Theodorakis, Mikis: Ein Leben für Griechenland

  • Theodorakis, Mikis: Ein Leben für Griechenland

    Liebe Capricciosi!

    Der international bekannteste und erfolgreichste griechische Komponist ist wohl Mikis Theodorakis, geboren 1925 auf Chios. Schon in seiner Jugend wurde er politisch aktiv im Widerstand gegen die Besetzung Griechenlands durch Deutschland, mehrmals gefangengenommen und gefoltert. Nach dem Rückzug der Deutschen verschärften sich in Griechenland die Konflikte zwischen linken und rechten Ideologien weiter und führten zum Bürgerkrieg, in dessen Verlauf Theodorakis als Kommunist in verschiedenen Konzentrationslagern interniert wurde, gefoltert wurde, zwei Mal gar lebendig begraben wurde und nur knapp dem Tod entrann. In den Zeiten, wo er nicht inhaftiert war, studierte er am Athener Konversatorium Musik, wo er 1950 den Abschluss erlangte. Nach etwas ruhigeren Zeiten als Musikschulleiter in Chaniá/Kreta konnte er mit einem Stipendium 1954 samt Ehefrau nach Paris gehen, wo er bis 1959 u.a. bei Olivier Messiaen studierte.

    1960 kehrte Mikis Theodorakis nach Griechenland zurück. In den folgenden Jahren entwickelte er eine intensive musikalische und politische Tätigkeit, entwickelte seinen eigenen Stil aus griechischen (Volksmusik und Rembetiko) und westlich-sinfonischen Elementen und zielte auf eine Erneuerung griechischer Musik und Kultur ab. Einem breiten Publikum wurde er zu dieser Zeit mit seiner Filmmusik zu "Alexis Zorbas" bekannt, die den berühmt-berüchtigten Syrtaki beinhaltet; Kern seiner politischen Musik sind die Lieder. Ab 1964 saß Theodorakis im griechischen Parlament; mit dem Militärputsch 1967 musste er wieder in den Untergrund gehen und überlebte wieder nur mit Glück und internationaler Unterstützung einige Konzentrationslager. Auch vom französischen Exil aus betrieb er unermüdlich seinen Kampf gegen die Diktaturen weltweit; zu seinen damaligen Mitstreitern zählten Pablo Neruda und Salvador Allende, die wichtige Impulse für die Komposition seines Hauptwerkes, "Canto General" (1973-1980) gaben.

    Nach dem Sturz der Junta kehrte Mikis Theodorakis 1974 zum zweiten Mal nach Griechenland zurück, diesmal in Triumph und unter Jubel. Von der Aufführung der bereits vollendeten Teile des "Canto General" im Athener Karaiskakis-Stadion mit Maria Farantouri und Petros Pandis gibt es einen Live-Mitschnitt mit einzigartiger Atmosphäre und einzigartigem Fangeschrei:

    In den folgenden Jahrzehnten engagierte sich Mikis Theodorakis mit wechselndem Erfolg weiterhin politisch in Griechenland und bekleidete auch politische Ämter. Aus seiner Beschäftigung mit der orthodox-byzantinischen Tradition erwachsen die "Missa greca" und das "Requiem", viele seiner Werke bis heute sind von der Antike inspiriert (Bühnenmusiken zu vielen altgriechischen Tragödien und Komödien). In den letzten Jahren hat er sich zunehmend ins Privatleben zurückgezogen und in seinem kompositorischen Schaffen wieder auf das Lied konzentriert.

    Eine ausführlichere Würdigung seiner Musik folgt noch; aber ich gebe den Thread jetzt schon einmal zur Diskussion frei. ;+)

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Der international bekannteste und erfolgreichste griechische Komponist ist wohl Mikis Theodorakis

    Für mich ist das Iannis Xenakis. Aber ich trink' jetzt mal einen Ouzo auf Theodorakis. Ich muß mir ja nicht gleich eine seiner Antike-Opern anhören... ;+)
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Ich muß mir ja nicht gleich eine seiner Antike-Opern anhören... ;+)

    Die - im Vergleich mit manchen Literaturopern, die in den letzten Jahrzehnten so verbrochen wurden - gar nicht soooo übel sind ... :P

    Ich höre die hin und wieder ganz gern, insbesondere die Medea.

