Ernst Krenek - Die Streichquartette

  • Ernst Krenek - Die Streichquartette

    Ernst Krenek (1900-1991) - das "Chamäleon" oder die "one man history" der Musik des 20. Jahrhunderts - hat acht Streichquartette geschrieben. Diese verteilen sich allerdings nicht gleichmäßig über die lange Schaffensperiode von über 70 Jahren. Die ersten vier Quartette entstanden kurz nach Abschluss des Studiums bei Franz Schreker 1921-1923 im Umfeld der ersten drei Symphonien. Das 5. und 6 folgten Anfang und Mitte der 30er Jahre. Das 7. Quartett entstand dann schon im amerikanischen Exil kurz vor Ende des 2. Weltkrieges. Nachdem das Thouvenal Quartet 1979 beim Santa-Barbara-Festival zum ersten Mal alle sieben Quartette aufgeführt hatte, gaben die Musiker ein 8. in Auftrag, das 1980 als später Nachzügler entstand.
    Die Quartette von Krenek sind bisher diskographisch nur unzureichend gewürdigt worden. Die bisher einzige GA entstand 1992 für das MDG Label unter dem Sonare Quartett, dem spieltechnische Mängel bei der Umsetzung vorgeworfen wurde. Eine zweite geplante GA durch das Petersen Quartett für das Label mit dem Forumsnamen kam über zwei Folgen nicht hinaus, die Formation löste sich leider auf. Ob die Petersen Musiker Conrad Muck (jetzt Leipziger SQ) und Daniel Bell (jetzt Mannheimer SQ) den Ball noch einmal aufnehmen können oder wollen oder eine andere Formation einspringt, bleibt abzuwarten. Verdient hätten es die Werke auf alle Fälle.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Streichquartett Nr. 1 op.6 (1921)

    Das erste Quartett von Ernst Krenek entstand unmittelbar nach der Studienzeit bei Franz Schreker. Die Einflüsse des Lehrers, über den der Komponist später wenig Gutes sagte, sind kaum hörbar. Das Quartett ist vielmehr von Bartok und dem frühen Schönberg beeinflusst. Die Anlage mit 8 Sätzen erinnert an Beethovens cis-Moll Quartett op. 131. Die rhapsodisch zusammengefügten Sätze wechselnder Stimmung "werden von einem ziemlich einfachen chromatischen thematischen Material zusammengehalten, das häufig um die beiden Halbtonschritte der Progression B-A-C-H kreist" . "die ausgedehnte Doppelfuge im vorletzten Abschnitt zeigt meine frühe Schwäche für ausgeklügelte kontrapunktische Winkelzüge." (Ernst Krenek).
    Mit diesem Quartett, das 1921 vom Lambinon-Quartett in Nürnberg uraufgeführt wurde, erregte der Komponist große Aufmerksamkeit und begründete seinen Ruf als kommender Mann.
    Die 8 Sätze sind abwechselnd eher kontemplativen oder aggressiv-motorischen Charakters, das Quartett beginnt und endet ähnlich mit einem Lento. Ein klangstarkes Werk, das den Vergleich mit Bartok 1 und 2 m.E. nicht zu scheuen braucht.

    Die Aufnahme des Petersen Quartetts von 2003 ist Spitzenklasse, besser als in dieser Zusammensetzung (Muck-Bell-Weigle-Krejci) waren sie m.E. nie. Beim Werbepartner wartet derzeit eine gebrauchte CD zu kleinem Geld auf einen Interessenten.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Die CD ist leider eine Un-CD. Anscheinend folgte Capriccio einige Jahre der zum Glück nur kurze Zeit verbreiteten Unsitte der kopiergeschützten CDs... ich habe sie vor einiger Zeit gekauft, aber bisher noch nicht abgespielt, weil der Laufwerk, das ich z Zt. benutze so verzweifelt rumrödelt, dass es zum Erbarmen ist...

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Die CD ist leider eine Un-CD. Anscheinend folgte Capriccio einige Jahre der zum Glück nur kurze Zeit verbreiteten Unsitte der kopiergeschützten CDs... ich habe sie vor einiger Zeit gekauft, aber bisher noch nicht abgespielt, weil der Laufwerk, das ich z Zt. benutze so verzweifelt rumrödelt, dass es zum Erbarmen ist...

    Ich hatte bisher auf keinem meiner Player ein Problem damit. Vielleicht liegt es an einer fehlerhaften Pressung.

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  • Streichquartett Nr. 2 op. 8 (1921)

    Nach dem Erfolg des ersten Streichquartetts wartete Krenek nicht lange mit seinem nächsten Werk für das Genre. Es ähnelt von der Struktur her dem 2. Quartett von Bartok mit drei Sätzen, zwei ruhigeren Aussensätzen, Andante sostenuto und Adagio und einem Allegro-Mittelsatz. Es klingt strenger und teils dissonanter als das erste, hat aber auch sehr schöne Passagen fast romantischer Verklärtheit. Die UA besorgte 1922 das Havemann Quartett in Berlin und das Werk wurde positiv aufgenommen. Hat mir beim ersten Hören gleich gut gefallen. Als Nicht-Musiker und Nicht-Notenleser bin ich in der glücklichen Lage, die anderorts hier kritisierten Intonationsprobleme des Sonare Quartetts nicht wahr zu nehmen. Fällt für mich bei weitgehend atonaler Musik auch nicht so ins Gewicht. Bei den "Fachleuten" vom Preis der Deutschen Schallplattenkritik offensichtlich auch nicht, denn die haben die Aufnahme seinerzeit in die Vierteljahresliste aufgenommen. Bei mir klebt hinten auch noch der Preissticker drauf, € 21 hat mich die 4er-Box vor einigen Jahren gekostet, neu wohlgemerkt. Dafür würde ich sie jederzeit wieder kaufen.

