Kitsch - Werte und Normen in der Musik

  • Du verwechselst einfach »authentisch« mit »ehrlich«. Mehr nicht.


    Das hatte ich schon vermutet und deshalb das Beispiel des Lügners angeführt ...



    Ich möchte aber wirklich noch mal bitten, meine Fragen oben zu Peters Eingangspost beantworten, die sind mir wichtig. Dank schonmal an Tyras.


    Mir auch. Die lassen sich aber nicht einfach beantworten, solange die Konzept, die hinter den Begrifflichkeiten stehen nicht i-wie geklärt sind. Daran arbeiten wir grade. Manches geht nicht gar so schnell. Also: bitte nicht immer so ungeduldig sein und i-welche aus der Hüfte geschossenen Antworten erwarten.


    Wenn sich sowas einfach ergoogeln und hierher kopieren ließe, hätte sich sicher schon eine findige Person gefunden, eine erschöpfende Antwort auf diese Fragen zu geben.


    Adieu,
    Algabal

    Keine Angst vor der Kultur - es ist nur noch ein Gramm da.

  • Einfach so gegeben ist »Authentizität« jedenfalls nicht - und zwar weder als Schein noch als Sein.


    Das ist aber natürlich Adorno auch klar. Kitsch als "dümmliche Vertröstung", "falsche Katharsis" ist Ergebnis einer problematischen Arbeitsteilung in Klassengesellschaften. Ähnlich auch die beiden anderen Klassiker der Kitsch-versus Kunst-Theorie, Hermann Broch und Clement Greenberg, dessen wichtigen Aufsatz es hier gibt.


    Ich meine zwar auch, dass sich ohne den mir auch problematischen Authentizitäts-Begriff auskommen läßt und auch sonst bringen diese drei einflußreichen Theorieklassiker ihre Schwierigkeiten mit, ich würde aber die Abgrenzung von Kunst und Kitsch verteidigen wollen, ebenso die Perspektive, Kitsch als affirmativen Trost und als Effekt einer problematischen, historisch-spezifischen Arbeitsteilung in Klassengesellschaften zu sehen, der mit der Beseitigung der Klassenspaltung aufzuheben wäre.


    In diesem Sinne kann ich auch Adorno nicht elitär finden: Was Avantgarde war, soll allen zugänglich werden.


    Meine Einwände gegen Adorno zielen eher gegen seinen doch noch ziemlich "vulgärmarxistischen" "Ausdruckismus", das Ganze zwar negativ als das Unwahre, aber eben dennoch als expressive Totalität zu denken, in dem eine Struktur, das, was er "Tauschwirtschaft" nennt und was mit Marx Kritik der politischen Ökonomie nur sehr wenig gemein hat, alle anderen gesellschaftlichen Logiken in strukturhomologe Formen des nahezu "totalen Verblendungszusammenhang" bringe. Damit verkürzen auch bei ihm immer wieder "Ableitungslogiken" - ein Lieblingsbegriff des adornitischen Post-68er westlichen Marxismus - und Ausdrucksbehauptungen die konkrete Analyse von komplexen Verhältnissen und die eigene Sprecherposition, dem Weltgeist, naklar, am nächsten, ist der Analyse seltsam enthoben. So wird dann doch ein zuweilen elitärer bias voller Vorurteile, z.B. gegenüber dem Jazz, in Adornos Schriften wirksam und kontaminiert die Analysen, die, wo sie wirklich konkret, auch antielitär sind. Ein Beispiel für letzteres ist etwa seine ausgezeichnete kritische Analyse der E-U-Musik-Unterscheidung in "Einführung in die Musiksoziologie."


    :wink: Matthias

  • Du verwechselst einfach »authentisch« mit »ehrlich«. Mehr nicht.


    Gut dass du so genaus weisst, was ich denke und meine. Ich muss dich aber leider enttäuschen und du solltest evtl deinen Rat erst mal selbst befolgen und weniger schnell aus der Hüfte mit Unterstellungen schiessen.
    Zwischen echt, deckungsgleich, im Einklang, inhalts-und verpackungskonform und ehrlich gibt es zwar eine sehr grosse Schnittmenge , insbesondere, wenn es um Menschen und deren Verhalten geht, aber ganz so unsensibel, da nicht die Feinheiten unterscheiden zu können, bin ich dann doch nicht.