    Für sein stärkstes Werk halte ich allerdings seine 1. Symphonie, die sehr schön kraftvoll ist (und streckenweise ein bissel nach Schosti klingt):

    Adieu,
    Algabal

    Keine Angst vor der Kultur - es ist nur noch ein Gramm da.

  • danke für den Tipp lieber Algabal.

    Eine Synphonie vor Theodorakis ist für mich eine verlockende Vorstellung. Bin gespannt auf Instrumentierung und den Stil überhaupt.

    Den Mitschnitt des Canto General habe ich auch. Ein wirklich tolles und famoses Werk, dessen Musik die kraftvollen Texte Nerudas in ihrer Wirkung noch verstärkt. Leider ist der Chor furchtbar (jede Menge eifrige, aber schaurige Scheppertenöre) und Petros Pandis gefällt mir auch nicht so wirklich, aber trotzdem freut es mich, dieses Exemplar aufgestöbert zu haben, da der ganze Kontext dieser Aufnahmen und Mitschnitte bemerkenswert ist als ein nicht unwesentlicher Teil moderner klassischer Musik. Es dürfte eine ziemlich seltene Ausgabe sein.

    Ich besitze noch eine Vinyl - Aufnahme aus der DDR mit Rundfunk - Chor und -ochester Berlin (Ost) und einem sehr guten Bariton (den Namen weiß ich jetzt nicht, müsste die Platte suchen). leider passen er und Maria Farantouri (die ich sonst gerne höre) stimmlich nicht zusammen, weil sie nicht mit klassischer Technik singt. Sie singen zwar kein Duett, aber das wirkt wie ein Qualitätsunterschied, obwohl man dies objektiv mangels Vergleichbarkeit nicht sagen kann.

    :wink:

    Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren (Bert Brecht)

    ACHTUNG, hier spricht Käpt´n Niveau: WIR SINKEN!! :murg: (Postkartenspruch)

  • Lieber Edwin!

    In welchen Kreisen bewegst du dich, in denen Xenakis bekannter ist als Theodorakis? Ich glaube, ich kenne die falschen Leute... ;+)

    Nun also der versprochene Beitrag über Theodorakis' Musik: Der politische Widerstand, den Mikis Theodorakis zeit seines Lebens übte, war immer auch ein Widerstand in und durch die Musik. Seine Musik ist grundsätzlich politisch (auch wenn das Antike-Zeugs der letzten Jahre vielleicht nicht so aussieht, aber das ist zumindest nationalistisch), und aus seiner politischen Einstellung ergibt sich auch die musikalische Stilistik: Theodorakis sucht und findet eine Musik, die eine Musik vom Volk für das Volk ist bzw. sein kann. Eines seiner dezidierten Ziele ist es, dass die Griechen die Lyrik ihrer großen Dichter selbst singen können: "Es ist wahr, dass ich es als erster wagte, die Werke großer Poeten zu vertonen und zu „Alltagsliedern“ zu machen, damit alle Griechen sie singen können, ohne Ausnahme und indem sie sich losreissen von ihrem individuellen Schicksal, das sie voneineinander trennen mag. Damit ein Fremder begreift, was das wirklich bedeutet, müsste er sich vorstellen, dass man in Deutschland jeden Tag Goethe, in England vielleicht T.S. Eliot und in Frankreich Paul Eluard singen würde – zu Hause, in der Taverne, bei der Arbeit, in der Schule oder während einer Demonstration." (H. Hermann, Mikis Theodorakis - Der Rhythmus der Freiheit, Berlin 2006, zit. nach Wikipedia) Das ist ihm gelungen - mit einer radikalen Vereinfachung seiner musikalischen Sprache, die aber, und das ist in meinen Augen das Besondere an seiner Musik, nie mit einer Banalisierung einher geht. Die Musik ist simpel, ist tonal (z.T. modal), ja, sie macht sich mit der griechischen Volks- und U-Musik gemein - aber sie klingt echt und wahrhaftig! Für mich ist Mikis Theodorakis mit seinen besten Werken ein früher und großer Vertreter der Postmoderne.

