Erich Wolfgang Korngold: Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35 - mehr Caruso als Paganini?

  • Erich Wolfgang Korngold: Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35 - mehr Caruso als Paganini?

    Zu Erich Wolfgang Korngold (1897-1957) gibt es, wie ich gerade feststelle, überraschend wenig in Capriccio, auch nicht zu dem Werk, um das es hier gehen soll.

    Ich räume offen ein: Korngolds Violinkonzert kenne ich nicht, habe es nie gehört und besitze auch keine Aufnahme davon. Daß ich es dennoch wage, einen Thread hierzu zu eröffnen, ist schlicht damit begründet, daß es mir demnächst im Konzertsaal begegnen wird, am 10.02.2018 in Wiesloch (bei Heidelberg). Solist ist Gil Shaham, Lorenzo Viotti dirigiert das SWR Symphonieorchester.

    Aus der Programmankündigung: "Das spätromantische Violinkonzert von Korngold bezaubert durch seine Melodien und seinen unwiderstehlichen Charme." Damit sind wir bereits beim Werk.

    Die wichtigsten Daten: Komponiert wurde es in den USA (wohin der Komponist bekanntlich vor den Nazis fliehen mußte, 1934). Er hatte sich bereits einen guten Ruf als Filmkomponist erworben, doch kehrte er hier wieder zur traditionellen Konzertform zurück, wobei er Themen aus eigenen Filmmusiken einbaute. 1937-39 entstand eine erste Fassung, die 1945 revidiert wurde.

    Uraufführung: 1947 in St. Louis, Missouri, mit Jascha Heifetz und dem Saint Louis Symphony Orchestra unter der Leitung von Vladimir Golschmann.

    Satzfolge: 1. Moderato nobile, 2. Romance: Andante, 3. Allegro assai vivace. Spieldauer ca. 23 Minuten.

    Quelle: Wikipedia, daraus auch die Äußerung des Komponisten, nach der das Violinkonzert eher für einen Caruso als für einen Paganini sei.

    Es gibt eine ganze Reihe von Aufnahmen. Ich erwähne hier nur zwei.

    Gil Shaham, London Symphony Orchestra, André Previn (1994)

    Vilde Frang, hr-Sinfonieorchester, James Gaffigan (2016)

    Was meinen die Korngold-Kenner?

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Lieber Gurnemanz, vielen Dank für diesen Thread! Als Kenner äußere ich mich nicht, nur als Entdecker. Dürfen die auch? ;) Habe das Werk vor ca. einem Jahr konzentrierter gehört und damals notiert:

     

    Von Erich Wolfgang Korngolds 1947 in St. Louis uraufgeführtem Konzert für Violine und Orchester D-Dur op.35 (Violinkonzert-Opuszahl wie bei Tschaikowsky), in dem der Komponist auch eigene Filmthemen verwendet hat, gibt es zwei CD Aufnahmen mit den Wiener Philharmonikern. Die erste ist ein Livemitschnitt von den Salzburger Festspielen 2004. Benjamin Schmid spielte das Werk am 24.7.2004 unter der Leitung von Seiji Ozawa im Großen Festspielhaus. Die zweite entstand für Sony/RCA im Dezember 2006 im Wiener Musikverein mit Nikolaj Znaider und Valery Gergiev. (Interessanterweise entstanden beide Aufnahmen vor der ersten des Orchesters von Alban Bergs Violinkonzert.)

    Die SRF2 Diskothek vom 30.1.2017, wiederholt und vom Schreiber gehört am 4.2.2017, bezog (für mich) leider keine dieser Aufnahmen in den kritischen Hörvergleich ein.

    Dort waren zu hören:

    Aufnahme 1: Vilde Frang, Violine, Frankfurt Radio Symphony; James Gaffigan (2016).
    Aufnahme 2: Jascha Heifetz, Violine, Los Angeles Philharmonic; Alfred Wallenstein (1953).
    Aufnahme 3: Anne Sophie Mutter, Violine, London Symphony Orch.; André Previn (2004).
    Aufnahme 4: Gil Shaham, Violine, London Symphony Orchestra; André Previn (1994).
    Aufnahme 5: Renaud Capuçon, Rotterdam Philharmonic Orch., Yannick Nézet-Séguin (2009)

    Das Resultat damals: Mutters Dauerintensität strengt an, Shaham zu wenig charmant, der historische Heifetz im 2. Satz abfallend gegenüber den Favoriten, Frang nobel, sensibel, Capuçon wird den Stimmungsschwankungen im Werk am besten gerecht, dazu kommt der besonders gute Dialog mit dem Orchester und eine gute Phrasengestaltung.