    Was die Fragen angeht, hat das selbstverständlich eine Menge Zeit, ich wollte nur nicht, dass sie, wie so Vieles, zwischen Anderem wieder untergehen und vergessen werden.
    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Mir auch. Die lassen sich aber nicht einfach beantworten, solange die Konzept, die hinter den Begrifflichkeiten stehen nicht i-wie geklärt sind. Daran arbeiten wir grade. Manches geht nicht gar so schnell. Also: bitte nicht immer so ungeduldig sein und i-welche aus der Hüfte geschossenen Antworten erwarten.


    Vorsichtigkeit und Präzision in Ehren, sei es bei Begriffsdefinitionen oder historischen Fakten. Es kann eine erforderliche Fleißarbeit sein, mit der letzten der Philologie überhaupt möglichen Sicherheit zu untersuchen, wie's der olle Kant vor gut 200 Jahren wohl gemeint haben könnte. Allerdings verliert man dabei leicht mal die Frage aus dem Blickfeld, wie es denn nun eigentllich wirklich sei bzw. was der ganze Theorie-Krempel denn bitteschön mit mir zu tun haben soll.


    Heute hört man die Musik, heute steht man vor den Bildern - also mal ein bissel mehr ahistorische Systematik und die Historie nur, wenn man sie wirklich braucht.


    :wink:

    Nur weil etwas viel Arbeit war und Schweiß gekostet hat, ist es nicht besser oder wichtiger als etwas, das Spaß gemacht hat. (Helge Schneider)

  • Jemand, der überzeugt ist, dass er die Wahrheit sagt und mit sich im Einklang ist, objektiv aber lügt, ist authentisch. Er verkauft nichts nach aussen, was im Widerspruch zu seiner eigenen Wahrheit und seinem Sein steht. Wer bewusst lügt, ist nciht authentsich. Was ist daran kompliziert?


    Liebe Fairy,


    für die, die den Authentizitäts-Begriff benutzen, um damit Kunst von Kitsch zu unterscheiden, geht es aber gerade nicht um subjektive Ehrlichkeit, sondern um objektiv falsche Vertröstungen, was immer die Subjekte von sich meinen und andere mehr oder weniger kohärent, mehr oder weniger überzeugend, glauben lassen. Eine Skepsis gegenüber der Ehrlichkeit dessen, der an flschen Vertröstungen mitwirkt und "ehrlich" an sie glauben will, etwa zunächst der Ehrlichkeit gegenüber sich selbst, ist damit jedoch wohl auch immer impliziert. Also nichts ist daran unkompliziert.


    Das "mit sich im Einklang"- Wähnen ist, so gesehen, selbst Kitsch, weil unmöglich in einer von Herrschaftsverhältnissen durchzogenen Gesellschaft.


    Kunst, die glauben machte, mit sich im Einklang zu stehen oder einen identitären Einklang von Künstler und Kunstwerk vorzugeben, kann, so gesehen, nur Kitsch sein, bzw eine solche identitäre Rezeption, die komplexere Kunstwerke daraufhin reduzierend zurechtliest, ist Kitsch.


    Wagner war wahrscheinlich total authentisch, um mal einen Komponisten zu nennen.


    Adorno versucht z.B. dann in Wagners Werk, und nur darum geht es ja, auseinanderzuklamüsern, was "authentisch" ist, in der musikalischen Form wie in mittransportierten kritischen "Messages" und was affirmativ, z.B. als "falsche" Vertröstung.


    :wink: Matthias

  • Gut dass du so genaus weisst, was ich denke und meine.


    Ich lese einfach nur, was du schreibst.


    Zitat

    Ich muss dich aber leider enttäuschen


    Wenn Du Dinge nicht so meinst, wie Du es schreibst, bist Du - jedenfalls Deiner eigenen Definition zufolge - ziemlich unauthentisch. Dann müsste aber vielleicht weniger ich, der ich an sowas wie Authentizität nicht so recht glauben mag, von Dir enttäuscht sein, als Du selbst. ;+)



    Zitat

    und du solltest evtl deinen Rat erst mal selbst befolgen und weniger schnell aus der Hüfte mit Unterstellungen schiessen.


    Was soll das? Ich hab Dir nichts unterstellt, sondern Deine Postings gelesen und mich mit Deinen Argumenten auseinandergesetzt.