    Den "Canto General", der hier schon mehrmals angesprochen wurde, gibt es auch noch in einer Studioaufnahme mit durchwegs klassischen Sängern, die rein klanglich sicherlich die Nase vorn hat (und die Altistin Alexandra Papadjiakou ist exzellent, sieht man von kleineren Aussprachefehlern im Spanischen ab); außerdem ist er hier vollständig:

    Auf der Box sind weitere mehr und weniger wichtige Werke von Theodorakis enthalten: Das Oratorium "Axion esti" auf Worte des griechischen Literaturnobelpreisträgers Odysseas Elytis (leider in deutschsprachiger Version) und die dritte Sinfonie (mit Chor und Orchester, in griechischer Sprache), ferner die Liturgie Nr. 2 und die Sadduzäerpassion. Für den Preis, den die 6-CD-Box beim Werbepartner zu haben ist, lohnt sich die Anschaffung m.E. durchaus, wenn man mit dieser Musik etwas anfangen kann.

    Ein weiteres bedeutendes Werk von Theodorakis ist meiner Meinung nach das Requiem, in dem Theodorakis die Klangwelt byzantinischer Gesänge in seinen eigenen Stil einfließen lässt und eine ganz eigene Synthese schafft - ein Gegenstück in meinen Ohren zu der Rachmaninov'schen Vesper:

    Neben den Antiken-Opern hat sich Theodorakis mit den Stoffen antiker Tragödien auch für die Filme von Michalis Kakogiannis auseinandergesetzt: Neben "Alexis Zorbas" schrieb er auch die Musiken zu "Elektra", den äußerst hochkarätig besetzten "Troades" und "Iphigenie".

    Und schließlich darf man nicht die Unmengen von Liedern und Liedzyklen vergessen, die Theodorakis komponiert hat. Auch Theodorakis' bisher letzte Arbeit ist ein Liedzyklus und meiner Meinung nach hervorragend gelungen: "Odisseia" auf Gedichte von Kostas Kartelias zeichnet die Geschichte der Odyssee nach, in Musik, die wiederum eine eigenartige Synthese aus traditioneller griechischer Musik, Klassik und Jazz ist. Hier scheinen sich in der Weite des Meeres, die in der Musik ausgedrückt ist, wirklich das fast dreitausend Jahre alte Epos und die modernen griechischen Traditionen zu berühren - und schaffen so ein ganz besonderes Kleinod. (Auch wenn Edwin nicht völlig zu Unrecht sagen mag, das sei ja, als ob Mundartgedichte über den Stoff des Nibelungenliedes von Gretl Komposch vertont würden...)
    Es gibt von "Odisseia" eine wunderbare Aufnahme mit Maria Farantouri, an die man anscheinend von hier aus überhaupt nicht herankommen kann. Ich kenne das Werk bisher auch nur von Youtube, wo man bei geduldiger Suche nicht nur eine Dokumentation darüber findet, sondern auch die Lieder selbst, meist als Hintergrundmusik zu kitschigen Amateurfilmchen von Sonnenuntergängen über griechischen Inseln. Aber ich freue mich schon auf die nächste Gelegenheit, nach Griechenland zu reisen und dortselbst diese CD zu erwerben.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Nach dieser CD habe ich schon mal gespickelt (weniger wegen des Komponisten, sondern eher wegen des Dirigenten, der aus fast allem im 20. Jahrhundert Komponierten Gold zu spinnen vermag):


    Theodorakis: Symphonie Nr. 7 (Dresdener Philh. Orch. u. a., Ltg.: Herbert Kegel)

    Bislang konnte ich mich nicht zum Erwerb entschließen. Weiß wer was dazu?

