Alles anzeigen...... Zu Bachs Weihnachtsoratorium.
"Mir persönlich gefällt ein feierliches Tempo für den Eingangschor (wie auch das Werk selber) persönlich besser"
Hm. Was ist feierlich? Im Sinne der Vorschrift zum Kopfsatz von Bruckners 9. Sinfonie?
Im Text heißt es: "Jauchzet, frohlocket". Diese Verben sind wie die zugehörigen Sachverhalte ein wenig aus der Mode gekommen; die Sache selbst kann heute vielleicht am ehesten in gewissen nicht jugendfreien Filmen studiert werden, die ich an dieser Stelle nicht näher spezifizieren möchte.
Wiktionary erklärt "Jauchzen" so: "einen Freudenschrei ausstoßen".
Und zu "Frohlocken" heißt es: "in Freude ausbrechen".
Beides bekomme ich nicht so richtig mit "feierlich" übereinander. Beide Verben bezeichnen eine Tätigkeit, die im exaltierten Zustand vollzogen wird. Käme da eine Interpretation "feierlich" daher - und ich verstehe das mal als "andachtsvoll, weihevoll, zeremoniell, priesterlich, erhaben" -, dann würde ich einen Schiefstand von Wort und Musik feststellen.
"Mich dünkt, sollt' passen Ton und Wort", sprach Meister Sachs. Alles andere wäre ja eine Verfälschung dessen, was der Textdichter ganz klar im Libretto vorgegeben hat ... aber den werkzerstörenden Modernisten der 1950er und 1960er Jahre war ja nichts heilig und sie nahmen ihe eigene Meinung wichtiger als den überlieferten Text ... sollen sie doch selber ein Weihnachtsoratorium komponieren, das können sie dann so feierlich machen, wie sie nur wollen ... ich hätte es gerne exaltiert, mit Jauchzen und mit Frohlocken, wie es im Text steht.
Alles anzeigen. und der Einwand, dass J. S. Bach mit der "Wahl" der Melodie von "O Haupt voll Blut und Wunden" auf den Text "Wie soll ich dich empfangen" auf den Kreuzestod hinweisen wollte, ist höchst fragwürdig.
Man muss einfach wissen, dass seinerzeit in Leipzig das Paul-Gerhardt-Lied "Wie soll ich dich empfangen" immer auf diese Melodie gesungen wurde. Das war einfach normal, so stand das Lied im Gesangbuch, die Gemeinde kannte es nicht anders. Überraschend wäre nur gewesen, hätte Bach eine andere Melodie verwendet. Die falsche Story vom angeblichen Verweis auf den Kreuzestod zur Geburt wird auch generationenübergreifend durch Wiederholung nicht richtiger.
Da haben all die verängstigten Konfirmanden ihre emotionalen Energien vergeblich investiert. Schade drum.
Richtig ist freilich, dass das Zusammendenken von Krippe und Kreuz in der barocken Theologie ein gängiger Topos war. Aber um zu beweisen, dass Bach diesen hier benennt, müsste man mMn mehr anführen, als dass Bach die seinerzeit übliche Melodie verwendet.
Quellenstudium hilft.
Dass man diesen selbstreflektierenden ("Wie soll ICH ...") Choral wohl verhaltener nehmen wird als einen Chor auf den Text "Jauchzet, frohlocket" - unbenommen.
Viel stichhaltiger wäre die Bemerkung, dass der erste und der letzte Choral des WO auf dieselbe Melodie gesungen wird - wohlgemerkt mit Pauken und Trompeten und mit nicht zu leugnendem freudig-festlichen Gestus, was der Behauptung des Verweises dieser Melodie auf Leiden und Sterben ebenfalls widerspricht. Über die zwei Wochen einer liturgischen Aufführung hinweg stiftet dies Zusammenhang und Verklammerung - zusätzlich zur selben Tonart und Besetzung von ersten und letztem Teil.
Alles anzeigenFür Luther hatte das Feiern der Geburt Christi keine Bedeutung? Geht's noch? Da reden Blinde von der Farbe ...
Ohne Luthers Neuprägung des Weihnachtsfestes würden wir Weihnachten wohl nicht so feiern, wie wir es heute tun. Ob Luther wirklich das Christkind in der Rolle als Geschenkebringer erfunden hat, wie manchmal behauptet wird, ist fraglich. Jedoch wurden die Kinder noch zu Luthers Kindheit vom Nikolaus beschenkt. Luther lehnte - jetzt mal vereinfacht - die Heiligenverehrung im katholischen Stil ab und unterstützte die Propagierung des Christkindes als Geber der Geschenke.
Luther führte Weihnachten als Familienfest ein. Auf einem seiner bekanntesten Bilder sieht man ihn im Kreise seiner Familie mit Weihnachtsbaum.
Luther dichtete ein Adventslied ("Nun komm, der Heiden Heiland") und mehrere Weihnachtslieder ("Gelobet seist du, Jesu Christ", "Vom Himmel hoch", "Vom Himmel kam der Engel Schar", "Christum wir sollen loben schon").
Wie kann man da nur behaupten, dass Weihnachten für den Reformator keine Bedeutung hatte? Absurd. Man kann nur hoffen, dass die Bemerkungen zu anderen Themen besser substanziiert sind.
"Bachs Nähe zum Pietismus": RIchtig ist, dass Bach einige Bücher von (gemäßigten) pietistischen Theologen besaß. Die Mehrheit seiner Bibliothek allerdings stellten Autoren, die der lutherischen Orthodoxie nahe standen. Dass Bach mitunter für seine geistlichen Werke keine anderen Textdichter hatte, als solche, die dem Pietismus nahestanden, ist ja unbestritten.
Schaut man aber, was Bach schuf, wenn er wahlfrei war, dann stößt man auf sein größtes Werk, den Zyklus von Choralkantaten mit vielen Lutherliedern, und den Dritten Teil der Klavierübung, in welchem er die Katechismuslieder Luthers vertonte.
Bach in die pietistische Ecke zu stellen, ist einfach albern.
Interessante und spannende Info zu Bachs WO.