    Zitat

    Zwischen echt, deckungsgleich, im Einklang, inhalts-und verpackungskonform und ehrlich gibt es zwar eine sehr grosse Schnittmenge , insbesondere, wenn es um Menschen und deren Verhalten geht, aber ganz so unsensibel, da nicht die Feinheiten unterscheiden zu können, bin ich dann doch nicht.


    Das hab ich auch gar nicht gesagt. Aber etwas weiter oben schriebst Du sowas:



    Zitat

    Was ein authentischer Mensch ist?
    Einer, den man an dem, was er sagt oder tut oder sonstwie nach aussen aussendet, messen kann.


    Was hat das jetzt mit inhalts- und verpackungskonform oder so zu tun? Oder mit echt? Das ist schon die Konvergenz von Schein und Sein, die Du da ansprichst.


    Adieu,
    Algabal

    Keine Angst vor der Kultur - es ist nur noch ein Gramm da.


  • Vorsichtigkeit und Präzision in Ehren, sei es bei Begriffsdefinitionen oder historischen Fakten. Es kann eine erforderliche Fleißarbeit sein, mit der letzten der Philologie überhaupt möglichen Sicherheit zu untersuchen, wie's der olle Kant vor gut 200 Jahren wohl gemeint haben könnte. Allerdings verliert man dabei leicht mal die Frage aus dem Blickfeld, wie es denn nun eigentllich wirklich sei bzw. was der ganze Theorie-Krempel denn bitteschön mit mir zu tun haben soll.


    Naklar, wir können auch einfach mal ein bissel Namedropping machen, Adorno herbeizitieren, ein bissel Platon und Kant, das alles halbverdaut hier ausbreiten und dann mit dem gesunden Menschenverstand und unseren Alltagserfahrungen wuchern. Wir können auch einfach alle im Chor Murksmurksmurks blöken und das dann für der Weisheit letzten Schluß halten. Ist auch legitim.


    Der Thread heißt aber »Werte und Normen« in der Musik - im ersten Posting ist lang und breit ein Text von Hans-Jürgen Feurichs referiert worden, der seinen Wertmaßstab offensichtlich an Adorno anlehnt, der wiederum das Konzept der »Authentizität« in einem - wie gezeigt - zirkulär strukturierten Argument zum zentralen Kriterium erhebt. Da wird man ja schonmal fragen dürfen, was sich hinter diesem Konzept verbirgt.


    Naja, wir können hier aber auch einfach halbgebildet herumparlieren ...


    Zitat

    Heute hört man die Musik, heute steht man vor den Bildern - also mal ein bissel mehr ahistorische Systematik und die Historie nur, wenn man sie wirklich braucht.


    Hatte ich hier einen kleinen Etymologiekurs vorgeschlagen? Kann mich nicht erinnern ...


    Adieu,
    Algabal

    Keine Angst vor der Kultur - es ist nur noch ein Gramm da.

  • Lieber Matthias,


    danke, für Deine Ausführungen! Ich stimme Dir eigentlich in allen Punkten zu - und auch ich kann Adorno eigentlich nicht fur grundsätzlich elitär halten. Ich hab auch tatsächlich Zweifel, ob der Satz, den Peter via Feurichs herbeizitiert hat, so bei Adorno zu finden sein wird.


    Vielleicht hat der Feurichs da was i-wie dekontextualisiert oder was umgestellt oder was weiß ich.


    Peter hat's ja nicht finden können und ich hab heute auch mal son bissel quergeblättert und nach dem Zitat gesucht, aber bisher nix gefunden. Naja, mit vereinten Kräften, werden wir schon noch Licht in die Sache bringen...
    :)


    Adieu,
    Algabal

    Keine Angst vor der Kultur - es ist nur noch ein Gramm da.

  • Naklar, wir können auch einfach mal ein bissel Namedroppinmg machen


    Stimmt, Namen sind eigentlich nicht so wichtig. Die gehören zu dem historischen Kontext, den man vielleicht mal braucht, aber für eine systematische Argumentation auch schon mal nicht.


    Zitat

    Der THread heißt aber »Werte und Normen« in der Musik - im ersten Posting ist lang und breit ein Text von Hans-Jürgen Feurichs referiert worden, der seinen Wertmaßstab offensichtlich an Adorno anlehnt, der wiederum das Konzept der »Authentizität« in einem - wie gezeigt - zirklulär strukturierten Argument zum zentralen Kriterium erhebt. Da wird man ja schonmal fragen dürfen, was suich hinter diesem Konzept verbirgt.