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Dazu schrieb ich mal andernorts:

    "Mittlerweile konnte ich mir noch Kegels Einspielung der 7. Symphonie "Frühlings-Symphonie" von Mikis Theodorakis zu Texten von Yannis Ritsos und Yorgos Kouloukis aneignen.
    Die CD ist eine Live-Aufnahme von 1987 mit der Dresdner Philharmonie, dem Radio-Chor-, sowie Radiokinderchor Prag, dem Chor der Staatlichen Philharmonie Litauens und als Solisten: Kari Lövaas (Sopran), Violetta Madjarova (Alt), Sergej Lavinas (Tenor) und Gunther Emmerlich (Bass).

    Leider sind die meisten Aufnahmen von Werken von Theodorakis auch unter eigener Leitung unter deutlich suboptimalen Bedingungen entstanden, häufig mit drittklassigen Orchestern, leiernden Chören und GesangssolistInnen, die nicht sehr gut aufeinander abgestimmt waren.
    Da ist es eine Wohltat, eins seiner Werke einmal vorbildlich eingespielt hören zu können.
    Die Balance zwischen den SolistInnen, den Chören und dem Orchester ist ausgezeichnet. Wie beim War Requiem oder den Gurre-Liedern finde ich Kegel gerade bei groß angelegten Werken mit Chören und Gesangssolisten kaum zu übertreffen."

    Ich höre Theodorakis gelegentlich aus etwas sentimentalen Gründen und mit großer Sympathie für den Menschen und unbeugsamen Kämpfer für eine Sache, der auch ich verbunden bin, ganz gerne, aber,ehrlich gesagt, kann ich mich an das Werk gar nicht mehr erinnern, nur das ich das Gedicht von Yannis Ritsos sehr schön fand. Muß ich erst wieder hören.

    :wink: Matthias

  • Theodorakis sucht und findet eine Musik, die eine Musik vom Volk für das Volk ist bzw. sein kann. Eines seiner dezidierten Ziele ist es, dass die Griechen die Lyrik ihrer großen Dichter selbst singen können: "Es ist wahr, dass ich es als erster wagte, die Werke großer Poeten zu vertonen und zu „Alltagsliedern“ zu machen, damit alle Griechen sie singen können, ohne Ausnahme und indem sie sich losreissen von ihrem individuellen Schicksal, das sie voneineinander trennen mag. Damit ein Fremder begreift, was das wirklich bedeutet, müsste er sich vorstellen, dass man in Deutschland jeden Tag Goethe, in England vielleicht T.S. Eliot und in Frankreich Paul Eluard singen würde – zu Hause, in der Taverne, bei der Arbeit, in der Schule oder während einer Demonstration." (H. Hermann, Mikis Theodorakis - Der Rhythmus der Freiheit, Berlin 2006, zit. nach Wikipedia) Das ist ihm gelungen - mit einer radikalen Vereinfachung seiner musikalischen Sprache, die aber, und das ist in meinen Augen das Besondere an seiner Musik, nie mit einer Banalisierung einher geht. Die Musik ist simpel, ist tonal (z.T. modal), ja, sie macht sich mit der griechischen Volks- und U-Musik gemein - aber sie klingt echt und wahrhaftig!

    Lieber Areios, das finde ich sehr gut von dir charakterisiert.