    Die bevorzugten Aufnahmen der Sendung also: Vilde Frang und Renaud Capuçon.

    Bei Schott gibt es auch eine kurze Info zum Konzert.

    Korngolds Musik haben die Wiener Philharmoniker ab 1912 (!) in Konzerten gespielt. Erstaunlicherweise dauerte es das Konzert betreffend aber bis zum 24. und 25.8.2004, um erstmals in Konzerten der Wiener Philharmoniker zu erklingen, gespielt im Großen Festspielhaus in Salzburg von Benjamin Schmid und dirigiert von Seiji Ozawa. Im Wiener Musikverein erklang das Werk dann in dieser Besetzung am 8., 9. und 10.6.2007 in der 7. Soiree und im 10. Abonnementkonzert. Die CD Aufnahme mit Znaider und Gergiev im Dezember 2006 brachte keine Konzertaufführung mit sich, es wurde in den damaligen Wiener Konzerten nur das ebenfalls aufgenommene Brahms Violinkonzert gespielt. Am 16.3.2014 dirigierte Zubin Mehta in der New Yorker Carnegie Hall das Orchester erstmals bei diesem Werk, im Rahmen eines Programms „Vienna; City of Dreams“. Solist war hier Gil Shaham.

    Meine Höreindrücke aus dem Vorjahr:

    Bei dem 1945 vollendeten, 1947 uraufgeführten ca. 25 Minuten langen Konzert ist der erste Satz (Moderato nobile) ein Sonatensatz mit einer Kadenz während der Durchführung, der zweite Satz eine farbenreich-träumerische, zauberische Romance und der dritte Satz ein so richtig virtuoses 6/8 Finale (Allegro assai vivace). Besonders bestechen die Hollywoodtraumwelt-Klangfarben im Orchester bei allen Sätzen.

    Die CD Aufnahme aus Salzburg 2004 (CD Oehms Classics OC 537) lässt den Solisten fast wie einen Engel über dem klangüppig aufspielenden Orchester schweben, eine innige, einschmeichelnde Interpretation ist das von Solistenseite her. Nach den 1. Satz wurde 2004 in Salzburg auch applaudiert. Der Orchesterklang der Znaider/Gergiev Aufnahme (CD Sony/RCA 88697103362, aufgenommen 12. bis 19.12.2006) ist „studiomäßig“ differenzierter, damit wird eine gewisse Distanz geschaffen. Znaiders Ansatz wirkt zunächst etwas schwerer, gewichtiger, er scheint mehr ins Werk zu wühlen als über ihm zu schweben, löst sich aber mit dem innigen 2. Satz, der wie aus einem Guss erklingt, in ähnlichem Wohllaut wie bei Schmid. Die Liveaufnahme von 2004 wirkt insgesamt doch unmittelbarer.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Als Kenner äußere ich mich nicht, nur als Entdecker. Dürfen die auch? ;)

    Das möge die Moderation entscheiden. :D

    Im Ernst: Herzlichen Dank für Deine sehr informativen Erläuterungen! "Hollywoodtraumwelt-Klangfarben" sind nicht so ganz meine Welt, aber das muß nicht heißen, daß ich nicht offen wäre für ein Konzert, das der Filmmusik nahesteht.

    Auf Gil Shaham live bin ich jedenfalls schon sehr gespannt! Und Vilde Frang habe ich kürzlich mit dem Elgar-Violinkonzert erlebt - ganz feines, sensibles Spiel mit viel Sinn für herbstliche Romantik. Das könnte auch bei Korngold passen...

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Hier noch eine Kopplung Tschaik / Korngold. Sehr ausdrucksstark, sozusagen mein Favorit. Laurent Korcia als Solist, mit dem Liège Royal Philharmonic unter Jean-Jacques Kantorow.

