Franz Schubert: Streichquartett d-Moll D. 810 ("Der Tod und das Mädchen")
Der Beiname “Der Tod und das Mädchen”, den man sofort mit dem d-Moll-Quartett D. 810 von Franz Schubert assoziiert, stammt zwar nicht vom Komponisten, hat aber angesichts des zitierten Liedes (1817, D. 531) natürlich schon Sinn. Entsprechende Deutungen waren und sind die Folge. Angesichts der desolaten gesundheitlichen Situation und auch schlechten psychischen Verfassung des Komponisten zum Zeitpunkt der Komposition des Quartetts liegt es nahe, Verzweiflung und Trauer in die Komposition hineinzuinterpretieren, die ja auf die meisten Hörer über weite Strecken dramatisch, tragisch und düster wirken dürfte. Das Gedicht von Matthias Claudius vermittelt eher eine romantische Jenseitssehnsucht, der Tod tritt als Freund Hein auf, der dem angsterfüllten Mädchen Mut zuspricht und ihm Geborgenheit in Aussicht stellt.
Schubert vollendete das Quartett im März 1824 kurz nach Komposition des a-Moll-Quartetts D. 804 (“Rosamunde”). Wie er seinem Freund Leopold Kupelwieser mitteilte, wollte er drei Quartette großen Formats schreiben, um sich für die Komposition einer großen Symphonie zu rüsten, was auch eine gute Erklärung für einen dramatischen Entwurf mit stark kontrastierenden Themen, großen Spannungsbögen und prägnanten Satzcharakteren wäre.
Im Gegensatz zu D. 804 erlebte Schubert beim d-Moll-Quartett keine öffentliche, sondern lediglich private Aufführungen im Freundeskreis. Ignaz Schuppanzigh, der Primarius des Streichquartetts, das die späten Beethoven-Quartette wie auch D. 804 uraufführte, soll Schubert nach einer dieser privaten Aufführungen geraten haben, lieber bei seinen Liedern zu bleiben. Das Werk wurde - wohl auch wegen allgemein mangelnden Interesses an Streichquartetten in einem Wien, das sich in einer Rossini-Euphorie befand - erst posthum im Jahr 1831 veröffentlicht und im März 1833 öffentlich uraufgeführt. Heute gehört es zum Kernrepertoire.
Das Werk hat vier Sätze, einen Kopfsatz in Sonatenform (Allegro), den Variationssatz (Andante con moto) über das Liedthema, ein synkopisch energisches Scherzo (Allegro molto) und eine Presto-Tarantella als Finale. Alle Sätze stehen ungewöhnlicher Weise in Moll, die Grundtonart des Werkes d-Moll wie der daktylische Rhythmus des Variationsthema haben jenseitige Symbolkraft. Der düster-ernste Charakter wird konsequent durchgehalten.
Interessantes zur Editionsgeschichte des Quartetts findet sich hier: Maurice J. E. Brown: Schubert's D Minor Quartet: A Footnote, The Musical Times Vol. 111, No. 1532 (Oct., 1970), pp. 985+987
Die Partitur gibt es recht komfortabel hier hier zu sehen.
Aufnahmen soll es auch geben. Nicht nur zu diesen gibt es bestimmt viele Anregungen und Ergänzungen von Euch!