    Klar, Nikos Skalkottas hatte, neben seinen Werken in der Nachfolge Schönbergs auch schon als eine Art griechischer Bartok traditionelle Folklore m.E. kunstvoller, in sich schlüssiger verarbeitet, aber schon aufgrund der Kriegzeit und seines frühen Todes zunächst fast ohne eine Wirkung. Auch seine Entdeckung in Griechenland kam erst, nachdem die Musik von Theodorakis bestens 'im Volk' verankert war.
    Ebenso hat Theodorakis den Rembetiko, den Blues der 'kleinen Leute' unter den kleinasiatischen Griechen aus den Spelunken geholt und damit auch viel zur Anerkennung der Probleme der Kleinasienflüchtlinge beigetragen, gleichzeitig aber viel zur Aussöhnung zwischen Griechen und Türken beigetragen, in dem er auch viel mit türkischen Musikern zusammengearbeitet hat und die Gemeinsamkeiten beider traditionellen Musiken betont hat. In diesen Zusammenarbeiten mit türkischen Musikern hat er darüber hinaus beigetragen die Musikkultur kleiner türkischer Minderheiten wie der Lasen lebendig zu erhalten.
    Musikalisch hat er, so mein Eindruck, ziemlich nachhaltig dazu beigetragen, Grenzen zwischen den unterschiedlichen Musikkulturen einzureißen. Es gibt in Griechenland ungewöhnlich viele MusikerInnen, die in verschiedenen Genres zu Hause sind, SängerInnen die Pop, Folklore, Schlager, Politsongs, aber auch avanciertere Kunstlieder und Jazz singen, sehr avancierte moderne Komponisten, die auch regelmäßig Jazz und irgendwelche Folk-Crossover in Bars spielen und ein relativ breites Publikum, dass für sehr Unterschiedliches offene Ohren hat.

    Zwar war auch schon vor Theodorakis unter den Griechen die avancierte klassisch-moderne griechische Lyrik ungewöhnlich verbreitet, aber dass man auch heute noch in Griechenland Seeleute, Fischer, Arbeiter oder Bauern finden kann, mit denen man sich über diese avancierte Lyrik unterhalten kann, ist schon ziemlich einzigartig und wohl auch ein Verdienst von Theodorakis. Auf meiner ersten Griechenland-Reise, Abifahrt der Griechischkurse meines Gymnasiums, die übliche Bustour entlang der Sehenswürdigkeiten auf dem Festland und der Peloponnes, hatten sich meine kleine Freundesgruppe und ich uns etwas mit unserem Busfahrer angefreundet, auch wenn die Verständigung phantasievoll über Brocken diverser Sprachen hergestellt wurde. So landete mein kleiner Freundeskreis dann meist abends nicht in den Tourischuppen, sondern dort, wo sich die Busfahrer nach ihrer Arbeit trafen und dort wurde, je später der Abend, je höher der Ouzo-Pegel, dann auch mit großer Selbstverständlichkeit rezitiert und gesungen, natürlich besonders auch Lieder von Theodorakis. Aber dann kam häufig der betreten machende Moment: Auch wir wurden aufgefordert, etwas zum Besten zu geben. Da habe dann wohl nicht nur ich diese Griechen beneidet. Glücklicherweise war ein Kumpel aus unserem kleinen Kreis schon damals ein recht talentierter Jazz-Sänger, der uns dann einigermaßen mit Anstand mit verjazztem American Songbook aus dieser für uns peinlichen Lage rausgehauen hat, denn da die meisten Griechen Verwandte in den Staaten haben, kam das auch ganz gut an. Die Sehenswürdigkeiten des klassischen Griechenlands, derer endlich unmittelbar angesichtig zu werden, ich mich so gefreut hatte, habe ich dann meist erst ab dem Nachmittag richtig zu würdigen wissen können. ;( :D

    :wink: Matthias

  • Die Balance zwischen den SolistInnen, den Chören und dem Orchester ist ausgezeichnet. Wie beim War Requiem oder den Gurre-Liedern finde ich Kegel gerade bei groß angelegten Werken mit Chören und Gesangssolisten kaum zu übertreffen.

    Danke, lieber Matthias: Das sind Argumente, die ich berücksichtigen werde: Kegels Theodorakis kommt auf die Liste.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Lieber Gurnemanz!

    Nicht zu vergessen ist eine CD mit Agnes Baltsa wo sie Lieder von Theodorakis singt.

    Agnes Baltsa kann sich in die Seele, jedes einzelnen Liedes, einleben, großartig ist sie auch hier.