    Helli

  • Korngold schätze ich durchaus. Allerdings ist mir das Frühwerk mit seinem harmonischen Raffinement lieber als das in der Tat sehr an Hollywood gemahnende Violinkonzert, wobei ich den kompositorischen Wert im Detail gar nicht unbedingt in Abrede stellen möchte, die technischen Schwierigkeiten, die Virtuosität des Soloparts erst recht nicht. Aber insgesamt scheint es mir doch einen Rückschritt zu bedeuten in der Entwicklung des Komponisten hin zum Süßlich-Gefälligen, zur Repetition, zur Selbstvermarktung. Gut, vielleicht sollte man das nicht so hart formulieren ... :/

    Ich könnte mir vorstellen, dass ein Live-Erlebnis sehr interessant werden kann. Obigen Interpretationsvergleich finde ich ebenfalls sehr anregend. Keine Ahnung, wie oft und in wie vielen Deutungen ich vor allem im Rundfunk das Konzert bereits gehört habe; es dürfte sich in Grenzen halten - gerade seit ich den "anderen" Korngold einschließlich der Oper Die tote Stadt für mich entdeckt habe.

    Ich besitze (mindestens) die folgende Aufnahme - mit Jascha Heifetz; ein gewisser Grad an Authentizität dürfte ihr insofern zukommen:

    https://www.amazon.de/Heifetz-plays-…orngold+Heifetz

    EDIT: Soeben habe ich in die oben von philmus verlinkte Einspielung hineingehört. Das ist ein schlanker, etwas trockenerer, zeitgemäßer Ansatz, der mich durchaus anspricht. :) Andererseits geht meine Empfehlung an philmus: Solltest Du Korngold weiter nicht kennen, hör Dir doch mal das frühe Klavierquintett (op. 15) oder das Klavierkonzert für die linke Hand oder die Streichquartette an ... nach wie vor meines Erachtens interessantere Kost und ein faszinierend individueller Stil!

    EDIT 2: @ Motiaan: Korcia kenne ich mit Bartok. Ganz ausgezeichnet! ... Ist mir noch gar nicht aufgefallen, dass beide (Tschaikowsky und Korngold) die Nummer 35 tragen. 8o

    :cincinbier: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Im Ernst: Herzlichen Dank für Deine sehr informativen Erläuterungen! "Hollywoodtraumwelt-Klangfarben" sind nicht so ganz meine Welt, aber das muß nicht heißen, daß ich nicht offen wäre für ein Konzert, das der Filmmusik nahesteht.

    Ich habe dieses Konzert Anfang der 90er in der Frankfurter Alten Oper gehört (ich war wegen Bruckners 4., die nach der Pause kam, hingegangen) und fühlte mich danach wie nach dem Genuß einer ungesund hohen Menge saccharinsüßen Wackelpuddings... ;( - diesen süßlichen Klangfarben bei gleichzeitig (so jedenfalls mein erster Eindruck) mäandrierendem, wenig geradlinigem Kompositionsaufbau konnte ich wenig abgewinnen.

    Aber Du kannst es Dir ja mal anhören, vielleicht gefällt es Dir ja besser als mir!

    Gruß,

    Normann

    zwischen nichtton und weißem rauschen

  • Tjaja, das Ding ist sehr popig. Ich kann's deswegen auch nur manchmal hören.
    Ich habe die Naxos-Aufnahme mit Philippe Quint und dem Orquesta Sinfónica de Mineria unter Carlos Miguel Prieto, aus dem Jahre 2007:
    'http://www.musicweb-international.com/classrev/2009/…old_8570791.htm

    Ich kenne auch die o.g. Aufnahme mit Heifetz, die mMn etwas nüchterner ausfällt und klanglich gar nicht mal so stark gegenüber der Aufnahme mit Quint zurückfällt. Da wurde beim Remastering der Aufnahme mit Heifetz wohl die Perspektive erweitert.

  • diesen süßlichen Klangfarben bei gleichzeitig (so jedenfalls mein erster Eindruck) mäandrierendem, wenig geradlinigem Kompositionsaufbau konnte ich wenig abgewinnen.

    Dann war Dein erster Eindruck falsch. Der Kompositionsaufbau ist glasklar, "süßliche Klangfarben" gibt es traditionellerweise im langsamen Satz und stellenweise im Kopfsatz (wo sie aber mit Scherzando-Abschnitten usw. kontrastiert werden), aber überhaupt nicht mehr im rasanten, spielfreudigen Finale.

