Die größten musikalischen Kunstwerke
Knulp hatte den Gedanken. Man kann ja auchmal Klassik ranken. Berührungsängste? Skrupel? Die Befürchtung, etwas Sinnentleertes zu tun? Aber bitte, doch nicht bei Euch!
Irgendwann ist unser Leben vorbei, und wir haben die Klassikwelt nicht vorher noch in Ordnung gebracht. Dann sehen wir von oben die Klassikforen aus der Mitte des 21. Jahrhunderts und wir weinen bitterlich ob unseres Versäumnisses. :cry:
Wenn ich hier kühn vermelde, die "zehn größten musikalischen Kunstwerke" aus Euch herauskitzeln zu wollen, so ist das ontologisch schon okay. Ich weiß, was ich tue. Denk ich jedenfalls...
Was bitte sind „die größten Kunstwerke“ im Feld der Klassischen Musik? Nun, die, die Ihr dafür haltet. Und nicht die, die landläufig dafür gehalten werden. Aber auch vielleicht nicht die, auf die außer Euch sonst keiner kommen würde (Stichwort: bemühte Originalität).
Nein, lasst es mich mal so ausdrücken: Die „größten“ Werke sind für mich die Werke, die aufgrund ihrer Verfasstheit für Euch bedeutsam sind und bleiben, die sich nicht erschöpfen, die auf mehreren Ebenen etwas „zu sagen“ haben. :yes:
Für diese oder doch verwandte Phänomene hat sich in einigen Bereichen der ästhetischen Wissenschaften der Begriff „überstrukturiert“ eingebürgert. Den möchte ich mal in die Runde werfen, ohne ihn zu sehr auf den Prüfstand gestellt zu wissen.
Ich mag nun allerdings keine Diskussion über die geeignete Benennung jener Kriterien, die die für Euch „größten“ Werke aus der Masse anderer geliebter Musik aussortieren. Und wenn es für Euch keine in diesem Sinne „größten“ Werke gibt, dann gibt´s sie eben nicht. Ich kann das gut verstehen und mußte auch mir etwas Gewalt antun bei der Erstellung meiner kleinen Liste.
Es mag Komponisten und womöglich sogar ganze Zeiträume geben, für die der Begriff der Überstrukturiertheit nicht den Kern der damaligen kompositorischen Bemühungen trifft. Ich denke da an Komponisten wie z.B. Vivaldi, Händel, teilweise Haydn, Mozart, hier und da Schubert, Mendelssohn u.a.
Diese fähigen Menschen haben ihre Einfälle oder ihre „Strukturen“ oder wiemansnennenwill eher auf viele Werke verteilt, als verdichtete Gesamtkomplexe zu kreieren. Aber: Lieben nicht die meisten von uns gerade etwa Bach und Beethoven so sehr für diese Verdichtung, diesen Mut zur Überstrukturiertheit? Ich stelle das mal provozierend in den Raum.
Und bin einmal gespannt, wie unsre Wertungen ausfallen werden, ob sich meine Annahmen bestätigen. Mein eben angedeutetes Erklärungskonzept soll weder Werke der eben genannten Komponisten aus Euren Listen programmatisch bannen noch in einer Art Trotzreaktion hervorkitzeln. Es soll aber auf jeden Falll der Mut eines Komponisten zu einem überstrukturierten Werk belohnt werden, und natürlich nicht nur dieser Mut, sondern auch das Gelingen, so wie Ihr es wahrnehmt und empfindet.
Die Ausdehnung des Werkes, das für Euch zu den zehn „größten“ zählt, spielt keine Rolle, und sei es ein Schubertlied von 80 Takten. Wer meint, daß Beethovens Sonate op. 110 hineingehört, der sollte uns das bloß nicht vorenthalten.
Nocheinmal: Nicht um eine diffuse „musikgeschichtliche“ oder „publikumswirksame“ Bedeutsamkeit geht es, sondern um werkimmanente Qualität, die ich mit dem Begriff der Überstrukturiertheit für mich fasse und die Ihr ganz anders fassen könnt. Fühlt Euch auch bei Bedarf durchaus aufgefordert, kurz zu sagen, was für Euch Euer Begriff von den „größten Werken" ist, damit wir neben den Nennungen vielleicht auch hier und dort auch die Kriterien vergleichen können, nach denen wir gelistet haben.
Ich hoffe, daß Euch das nicht zu blöd und auch kein Ding der Unmöglichkeit ist. Wie gesagt, ich hab auch schlucken müssen, als ich ranken wollte, hab es aber doch getan. Und ich darf Euch sagen: Es geht. :yes: Man muß nur wollen...
Euer Graf