    Außerdem gibt es die jetzt zu einem annehmbaren Preis.

    Liebe Grüße sendet Dir Peter aus Wien, wo es ziemlich kühl ist. :wink: :wink:

  • Nicht zu vergessen ist eienb CD mit Agnes Baltsa wo sie Lieder von Theodorakis singt.

    Danke, lieber Peter, für den Tip: Agnes Baltsa ist mir ein Begriff, ihre Aufnahme mit griechischen Liedern kenne ich noch nicht. Werde es bedenken.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Ich möchte gerne etwas Gutes über Mikis Theodorakis sagen. Immerhin ein griechischer Komponist, so wahnsinnig viele gibt's da ja nicht. Ich möchte wirklich etwas Gutes über Theodorakis sagen. Obwohl die beiden anderen, die man kennt, also Iannis Xenakis und Nikos Skalkottas, turmhoch überlegen sind. Doch sie passen nicht so recht in ein griechisches Restaurant.

    Feta, Oliven, Giros, Retsina und Ouzo - das, also die musikalischen Äquivalente halt, sind so ungefähr die Ingredienzen von Theodorakis' Musik. Mit einem Glas Ouzo hört sie sich am besten an.

    Ich möchte gerne etwas Gutes über Mikis Theodorakis sagen. Aber ich fürchte, es gelingt mir nicht.

    Womit ich bei meinem Theodorakis-Problem bin: Er ist ein Postkarten-Komponist. Plakativ, nachdrücklich, billig. "Ich bin Grieche", scheint er mir permanent mitteilen zu wollen, obwohl mich seine Herkunft nicht sonderlich interessiert, sondern nur, wie er und was er komponiert. Aber das interessiert ihn gar nicht, denn er ist Grieche, und das Griechentum ist, neben dem Sozialismus, seine Verkaufsmasche. Seine Instrumentierungen sind grauenhaft. Vielleicht, weil der Aulos, das Instrument der griechischen Antike außer Mode gekommen ist - und Theodorakis ist nun einmal Grieche. Er kann mit den (modernen) Holzbläsern nichts anfangen, aber er kann mit den Holzbläsern noch mehr anfangern als mit den Blechbläsern (die gab's wohl im antiken Griechenland nicht - und Theodorakis ist nun einmal Grieche), und er kann mit den Blechbläsern noch mehr anfangen als mit den Streichern. Mit den Streichern nämlich kann Theodorakis rein gar nichts anfangen, obwohl es in der griechischen Antike Saiteninstrumente gegeben hat, aber die wurden gezupft. Mit Zupfinstrumenten hingegen kann er ganz gut umgehen - kein Wunder, es ist das Erbe. Theodorakis ist nämlich Grieche.
    Seine Musik dudelt vor allem in den Holzbläsern dahin. Vielleicht beginnt er die Instrumentierung einfach in der obersten Zeile der Partitur, also in den Flöten, und beendet sie in der untersten, also im Kontrabaß. Daraus resultiert möglicherweise, daß, kommt er bei den Streichern an, alle Stimmen bereits hinreichend instrumentiert sind. Für die Streicher bleiben nur noch Verdopplungen oder bewegtes Akkordgewölk - was man halt so schreibt, wenn man sich nicht ganz sicher ist, was man mit Streichern eigentlich anfangen soll. Jedenfalls ist Theodorakis' Klangvorstellung völlig beliebig.

    Ist er wenigstens ein guter Harmoniker? Immerhin ist die griechische Philosophie von der Harmonie geprägt, und Theodorakis ist, ich fürchte, ich habe es bisher noch gar nicht erwähnt, Grieche. Man darf ihm nicht vorwerfen, daß er sich gerne auf die Tetrachorde der Musik der griechischen Antike bezieht, denn Theodorakis ist Grieche, falls das jemandem entgangen sein sollte. Aber daß er seine Tetrachorde so spannungslos nützt, darf man ihm schon vorwerfen, denn das hat mit seinem Griechentum nichts zu tun.

