Mahler: Symphonie Nr. 4 G-Dur – Eine verdächtige Idylle

  • Knabensopran bei Mahler ist garantiert nicht HIP. HIP sind vermutlich relativ flexible Tempi und besonders im "Himmlischen Leben" ein flüssigeres Tempo als heute oft üblich. Beleg: Walters Einspielung und so viel ich weiß auch eine Mahler-Klavierrolle.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Knabensopran bei Mahler ist garantiert nicht HIP.


    Hat ja auch niemand behauptet. :wink:


    "Letzte Ursache" der Frage der Frage Motiaans war die Suche nach einer Aufnahme mit wenig bis gar keinem Vibrato in der Sopranstimme. Da wäre die Aufnahme mit Helmut Wittek und Leonard Bernstein einen Versuch wert. Der Hörschnipsel bei jpc sollte hinreichen, um zu entscheiden, ob es in die gewünschte Richtung geht.


    Gruß
    MB


    :MB:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Hi,


    danke für eure Vorschläge! Der Knabensopran ist auch nicht mein Geschmack. Nach etlichen Klangschnipseln finde ich von der Stimmen noch am besten:
    Reri Grist (mit Bernstein 1960-75)
    ? (mit Chailly/Concertgebouw)


    Auch dies ist nicht so meines: "http://www.youtube.com/watch?v=YcVuDIDgWvk"


    Ein bisschen Schwung muss schon sein, das ist auch noch behaglich. Die Versionen, wo man dem Orchester im Gehen die Schuhe besohlen kann oder das Orchester im Schweinsgalopp unterwegs ist... naja...


    Ich suche weiter :)


    Hat Emma Kirkby jemals Mahler gesungen?

    Helli

  • Hallo motiaan !
    Meines Wissens hat E. Kirkby nie Mahler gesungen!


    Aber die Aufnahme mit Fritz Reiner ist sehr schön , mit Lisa della Casa!
    Und Abbado und den Berliner , mit Renee Fleming sehr gut , ich mag die Abbado Symphonien sehr gerne!


    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Habe eben die Mahler 4. Gehört mit Sanderling (eben jene von Post 84


    Sanderling spielt eine Mahler in allen Facetten , ganz wunderbar , bin beim 2x hören und weiter begeistert !
    Und Dame Felicity Lott singt hingebungsvoll!
    Der 3.Satz ist zum niederknien!
    Schade das ich Sanderling erst jetzt entdeckt habe !!!!!
    Er hat einerseits Drive und anderseits Gefühl , eben Malerisch !


    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Höre gerade auf YouTube den Link mit der M4 mit dem FSO-Frankfurt + Eliahu Inbal,
    da ich mich langsam entscheiden muß, ob ich die günstige Doppel-CD mit M4 + M5 mit dem FSO-Fra + Inbal nun behalte oder nicht.


    "http://www.youtube.com/watch?v=9_f-gD0R164"


    Finde die Klangqualität des Links mäßig.
    Wie ist denn die Klangqualität der CDs der Inbal-Aufnahmen? Könnte mir da evtl. jemand von Euch Feedback geben?


    Vielen Dank im voraus!


    Die Interpretation hingegen gefällt mir bislang gut.



    :wink:


    amamusica :pfeif:

    Ein Blümchen an einem wilden Wegrain, die Schale einer kleinen Muschel am Strand, die Feder eines Vogels -
    all das verkündet dir, daß der Schöpfer ein Künstler ist. (Tertullian)


    ...und immer wieder schaffen es die Menschen auch, Künstler zu sein.
    Nicht zuletzt mit so mancher Musik. Die muß gar nicht immer "große Kunst" sein, um das Herz zu berühren...




  • Hallo amamusica !


    Selbstverständlich sollst du die behalten, die Box mit allen Sinfonien gibt es gaaaaanz Preiswert!
    Zzgl . Dem Lied von der Erde !
    Habe damals alles Live gehört.
    OK , die Erinnerung spielt auch eine große Rolle, aber seine Interpretation ist schon Klasse !


    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Finde die Klangqualität des Links mäßig.
    Wie ist denn die Klangqualität der CDs der Inbal-Aufnahmen? Könnte mir da evtl. jemand von Euch Feedback geben?