    Wenn's um den Feurich geht, sehe ich auch sofort ein, dass mein Schnellschuss nicht reicht. Völlig klar. Er war aber auch nicht Nichts. Glaube ich jedenfalls. Ansonsten geh' doch konkret drauf ein.


    Die hier parallel gelaufene Debatte um "authentische Menschen" scheint mir aber ein gutes Beispiel dafür zu sein wie man Sachen zerreden kann.


    Zitat

    Naja, wir können hier aber auch einfach halbgebildet herumparlieren ...


    Müssen wir aber nicht. Ich bin halt davon überzeugt, dass Feurig, Adorno, Kant, Platon und wie sie alle heißen doch über ein Thema reden. Ich will bloß darauf hinaus, dass man ab und zu versuchen sollte zu sagen, was dieses Thema einen selbst eigentlich angeht. Mit anderen Worten: Was ist nicht bloß immanent-selbstreferenzielles Spiel an so einer Debatte. So aber lässt man Fairy warten, um bloß seinen Philosophen-Status zu wahren.


    Was ist denn so schlimm an Schnellschüssen? Oft reichen sie nicht, gehen daneben. Das lässt sich ja dann immer noch korrigieren oder präzisieren.


    :wink:

    Nur weil etwas viel Arbeit war und Schweiß gekostet hat, ist es nicht besser oder wichtiger als etwas, das Spaß gemacht hat. (Helge Schneider)

  • Als weitere Annäherung an Adornos Kozeption: "Unauthentisch", "falsch", bei ihm auch gleichgesetzt mit "unwahr", ist alles, was in einer "unversöhnten Welt" Versöhnung vorgaukelt, z.B. Idyllisierungen.


    "Der Kapitalismus", "die verwaltete Welt" und dazu gehören für ihn naklar auch die Diktaturen sowjetischen Typs, die er mit Freund Friedrich Pollock als "Staatskapitalismus" auffasst, werden als nahezu allumschließender Container begriffen, was ich oben als ein Denken der expressiven Totalität kritisiert habe. Aber der Container hat Fenster, das sind etwa die Werke "absoluter Musik". In ihnen drückt sich die unversöhnte Zerissenheit der Welt aus. Indem sie dieses ausdrücken und in einer Weise, die mit der Welt, wie sie ist, unversöhnt und unversöhnbar sind, dies im Werk aber in einen immanenten Werkzusammenhang gebracht wird, sind sie zugleich Antizipation eines "wahren" versöhnten Zusammenhang.


    Wie ist das möglich? Das Ganze ist für Adorno nicht das Wahre, sondern "das Unwahre", ein Schein-Ganzes, wenn es auch in modernen Herrschaftszusammenhängen zur Totalisierung drängt und wenn es auch ein sehr reales Schein-Ganzes ist, mit realen Effekten, aber einem "Objektüberhang" des Materials. Das ist Adornos Materialismus und seine Differenz etwa zu Hegel. Das Material ist "mehr" als das unwahre Ganze, auch mehr als der Theoretiker oder der Kunstproduzent erfasst, wer aber an der Entwicklung des störrischen Materials unversöhnt mit dem falschen Ganzen auf gelingende Weise festhält, ist "authentisch". Auf gelingende Weise meint, wer den im Material immantenten Gesetzen und nicht dem falschen Schein folgt, also das Material nach weitgehend immanenten, insofern dem Material adäquaten Fromgesetzen weiterverarbeitet und nicht nach scheinhaften Herrschaftslogiken folgt und dabei einen Materialzusammenhang erarbeitet, der nicht der der Herrschaftslogiken ist, nicht "instrumentell", sondern der in dem er einen Zusammenhang des Materials erarbeitet, der unversöhnt mit dem falschen Zusammenhang bleibt, aber doch einen wie auch immer brüchigen Zusammenhang erarbeitet, gelingende Kooperation materialiter antizipiert.


    Das kann natürlich in der Kürze nur ein notwendig problematisch bleibender Versuch sein, Adornos Auffassung zu rekonstruieren. Die konkreten dialektischen Denkschritte sind damit nicht einmal angedeutet.


