Bach im "Café Zimmermann"

  • Bach im "Café Zimmermann"

    Die folgende 6-CD-Box (Instrumentalmusik von J. S. Bach mit dem Ensemble "Café Zimmermann" - benannt nach dem Lokal in Leipzig, in dem der Meister selbst in den 1730/40ern seine Werke dieser Art aufzuführen pflegte - wurde hier in den letzten Wochen immer wieder diskutiert, weniger wegen des Inhalts, mehr wegen der Preispolitik der Amazonen: Lange war unklar, ob die vor Wochen noch zum Schnäppchenpreis (um 21 Euronen) angebotene Box den hoffnungsvollen Bestellern auch geliefert würde.


    Nun, sie wurde geliefert (mir persönlich nicht, aus dem vermutlich nachvollziehbaren Grunde, daß ich sie gar nicht bestellt hatte :D ), und das nicht wenigen Capricciosi, wie zu lesen ist (z. B. ab hier). Da zur Zeit mindestens acht Capriccio-CD-Spieler mit eben den genannten Scheiben rotieren, liegt es nahe, sich nicht nur hier oder hier, sondern auch an eigenem Ort darüber auszutauschen.


    Ich selbst erwäge nämlich immer noch eine gelegentliche Bestellung, beim aktuellen Preis (so um 40 Euronen) schwanke ich allerdings noch heftig.


    Hier das Objekt der wochenlangen Begierde:


    Amazon-Link:


    JPC-Link:


    Mich würde interessieren:
    - Was ist dran an den Aufnahmen?
    - Hat sich der Kauf gelohnt?
    - Empfehlung für die Jetzt- und Nachwelt?


    :wink:


    PS: Bekanntlich gibt es zahlreiche weitere Aufnahmen der hier eingespielten Bachschen Werke. Hier sollten die Aufnahmen des "Café Zimmermann" im Zentrum stehen, wobei Alternativeinspielungen gern als Vergleich herangezogen werden können. Darüberhinaus wäre es sicher interessant, eigene Fäden anzuspinnen: Die Brandenburgischen Konzerte haben bereits einen, die Orchestersuiten und Solokonzerte verdienen das sicher ebenfalls.

    Es grüßt Gurnemanz


    Wissen Sie denn nicht, daß die Menschen manchmal nicht auf der Höhe ihrer Werke sind?
    Jean-Paul Sartre


    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.

    Helmut Lachenmann

  • Ich finde den Interpretationsansatz sehr gut, Tempi, Besetzungsstärke etc., alles auf seine Weise perfekt, nur sind die Cembali zu leise, zum einen aufnahmetechnisch bedingt (offenbar hinter das Ensemble gestellt und deswegen ausser wenn sie solistische Aufgaben anvertraut bekommen, kaum zu hören), zum anderen scheinen es nicht die kernigen thüringischen Modelle zu sein, die zur Bachschen Ensemblemusik gehören (über die Provenienz der Cembali schweigen die Booklets). Wem das nichts ausmacht ... und jedes Stück in jeder Fassung bekommt man hier auch nicht, insofern ist "Intégrale" nicht korrekt, vor allem fehlen einige Cemablokonzerte. Wen die streckenweise verschwindenden Cembali nicht stören und nur eine Fassung jedes Konzerts haben möchte, der kann hier zugreifen.

  • Ich hatte Aufnahmen von Cafe Zimmermann mehrmals im Radio gehört. Weil ich gemerkt habe, dass mir die von der Interpretation ausgehende Energie sehr gut gefällt, mir sogar richtig gute Laune macht, habe ich vor mehr als zwei Jahren etliche Werke als MP3-Dateien gekauft, und zwar alle Konzerte mit Beteiligung der Geige und einige Brandenburgische (sowie übrigens auch die sämtliche Avison-Konzerte und das CPE Bach-Cellokonzert). Ich höre sie sehr oft, meist bei ungeliebten Hausarbeiten... Die Atmosphäre spricht mich einfach so an, dass ich kaum noch andere Interpretationen höre, obwohl ich einiges besitze und vieles auch selbst schon gespielt habe. Sogar ich als Mega-Fan hätte bei einigen Details der Gestaltung oder der Technik Kritikpunkte anzumerken, ich habe mir seinerzeit auch nicht *alles* gekauft, weil mir die Hörausschnitte nicht alle "perfekt" gefallen haben (z.B. akustisch benachteiligte Blockflöten im 4. Brandenburgischen) und das Ganze doch recht teuer war. Doch die Atmosphäre spricht mich insgesamt so an, dass ich über Kleinigkeiten hinweghöre. Jetzt hatte ich die Chance, alles zu einem sensationell günstigen Preis zu bekommen und bin darüber sehr erfreut.


