Peter CORNELIUS: Der Barbier von Bagdad - Kommentierte Diskographie
Mit der deutschen Spieloper sind auch Peter Cornelius (1824-1874) und sein bekanntestes Werk "Der Barbier von Bagdad", zu dem der Komponist selbst das Libretto verfaßte, allzu sehr in den Schatten getreten. Franz Liszt brachte das musikalische Lustspiel (Kloiber/Konold/Maschka) 1858 in Weimar auf die Bühne, wo es dank Liszts Gegner durchfiel. Erst in den 1880er Jahren vermochte sich die Oper, allerdings in einer allzu wagnerischen Bearbeitung, durchzusetzen. Erst 1904 kehrte man zur getreuen Originalfassung zurück.
Natürlich war Cornelius von Richard Wagner beeinflußt, ging aber selbständige Wege und war zudem kein dramatischer Genius, sondern eher einer feineren, lyrischeren und keineswegs groben Komik zugeneigt (die "lachenden Zähne im Leckermaul" wären Cornelius nie passiert). Die subtilere Methode erschwert freilich auch eine entsprechende Realisierung, sei es auf der Bühne oder im Studio.
Nicht sehr viele Einspielungen sind derzeit im Plattenmarkt zu finden. Diese hier
, eine Radioaufnahme,
kann immerhin mit einer hochrangigen Besetzung und an sich erstklassigen Stimmen aufwarten, kommt aber trotzdem ein wenig auf dem falschen Fuß daher. Der alte Fehler, das wagnersche Element zu sehr zu betonen, schlägt unter anderem auch hier etwas durch.
Hans Gierster dirigiert das Orchester des Bayerischen Rundfunks. Er war war ein wirklich guter Kapellmeister, aber diesmal kommt er mir eine Spur zu preußisch vor (und das in München!!!). Namentlich im ersten Akt möchte er offenbar das dramatische Moment stärken und drückt aufs Tempo. Eile ist aber nicht das richtige Rezept für Cornelius. Das Lyrische bleibt auf der Strecke, das Ergebnis zu wenig differenziert. Die Komik hat einen leicht bierernstlichen Anstrich, und die an sich hervorragenden Sänger und - innen bleiben oft ein bißchen steif - nein, das ist ein zu starker Ausdruck, aber es mangelt an der romantischen Ironie. Dabei artikuliert etwa Kurt Böhme in der Titelpartie geradezu vorbildlich, wirkt aber eben zu ernst. Rudolf Schock als Nureddin bedeutet nach meinem Empfinden fast eine Fehlbesetzung, obwohl er es sicher anders und besser gekonnt hätte (die Stimme war eigentlich noch voll intakt). Doch er faßt seinen Part heldentenorisch auf und wirkt dadurch beinahe schon hysterisch. Die berühmte Arie "Vor deinem Fenster die Blumen" müßte schmachtend-zärtlich gebracht werden, nicht mit trompetenhaften Tönen. Ausnehmen möchte ich Georgine von Milinkovic, die Bostana, die wirklich gut und im wesentlichen stilrichtig singt. Marcel Cordes als Kalif läßt sein schönes Organ hören, bleibt jedoch das Lächeln schuldig. Dorothea Siebert (Margiana) und Kurt Wehofschitz (Baba Mustapha) singen sauber. Man ist überall vom Stimmaterial angetan, aber das Resultat bleibt zweispältig.
Die Cantus Classics- bzw. Line-Leute haben sich mit ihren Editionen sicher große Verdienste erworben, aber sind hier schlampig gewesen. Auf dem Avers hat man Marcel Cordes' Namen gleich zweimal gedruckt (dafür fehlt Wehofschitz). Auf der zweiten Disc erscheinen abweichende Angaben (1939 Stuttgart, Carl Leonhardt als Dirigent mit dem Orchester des Reichssenders Stuttgart). Das ist zwar kein katastrophaler Fehler, sondern eine ärgerliche Kleinigkeit, aber trotzdem... Wer hat da - nicht - kontrolliert? Oder hat sich jemand gedacht: Deutsche Oper, zweitrangig, ist eh wurscht!?
Wie steht's mit der Konkurrenz? Die Matzerath-Aufnahme ist auch nicht das Gelbe vom Ei (ich habe sie seinerzeit bei Tamino besprochen). Am besten sind wohl die Einspielungen von Leinsdorf und Hollreiser.