    Wer Lust hat, das Weiterzuverfolgen, könnte jedoch auch den Bogen zu Kant zurückschlagen. Auch Adorno situiert sich mit seiner Konzeption in gewisser Weise zwischen Kant und Hegel plus Referenz auf einenDritten ( bei ihm Marx, bzw was er von Marx verstanden hat), wie das ordentliche deutsche Philosophen klassischen Typs halt so machen. :D


    :wink: Matthias

  • Die hier parallel gelaufene Debatte um "authentische Menschen" scheint mir aber ein gutes Beispiel dafür zu sein wie man Sachen zerreden kann.


    Inwieweit wurde hier etwas zerredet? Hier ging es um eine begriffliche Klärung- so wie ich den Thread gelesen habe.


    Was ist denn so schlimm an Schnellschüssen? Oft reichen sie nicht, gehen daneben. Das lässt sich ja dann immer noch korrigieren oder präzisieren.


    Stimmt Tyras. An Schnellschüssen ist grundsätzlich nichts Schlimmes. Ist man sich aber klar worüber man eigentlich diskutiert, wird das Ergebnis befriedigender sein. Und als Grundlage ist eine saubere begriffliche Klärung eine gute Grundlage. Das spart manchen Umweg ;+)


    Zitat

    So aber lässt man Fairy warten, um bloß seinen Philosophen-Status zu wahren.


    Wer will hier seinen Status wahren? Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass es hier Algabal, Matthias etc. etc. pp. um den persönlichen Status geht- sondern primär um präzise Begrifflichkeiten. Diskutiert man solche Themen ohne begriffliche Klärung, redet man sehr schnell aneinander vorbei. Und das auseinanderzuklamüsern ist entschieden mühsamer, als vorher Grundfragen zu klären. Mit selbstverliebtem Akademismus - ich übertreibe jetzt - hat das nichts zu tun.


    :wink: :wink:


    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Mit anderen Worten: Was ist nicht bloß immanent-selbstreferenzielles Spiel an so einer Debatte.


    Ich dachte schon erklärt zu haben, dass das für mich kein immanent-selbstreferentielles Spiel ist. In dieses Spiel habe übrigens nicht ich die "authentischen Menschen" eingebracht. Nur um das nochmal festzuhalten ... ;+)


    Zitat

    So aber lässt man Fairy warten,


    Das hier ist kein Anrufbeantworter, der - so ihn nur jemand einschaltet - immer brav sofort mit vorgefertigten Antworten reagiert.


    Und ein Dienstleistungbetrieb ist das hier auch nicht. Hab ja schon anderenthreads mal geschrieben: selbst lesen macht schlau.


    Zitat

    um bloß seinen Philosophen-Status zu wahren.


    Och, da bin ich unverdächtig - ich bin gar keiner.


    Zitat

    Was ist denn so schlimm an Schnellschüssen?


    Nix. Aber man kann es seinen Mitdiskutanten doch hin und wieder auch mal überlassen, welche Wege sie zu gehen bereit sind, oder? Wer schnell schießen mag, soll's tun. Wenn manche Leute gern ein bissel über die Dinge nachdenken mögen, sollte man Ihnen das auch nachsehen. Ein Fernseh-Quiz mit portionierten Zeitfenstern für die Antworten ist das hier nämlich auch nicht.


    Zitat

    Oft reichen sie nicht, gehen daneben.


    d'accord! ;+)


    Zitat

    Das lässt sich ja dann immer noch korrigieren oder präzisieren.


    Und da stimme ich auch gern zu.


    Adieu,
    Algabal

    Keine Angst vor der Kultur - es ist nur noch ein Gramm da.

  • Zitat von Tyras

    ,index.php?page=Thread&postID=59484#post59484]


    Aber gibt's das nicht zumindest in der Geometrie? Man krakelt mit bröckeliger Kreide komische Striche, die ein mehr als kümmerliches Abbild der wirklichen Verhältnisse sind. Trotzdem leuchtet einem anhand dieses Beispiels etwa der Satz des Pythagoras unmittelbar ein.


    :wink:


    Lieber Tyras,


    aber ggf. lediglich unter der Annahme des Modells der Euklidischen Geometrie. Dann verbleibt es evtl. nicht bei "einer Wirklichkeit" und bei sog. Evidenz? Wenn schon in der Mathematik/Geometrie nicht einfach, so sehe evidente Urteile in ästhetischen Fragen bzgl. Kunst insb. Musik zumindest als nicht unproblematisch an.