    Für die Stücke, die ich habe, gilt:
    Die Beschreibung "distanziert" wäre so ziemlich das Letzte, was mir einfällt. Ich finde die Interpretation einfach voller Lebensfreude und unbändiger Energie. Gleichzeitig differenziert, ohne schulbuchmäßig zu wirken und in den langsamen Sätzen gefühlvoll mit optimistischer Note. Das Ganze hat eine große Linie, es strebt immer vorwärts und steht nicht. Wer das nicht empfindet, kann sicher nicht mit Worten überzeugt werden, sondern hat einfach einen anderen Geschmack. Man könnte mich sicher auch nicht mit Worten von der Bach-Interpretation von Anne-Sophie Mutter überzeugen, sie spricht mich einfach nicht an.


    Off topic:
    Aber mich lehrt die Diskussion hier, dass über Geschmack nicht wirklich "streiten" lässt. Ich bin ja noch sehr neu bei Capriccio, aber ich habe bereits begriffen, dass der Austausch über Musik sehr schwierig ist, sobald er sich von Fakten wegbewegt. Es werden Aufnahmen mit differenzierten, überzeugenden Beschreibungen gelobt, die ich nach den ersten Minuten weglege, und umgekehrt. Das ist manchmal sehr verunsichernd. Gibt es da eigentlich einen Meta-Thread zu?


    Noch einen schönen Sonntagabend, mit oder ohne Cafe Zimmermann,
    und viele Grüße,
    Vendee

  • Ich habe mich die letzten vier Stunden mit der Box beschäftigt - nach den ersten drei CDs kann ich bis jetzt Folgendes sagen: Café Zimmermann musiziert mit Verve, Elan und einer ordentlichen Portion Pfeffer im Hintern. Es klingt weder akademisch noch gehetzt, sondern sehr elastisch, warm und lebendig. Ja, sie sind schnell, aber immer noch im vertretbaren Rahmen. Der 3. Satz des 3. Brandenburgischen Konzerts schreit ja geradezu nach Speed-Classics, und das Ensemble gibt Gas. Dabei sind sie virtuos genug, in diesen flotten Tempi ihre Noten zu realisieren; nichts wird verschmiert oder unterschlagen. Ich finde schon, hier wird überlegt und mit Hingabe gespielt. Insgesamt sollte man mal dieser Interpretation eine Chance geben.


    Das verwendete Cembalo bzw. Cembali klingen eher gedämpft im Gesamtklang, aber man kann ihnen dennoch gut folgen. Ich glaube auch, man hätte jene Exemplare mit dem typisch harten metallischen Klang nicht gut in den Ensembleklang einbinden können; sie hätten entweder alles übertönt oder scharf aus dem Hintergrund geplärrt.


    Ansonsten ist die Aufnahme dynamisch und schön gestaffelt. Man kann alle Instrumente gut orten und heraushören. Es gibt einen feinen Nachklang der Instrumente, und das Klangbild bleibt geschlossen.


    Diese Box war ein Blindkauf, und bis jetzt kann ich mich nicht beklagen. Es spricht mich wunderbar an und erfreut mich. Dann sind auch noch die Texte im Booklet zu erwähnen, die äußerst informativ gestaltet sind. Das zusammen mit dem Design der Box ergibt durchaus eine empfehlenswerte Angelegenheit.



    jd :wink:

    "Interpretation ist mein Gemüse."

    Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation."

    Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..."

    jd

  • Ich habe die Zimmermann-Box nun zweimal durchgehört und bin in fast allen Punkten sehr angetan. Es beginnt damit, dass ich zum ersten Mal im Beiheft einer Alpha-CD eine deutsche Übersetzung sehe (wenn auch das Textheft praktisch keinen Innenrand hat). Davon abgesehen finde ich die Aufmachung der Box sehr ansprechend; das gilt generell für alle Aufnahmen dieses Labels.


    Als nächstes gefällt mir die Mischung. Nicht alle Brandenburgischen Konzerte oder alle Orchestersuiten hintereinander, sondern jede der sechs CDs enthält einen schönen Querschnitt durch die Instrumentalkonzerte. Wenn man diese Werke schon oft gehört hat, kann diese veränderte Reihenfolge sehr erfrischend sein. Wenn man sich allerdings zum ersten Mal die Brandenburgischen Konzerte oder die Orchestersuiten kaufen will, kann diese Anordnung auch sehr umständlich sein.


    Nun zum hier bereits kritisierten Klang des Cembalos. Ich finde nicht, dass man das Instrument nicht oder nur schlecht hören kann, ich höre es fast durchgängig sehr gut. Das Problem ist aus meiner Sicht eher der Klang des Cembalos selbst. Ich höre kaum Bässe und dadurch klingt es recht zirpig und schwach, einfach nicht besonders schön. Solange es nur um das Continuo geht, stört mich das nicht so sehr. Anders bei den reinen Cembalokonzerten, zum Bespiele bei BWV 1061, CD IV. Die Cembalokonzerte sind mir aber insgesamt nicht so wichtig, dass mir das problematische Instrument die Freude an der Box verderben würde.


    Nun zum Tempo. Es stimmt schon, die sind recht schnell unterwegs. Versprühen dabei aber eine unwiderstehliche gute Laune und Spielfreude. Im Gegensatz zur Göbel-Aufnahme der Brandenburgischen kommt mir das Tempo nie gehetzt oder verschluckt vor, es wirkt einfach mitreißend tänzerisch. Ich habe einige Spielzeiten stichprobenartig verglichen: Der Unterschied zum Beispiel zur Akademie für Alte Musik ist sehr gering, manchmal sind die einen ein paar Sekunden schneller, mal die anderen. Von einer extrem schnellen Aufnahme würde ich also nicht sprechen.


    Das Tänzerische und Beschwingte würde mir allerdings nicht reichen, wenn nicht im Kontrast dazu auch das Innige und Melancholische überzeugend zu hören wäre. Und auch dieses introvertierten Töne beherrscht das Café Zimmermann auf großartige Weise. Man höre sich zum Beispiel mal die Sarabande aus der h-moll-Suite an (CD III, Track 12), das ist wunderbar und mit viel Ruhe ausgespielt. Oder der 2. Satz von BWV 1041 (CD IV) . Oder auch gleich auf der ersten CD der zweite Satz des fünften Brandenburgischen(Track 11) - zum Dahinschmelzen schön gespielt.


    Aus meiner Sicht ist diese Box eine perfekte Zweiteinspielung. Und genau dafür habe ich sie auch gekauft.


    Gruß, Carola

    Vom Schlechten kann man nie zu wenig und das Gute nie zu oft lesen. Arthur Schopenhauer

  • Ich habe einen fetzigen Bach-Mitschnitt aus Regensburg (22.05.10) mit dem Gli Incogniti und der Geigerin Amandine Beyer. Die musizierte davor beim Cafe Zimmermann Ensemble. Was fürs Cafe Zimmermann spricht...
    :wink:

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Bin sonst nicht so der Sparfuchs und kaufe mir sogar manchmal Hochpreis-CDs :huh: , aber diese Box habe ich auch erworben.


