Frühe Prägungen

  • Zitat

    Dann hatte noch mein Musiklehrer eine an Ignoranz grenzende Abneigung
    gegen die Barockoper. Er brachte es doch fertig zu sagen, dass man
    außer der Vier Jahreszeiten (die natürlich auf dem Lehrplan standen)
    keine Musik von Vivaldi hören brauche. Er habe sich eine CD gekauft und
    man könne sich darauf verlassen, dass ohnehin alles von Vivaldi gleich
    und eintönig klänge.

    ich bin sehr froh, das ich vor der Schule zur klassischen Musik gefunden habe, denn das was ich in der Schule erlebte war nicht minder bekloppt. Glücklicherweise fiel der Musikunterricht fast ständig aus (die meisten Lehrer, meiner ach so tollen Schule, standen Schlange fürs Sanatorium :stumm: )

    das muss man sich mal vorstellen, da geben Eltern ihre Kinder in Obhut von psychisch kranken Menschen um sie von diesen aufs Leben vorbereiten zu lassen :shake:

    (Nun ich habe da auch das Handtuch geworfen und zu Hause lieber unsere sehr umfangreiche Lexikothek gewälzt - ich bin wohl einer der wenigen die das Schule schwänzen dazu genutzt haben, wirklich was zu lernen 8| )


    Statt dem Freischütz wurde bei uns die Moldau durchgekaut - mir tut es leid um das Stück, das sicherlich ganz schön ist, aber jedes Musikwerk, mit dem man im Unterricht vergewaltigt wird, ist danach ein Haßobjekt - wer liebt schon seinen Peiniger ?
    Schlimm fand ich, dass wir dazu erzogen werden sollten an bestimmten Stellen des Stückes eine genaue Vorstellung (und vor allem gleiche Vorstellung) zu haben, was Smetana da beschreibt.
    Das interresiert mich (noch Heute) einen Furz.

    Das zweite war folgendes - und das ist bezeichnend für den gesamten Unterricht:
    Im Unterricht sollte uns der Film Amadeus gezeigt werden (praktisch, wenn man inkompetent ist, kann man so die Schüler ruhig stellen).
    Nur weil der Unterreicht ständig ausfiel konnte sich die Dame wohl nicht mehr merken welche Klasse wo im Film stehen geblieben war (da gingen ja gute 4 - 5 Schulstunden drauf.
    Und so sahen die ersten 30 Minuten wir, die zweiten 30 Minuten die Prallelklasse A, die nächsten 30 Minuten Parallelklasse B und dann kamen wieder wir an die Reihe.

    Auch toll waren die Referate, ein Teil der Klasse musste Bach übernehmen, der andere Stravinsky.
    Das hieß, 15 mal hintereinander Bach, und 15 mal hintereinander Stravinkys Lebensgeschichte.
    (anscheinend kannte sie nicht mehr Komponisten :pfeif: ) Krankheitsbedingt (der Unterricht fiel also wieder aus) wurden aber so weit ich mich erinnere nur 5 Referate gehalten.

    Normalerweise hätte man das alles melden und diesen Lehrern ein Disziplinarverfahren an den Hals hängen müssen.
    denn diese Inkompetenz war bei uns ja nicht nur im Musikunterricht anzutreffen, sondern zog sich wie ein roter Faden durch die gesamte Institution. Deshalb bekomme ich Heute noch das Grausen wenn ich in Wiesbaden an dem Areal dieser Schule, die nach einem "Hauptvertreter des Naturalismus" benannt ist, vorbei muss :rolleyes:

    Ob das Heute besser ist, weiß ich nicht - ich bin froh, dass ich diese Hölle hinter mir habe.

    Aber wäre ich damals auf diese Art und Weise mit Musik in Berührung gekommen - ich hätte Klassik gehasst, ganz sicher.

  • Meine ersten Aufnahmen waren geprägt von dem Weltschmerz, den ich als Jugendlicher hatte. Mein Gott, wie verzweifelt war ich damals angesichts der Ungerechtigkeit und des Leids auf der Welt, verbunden mit einem Gefühl der Ohnmacht, nichts wirksames dagegen tun zu können (so mein Empfinden).

    Entsprechend war ich auf der Suche nach Musik, in der ich mich wiederfinden konnte. Ich kannte mich natürlich als Jugendlicher bei weitem nicht so gut aus wie heute und kaufte teilweise "auf Verdacht", teilweise auf Empfehlungen.