    Bis dann.

  • Vielleicht hat der Feurichs da was i-wie dekontextualisiert oder was umgestellt oder was weiß ich.


    Ja.


    Auch Adorno situiert sich mit seiner Konzeption in gewisser Weise zwischen Kant und Hegel plus Referenz auf einenDritten ( bei ihm Marx, bzw was er von Marx verstanden hat), wie das ordentliche deutsche Philosophen klassischen Typs halt so machen.


    Ich vermute, die ausgetauschte Dritte Referenz, die da bei Feurig rumspukt, ist die neokantianische Wertphilosophie. Die ist zwar außerhalb der Philosophiegeschichtsschreibung weitgehend vergessen, aber im Alltagsverstand und in den diversen, so beliebten Wertdebatten diffus allgegenwärtig. Das wäre aber wahrscheinlich nicht leicht zu rekonstruieren, geht jedenfalls über meine Zeitökonomie.


    Vielleicht spielt das sogar schon bei Dahlhaus auch mit rein. Auch den Verdacht habe ich, werde das aber auf absehbare Zeit nicht einigermaßen hinreichend prüfen können.


    :wink: Matthias

  • Hallo Algabal, Hallo Caesar,


    ihr habt recht. Ich hab mich da ein bisschen vergaloppiert.


    :prost: :vv:

    Nur weil etwas viel Arbeit war und Schweiß gekostet hat, ist es nicht besser oder wichtiger als etwas, das Spaß gemacht hat. (Helge Schneider)

  • Hallo Algabal, Hallo Caesar,


    ihr habt recht. Ich hab mich da ein bisschen vergaloppiert.


    Nicht weiter schlimm, dass kommt in den besten Familien vor :D :prost:


    :wink: :wink:


    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Lieber Matthias herzlichen Dank für Deine geduldige Erklärung. Ich glaube, ich habe annähernd verstanden, was Herr Adorno unter authentisch und in diesem Zusammenhang unter Kitsch versteht. Wenn ich das nun richtig sehe, dürfte es im(gesellschaftlich/politischen) Paradies nach Adorno gar keinen Kitsch geben und überall wo Hölle ist, gäbe es dann massenweise Kitsch, weil Alles "Schöne" da nur noch unauthentisch sein kann. Da wir normalerweise meist im Fegefeuer sind, gibt es Beides. Kann man das so sagen?


    Lieber Algabal, deine Aussagen, dass das hier weder ein Dienstleistungsunternehmen noch ein Anrufbeantworter ist und selber lesen schlau macht, sind wirklich durch und durch ermutigend für Alle, die glauben, in einem Diskussionsforum könne und dürfe man auch unausgegorene Fragen stellen und müsse nicht schon einen Doktorhut auf dem Kopf tragen wenn man eintritt. :shake:
    Um Deine Ruhe vor meinen Fragen zu haben , würde ich dir ja sofort empfehlen, die Ignorierfunktion einzustellen, aber die gibt's ja nun leider nciht mehr- tant pis!


    Ich habe wahrlich nciht vorgehabt Dich zu belästigen, indem ich mich in diese Diskussion zu mischen wagte.
    Mir ging es auch um ganz andere Dinge als den Authentizitâtsbegriff von Adorno, wobei ich froh bin, dazu en passant etwas zu lernen. Und zu Kant Apfel gleich noch dazu.
    Ich schreibe gerade an einer für mich sehr schwierigen und serh umfangreichen Arbeit und ich habe weder Philosphie noch Kunstgeschichte studiert. Da der Begriff des "plaisir esthétique" ("ästhetisches Vergnügen/Lust") da eine grosse Rolle spielt, wollte ich den Begriff "sinnliche Lust" im Zusammenhang mit Kunst und "Werk des Menschen" die Peter oben anführt, gerne etwas näher erläutert haben.
    Wenn dann darauf verwiesen wird, man könne ja selber lesen und sei hier nciht in einem Dienstleistungsbetrieb: wozu sind solche Diskussionen denn Deines Erachtens überhaupt da? Wie du Tyras versichert hast, ja nicht, um sich in der eigenen Überlegenheit zu sonnen oder sich gegenseitig zu beweihräuchern. Wozu denn?
    Ich dachte eigentlich, ein Forum sei ein Austausch. Wenn ich- nicht ganz selten- Forums-Mitglieder mit dem, was ich kenne und weiss, so wenig das auch immer sei, versorgt habe, habe ich mich nie als Dienstleistungsunternehmen oder Anrufbeantworter gefühlt.
    Aber ich hätte vielleicht besser gleich für alle auftretenden Fragen Peter Brixius anrufen sollen. Das macht ja Foren dann besonders lebendig und reich. Nur dass der auch weder Philosophie noch Kunstgeschichte studiert hat und mir ausserdem viele verschiedene Blickwinkel wichtig und lieb sind.