    Immerhin sind diese Aufnahmen ursprünglich von Denon gemacht worden, die ja zur Avantgarde der Audiophilität gehörten. Ich habe aus dieser GA nur die 7. in meiner Sammlung, die ich nicht so häufig gehört habe. Da habe ich keine deutlich negativen oder positiven Erinnerungen.
    Die 3. hatte ich mal aus der Bibliothek ausgeliehen (nebst Partitur). Diese Sinfonie hatte ich in der alten Haitink-Aufnahme kennengelernt, die ja nun auch nicht schlecht ist. Aber Inbals Einspielung war noch genauer & leidenschaftlicher.

    Nur weil etwas viel Arbeit war und Schweiß gekostet hat, ist es nicht besser oder wichtiger als etwas, das Spaß gemacht hat. (Helge Schneider)

  • Mein Dank gilt zunächst Gurnemanz für die glänzende Eröffnung dieses Threads, dann den vielen höchst kompetenten Beiträgern. Insbesondere Edwins Konzept einer nur posierten, dem Theater anverwandten Naivität überzeugt mich - nicht zuletzt deshalb, weil dies in eigenwilliger Entsprechung zur deutschen Hochromantik in der Literatur steht - auf Eichendorffs symbolische Landschaft bezogen, mit denen sich etwa Oscar Seidlin und Richard Alewyn befasst haben.


    Selbst ist mir heute eine Parallele bewusst geworden, die hier bezüglich der Vierten wie zu erwarten thematisiert wird und zu der ich mich vorhin im Thread zur Achten geäußert habe.


    Dann hätte ich noch eine Frage: Vor etlichen Jahren äußerte sich ein Dirigent im Rundfunk zum Finalsatz der Vierten dahingehend, dass man diesen überhaupt nicht spielen sollte. Weiß jemand, wer das gewesen sein könnte? Leider erinnere ich mich daran nicht mehr. Die Äußerung empfinde ich zwar per se als hybrid - die dahinter stehende Argumentation hat aber zweifellos ihre Daseinsberechtigung und wird ja auch (zwangsläufig) in diesem Thread immer wieder thematisiert.


    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Ö 1 brachte am 12.8.2013 live aus der Felsenreitschule Salzburg ein Konzert mit dem ORF-Radio-Symphonieorchester Wien unter der Leitung seines Chefdirigenten Cornelius Meister. Im zweiten Teil konnte man wieder einmal Gustav Mahlers Symphonie Nr. 4 G-Dur hören. Das Sopransolo im Finale sang Dorothea Röschmann.


    Hier mein persönlicher Hörendruck, wie üblich eher schwelgerisch als konstruktiv analytisch (kann halt nicht anders):


    „Bedächtig, nicht eilen“ schreibt Mahler über den ersten Satz, und das Orchester findet sofort den idealen Tonfall „österreichischer“ Musik. Da fühlt sich der geborene Wiener ganz zu Hause, in jeder Nuance. Das schwelgt so schön scheinheilig und tanzt dann wieder seltsam grotesk, Mahler halt, wie ihn ein Wiener Profiorchester in Fleisch und Blut hat. Meister arbeitet dabei sehr gut die Vielschichtigkeit und Zerrissenheit der Musik heraus. „In gemächlicher Bewegung, ohne Hast“ soll es durch den zweiten Satz gehen, mit der höher gestimmten „Fiedel“, durch diesen noch groteskeren Tanz im Schattenreich. Meister kostet die „Selbstgerechtigkeit“ und Schadenfreude und den Scheinfrieden dieser Musik voll aus, das ist sehr fein nuanciert alles. „Ruhevoll“ in den großen dritten Satz, man kann sich wieder einmal total fallenlassen, in Tiefen abtauchen, in Träumen schwelgen, das Ringelspiel anstoßen und sich drehen, drehen, drehen, und der große Aufschwung kommt großartig vollblütig. Dorothea Röschmann schildert die himmlischen Freunden des Finalsatzes („Sehr behaglich“) „wie eine wissende Mutter bei der Gutenachtgeschichte“, das ist eine sehr erwachsene, opernhaft-damenhafte Erzählerin. Ich fühle mich mit einem naiveren, kindlicheren, helleren Tonfall mehr zu Hause, aber die Lebendigkeit der Interpretation ist auch nicht zu verachten. Insgesamt eine mir sehr sympathische, weil lebendige, gelebte, durchpulste, großartig erfühlte Mahler Vierte.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK


  • Vor etlichen Jahren äußerte sich ein Dirigent im Rundfunk zum Finalsatz der Vierten dahingehend, dass man diesen überhaupt nicht spielen sollte.


    Kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Nach dem dritten Satz ist die Sinfonie offenbar nicht fertig, nach dem vierten aber schon. Man muss *diesen* letzten Satz nicht mögen (ich selbst finde den Text nicht sonderlich erbaulich), aber *ein* Finalsatz gehört m. E. dahin.


    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga
    Und wer Herr Reichelt ist, weiß ich auch erst seit Montag. --- Prof. Dr. Christian Drosten

  • @Alexander
    Du sollst hier nicht Mahler hören, sondern dich mal flott um den Thread zu Dvoráks achter kümmern. Man tau! :-H


    :wink:


    Kurz OT: Bitte um Verständnis, kann wochentags meist nur am Abend konzentriert Musik hören und am Thread arbeiten, habe selbstverständlich nach der Mahler Vierten noch eine Aufnahme für den Thread gehört, heute folgt noch eine und morgen wird dann hoffentlich der Thread fertig. Bitte auch um Verständnis, ich tue mir leichter, nicht mehrere Aufnahmen eines Werkes an einem Tag zu hören, höre lieber jeden Tag nur eine (in andere höchstens kurz rein zum Vergelich). Ohne das Hören mehrerer Aufnahmen (so verfügbar) möchte ich aber auch nicht den Thread eröffnen (damit der unmittelbare Höreindruck einfließt). Bitte also für die Verzögerung um Entschuldigung, morgen am Abend sollte es so weit sein. OT Ende, hier bitte wieder das himmlische Leben genießen, danke.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Kurz OT: Bitte um Verständnis, kann wochentags meist nur am Abend konzentriert Musik hören und am Thread arbeiten, habe selbstverständlich nach der Mahler Vierten noch eine Aufnahme für den Thread gehört, heute folgt noch eine und morgen wird dann hoffentlich der Thread fertig. Bitte auch um Verständnis, ich tue mir leichter, nicht mehrere Aufnahmen eines Werkes an einem Tag zu hören, höre lieber jeden Tag nur eine (in andere höchstens kurz rein zum Vergelich). Ohne das Hören mehrerer Aufnahmen (so verfügbar) möchte ich aber auch nicht den Thread eröffnen (damit der unmittelbare Höreindruck einfließt). Bitte also für die Verzögerung um Entschuldigung, morgen am Abend sollte es so weit sein. OT Ende, hier bitte wieder das himmlische Leben genießen, danke.


    Das verstehe ich vollkommen. Und es war natürlich nicht ernst gemeint (siehe Smiley). :)


    :wink:

  • Alles klar lieber Treborian! :wink:


    Hier gerne weiter mit dem Genuß der himmlischen Freuden, ich höre mir vielleicht heute noch die Abbado Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern an...

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Ein weiterer persönlicher Höreindruck:



    Ich kann die im Mai 1977 entstandene Aufnahme von Gustav Mahlers Symphonie Nr. 4 G-Dur mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Claudio Abbado (CD DGG 413 454-2, zuvor LP 2530 966, gehört allerdings aus der DGG 50 CD Box Wiener Philharmoniker Symphony Edition; hier eine neuere, preisgünstige Auflage) als sentimentaler Wiener nur verklärend hören. Von Anfang an macht man es sich da im Wiener Philharmonischen Schönstklang gemütlich. Die Ironie wird wienerisch zugedeckt mit Streicherseligkeit. Alles kann man sich schönreden als Wiener, jeder Ort in Wien eignet sich zur Verklärung, der Heurige, die Geisterbahn, die Katakomben oder eine Gruft am Zentralfriedhof. Mit dem Wiener Klangluxus bleibt die Lage hoffnungslos, aber sie scheint weiter nicht schlimm. Konzertmeister Gerhart Hetzel mit seiner höher gestimmten Fiedel im zweiten Satz spielt viel zu einschmeichelnd, um uns von Freund Hein auch nur irgendetwas Bedrohliches erwarten zu lassen. (Der sentimentale Wiener denkt sich die Bedrohung gerade deswegen umso lieber weg.) Abbado forciert nicht, er ergibt sich der Wiener Seligkeit. Die Abgründe unter der himmlisch schönen Oberfläche bleiben behutsam zugedeckt. Der breit ausgekostete langsame Satz wird wieder einmal zum „Zentrum der Welt“. Und so wie Frederica von Stade die himmlischen Freuden im Finale besingt, wie ein unschuldiger Engel, hebt sich die Geborgenheit auch hier nicht auf, etwa ins etwas Schelmische hinein. Viele andere Interpretationen gehen geschärfter mit der Musik um, da kommen die Abgründe wesentlich deutlicher zur Geltung. Hier darf man Mahlers Vierte genießen, einfach darin schwelgen.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Die Vierte war es übrigens, mit der ich meine fünfundzwanzigjährige Mahler-Blockade im letzten Herbst lösen konnte und seitdem höre ich bis auf die Achte alle Mahler-Sinfonien rauf und runter. Warum ausgerechnet bei dieser Sinfonie, deren Abgründigkeit ich sicher nicht zuerst erkannte? Ich weiß es nicht mehr, ich weiß nur noch, dass ich im Wald mit meinen Hunden spazieren war und permanent eine Melodie aus der Vierten pfiff - so kann's gehen!