    Meine erste Klassik-CD war dann folgende:


    Natürlich weiß ich heute, dass diese Aufnahme nicht das Maß aller Dinge ist (ich war wie viele in den 80ern "Opfer" des Karajan-Hypes), aber unverändert bleibt, dass kein anderer Komponist meinen Bauch, mein Herz und meinen Verstand gleichermaßen so angesprochen hat wie Schostakowitsch. Dieser Kauf ist jetzt 25 Jahre her (die Zeit vergeht :shake: ), viele weitere Aufnahmen mit vielen anderen Komponisten folgten, aber die Liebe zu Schostakowitsch ist immer gleich groß geblieben.

    Viele Grüße :wink:

    Roger

    "Ich brauche keine Musikkritiker"
    (Gennadi Roshdestwenskij)

  • Bis zu meinem 12. Lebensjahr hatte ich keinerlei Berührung mit klassischer Musik (außer vielleicht gelegentlich in der Schule während des Musikunterrichts). Im Plattenschrank meiner Eltern gab es Schlager, James Last sowie ein paar Operetten und Musicals (ich erinne mich dunkel an "Das Land des Lächelns" und "My Fair Lady"). Aber manchmal können ein paar Minuten Musik den Rest des Lebens verändern: Ich hörte zufällig im Radio das 3. Brandenburgische Konzert von Bach und war völlig fasziniert. Mir schien es, als öffnete sich eine Tür in eine Welt, die mir bis dahin völlig unbekannt gewesen war - das war der Beginn meiner Begeisterung für Barockmusik, die bis heute anhält.

    Als Schüler hatte ich natürlich wenig Geld und nahm deshalb anfangs viele Radiosendungen mit einem alten Tonbandgerät auf (damals hatte NDR 3 noch ein sehr gutes Programm, auch bei Barockmusik). Meine ersten Schallplatten waren selbstverständlich die Brandenburgischen Konzerte (mit dem Stuttgarter Kammerorchester, Leitung: Karl Münchinger) und die Feuerwerks- und Wassermusik von Händel (mit der Academy of St. Martin-in-the-Fields, Leitung: Neville Marriner). Beide Aufnahmen sind schon lange nicht mehr erhältlich (allerdings gibt es von der Feuerwerks- und Wassermusik eine Neuaufnahme mit der Academy). Meine Verwandten aus der damaligen DDR versorgten mich zusätzlich mit Schallplatten aus der Reihe "Bachs Orgelwerke auf Silbermannorgeln" (von Berlin Classics auf CD wiederveröffentlicht), das erste Doppelalbum war hier das "Orgelbüchlein", gespielt von Robert Köbler auf der Silbermann-Orgel im Dom zu Freiberg.

    :wink: Fugato

  • Ich bin der festen Überzeugung, dass vor mir viele Generationen meiner Familie gänzlich ohne klassische Musik auskamen..... :hide:


    Bei mir war das ähnlich. Meine Eltern besaßen lediglich ein paar dieser CDs namens "Die größten Klassikhits" oder so ähnlich, die sie wohl nie hörten :D Da gab es dann eben eine CD mit den "Hits" von Händel, eine mit Vivaldi, eine mit Mozart usw. Und das wars auch schon ;) Ich kam dann erst über das Singen zur klassischen Musik.
    Meine Eltern hören sich heute sehr gerne die Auftritte meines Vokalensembles an, aber ein bunt gemischtes Programm liegt ihnen da wesentlich mehr als ein rein klassisches.

    Canto, ergo sum.

  • Es muss Anfang der fünfziger Jahre gewesen sein, als es mich wie der Blitz aus heiterem Himmel traf : Mozarts " Entführung " in der Städtischen Oper Berlin ( Titania - Palast ). Erna Berger sang die Konstanze, Rita Streich das Blondchen,

    Rudolf Schock den Belmonte, Erich Zimmermann den Pedrillo und mein damaliges Idol Josef Greindl den Osmin. Kein Geringerer als Martin Held spielte den Bassa. Das Flair, die Stimmen, das Orchester, geleitet von Ferenc Fricsay, machten auf mich einen so großen Eindruck, dass ich beschloss, als Sänger zur Bühne zu gehen. Dieser pubertäre Wunsch wurde zwar nur zum Teil umgesetzt ( ich avancierte nebenberuflich zum Konzertsänger ), blieb jedoch für mein weiteres Leben insofern prägend, als ich im Gesang meine wahre Berufung finden sollte.

