwei Sängerpersönlichkeiten dominiert wird:

    Für die schwierige Titelpartie wurde die junge Russin Venera Gimadieva, uns bereits seit 2016 als hervorragende Violetta bekannt, gewonnen.

    Mit einem prachtvollen vokalen Fundament entwickelt sie in allen Lagen weiche warme Töne zu einem tiefen sich zur Wahnsinns-Szene steigernden Charakterbild.

    Ihr mächtiger Konkurrent im Sängerensemble ist Georg Zeppenfeld, der den Part des Raimondo, selbiger von der Regie vom Vertrauten der Lucia zu ihrem Bruder aufgewertet, zum zweiten Höhepunkt des Opernabends führt. Wir sind dankbar, dass unser Nachbar Georg Zeppenfeld als ausgewiesener Familienmensch gern zu Hause übernachtet und deshalb doch häufiger im Hause präsent ist, als andere Weltstars, die im Ensemble der Semperoper gestartet sind und sich hier rar machen.

    Auch wenn der Raimondo dem Enrico Ashton in der Inszenierung die Führerschaft inm Hause Ashton streitig macht, mit seinem Gesang und der darstellerischen Leistung erweist sich der italienische Bariton Simone Piazzola den beiden Protagonisten absolut ebenbürtig, so dass sich die Szene zu einem tollen Stimm-Fest entwickeln konnte.

    Der litauische Tenor Edgaras Montvidas, im Hause ansonsten als Don Ottavio präsent, bietet uns einen stimmlich und schauspielerischen ausgezeichneten Edgardo Ravenswood, den Geliebten der Lucia. Insbesondere mit seinem Abschied von der toten Lucia im letzten Akt wusste er das Auditorium emotional zu berühren.

    Der amerikanische Tenor Simeon Esper, seit 2011 vielbeschäftigtes Mitglied des Solistenensembles des Hauses, war ein ordentlicher Lord Arturo Bucklaw. Auch das aus Norwegen stammende Ensemblemitglied Tom Martinson hatte als Intrigant Normanno seine gute Leistung.

    In wenigen Szenen geistert noch die Mezzosopranistin Susanne Gasch als Lucias verstorbene Mutter Alisa über die Szene; das Hausdebüt der Dresdnerin.

    Der Staatsopern-Chor, hier vorbereitet von Cornelius Volke, trieb die Handlung voran, hatte seine Freude am Spektakel und, rundet den musikalischen Gesamteindruck des Abends.

    Im Graben die an Wagner geschulten Musiker der Staatskapelle unter der Leitung des Belcanto-Spezialisten Giampaolo Bisanti. Detailgenau kommt jeder Ton, jeder Akkord knallhart auf den Punkt, die Sänger mal begleitend und gelegentlich unterstützend.

    Leider ließ sein Dirigat nach musikalischen Höhepunkten zu viel Raum für den unmöglichen Szenenapplaus. Insbesondere in der Wahnsinns-Szene gab es Pausen, von Bisanti möglicherweise als Ruhepunkte gedacht. Aber da, wo Berührtheit angebracht war, stürzte sich das Auditorium in rauschenden Beifall sowie Bravo-Rufe und beschädigte so den Eindruck des ansonsten hervorragenden Abends.

    Eine Besonderheit der musikalischen Gestaltung ist, dass es gelungen war, für die reichen Koloraturen der Wahnsinns-Szene die von Donizetti vorgesehene Glasharmonika mit dem Dresdner Sascha Reckert zu erwecken und damit Lucias psychischen Zusammenbruch nervenaufreibend zu zerdehnen. Ein ungewohntes Klangbild mit Rückenschauer-Charakter.

    Das Bühnenbild von Johannes Leiacker minimalistisch, düster und in schwarz gehalten: Ein Tisch, eine verwüstete Tafel, ein Sarg, das Bett und eine rotglühende Bibel. Dem angepasst auch die Kostüme von GesineVöllm und die Lichtgestaltung von Fabio Antoci.

    Für mich war der Abend ein Beitrag meiner selektiven Versöhnung mit Regietheater-Inszenierungen, eine Entwicklung, die mit Katharina Wagners Tristan begonnen hat.

    Keine gewaltsamen Aktualisierungen, bei diesem Stoff doch mit seinem absurdem Handlungsablauf ohnehin schwer, das Fehlen zeitlicher und örtlicher Einordnung, auch wenn einige das Geschehen in Schwaben gegen Ende des 19. Jahrhunderts angesiedelt sehen möchten, erlaubten, dass man sich vollständig der Musik und dem prachtvollen Gesang hingeben konnte.

    Sollte es gelingen, die Qualität der Gesangsleistungen über die Jahre zu retten, so könnte die „Lucia“ von Hilsdorf ein Publikumsmagnet des Dresdner Touristen-Repertoires werden.

  • Neu-Inszenierung von Donizettis "Lucia di Lammermoor"

    Hallo thomathi,

    danke für den ausführlichen und aussagekräftigen Bericht! Ich habe die Inszenierung auch gesehen (möglicherweise sogar dieselbe Vorstellung).
    Eigentlich wollte ich selbst etwas dazu schreiben, doch deinen Worten gibt es für mich nichts hinzuzufügen. Einfach Klasse! Ich bin begeistert!

    Viele Grüße aus Sachsen
    Andrea

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