    Allerdings ist mir das Frühwerk mit seinem harmonischen Raffinement lieber als das in der Tat sehr an Hollywood gemahnende Violinkonzert

    Das Violinkonzert ist gerade harmonisch sehr raffiniert: Schon das erste Thema hat als melodischen Höhepunkt die lydische Quart, dem folgt eine Ganztonleiter abwärts. Beide Elemente spielen im Laufe des Stückes eine zentrale Rolle. Daneben gibt es Bitonalität und vieles mehr. Und der "Hollywood"- bzw. "Filmmusik-"Vorwurf ist bei einem Komponisten, der die Filmmusik quasi erfunden und dort etliche Nachahmer gefunden hat, ziemlich albern: Nicht Korngold klingt nach FIlmmusik sondern diese nach Korngold. Formal hat das Konzert wie gesagt mit Filmmusik ohnehin nichts zu tun. Da "gemahnt" überhaupt nichts.

    Christian

  • Dann war Dein erster Eindruck falsch. Der Kompositionsaufbau ist glasklar, "süßliche Klangfarben" gibt es traditionellerweise im langsamen Satz und stellenweise im Kopfsatz (wo sie aber mit Scherzando-Abschnitten usw. kontrastiert werden), aber überhaupt nicht mehr im rasanten, spielfreudigen Finale.

    Das Violinkonzert ist gerade harmonisch sehr raffiniert: Schon das erste Thema hat als melodischen Höhepunkt die lydische Quart, dem folgt eine Ganztonleiter abwärts. Beide Elemente spielen im Laufe des Stückes eine zentrale Rolle. Daneben gibt es Bitonalität und vieles mehr. Und der "Hollywood"- bzw. "Filmmusik-"Vorwurf ist bei einem Komponisten, der die Filmmusik quasi erfunden und dort etliche Nachahmer gefunden hat, ziemlich albern: Nicht Korngold klingt nach FIlmmusik sondern diese nach Korngold. Formal hat das Konzert wie gesagt mit Filmmusik ohnehin nichts zu tun. Da "gemahnt" überhaupt nichts.

    Christian

    Du hast sicher recht, insbesondere was die Umkehrung im Verhältnis zur Filmmusik anbelangt - danke für den Hinweis -, dennoch gefällt mir die Harmonik des Frühwerks besser. Diese wirkt auf mich eben überhaupt nicht "filmmusikhaft", was immer das letztlich sein mag, sondern eröffnet spezifische Perspektiven zwischen Jugendstil und Neuer Musik.

    Der dritte Satz ist weit weg von Filmmusik-Klischees, auch da stimme ich Dir absolut zu.
    :cincinbier: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Dann war Dein erster Eindruck falsch.

    [...] ziemlich albern [...] Da "gemahnt" überhaupt nichts.

    Ich finde es ziemlich befremdlich, Bewertungen so respektlos herunterzumachen, wenn sie Deinen eigenen nicht entsprechen. Das ist in meinen Augen miserabler Stil.

    Abgesehen davon vielen Dank für Deine Erläuterung der kompositorischen Rafinessen, die das Konzert offensichtlich enthält!

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Zitat von Gurnemanz

    Ich finde es ziemlich befremdlich, Bewertungen so respektlos herunterzumachen, wenn sie Deinen eigenen nicht entsprechen. Das ist in meinen Augen miserabler Stil.

    Danke, werter Kollege! Es hat mich nicht so sehr gestört, weil ich nicht Pianist und Musikwissenschaftler bin wie Christian Köhn, weil er wohl letztlich Recht hat und ich nur dazulernen kann, aber es ginge in der Tat freundlicher. Vielleicht war es auch gar nicht so negativ gemeint - das alte Problem von Internet-Kommunikation.

    Nochmals kurz zur Sache und letztlich sicher gänzlich subjektiv: Die harmonischen Raffinessen das Konzerts bezweifle ich nicht im Geringsten, aber das Frühwerk - das ich eben mindestens genauso raffiniert finde - reizt mich stärker. Es ist ja nun nicht so, dass Korngold seinen Stil auffällig geändert hätte; was er geändert hat, ist der (Breitwand-)Sound, in den er diesen Stil einpackt und der mich gewiss nicht abstößt, aber schlicht nicht wirklich anzieht.

    Mag sein, dass etwa die ganz frühe Sinfonietta auch schon filmmusikhaft breit daherkommt, nur empfinde ich Korngold hier als naiv und frisch, als neuartig und genialisch.