    Irgendwann hat Theodorakis dann beschlossen, er müsse eine Operntrilogie komponieren über die griechische Antike (erwähnte ich schon, daß Theodorakis selbst Grieche ist?). Dieser Idee haben wir drei der langweiligsten Opern der gesamten Musikgeschichte zu verdanken: "Elektra", Antigone" und "Medea". Aber sie haben einen Vorteil: Sie werden sowieso nicht aufgeführt. Alle drei klingen ziemlich gleich: Eine mehr melodisierende als melodiöse Singstimme wird von einem Orchester begleitet, das sich dick und schwer dahinwälzt, als wolle es die Hydra von Lerna symbolisieren. Theodorakis der Grieche hat für seine eigene Tradition keine genuine Sprache, sondern gießt seine Mythen in angedickte italienische Soße aus der Küche von Puccini.

    Aber ich gebe zu: Mit reichlich Ouzo im Glas klingt das herrlich.

    Obwohl ich Ouzo noch besser ohne Theodorakis genießen kann, zum Sirtaki noch mal!
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Seine Instrumentierungen sind grauenhaft. Vielleicht, weil der Aulos, das Instrument der griechischen Antike außer Mode gekommen ist - und Theodorakis ist nun einmal Grieche. Er kann mit den (modernen) Holzbläsern nichts anfangen, aber er kann mit den Holzbläsern noch mehr anfangern als mit den Blechbläsern (die gab's wohl im antiken Griechenland nicht - und Theodorakis ist nun einmal Grieche), und er kann mit den Blechbläsern noch mehr anfangen als mit den Streichern. Mit den Streichern nämlich kann Theodorakis rein gar nichts anfangen, obwohl es in der griechischen Antike Saiteninstrumente gegeben hat, aber die wurden gezupft. Mit Zupfinstrumenten hingegen kann er ganz gut umgehen - kein Wunder, es ist das Erbe. Theodorakis ist nämlich Grieche.
    Seine Musik dudelt vor allem in den Holzbläsern dahin. Vielleicht beginnt er die Instrumentierung einfach in der obersten Zeile der Partitur, also in den Flöten, und beendet sie in der untersten, also im Kontrabaß. Daraus resultiert möglicherweise, daß, kommt er bei den Streichern an, alle Stimmen bereits hinreichend instrumentiert sind. Für die Streicher bleiben nur noch Verdopplungen oder bewegtes Akkordgewölk - was man halt so schreibt, wenn man sich nicht ganz sicher ist, was man mit Streichern eigentlich anfangen soll. Jedenfalls ist Theodorakis' Klangvorstellung völlig beliebig.
    [...]
    Irgendwann hat Theodorakis dann beschlossen, er müsse eine Operntrilogie komponieren über die griechische Antike (erwähnte ich schon, daß Theodorakis selbst Grieche ist?). Dieser Idee haben wir drei der langweiligsten Opern der gesamten Musikgeschichte zu verdanken: "Elektra", Antigone" und "Medea". Aber sie haben einen Vorteil: Sie werden sowieso nicht aufgeführt. Alle drei klingen ziemlich gleich: Eine mehr melodisierende als melodiöse Singstimme wird von einem Orchester begleitet, das sich dick und schwer dahinwälzt, als wolle es die Hydra von Lerna symbolisieren. Theodorakis der Grieche hat für seine eigene Tradition keine genuine Sprache, sondern gießt seine Mythen in angedickte italienische Soße aus der Küche von Puccini.

    Siehst du, Edwin, drum hab ich auch die drei Antiken-Opern oben nicht empfohlen, sondern den Canto General. Für den ist es nämlich völlig unerheblich, ob Theodorakis mit Streich- und Blasinstrumenten umgehen kann. Die Besetzung besteht nur aus SängerInnen, Schlaginstrumenten (inkl. Klavier) und Zupfinstrumenten - und alle drei Arten, Krach zu machen, hat es bereits in der griechischen Antike gegeben. Deshalb kann er damit auch ganz gut umgehen. Falls es jemandem nämlich noch nicht aufgefallen sein sollte und ich es auch im Threadtitel zu erwähnen vergessen haben sollte - Theodorakis ist Grieche!