    Später, als stolzer Besitzer eines Plattenspielers, erstand ich meine ersten LPs des tschechischen Labels Supraphon, Schallplatten, erst mono, dann stereo, die es in Ostberlin für wenig Geld ( Wechselkurs 1 : 4 ) zu kaufen gab.

    Die allererste Platte war eine 45er " Single " mit dem Abschied und Tod des Boris Godunow, auf deutsch gesungen von meinem Bassidol, der auf der B - Seite als triumphierender Osmin zu hören war.

    Die Eltern waren übrigens begeisterte Wunschkonzerthörer und lauschten Herrn Sander, der im Rias sonntäglich seinen Plattenschrank öffnete und die kriegswunden Berliner Seelen mit eher leicht verdaulicher Klassik streichelte. Mein Vater, ein passionierter Bastler, stellte sich aus diversen, damals schwer zu besorgenden Bausteinen seine eigene HiFi - Anlage zusammen. Das Highlight war ein Dual - Plattenspieler, der uns einen meist knisterfreien Hörgenuss bescherte, denn unser Familienoberhaupt, von Beruf Chemiker, hatte eine Flüssigkeit gemixt, die über ein Röhrchen und Filzauflage dem Saphir einen befeuchteten Weg ebnete und so das störende Knistern zumindest eindämmte. Stolz war er, waren auch wir, dass " Lencoclean ", ein kommerzielles Erzeugnis, dieser Mixtur deutlich unterlegen war. Nachteil : Die Platten durften nie mehr trocken abgespielt werden. Schlimm : Viele der LPs von damals habe ich heute noch, die Flüssigkeit, deren Komponenten ein Geheimnis blieben, leider nicht. Aber im Zeitalter von CD usw. ist das nostalgische Knistern ja wieder in....

    Ciao. Gioachino

    miniminiDIFIDI

  • Viele der LPs von damals habe ich heute noch, die Flüssigkeit, deren Komponenten ein Geheimnis blieben, leider nicht.

    Das sollte aber mit einer modernen Plattenwaschmaschine kein Problem sein. Und falls Du auf selbstgemixte Wässerchen stehst, ich hätte da meine eigene Mischung. Als (Bio)chemiker hat man ja schließlich auch seinen Berufsstolz :D . Im Ernst, eine Plattenwaschmaschine erweckt Lenco-gecleante Platten zu neuem Leben und auch solche, die nie gewaschen wurden, profitieren zum Teil dramatisch. Gegen einen eigenen Thread in der Hifi-Abteilung zum Thema "Plattenwaschlösung" spricht eigentlich nur, daß jeder Plattenwäscher auf seine eigene Mixtur schwören wird. Aber so gut wie meine ist sowieso keine :thumbup:

    Liebe Grüße,
    Peter Wollenberg

  • Da ich schon mal hier bin, kann ich ja auch über meine frühen Kontakte zur Klassik schreiben. Im Elternhaus gab es, außer zwei Händen voll 45er Platten mit Operettenquerschnitten, die den Grundig-Stereomusikschrank mit eingebautem Zehnplattenwechsler rechtfertigen mußten und dem von meiner Mutter allweihnachtlich auf dem Klavier gespielten Largo von Händel, keine Anregung in dieser Richtung.

    Das Gymnasium war auch ein Ausfall. In den ersten Klassen wurden wir von einem Sadisten unterrichtet, dem vor allem wichtig war, dass wir Noten in kalligraphischer Schönheit malen konnten. Auf das Notenheft war mit einem 5-Mark-Stück, und nur einem 5-Mark-Stück, ein Kreis zu malen und die persönliche Platznummer hineinzuschreiben. Außerdem mußte man zu jeder Musikstunde einen Handspiegel mitbringen, um "Pflaumenmund", "Apfelmund", "Kirschen-" und wahrscheinlich auch noch "Bananen-", "Pampelmusen-" und "Karambolenmund" zu üben und so Stücke wie "Im Frühtau zu Berge wir ziehn, fallera" und andere Inkunabeln deutschen Liedguts in technischer Perfektion zum Besten geben zu lernen. Wer schief sang oder, wie ich, als Zwangsrechtshänder, schiefe Noten malte, wurde förmlich niedergemacht. Alle saßen verängstigt auf ihren Plätzen, duckten sich wie die Mäuschen und hofften, daß der Kelch in dieser Stunde an ihnen vorübergehe.