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Ich finde es ziemlich befremdlich, Bewertungen so respektlos herunterzumachen, wenn sie Deinen eigenen nicht entsprechen.

    Die Behauptung, das Korngold-Konzert hätte einen "mäandrierenden, wenig geradlinigen Kompositionsaufbau" ist nun mal nachweislich falsch. Der angebliche Unterschied in der Harmonik des Früh- und Spätwerks müsste wenigstens belegt werden (Ich habe ihn übrigens bisher nicht erkannt). Und der Filmmusik-Vorwurf basiert auf einer offenkundigen Verwechslung von Ursache und Wirkung, und wird auch dadurch nicht plausibler, dass ihn einer vom anderen abschreibt. [...]

    Christian

    ----
    Anmerkung der Moderation: Ab hier wurden diverse off-topic-Beiträge und -Passagen in einen eigenen Faden ausgelagert.
    /Amaryllis

  • [...]

    Vielleicht sind harmonische Unterschiede zwischen Sinfonietta und dem Violinkonzert wirklich nicht oder kaum gegeben. Ich nehme das zurück und mache meine Hörerfahrung stärker an der Instrumentation beider Werke und dem biographischen Hintergrund fest. Dann habe ich mich halt zu vage ausgedrückt.

    Du schreibst doch auch, dass Du mit Schnittke nicht viel anfangen kannst oder willst. Ich schätze ihn sehr, würde mich aber absolut hüten, so zu reagieren, wie Du das oben getan hast.

    :cincinbier: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • [...]

    In einem Eröffnungsbeitrag zu diesem Thread hätte z.B. stehen können, dass man Korngold Unrecht tut, indem seine Kompositionen vor seiner Flucht in die USA immer wieder mit seiner Filmmusik in Verbindung gebracht werden. Bekanntlich hat sich Korngold nicht gerade aus Neigung mit der Komposition von Filmmusik beschäftigt, sondern weil er den Unterhalt für seine Familie verdienen musste. Ganz nebenbei hat er dabei dieses Genre aber massgeblich bereichert. Der Bedarf für ausgefeilte Orchestermusik oder Opern war zu seiner Zeit in den USA nicht besonders groß, zumal es eine ganze Reihe von emigrierten Musikern aus Europa gab, die ähnliches vorhatten. Das Violinkonzert kann als Versuch angesehen werden, sich ein Stück seiner alten Welt zu retten. Wie andere Kollegen auch bedeutete die Vertreibung aus seiner alten Welt für ihn eine Katastrophe. Seine kompositorischen Ideale, die sich stark aus dem Geschmack des fin de siècle und dem Wien am Beginn des 20. Jh. herleiten, hat Korngold eigentlich sein Leben lang befolgt. Bei seinen früheren Kompositionen sind vielleicht die Einflüsse von Wagner oder Strauss noch etwas deutlicher, aber spätestens mit "Die tote Stadt" und erst Recht mit "Das Wunder der Heliane" hat er sich als eigenständiger Komponist emanzipiert.

    Die oben bereits vorgestellte Aufnahme aus Salzburg mit Benjamin Schmidt halte ich für ausgezeichnet gelungen, denn sie vermittelt sehr eindrucksvoll die klare Kompositionsweise mit der dieses Konzert gestaltet wurde. Es geht dem Solisten und dem Dirigenten Seiji Ozawa offenbar einerseits um die Ehrenrettung dieses Werkes und andererseits um die Präsentation eines in jeder Hinsicht gelungenen Meisterwerks, ohne dabei Effekthascherei zu betreiben.
    Die Aufnahme des Uraufführungs-Violinisten Jascha Heifetz ist für mich über jeden Zweifel erhaben, wie nahezu alles dieses Ausnahmemusikers (einer der Wenigen der diesen Titel auch wirklich verdient). Dies war auch meine erste Bekanntschaft mit diesem Werk vor ca. 40 Jahren.

    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • [...]
    Ich habe auch heute durch diesen Thread den Ansporn gehabt um 1. einen Weiteren für das Klavierkonzert in cis zu eröffnen und 2. mir das Korngold -Violinkonzert in meiner ASM/ Previn-Aufnahme (DG) mal wieder anzuhören.