    Also künftig bitte einfach ignorieren und gut is. Hab ich ja schon immer gesagt....... :rolleyes:
    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Ich glaube, ich habe annähernd verstanden, was Herr Adorno unter authentisch und in diesem Zusammenhang unter Kitsch versteht. Wenn ich das nun richtig sehe, dürfte es im(gesellschaftlich/politischen) Paradies nach Adorno gar keinen Kitsch geben und überall wo Hölle ist, gäbe es dann massenweise Kitsch, weil Alles "Schöne" da nur noch unauthentisch sein kann. Da wir normalerweise meist im Fegefeuer sind, gibt es Beides. Kann man das so sagen?


    Ja, das kommt dem schon nah. :D Bloß das wir für Adorno wohl längst in der "Hölle" sind, aber die hat schmale Löcher, durch die etwas Licht fällt und aus denen man auch mal eine Hand ausstrecken kann, um das Andere zu ertasten und vielleicht, wenn's für ihn auch schon längst ganz unwahrscheinlich geworden ist, läßt sich auf diese Wahrnehmung gestützt, die ganze Hölle doch noch einreißen - ganz oder gar nicht.


    :wink: Matthias

  • Lieber Matthias, das heisst doch dann logischerweise dass nach dieser Auffassung alles zu Kitsch wird, das nicht herrschende Ungerechtigkeiten und Probleme anprangert. Die meisten Operetten und Opern müssten demnach so furchtbarer Kitsch sein, das man sie gleich verbieten sollte.
    Alles was Unterhaltung ist, darf von anständigen Menschen nciht genossen werden. Genuss gibts erst, wenn das Paradies zurückerobert worden ist.
    Hat eigentlich mal irgendjemand Adorno Unmenschlichkeit vorgehalten?
    Gilt diese seine Haltung nur für menschenverachtende Regime oder überhaupt und allgemein?


    Und sind wir hier gezwungen, seinen Authentizitätsbegriff zu übernehmen, um die Diskussion fortzusetzen?


    F.Q.


    P.S.
    Da ich seit geraumer Zeit von Dantes Divina commedia hochbegeistert bin und gar nciht genug davon bekomme, sind Paradiso, Purgatorio und Inferno überall :angel:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)


  • Lieber Algabal, deine Aussagen, dass das hier weder ein Dienstleistungsunternehmen noch ein Anrufbeantworter ist und selber lesen schlau macht, sind wirklich durch und durch ermutigend für Alle, die glauben, in einem Diskussionsforum könne und dürfe man auch unausgegorene Fragen stellen


    Hm, naklar darf man unausgegorene Fragen stellen – mir ging’s ja nur darum, deutlich zu machen, dass der eine oder andere gerne mitdenkt und dabei für den einen oder anderen ein paar Umwege notwendig sind, um sich Klarheit über i-welche Dinge zu verschaffen.


    Zitat

    und müsse nicht schon einen Doktorhut auf dem Kopf tragen wenn man eintritt. :shake:


    Sonst geht's aber gut, oder?


    Zitat

    Um Deine Ruhe vor meinen Fragen zu haben , würde ich dir ja sofort empfehlen, die Ignorierfunktion einzustellen, aber die gibt's ja nun leider nciht mehr- tant pis!


    Nee, ich sehe überhaupt keinen Anlaß, Dich oder sonstwen zu ignorieren und ich will zudem auch gar keine Ruhe haben – außer vielleicht davor, angeranzt zu werden, wenn man sich mit Deinen Fragen/Thesen einigermaßen ernsthaft auseinandersetzt, dabei aber zu anderen Schlussfolgerungen kommt als Du.


    Zitat

    Ich habe wahrlich nciht vorgehabt Dich zu belästigen, indem ich mich in diese Diskussion zu mischen wagte.