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • :wink:

    Meine Eltern ließen ihre kleinen Jungs gegen '77 mal allein zu Hause zurück, weil es etwas Wichtiges gab. Als sie zurück kamen erzählten sie von einem wunderbaren Konzert, dass, man konnte es an ihren Augen sehen, sie tief begeistert hat. Es war eine Aufführung des Canto General und am nächsten Tag wurde die oben genannte Aufnahme gekauft, mithin dann eines meiner ersten Musikerlebnisse überhaupt. Bis heute liebe ich diese Musik sehr, weil sie sehr schöne Melodien hat und unendlich viel Kraft in ihrer Aussage und der Umsetzung der Verse, die natürlich auch phantastisch schön sind. Ich möchte dafür keinen modernen klassischen Komponisten haben. Soll man das seriell vertonen? Ist es nicht auch schön in diesen Zeiten einen überwältigend erfolgreichen Volkslied-Komponisten zu haben? Muss man das verkopfert sehen und negieren? Ich denke, Vergleiche mit grundverschiedenen Komponisten können hier nur hinken, gerade wenn der genannte gemeinsame Nenner nur die Nationalität ist.

    Gruß, Frank

    Gruß, Frank

    Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu.

  • Naja, vielleicht ist der gute Mikis dem guten Edwin einfach zu hart an der Kante zur Nichtklassik. Wenn ich etwa "Los Libertadores" aus dem "Canto General" höre, fühle ich mich doch ein bisschen an die Nueva Canción/Nova Cançó, die aus einer ähnlichen politischen Ecke kommt wie Theodorakis, erinnert, und das ist vermutlich kein Zufall. Kitsch, ja Kitsch wäre es in meinen Augen, wenn es unecht, verstellt und aufgesetzt klingen würde, aber das tut es in meinen Ohren nicht. Polit-, ja, das könnte man problematisch sehen, denn es ist definitiv ein ideologischer Text, und auch definitiv ideologisch dazupassende Musik.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • :wink:

    Und die Verse Nerudas kann ich gar nicht als Kitsch empfinden. Theodorakis' Musik passt dazu, wo es poetisch ist, wie in "En la fertilidad crescia el tiempo", oder kämpferisch. Und kämpfen kann man auch heute noch gegen Coca Cola Inc. und United Fruit. (Der Verbündete hiess CIA. Heute ist Öl noch wichtiger, problematischer und sie bringen Krieg in den Nahen Osten.)

    Zu Theodorakis weiter, ich kenne nur Lieder und Canto General. Das hat mich nicht dazu bringen können, mich für seine klassisch benannten Kompositionen zu interessieren. Habe jetzt in einige Hörschnipsel reingehört. Für mich ist er in der modernen klassischen Musik einfach nicht ganz wirklich er selbst.

    Gruß, Frank

    Gruß, Frank

    Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu.

  • Wenn ich mir das da ansehe

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    bin ich nicht gerührt sondern peinlich berührt von diesem Revolutions-Kitsch, Sozialismus im Kirchentagsgewand. Aber Theodorakis ist ja zum Glück etwas vielseitiger und kein musikalischer Berufssozialist.

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

  • Vor über 40 Jahren habe ich mir den Mauthausen-Zyklus gekauft und war ungeheuer beeindruckt davon. Nachdem dieser Thread hier aufgemacht wurde, habe ich mir das nochmal in youtube angehört - es lässt mich heute doch ziemlich kalt. Vielleicht kommt das auch deshalb, weil es inzwischen auch andere Musik zu diesem Thema gibt? Oder weil ich damals jung war?
    Heute schließe ich mich bei der Beurteilung dieser Musik ThomasBernhard an. Für mich ist sie nur noch eine Erinnerung an vergangene Zeiten.

    lg vom eifelplatz, Chris.

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