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  • Streichquartett Nr. 3 op. 20 (1923)

    Das dritte Streichquartett entstand 1923 zu einer Zeit als der Komponist aus dem Vollen schöpfte und auch seine monumentale 2. Symphonie und seine erste Oper "Der Sprung über den Schatten" schrieb. Die Fülle an musikalischen Ideen, die er in dieses Werk packt, ist frappierend und lässt die Frage im Raum stehen, warum dieses Quartett nicht im Repertoire ist. Das Werk zeigt eine fünfsätzige Anlage (über deren Aufteilung es zwischen der Aufnahme des Petersen und des Sonare Quartetts Diskrepanzen gibt) und beginnt mit einem bartokartigen Ostinato, das zum Ende des Satz in eine Fuge übergeht. Das Adagio bringt Ruhe und Kontemplation und einige berückende Momente. Nach einem weiteren Allegrosatz kommt ein Wiener Walzer bzw dessen Zerlegung gefolgt von einem kurzen bartokartigen Abschluss. Starkes Stück Musik gekonnt serviert vom Petersen Quartett, das 3 1/2 Minuten weniger braucht als das Sonare Quartett, dessen Aufnahme ich noch hören muss.
    Das Werk ist Paul Hindemith gewidmet, dessen Amar Quartett auch die UA auf dem IGNM-Festival 1923 in Salzburg besorgte. Das Verhältnis der beiden Komponisten war freundschaftlich, aber wohl durchaus auch von Eifersüchteleien geprägt.


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  • Streichquartett Nr. 4 op. 24 (1923)

    Ende des Jahres 1923 entstand das vierte Streichquartett von Ernst Krenek, teils im Weihnachtsurlaub im schweizerischen Zuoz, wohin Krenek vom Industriellen und Mäzen Werner Reinhardt eingeladen worden war. Es markiert den Übergang von der expressionistischen Phase der ersten drei Quartette (und Symphonien) zu einer neoromantischen/neoklassizistischen Schreibweise. Dieser Übergang vollzieht sich praktisch über die 6 Sätze des Werkes, das relativ ernst beginnt und nach einem ausgedehnten romantisch eingefärbten Adagio über ein von einer spanischen Tanzplatte inspirierten Satz in ein etwas verspieltes, teils mozartisches Allegro mündet. Laut Komponist fehlt noch ein abschliessender Satz, was aber nicht unbedingt auffällt. Ob einem dies Werk gefällt, hängt vielleicht auch davon ab, ob man sich mit der heute verbreiteten, postmodernen Schreibweise anfreunden kann, denn das 4. Quartett von Krenek ist eine Art früher Vorbote.

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  • Streichquartett Nr. 5 op. 65 (1930)

    Das fünfte Streichquartett von Ernst Krenek entstand 1930 sieben Jahre nach dem vierten. Inzwischen hatte er 1927 seinen Welterfolg "Jonny spielt auf" auf die Bühne gebracht, es zeichnete sich aber auch schon eine zunehmende Denunzierung als Kulturbolschewist durch die aufkommende Nazibewegung ab.
    Das fünfte Quartett ist mit ca. 40 min Spielzeit das längste und schliesst die neoromantische Phase ab, kurz darauf wendet sich Krenek der Dodekaphonie zu. Das dreisätzige Quartett durchweht ein Schubert'scher Geist ohne seine Entstehung im 20. Jahrhundert zu verleugnen, es ist eine Art Abgesang auf die Tonalität. Der dritte elegische Satz - eine Phantasie - verklingt kaum hörbar mit einer letzten spätromantischen Geste. Der Mittelsatz, ein fast 20-minütiger Variationensatz bringt noch einmal alle Stimmungen durch die Musik des 19. Jahrhunderts gekennzeichnet ist. Ein ungewöhnliches Werk, dass ich noch öfter hören muss, um es abschliessend einordnen zu können. Gehört in der Interpretation durch das Petersen Quartett.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Streichquartett Nr. 6 op. 78 (1936)

    In den sechs Jahren zwischen dem fünften und sechsten Streichquartett vollzog sich in Kreneks musikalischem Denken ein grundlegender Wandel, er beschäftige sich intensiv mit der Dodekaphonie (es entstand u.a. seiner Oper Karl V.) und sein sechstes Streichquartett gibt Zeugnis davon. Das fünfsätzige halbstündige Werk ist rein zwölftonmäßig angelegt und erinnert deshalb nicht von ungefähr an das 3. und 4. Streichquartett von Arnold Schönberg. Letzteres entstand übrigens zeitgleich.
    Charakteristisch wie bei Schönberg ist vor allem eine intensive thematische Arbeit, die aber die vor allem durch Bartok entdeckten modernen Spieltechniken weitgehend ignoriert. Diese Art von Musik kann ich gelegentlich hören, wirklich ansprechen tut sie mich aber nicht.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

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