    Ach komm, lass das doch einfach mal! Wenn Du dich mit den Dingen, die ich hier schreibe, nur halb so ernsthaft beschäftigen würdest, wie ich das mit dem tue, was Du hier schreibst und zudem nicht jeden Widerspruch als persönlichen Angriff deuten würdest, würden wir vielleicht auch weiter kommen.


    Zitat

    Mir ging es auch um ganz andere Dinge als den Authentizitâtsbegriff von Adorno, wobei ich froh bin, dazu en passant etwas zu lernen. Und zu Kant Apfel gleich noch dazu.
    Ich schreibe gerade an einer für mich sehr schwierigen und serh umfangreichen Arbeit und ich habe weder Philosphie noch Kunstgeschichte studiert. Da der Begriff des "plaisir esthétique" ("ästhetisches Vergnügen/Lust") da eine grosse Rolle spielt, wollte ich den Begriff "sinnliche Lust" im Zusammenhang mit Kunst und "Werk des Menschen" die Peter oben anführt, gerne etwas näher erläutert haben.


    Weißt Du, Fairy, ich beschäftige mich inzwischen seit einigen Jahren mit Fragen nach der »Authentizität« literarischer Codierungen/Darstellungen von Gewalterfahrungen im Kontext von Krieg und Völkermord, mit Strategien der »Authentifizierung« von Berichten und den Rahmenbedingungen dafür, wie und warum eine bestimmte Darstellung/Codierung in bestimmten gesellschaftlichen Gruppen und in einer spezifischen historischen Situation als »authentisch« erfahren wird und in anderen Milieus resp. zu anderen Zeiten nicht (mehr). Das ist eine relativ komplizierte Angelegenheit. Es zeigt sich dabei jedenfalls (nur mal ganz kurz umrissen), dass die »Authentizität« einer Codierung ein ziemlich wandelbares etwas ist, das von einer Reihe ganz unterschiedlicher Variablen abhängt. In dieser Hinsicht ist Adornos Definition, dass ein Kunstwerk dann »authentisch« sei (ich würde eher sagen: als authentisch empfunden werden kann), wenn es »'authentischer' Ausdruck dessen ist, was - metaphorisch gesprochen - die Stunde geschichtsphilosophisch geschlagen hat« gar nicht so verkehrt. Leider vergisst Adorno dabei offensichtlich die Dynamiken der historischen und sozialen Rahmungen, in denen Kunst a) entsteht und b) an Deutungshorizonte rückgekoppelt wird (bzw. werden muss). Deswegen würde ich das Ganze zunächst mal provisorisch so formulieren: eine Darstellung ist zu einem bestimmten Zeitpunkt dann »authentisch«, wenn sie mit den zu diesem Zeitpunkt gültigen Deutungsfolien kompatibel ist bzw. einem gültigen Deutungsrahmen nicht auf signifikante Weise widerspricht. Das betrifft nicht allein die semantische Dimension einer Darstellung sondern ganz klar auch ihre strukturellen und ästhetischen Dimensionen.


    So gesehen gibt es so etwas wie »Authentizität« eben selbst nur als historische Variable resp. als diskursives Konstrukt oder als Kreatur diskursiven Praktiken. Das macht naklar letztlich auch den Aspekt der »Authentizität« als Wertmaßstab im Kontext ästhetischer Kommunikation zumindest problematisch bzw. fordert dazu heraus, den Zusammenhang zwischen »Authentizität« und »ästhetischem Wert« ein wenig differenzierter zu betrachten.


    Interessant ist in diesem Zusammenhang (Vorsicht! - Tip fürs selber lesen :D - ich kann da, falls gewünscht, nächstens aber auch mal zu schreiben [aber nicht von jetzt auf gleich]) ein etwas älterer, aber immer noch ziemlich instruktiver Text : Jan Mukarovsky: Ästhetische Funktion, Norm und ästhetischer Wert als soziale Fakten [1936], in: ders.: Kapitel aus der Ästhetik. Frankfurt am Main 1970, S. 7-112.


    Dazu später oder morgen vielleicht nochmals mehr – wenn gewünscht.


    Auf Dein weiteres Geknurre antworte ich mal lieber nicht … ;+)


    Adieu,
    Algabal

    Keine Angst vor der Kultur - es ist nur noch ein Gramm da.

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