    Der zweite Musiklehrer war ein verhinderter Toscanini, dessen einzige Triebafuhr darin bestand, jedes Jahr bei der Abiturientenfeier den Schulchor und das Schulorchester zu leiten. Wer für diese Institutionen nicht geeignet war, hatte verspielt und wurde mehr oder weniger ignoriert, auch wenn er den Quintenzirkel vorwärts und rückwärts deklinieren konnte. Um von meiner Vier im Zeugnis wegzukommen, habe ich dann zwei Jahre lang Mamas Klavier mißhandelt, wobei mir der Mikrokoszmosz von Bartok am ehesten lag, wohl weil meine Fehler nicht so auffielen und Cerny-Etuden mir etwas zu wenig Charme versprühten. Meine Klavierlehrerin machte aber wenigsten Hörübungen mit mir, brachte mir die Harmonielehre näher und half mir und meinem musikalischen Verständnis in den paar Stunden viel weiter, als meine Lehrer jemals in all den Schuljahren. Immerhin verbesserte sich durch das Vorspielen meine Schulnote etwas weiter in den grünen Bereich. Trotzdem, es sah, als ich in der Obersekunda Musik abwählte, ganz so aus, als wäre ich für die Klassik verloren.
    Dann kam der Tag, an dem ich ein Uher-Tonbandgerät bekam, das via Fünfpolstecker mit einem Telefunken-Kofferradio verbunden, das Aufzeichnen von Musiksendungen ermöglichte. Durch irgend einen Zufall geriet ich an eine Wunschkonzertsendung auf SWF II, bei der ich ausgerechnet den Militärmarsch Nr. 1 von Schubert und das Capriccio Italien von Tschaikowski aufzeichnete und überrascht feststellte, daß man Klassik ja tatsächlich hören kann, ohne daß einem gleich schlecht davon wird. Was das Capriccio Italien angeht, sehe ich das heute allerdings nicht mehr unbedingt so positiv, und Militärmärsche, na ja. Wirklich ernst wurde die Sache, als ich im Fernsehen eine Aufzeichnung der Zauberflöte sah. Seither wußte ich, daß mir Oper gefällt. Im Studium lernte ich dann einen Kommilitonen kennen, der mich in die Oper und in Konzerte schleppte, was letzte Berührungsängste abbaute. Außerdem hörte ich in Lernphasen von früh bis spät SWR II, zeichnete, immer noch mit dem Uher-Gerät, Opern und Konzerte auf und erweiterte allmählich meine Kenntnisse, mit denen wiederum die Freude an der klassischen Musik wuchs.
    Kurz und gut, wir vergessen mal Tschaikowski und stellen die Zauberflöte an den Anfang einer wunderbaren Beziehung, die bis heute anhält und immer noch intensiver wird.

    Liebe Grüße,
    Peter Wollenberg

  • Hallo zusammen!

    Meine ersten musikalischen Eindrücke bekam ich einerseits von meiner, am Klavier dilettierenden Großmutter, und andererseit von meinem jazz-begeisterten, Radio hörenden, Vater mit.

    Meine Großmutter hatte folgenden Repertoire: Mozart Türkischer Marsch, Brahms Volksliedbearbeitungen und Chopin Minutenwalzer, das sie fast täglich herunterleierte. Ich liebe klassische Musik trotzdem, aber die genannten Werke kann ich heute einfach nicht mehr hören. Aber irgendwie sprang damals der Funke doch über, und wurde zur Flamme als ich anfangs der 60-Jahre die Zauberflöte im Fernsehen sah, mit u.a. Wallter Berry als Papageno. Jedenfalls wünschte ich mir zum 10.Geburtstag Nichts sehnlicher als eine Gesamtaufnahme dieser Oper. Da dies die finanziellen Möglichkeiten meiner Eltern überstieg, bekam ich einen Querschnitt und war selig, besonders als ich auf der Rückseite entdeckte, dass dieser Mozart ja noch mehr Opern geschrieben hatte, die wollte ich nun alle hören, was mir nach und nach auf gelang, dann gings weiter mit Rossini, Verdi, Berg, Wagner usw. Erst später fand ich zur Konzertliteratur.

    Jazz liebe ich auch heute noch, eher die konservative Richtung Glenn Miller usw., wie ich es eben mit meinem Vater gehört habe.

    Wir leben alle unter demselben Himmel, aber wir haben nicht alle denselben Horizont.

  • Jetzt, beim Lesen dieser Zeilen kommen wieder Erinnerungen hoch. Genau, die Wassermusik und viele andere LPs von Concert Hall hatte ich auch vor über 40 Jahren.

    Aufnahmen mit Schmidt-Isserstedt, Josef Krips, dem Südwestfunksinfonieorchester unter Hans Rosbaud.


