Adrian Willaert (um 1490-1562) - Begründer der venezianischen Schule

  • Adrian Willaert (um 1490-1562) - Begründer der venezianischen Schule


    Adrian Willaert wurde um 1490 in Flandern geboren. Als Geburtsort wird in einer zeitgenössischen Quelle von 1531 Roeselare (französisch Roulers) genannt, eine andere Quelle von 1628 nennt Brügge. Willaerts Vater war vermutlich Musiker.


    Über Jugend und erste musikalische Ausbildung ist nichts bekannt. Laut Willaerts späterem Schüler Gioseffo Zarlino (1517-1590) begab sich Willaert nach Paris, um dort die Rechte zu studieren, wechselte dann aber zur Musik und war Schüler Jean Moutons (1459-1522), der unter Ludwig XII. und Franz I. Kapellsänger war. Nach einer anderen zeitgenössischen Quelle von 1560 soll Willaert ein Schüler von Josquin Desprez (um 1450-1521) gewesen sein. Unstrittig ist, dass Willaert durch die französische Musik der damaligen Zeit beeinflusst war.


    Laut Zarlino begab sich Willaert nach seinen Studien in Paris zunächst wieder nach Flandern und anschliessend nach Italien. Zur Zeit von Papst Leo X. soll er sich in Rom aufgehalten haben (vermutlich von 1515 bis 1520, Leo X. ist 1521 gestorben). Von 1522 bis 1525 war Willaert am Hofe von Herzog Alfonso I. in Ferrara tätig, danach war er bis 1527 in Mailand Sänger in der Kapelle des Erzbischofs Ippolito II. d'Este (Sohn von Alfonso I.).


    Am 12. Dezember 1527 wurde Willaert als Nachfolger von Petrus de Fossis, der ebenfalls ein flämischer Musiker war, zum Kapellmeister von San Marco in Venedig ("Magister capellae cantus ecclesiastice Sancti Marci") gewählt. Dieses Amt hatte er 35 Jahre lang inne, bis zu seinem Tod im Jahr 1562. 1542 und 1556 reiste Willaert nach Flandern, neben der Anwerbung von Sängern und Erbschaftsangelegenheiten ging es dabei möglicherweise auch um die Vorbereitung von Drucken seiner Motetten bei Susato. Um 1550 wollte er Venedig verlassen und wieder in seine Heimat zurückkehren, vielleicht im Zusammenhang mit seiner Altersgicht, die ihm zunehmend zu schaffen machte (1549 bezeichnet er sich als "sanus ... et mente et intellectu, sed corpore infirmitatis podagrarum valde infirmus"). Er entschloss sich aber auf Drängen seiner Freunde zum Bleiben und erhielt ab 1556 eine Hilfskraft zur Entlastung.


    Während Willaerts Zeit als Kapellmeister wurde San Marco in Venedig zu einem Zentrum der europäischen Musikkultur. Willaert sammelte einen großen Kreis von Schülern und Freunden um sich, seine Schüler waren neben dem bereits erwähnten Musiktheoretiker Gioseffo Zarlino unter anderem Andrea Gabrieli (1510-1586), Gioseffo Guami (1540-1611), Claudio Merulo (1533-1604) und Cipriano de Rore (1515-1565). Der besondere venezianische Stil entstand zunächst durch eine Synthese von flämischen, französischen und italienischen Stilelementen in Willaerts Werken und bekam dann durch seine Bedeutung als Lehrer und von den Zeitgenossen hochangesehener Musiker Einfluss auf eine ganze Epoche. Claudio Monteverdi (1567-1643) sah noch 1607 in Willaerts Musik die Vollendung der "prima prattica".