  • Am 5.9.2013 führte der Radiosender BR-Klassik ins Konzerthaus Kopenhagen. Dort gab das Danish National Symphony Orchestra unter der Leitung von Fabio Luisi im Rahmen der Kopenhagener Sommerkonzerte am 15.8.2013 ein Konzert. Igor Levit spielte Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37 und als Zugabe Isoldes Liebestod von Richard Wagner in der Transkription von Franz Liszt, und im zweiten Konzertteil stand Gustav Mahlers Symphonie Nr. 4 G-Dur auf dem Programm.


    Mein Höreindruck der Mahler Interpretation.


    So wie Luisi in die Symphonie geht, möchte ich den Ansatz als sehr lebendig bezeichnen, zwischen verschmitzter Spielfreude und eindringlichen Gefühlsbezeugungen gleich im ersten Satz. Ich höre Mahler ja „als Wiener“. Luisi dirigiert seit vielen Jahren in der Wiener Staatsoper und war Chefdirigent des Niederösterreichischen Tonkünstlerorchesters, bis eben war er noch Chefdirigent der Wiener Symphoniker. Es hört sich alles so an, wie es dem Wiener Mahlerohr vertraut ist, was Tempi, Sentiment und ironische Brechungen betrifft. Hoher europäischer Standard was Orchesterkultur und Einfühlungsvermögen in Mahlers „Eigensinn“ betrifft in Kopenhagen, das gefällt mir auch sehr gut. Ich täte mir allerdings schwer, etwas Spezifisches im Orchesterklang (wie etwa bei den großen Orchestern aus Wien, Berlin oder Amsterdam) heraushören zu wollen. Das Verzerrte des zweiten Satzes arbeitet Luisi in seiner Groteske krass heraus, zwischen Schalk und Teufelei. Schön, dass Luisi den großen langsamen Satz nicht verklärend verschleppt, sondern grundsätzlich lebendig bleibt, sehr wohl aber mit allen dem Wiener so vertrauten Zwischentönen bis zu Traumfantasien. Mir fällt da einer dieser Schnitzler Frauentypen ein – unerfülltes, in Zwänge gekettetes Leben, von Männern bestimmt, aber anderswo, vielleicht nur in der Fantasie, im Traum, da lassen sich die großen Gefühle ausleben. Das Horn zollt kurz mal den Raumtemperaturen Tribut. Bei den Hörnern hört man es halt immer. Ich hab kein Problem damit, finde das sympathisch. Es sind Menschen, die musizieren, und live ist live. Musikalisch schlägt in diesem dritten Satz das Schicksal schon mal ziemlich zu, Luisi weiß das bewegend mitfühlbar zu machen, genauso die Euphorien, die zwischendurch aufblitzen. Das Sopransolo im Finale singt Agneta Eichenholz. Sie bemüht sich, der lebendigen Diktion Luisis kongenial zu entsprechen. Ihr gelegentliches ausdrucksintensives Forcieren gibt den Schilderungen besonderen Nachdruck. Ich bin froh, diese lebendige Mahler Vierte gehört zu haben.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

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