    Diese Concert Hall LPs waren sehr dick und liefen ohne Wellenbewegungen.

    Eine der allersten Platten war die "Krönungsmesse" mit Markevich auf 25 cm Durchmesser. Für mich noch immer die zeitloseste.


    Maria Stader sagte mir, dass diese Einspielung ihre beste und liebste ihrer sakralen Aufnahmen sei.


    Mit freundlichem Gruss.


    Rolf.

  • Hallo,

    in meiner frühkindlichen Phase lernte ich fast keine klassische Musik kennen. Mein Vater ist überzeugter Jazzhörer, meine Mutter hat zwar ein paar Klassik-CD's hört sie aber immer nur mit Kopfhörer, um des lieben Friedens willen. Bei mir war es dann tatsächlich der Musikunterricht in der Schule, der mich zur Klassik gebracht hat. Musikbegeister war ich schon immer, allerdings ging es zunächst in die Jazz/Rock Richtung.

    Zwei Erlebnisse sind bei mir dann besonders hängengeblieben. Als ich ca. 10 oder 11 war organisierte unsere Musiklehrerin, die es zwar gut meinte, aber eher unfähig war, einen Klassenausflug in die Oper zu einer Aufführung der "Zauberflöte". An die Darbietung kann ich mich nicht mehr so genau erinnern, außer, dass ich das erste Mal von der Existenz solcher Musik erfuhr und auch ein bisschen angetan davon war.

    Etwas später dann der Durchbruch: Wieder Musikunterricht, inzwischen hatten wir einen neuen jungen Musiklehrer, der A-Capella Gesang betrieb und sehr engagiert war: Beethovens Fünfte stand auf dem Programm, anhand des ersten Satzes sollte uns die Sonatenhauptsatzform näher gebracht werden. Tja, da war es dann um mich geschehen. Mit offenem Mund saß ich im Musikraum, überwältigt von der Wucht und Emotionalität dieser Musik. Einen Tag später holte ich mir eine Aufnahme der 5. (Der Verkäufer hatte mir zu Carlos Kleiber geraten-da lag er goldrichtig) und hörte sie rauf und runter. Auch die anderen Sätze beeindruckten mich ähnlich stark: Eine neue Liebe war geboren. Daraufhin trat ich sogleich in den Schulchor ein, obwohl ich eigentlich gar nicht richtig singen kann, aber der Chorleiter hatte Erbarmen (außerdem konnte er jeden zusätzlichen Sänger gebrauchen :hide: ). Von da an gab es dann keinen Zweifel mehr, dass ich das, was ich in der Musik suche, am Besten in der klassischen Musik finde.

    Gruß,
    Dedalus

    Every life is in many days, day after day. We walk through ourselves, meeting robbers, ghosts, giants, old men, young men, wives, widows, brothers-in-love. But always meeting ourselves (James Joyce)

  • Ich finde das Thema früher Prägung sehr interessant und nehme es mal wieder auf. Vielleicht finden sich auch andere Neue, die dazu etwas schreiben wollen.

    Prägungsmäßig hatte ich keine Chance ;+), denn meine Mutter nahm ihr Gesangsstudium kurz nach meiner Geburt auf. Sie übte oft am Abend, und meine Schlaflieder waren Stimmübungen und Tonleitern, Schubert und Wolf. Ich kann heute noch einige dutzend oder hundert Gedichte aufsagen, wenn ich in meinem Kopf die Melodie spielen lasse :rolleyes: . Auch gehört wurde in der Familie nur Klassik, wir hatten den berühmten Schneewittchensarg von Braun und viele Schallplatten.

    Mit fünf kamen dann (Kinder-)Chor und Blockflöte, und bis auf dem Stimmbruch begleiten mich Chor und Blockflöte bis heute. Regelmäßige Konzertbesuche beim NDR-Sinfonieorchester, damals noch unter Schmidt-Isserstedt, legten ab 8 eine recht umfassende Repertoire-Grundlage. Bis zur Pubertät hörte ich nur klassisches. Erst dann kamen Jazz, Liedermacher und manches aus anderen Bereichen dazu. Und dabei blieb es bis heute.

    Die Freude an schöner Musik, aktiv wie passiv, ist ein enormer Reichtum in meinem Leben. Klingt kitschig, ist aber so :!: .
    Wie sähen meine Hör- und Musiziergewohntein aus, wenn die Musik zu Hause anders gewesen wäre, oder es gar keine Musik gegeben hätte? Ist es wikrlich Prägung, erlernt, nachgemacht, welche Musik wir mögen? Einige Berichte weiter oben stammen ja von Leuten, die zu Hause wenig oder keine klassische Musik kennengerlernt und sie trotzdem irgendwann gefunden haben.