    Von Willaerts umfangreichem Werk (Messen, Psalmen, Motetten, Chansons, Madrigale und Instrumentalwerke) ist trotz der hohen Qualität und der musikgeschichtlichen Bedeutung der Kompositionen leider nur wenig auf CD verfügbar. Bei Oehms gibt es eine Aufnahme der Madrigalsammlung "Musica Nova", die 1559 im Druck erschien:



    Naxos hat die "Missa Christus resurgens" von 1536 im Katalog:



    Bei Hyperion gibt es die "Missa Mente tota", weitere geistliche Werke und die Hymne "Concordes adhibete animos" von Cipriano de Rore auf seinen Lehrer:



    Viele Grüße,
    Fugato


  • Sehr gut gefällt mir diese:




    Currende, Concerto Palatino - Erik van Nevel


    Für Doppelchor von Adriaan Willaert:


    1. Lauda Jerusalem Psalm 147
    2. Credidi, propter quod locustus sum Psalm 115


    außerdem aus der Musica Nova, 1547:


    Ricercar Nr. 10 (ein Instrumentalstück)


    Der Rest ist von Giovanni Gabrieli.


    Sehr schöne polyphone Musik in einer guten Einspielung. Dem Beiheft entnehme ich, dass Willaert erst die nördliche Polyphonie in das italienische antifonale Psalmsingen einführte und dafür hier zuerst Psalmgesänge durchkomponierte, denn Pausen und Tonlängen mußten jetzt genau angegeben werden, wenn die beiden Chöre nicht mehr auswendig abwechselnd einen Vers sangen, sondern sich auch im Vers abwechseln, unterbrechen und überlagern können sollten.


    :wink: Matthias

  • Eine weitere Willaert-Aufnahme ist bei mir inzwischen angelandet:



    Hier finde ich nun für die Anthologie ‚Musica Nova’ 1540 als Erscheinungsdatum angegeben, eine Sammlung von Ricercari von Willaert und seinem Schüler- und Freundeskreis, Giulio Segni (1498 – 1561), Giralamo Cavazzoni (ca. 1510- ca. 1565), Girolamo Parabosco (ca. 1520 –1557), Nicolò Benoist ( ca.1510 - ?),Guilielmo Golin (ca.1510 - ?), Gabriel Coste (aktiv zw. 1538 – 1543).


    Diese polyphonen, kunstvoll kontrapunktischen Ricercari wurden sowohl mit Instrumentalensemble aufgeführt, wie, siehe oben, das Ricercare 10 von Concerto Palatino und van Nevel, aber auch mit Tasteninstrumenten.


    In dieser sehr gelungenen Einspielung der Ricercari der Musica Nova, ergänzt um zwei weitere Ricercari von Willaert oder Segni und von Coste wird der Nachbau eines flämischen Cembalos, Nachbauten kleinere Orgeln der Zeit sowie die Kirchenorgel der Chiesa di Santa Bernadetta, Milano verwendet. Bei mehreren Ricercari auch die Kombination Orgel + Cembalo. Die Instrumente haben einen sehr schönen und klaren Klang und sind gut aufgenommen, so dass man die Kontrapunktik sehr gut verfolgen kann.


    Es spielen, für mich sehr überzeugend, Danilo Lorenzini, Antonio Eros Negri, Riccardo Villano und Giuseppe Azzarelli.


    :wink: Matthias


  • Die habe ich beide und kann beide weiterempfehlen.


    Was ich immer noch suche ist eine CD mit eher fetziger :D Musik von Willaert. Deren Existenz ist mir bekannt durch das Madrigal "Madonna mia fa" auf der Hilliards-CD mit italienischen Madrigalen (s.u.) und die Villanesca "Vecchie letrose" auf Savalls "Carlos V."-CD (s.w.u.). Die finde ich super, und mit dieser Meinung kann ich doch nicht der einzige sein?
    Andernorts empfahl mir der Lullist eine Aufnahme mit Madrigalen und Chansons, geleitet von Philippe Malfeyt (s.n.w.u.). Die kostet mir aber ein bißchen viel. Hat noch jemand Tips für mich in diese Richtung?


    Viele Grüße,
    Martin.




    Wir selbst müssen die Veränderung sein, die wir in der Welt zu sehen wünschen.
    (Mohandas Karamchand Gandhi)

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