    DG, 2004, DDD

    *** Mein Höreindruck war so, das ich erst einmal den Schmalz auffangen wollte, der mir zu Beginn aus den Lautsprechern entgegentönte. Im Verlauf des Satzes und im letzten Satz habe ich mich dann aber der Virtuosität von ASM hingegeben. Beim 2.Satz war ich mehrmals versucht auf den 3.Satz weiterzuzappen um dem Edelkitsch zu entgehen ! 8| Diese Schmalzquitscherei im 2.Satz ist halt nicht mein Ding.
    Hört sich jetzt frech an -- aber das war eben mein Höreindruck heute, nachdem ich vom zuvor gehörten Klavierkonzert in cis (1925) einen ungleich positiveren Eindruck hatte.

    ______________

    Gruß aus Bonn

    Wolfgang

  • nach dem 2. Hören muss ich schon denen rechtgeben, die da viel süßliches hören...
    das ist ohne Zweifel feinstziselierte Musik, gerade im für ein klassisches D-Dur "Wucht"-armen Kopfsatz - da fehlt mir irgendwie so etwas wie eine konturierte, "große" Geste, die das Ganze irgendwie "kenntlich" macht....
    Details wie die von Christian angesprochene Ganztonleiter und der eine oder andere bitonale Anklang werden sehr apart immer wieder in tonal verständliche Bezüge eingefangen.

    [edit]falls das irgendwer als kenntnisloses Korngold-Bashing versteht: ja, für mich ist Korngold noch nicht komplett vertraut. Und obige Eindrücke sind stimmungsabhängige Momentaufnahmen. [/edit]

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Ich habe noch nie hier einen thread gelesen, in welchem derartig viel Unsinn geschrieben wird.
    Und darauf gehe ich auch überhaupt nicht mehr ein, außer mit meiner Feststellung,
    daß es bei Korngold überhaupt keinen Unterschied zwischen seinen Bühnenwerken, seinen Orchesterwerken und Konzerten zu seiner Filmmusik gibt.
    Er ist sich immer treu geblieben.
    Wer sein Oeuvre wirklich kennt, der weiß, daß es in seinen Filmmusiken stellenweise regelrecht schroff zugeht, vor allem in seiner Musik
    zu "The Sea Wolf" , geschrieben, als sein Vater starb und als Abrechung mit diesem im Hinterkopf und gar nicht als Filmmusik.

    Aber nach einer mittlerweile 35 jährigen Erforschung sämtlicher seiner Werke und unzähligen
    persönlichen Aufführungen von recht vielen von diesen bin ich es einfach müde, mich
    wieder auf einem Niveau über Korngold zu unterhalten, welches dem des Jahres 1987 entspricht.
    Zum Glück haben sich die Zeiten mittlerweile geändert, und heute habe ich einfach keine Lust mehr , ellenlange Traktate zu Korngolds
    "Ehrenrettung" zu erstellen.

    Stellenweise gibt es hier ziemlich viel "Meinung" bei gleichzeitig offensichtlicher Unwissenheit, wie dies eben schon 1987 der Fall war.
    Und die Zeiten, wo ich enthusiastisch dagegen kommentiert habe, die sind vorbei.

    Irgendwann reicht es mir auch mal.

  • Also ich hab RCA LP 26.41 236, auf der die Heifetz Aufnahme unter Wallenstein und dem Los Angeles PO mit seiner Aufnahme von Bruchs Schottischer Fantasie unter Sargent und dem New Symphony Orchestra of London gekoppelt wurde. Eine meiner frühesten Einkäufe.
    Ich war von dem Stück sofort begeistert und hab versucht weitere Stücke von Korngold zu finden, was damals praktisch unmöglich war.
    Das ständige Hinweisen auf Korngolds Filmmusik ist zwar sachlich richtig, aber für mich wirkt das wie ein Versuch, das Stück abzuqualifizieren (nach dem Motto "dem fällt nichts mehr ein, heute komponiert man.....").
    Nach Heifetz hat das Konzert meines Wissens lange niemand mehr gespielt, da anachronistisch, aber da kann ich mich täuschen. Schön wenn dieses tolle Werk zurück ins Konzertleben findet.

    Und eine Beschreibung die mit Begriffen wie "süß" oder "süßlich" arbeitet bewirkt bei mir allergische Reaktionen :) . Vielleicht bin ich da etwas empfindlich, aber süß meint kitschig, schlecht für die Zähne, etc. Alles Begrifflichkeiten, die dem Werk nicht gerecht werden.

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