  • ich habe meine allererste Platte kürzlich auf youtube entdeckt, und was soll ich sagen?
    Ich konnte sie noch fast komplett mitsingen :)

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    ...aber zurück zum Thema: die Opern- und Operettenplatten meiner Mutter haben keine merklichen Spuren hinterlassen, da bin ich mir ziemlich sicher, eher schon das Wunschkonzert jeden Sonntag morgen. Auch meine allzu kurze aktive Karriere (Blockföte=uncool, zwei Jahre Schulchor, Klavier=zu mühsam) hat irgendwie nicht gezündet.

    Der erste Kontakt mit "ernsthafter" Klassik kam über die Plattensammlung meines Bruders: Beethovens Symphonien, Smetana, Mussorgsky, etc.. ... viele Jahre später Bruckner. Und obwohl wir seitdem keinen engen Kontakt mehr haben, werde ich den unheimlichen Verdacht nicht los, dass sein Musikgeschmack dem meinen ein paar Jahre vorauseilt.
    Oder wie kann man sich erklären, dass ich jetzt auch schon Wagner-Opern höre? Mit rechten Dingen kann das doch nicht zugehen.

    Schöne Grüße,
    Peter

  • Mh, soll ich das wirklich aufschreiben? --- Na ja, machen wir mal: auch in meiner Familie wurde keine sog. klassische Musik gehört (und es hingen auch keine Gainsboroughs an den Wänden, sondern Raufasertapete), deswegen gab es zwei andere Platten, die mich meine KIndheit hindurch verfolgten und das bis heute tun. Zwei Platten, die meine Eltern regelmäßig auflegten, wenn sie nach dem Abendbrot bei einer Flasche Wein (oder auch zweien) ins Diskutieren kamen:

    1) Django Reinhardt "Edition 2000", eine rote Doppel-LP, ein Querschnitt seiner Karriere --- besonders die frühen Stücke liebte ich als Kind... die singende Säge, Jean Sablon mit Brillantine in der Stimme, Djangos Solos! - Die Platte habe ich mittlerweile geerbt, sie steht bei meinen Jazz-LPs und ist ein mittleres Heiligtum. (Wer sich das Cover anschauen mag, hier ein Link zu ebay: "http://cgi.ebay.de/2LP-Django-Rei…=item2308c11d9d")

    2) Gisela May singt Brecht/Weill. Da habe ich als Siebenjähriger gerne die Texte mitgesungen. Auch den vom "Puff in Mandelay". Und natürlich Surabaya-Johnny. Auch diese Platte habe ich geerbt, die kann man aber nicht mehr hören, so abgenudelt ist sie.

    Meine erste Klassik-LP habe ich mir selbst gekauft, mit Dreizehn, auf dem besten Flohmarkt der Welt: 1983 in Den Haag. --- Ich hatte einige Monate zuvor Clockwork Orange bei einem Freund auf Video gesehen (ins Kino kamen wir nicht rein, der Film war ab Achtzehn). Nachdem ich mir also die Neunte von Ludwig Van unter Bruno Walter gekauft hatte, saß ich jedes Wochendende auf meinem Bett, kiffte mir die Rübe weg und hörte Beethoven. :schaem: Irgendwie prägend.


    --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------


    Immer noch da ... ab und an.

  • Bei mir ging es eher nüchterner zu... :D Meine Eltern hatten eine bunt gemischte Plattensammlung von Esther & Abi Ofarim, Wes Montgomery, AEG-Weihnachtsplatten mit Rockklassikern bzw. Klassik-Kompilationen und einer Weihnachts-LP (Kling - Glöckchen - Klingelingelingelingelineglingeenglignegn...... :wacko: ) Mein Vater hatte aus seiner frühen Zeit eine Handvoll 45er gehabt mit Jazz (Dixieland vor allem: Chris Barber, Acker Bilk, Louis Armstrong usw.), später kamen LPs mit Santana u.a. hinzu.

    Geprägt hat mich von daher: Santana & Abraxas, Passport - Hand Made, Dave Brubeck Quartet in Europe, Barclay James Harvest - Turn Of The Tides, Pink Floyd - The Final Cut [Ja, tatsächlich!?!], Mike Krüger - Mein Gott, Walther! [Ich kann alle Texte auswendig!], Wagner - Tannhäuser (Ouvertüre, erste 5 Minuten). Ich kann wirklich sagen, daß ich diese Alben auch heute noch gerne höre.

