Robert Schumann: Die drei Streichquartette op. 41: "Der Dichter spricht" auch hier (?)
Bekanntlich gibt es in Schumanns Leben Schaffensphasen, in denen er sich jeweils auf eine Gattung stürzte und in rasendem Tempo seine Beiträge schuf. In den 1830ern lag das Schwergewicht auf Klaviermusik, 1840 entstanden zahlreiche Lieder und 1842 stand die Kammermusik im Mittelpunkt. Schumann komponierte ein Klavierquintett op. 44, ein Klavierquartett op. 47 (beide Werke würden sicher eigene Threads verdienen...) und, im Sommer 1842 drei Streichquartette, die er als Werkgruppe op. 41 zusammenfaßte.
Dies läßt an Vorbilder denken: Beethoven op. 59/1-3 und Mendelssohn Bartholdy op. 44/1-3. In der Tat hatte Schumann Quartette dieser beiden Meister und auch Haydns und Mozarts Beiträgen zur Gattung studiert, seit 1838 (aus einem Brief an Clara: "Auf die Quartette freue ich mich selbst, das Klavier wird mir zu enge...").
Im Unterschied zu Mendelssohn strebte Schumann eine größere Geschlossenheit der drei Werke an, was die Wahl und die Behandlung der Tonarten nahelegt: op. 41/1 a-Moll, aber das Hauptthema des Kopfsatzes steht in F-Dur, op. 41/2 F-Dur und op. 41/3 A-Dur. (Ein Aspekt, der mich näher interessieren würde: vielleicht findet sich hier jemand, der das kompetent begründen oder auch widerlegen kann und mag?)
Einheitlich ist immerhin - das allerdings keine Neuerung - die Viersätzigkeit der drei Werke:
op. 41/1
1. Introduzione. Andante espressivo - Allegro
2. Scherzo. Presto - Intermezzo
3. Adagio
4. Presto
op. 41/2
1. Allegro vivace
2. Andante, quasi Variazioni
3. Scherzo. Presto - Trio. L'istesso tempo - Coda
4. Allegro molto vivace
op. 41/3
1. Andante espressivo - Allegro molto moderato
2. Assai agitato - Un poco Adagio - Tempo risoluto
3. Adagio molto
4. Finale. Allegro molto vivace
Auf eine Besprechung mit Analyse der einzelnen Sätze mag bzw. kann ich mich nicht einlassen. Hier nur soviel: Besonders faszinieren mich die schnellen Sätze, etwa das Scherzo in op. 41/1, bei dem ich an eine unheimliche Jagd im schwarzen Wald denke, dann das Finale aus op. 41/1, zu dem mir ein trotzig aufstampfendes Kind einfällt (evt, mit Beethoven-Reminiszenzen?), und das Scherzo aus op. 41/2, das mir wie eine besonders bedeutsame Geschichte vorkommt, und das Finale aus op. 41/2, das mich an einen unaufhaltsam plappernden Menschen bzw. an plappernde Kinder erinnert.
Diese Assoziationen mögen fragwürdig sein, mir kommt es auch nicht darauf an, die zu teilen. Entscheidend dabei ist, daß ich hier etwas wahrzunehmen meine, was ich für Schumanns Musiksprache charakteristisch und unverwechselbar halte: einen ganz besonderen erzählerischen Gestus: Wie in einem Roman wird nicht unmittelbar geschildert, sondern es gibt einen vermittelnden Erzähler, der zwischen Komponist und Hörer (oder Interpreten) gestellt wird.
Titel wie "Kuriose Geschichte", "Wichtige Begebenheit" und "Der Dichter spricht", wie sie in den Kinderszenen op. 15 auftauchen, scheinen mir in ihrer Grundtendenz auch auf die Welt dieser drei Streichquartette zu passen - vielleicht ein entscheidender Grund dafür, daß ich diese drei Werke immer sehr geschätzt habe.
Als das in sich geschlossenste und vielleicht überzeugendste Werk empfinde ich op. 41/3 mit dem zart-fragenden Beginn, dem schüchtern-furchtsamen zweiten Satz, dem Adagio, das eine großartige expressive Steigerung enthält (Schuberts "Tod und das Mädchen" ist vielleicht von fern präsent?), und einem furiosen Finale.
Kennengelernt habe ich sie vor vielen Jahren in um 1970 entstandenen Aufnahmen des Quartetto Italiano, die ich noch auf LPs besitze, die aber leider nie auf CD erschienen sind. Ein liebenswürdiger Musikfreund hat mir allerdings kürzlich den Zugang über CD ermöglicht, was mich nun zu dieser Eröffnung motiviert. Es gibt die Aufnahme nämlich jetzt auf einer 37CD-Box.
Zu weiteren Einspielungen vielleicht demnächst mehr.