Charles Lloyd - Zwischen Fillmore East, Big Sur und München
Dem 1938 in Memphis geborenen Saxophonisten Charles Lloyd ist bis heute eine äußerst erfolgreiche, aber auch von großen Brüchen durchzogene Laufbahn beschieden gewesen. Wie so viele Jazzmusiker sammelte auch er frühe Erfahrungen in Rhythm & Blues-Bands. 1961 wurde er Mitglied in der Band des Schlagzeugers Chico Hamilton, in der er niemanden Geringeren als Eric Dolphy ersetzte. Mit Discovery und Of course, of course nahm er Mitte der sechziger Jahre seine ersten eigenen Platten auf. 1966 dann der enorme Durchbruch: Er gründete seine eigene Band (mit Keith Jarrett, Cecil McBee und JackDeJohnette), nahm beim Monterey Festival seine Platte Forest Flower auf, die ein Millionenseller wurde. Noch bevor z.B. Miles Davis mit seinem Gebräu aus Jazz und Rock große Massen erreichte, spielte Charles Lloyd z.B. im Fillmore East, wo sonst u.a. die Doors oder Jimi Hendrix auftraten und präsentierte erfolgreich seinen Mix aus Jazz, Folk, Rock und Blues - zum großen Teil vor dem gleichen Publikum, das auch zu Hendrix kam.(Was muss das für eine spannende Zeit mit einem so offenen, neugierigen, nicht auf eine Richtung gebürsteten Publikum gewesen sein...) 1967 wurde Lloyd im DownBeat zum Jazz Artist of the Year gewählt.
"http://www.youtube.com/watch?v=bJQPvADWpsE"
Nicht zuletzt er selbst bemerkte aber, dass ihn diese Form der Musik in eine Art Sackgasse führte, in der sich recht bald nicht mehr wohl fühlte. 1969 ging er in eine Art innere Emigration. Er zog sich in den kalifornischen Küstenstreifen Big Sur zurück. Die einen sprechen von einem Leben in einer Höhle, die anderen von dem auf einer Farm... Statt musikalisch auf sich aufmerksam zu machen, gab er sich u.a. der Meditation und philosophischen Studien hin. Ca. 1981 traf er auf einen jungen, sehr gehandicapten französischen Pianisten, den es nach Kalifornien gezogen hatte: Michel Petrucciani bewegte Charles Lloyd dazu, sich wieder aktiv in der Musikszene zurückzumelden. Roger Willemsen, ein enger Freund Petruccianis, berichtet gar, dass Charles Lloyd bereits vor dem schicksalhaften Treffen eine Vorahnung gehabt haben soll, nach der ein zerbrechlicher Mensch (oder so ähnlich...) über das Meer kommen würde, um ihm wieder den Weg in die Musik zu weisen. Nun ja...
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Fest steht: Das Comeback gelang. Lloyd und Petrucciani tourten erfolgreich durch die USA und Europa und nahmen gemeinsame Platten auf (leider zurzeit nichts lieferbares). Aufgrund einer schweren Erkrankung musste Charles Lloyd sich aber 1986 abermals zurückziehen.
Und jetzt kommt München ins Spiel. Nach der Genesung unterschrieb Charles Lloyd einen Vertrag beim Label ECM. Er formierte dort bereits ansässige Musiker um sich (z.B. Palle Danielsson, Anders Jormin, Jon Christensen) und nahm ab 1989 CD um CD auf und tourte jährlich durch Europa, Asien und Amerika. Bei ECM hat er bis heute 14 CDs heraus gebracht. Die Besetzung seiner Band wandelte sich langsam von ausschließlich aus Norwegen stammenden Musikern hin zu Amerikanern, z.B. zunächst Billy Hart und später Geri Allen, Brad Mehldau, Jason Moran, Billy Higgins und Eric Harland. Stilistisch hat er in dieser ECM-Phase keine allzu große Wandlung vollzogen. Diese Musik ist geprägt vom Vertrauen auf den weichen, aber dennoch griffigen Ton seines Tenorsaxophons und die erzählerische Kraft. Viele Stücke sind enorm süffig, melodieselig aber sehr selten kitschig (Man höre beispielsweise Te amare von Lift every Voice). Der Mensch Charles Lloyd in seiner majestätischen, ruhigen und schlaksigen Erscheinung sowie seinem Wunsch nach innerer Einkehr und Meditation, scheint in der Musik der letzten zwei Jahrzehnte seine musikalische Entsprechung gefunden zu haben.
"http://www.youtube.com/watch?v=S85RFSoXOdk"
Ich habe das Glück, dass Charles Lloyd eine langjährige Freundschaft mit einer Familie aus meiner Heimatstadt verbindet. Was dazu führt, dass er hier einmal im Jahr garantiert auftritt. Im November ist's wieder soweit, dass ich den Mann "mit den schönsten Männerhänden der Welt" (nochmal Zitat Willemsen) wieder live sehen kann.
LG
C.