    Über Beatles und Barclay James Harvest begann ich den Einstieg. Ich war recht neugierig und kaufte anfangs LPs, später CDs mit Rock/Popmusik im Wesentlichen. Jazz so gut wie gar nicht (bis heute vielleicht zwei Dutzend CDs, die aber schätze ich umso mehr), Klassik blieb anfangs ein Randgebiet, welches sich allmählich läpperte.

    Was waren es für Titel? Ein bißchen Mozart, ein bißchen Beethoven, ein bißchen Karajan, das Meiste von DGG, Decca, Philips. Es war Anfang der 1990er Jahre, es gab einen Kaufhof mit Grabbeltischen voller CDs für Schleuderpreise, da deckte ich mich gut ein. Diese erste Phase endete mit der Schule. Fazit: vielleicht 160 CDs insgesamt in dem Bereich.


    Meine erste Klassik-CD:
    "http://www.amazon.de/Deine-Melodie-…11201525&sr=1-1"

    Die habe ich heute noch - und ich mag sie auch immer noch!

    Danach kam ich während der Uni verstärkt mit der Alten Musik in Kontakt, und kaufte mir als vertiefende Inspiration einige CDs, die damals zu kriegen waren. Und die bildeten den Grundstock für meine heutige Sammlung, die anfangs zögerlich, dann allmählich und zu guter Letzt rasend zunahm:

     

     

     


    Es wurde mal an anderen Stellen darüber gesprochen, daß man zur Klassik auch in einem höheren Alter (zwischen 30 und 40) finden kann. Nun, ich hatte schon immer eine Affinität zur Klassik gehabt, aber erst so Jahreswechsel 2009/2010 packte mich der Virus komplett, und ich genieße es sehr. Und ich muß ganz klar sagen: falls es tatsächlich abschwellen sollte (was ich aber beim besten Willen nicht mehr glaube), ist das erworbene Wissen, das gehörte Repertoire und die ungeheure Freude, die mir die Klassische Musik bisher gebracht hat, stark genug, daß ich niemals es als eine "Phase" betrachten werde - sondern immer als das, was es nunmal ist:

    eine Bereicherung!


    jd :)

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Dann will auch ich ein paar Worte über meine musikalische Sozialisation verlieren. Als kleines Kind habe ich wohl nur Schlager gehört, dann später Rock Pop. In einem gewissen Alter, so 11, 12 könnte es gewesen sein, hörte ich aber dann auch mal ein paar Schallplatten mit Klassik.Ich erinnere Beethovens 5., Mozarts kleine Nachtmusik, Mozarts 29 und die 39. Es Dur. mit Fricsay und Dvoraks Sinfonie aus der neuen Welt. Einen besonderen Eindruck machte auf mich damals die Es Dur Sinfonien von Mozart - immer hatte ich so den Eindruck, als ob da Engel vom Himmel stiegen.

    Das selbständige Hören begann ein paar Jahre später. Diese musikalische Sozialisation fand eigentlich durch drei Dinge statt: Mein Radio, mein Casettenrekorder und der Westermann Konzertführer meiner Eltern. Die Sinfonien von Brahms waren damals mein erster ganz großer Eindruck. Das setzte sich aber mit Beethoven, Bruckner, Sibelius und Mahler fort hier sammelte ich auch meine ersten Schallplatten ( z.B. den Mahler mit Abravanel).

    Mir heute deutlich ist allerdings, daß sich diese musikalische Sozialisation fast ausschließlich auf Sinfonik, teilweise Konzerte bezog. Oper, Klavierlied, Klaviersonaten ( bis auf die üblichen Verdächtigen von Beethoven) kamen sehr viel später, bei der Kammermusik ist es so, daß ich mit ihr gar nichts anfangen konnte, was sich aber in den letzten Jahren geändert hat.

    Gruß Malcolm

    Der Hedonismus ist die dümmste aller Weltanschauungen und die klügste aller Maximen.

  • Ich kann hier noch einiges von meiner Sozialisation beitragen: Sowohl meine Mutter als auch Ihr Vater waren Klassik-Liebhaber und Chor-Sänger- da folge ich also ganz auf dem Fuss. Meiner Mutter gilt (noch heute) Mozart als der modernste Komponist, den sie so ertragen kann, daneben mag sie als einzige neuere Komposition die Carmina Burana von Carl Orff. So wollte sie mich auch prägen, das ist aber nicht besonders lange gut gegangen. Zuhause gab es verdammt gute Schallplatten: Mozart-Klavierkonzerte mit Robert Casadesus und George Szell, Mozart-Opern in den 50'er-Aufnahmen von Böhm, den ersten Karajan-DG-Zyklus (in irgendeiner durchgezählten Edition) der Beethoven-Symphonien, einige frühe Archiv-Produktion-Aufnahmen und so das ein oder andere: Gluck-Ouvertüren mit Fritz Lehmann und den Berliner Philharmonikern.

    Die Auswahl dessen, was meine Mutter mir angedeihen liess, war wohl auf eine Fortsetzung Ihres Musikgeschmacks abgezielt, hat sich dann aber doch weiterentwickelt: ein frühes Live-Erlebnis (war ich 9 oder 10??) sollte ein Auftritt des nicht mehr ganz jungen Wolfgang Schneiderhan beim Göttinger Symphonie-Orchester sein, der ein Mozart-Violinkonzert spielte (da gab es auch Platten-Aufnahmen dazu zuhause), nach der Pause Brahms' 1. Meine Mutter plante in der Pause das gastliche Haus zu verlassen, ich wollte bleiben, weil mir der erste Teil gut gefallen hat. Und der Schuss meiner Mutter ging nach hinten los: die erste selbstgekaufte Platte war dann Brahms. 1 mit Böhm aus der guten alten Resonance-Reihe der DG. Und meine nächsten Käufe sind dann eher da weitergegangen als bei Mozart ... Als ich dann mehr Bruckner (damals habe ich Jochum mit der Romantischen ausprobiert) anschleppte, hat sie sich dann wohl eher verflucht ... wenige Jahre später hat mich ein älterer Freund mit Mahler infiziert, den Schritt Richtung Schostakowitsch habe ich dann ganz selbständig gemacht. Stimmt, die gute alte Fricsay-Aufnahme aus der neuen Welt habe ich rauf und runter gehört und eine sehr stimmige Aufnahme (wenn ich es erinnere) der berühmten Konzerte von Tschaikowski ....

    Meine deutliche Rückentwicklung ins 17. Jh/ frühe 18. Jh. ist eine Entwicklung der vergangenen Jahre, aber ich höre ja noch viel Mahler ...

    LG Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Meiner Mutter gilt (noch heute) Mozart als der modernste Komponist, den sie so ertragen kann, daneben mag sie als einzige neuere Komposition die Carmina Burana von Carl Orff. So wollte sie mich auch prägen, das ist aber nicht besonders lange gut gegangen.
    [...]
    Meine deutliche Rückentwicklung ins 17. Jh/ frühe 18. Jh. ist eine Entwicklung der vergangenen Jahre, aber ich höre ja noch viel Mahler ...

    Jaja, zunächst will man sich ja einmal von den eigenen Eltern abgrenzen, und sei es mit Brahms... ;+)

    Meine musikalische Sozialisation kam von meinen Großeltern, weil meine Eltern zuhause fast nie Musik hören (ein bisschen echte Volksmusik allenfalls, aber das wars dann auch schon). Und dort vor allem vom Radio, obwohl auch ein paar Klassik-Häppchen-Boxen vorhanden waren. Zwischen den bei meinen Großeltern zur Verfügung stehenden Musikstilen Schlager und Klassik entschied ich mich nach ein paar Jahren des Erkundens stilsicher für Klassik und blieb lange ausschließlich dabei. Meine Eltern haben meine musikalischen Neigungen dann mit Opernbesuchen etc. durchaus unterstützt. Eine Zeit lang hab ich auch wahnsinnig viel gelesen (damit meine ich durchschnittliche tägliche Seitenzahlen im oberen dreistelligen Bereich), und unter anderem Opernführer von vorne bis hinten. Viele Kenntnisse davon sind geblieben und helfen mir jetzt bei diversen Rätseln gut weiter, auch wenn ich die Oper noch nie gehört oder gesehen habe.
    Erst in der Oberstufe weitete sich mein musikalischer Horizont allmählich auch auf Jazz, Rock und vor allem Weltmusik aus, die Klassik ist aber der Schwerpunkt geblieben.

    Meine erste selbstgekaufte schnipselfreie Gesamtaufnahme musste bestellt werden, weil sie nirgendwo lagernd war:

    (ich wollte nämlich schon als kleiner Stöpsel unbedingt wissen, wo diese "Meditation" denn eigentlich herkommt)

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

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