    Bisher habe ich etwa ein gutes Drittel gehört und kann mich Carolas Urteil weitgehend anschließen:


    Nun zum hier bereits kritisierten Klang des Cembalos. Ich finde nicht, dass man das Instrument nicht oder nur schlecht hören kann, ich höre es fast durchgängig sehr gut. Das Problem ist aus meiner Sicht eher der Klang des Cembalos selbst. Ich höre kaum Bässe und dadurch klingt es recht zirpig und schwach, einfach nicht besonders schön. Solange es nur um das Continuo geht, stört mich das nicht so sehr. Anders bei den reinen Cembalokonzerten, zum Bespiele bei BWV 1061, CD IV.


    Nach all den anderslautenden Kommentaren hat es mich auch gewundert, wie gut das Cembalo im Continuo und auch bei den Solokonzerten (oder im fünften Brandenburgischen) hörbar ist. Die Einschränkung bezüglich der Bässe teile ich - bei den Cembalokonzerten bin ich an Pinnocks Aufnahmen gewöhnt, in denen das Instrument, insb. dessen Bässe sehr voluminös klingen. Von meiner Cembalo-Hörerfahrung bei Konzerten (ja, in kleinen Räumen), ganz ohne Stützmikrofone etc., ist der Klang des Instruments bei den Zimmermännern aber nicht so weit entfernt.



    Nun zum Tempo. Es stimmt schon, die sind recht schnell unterwegs. Versprühen dabei aber eine unwiderstehliche gute Laune und Spielfreude. Im Gegensatz zur Göbel-Aufnahme der Brandenburgischen kommt mir das Tempo nie gehetzt oder verschluckt vor, es wirkt einfach mitreißend tänzerisch. Ich habe einige Spielzeiten stichprobenartig verglichen: Der Unterschied zum Beispiel zur Akademie für Alte Musik ist sehr gering, manchmal sind die einen ein paar Sekunden schneller, mal die anderen. Von einer extrem schnellen Aufnahme würde ich also nicht sprechen.


    Das Tänzerische und Beschwingte würde mir allerdings nicht reichen, wenn nicht im Kontrast dazu auch das Innige und Melancholische überzeugend zu hören wäre. Und auch dieses introvertierten Töne beherrscht das Café Zimmermann auf großartige Weise. Man höre sich zum Beispiel mal die Sarabande aus der h-moll-Suite an (CD III, Track 12), das ist wunderbar und mit viel Ruhe ausgespielt. Oder der 2. Satz von BWV 1041 (CD IV) . Oder auch gleich auf der ersten CD der zweite Satz des fünften Brandenburgischen(Track 11) - zum Dahinschmelzen schön gespielt.


    Auch dem habe ich wenig hinzuzufügen, allerdings hat mich in einigen schnellen Sätzen dann doch ab und zu die Rigidität gestört, mit der die Tempi exerziert werden. Inzwischen tendiere ich von meinen persönlichen Vorlieben her doch für ein etwas flexibleres Vorgehen. In den Violinkonzerten (gehört habe ich bisher BWV 1042, BWV 1043 kannte ich schon von einer Einzel-CD) kommt das Ensemble diesem Ideal etwas näher als in den Cembalokonzerten.


    Mein Favorit ist bisher neben den genannten Violinkonzerten die Wiedergabe des ersten Brandenburgischen Konzerts. Die Bläser klingen großartig, toll eingefangen ist vor allem, wie sich die knarzigen Hörner im Kopfsatz mit ihren triolischen Signalmotiven über die rythmische Struktur legen. Sehr ausdrucksvoll auch der Dialog Oboe-Solovioline im Adagio.



    Viele Grüße


    Bernd

    .

  • Es ist bedauerlich, dass sich die kritischen Stimmen, die sich hier und hier negativ geäußert haben, nicht an dieser Diskussion beteiligen, denn bisher wurde zumindest in diesem Thread überwiegend Positives geschrieben (was auch weitgehend mit meinen eigenen Höreindrücken übereinstimmt).


    Warum habe ich diese Box gekauft? Nicht nur weil sie preiswert war, sondern weil die Kritiken bei Erscheinen der Einzel-CD's immer sehr positiv, teilweise schon fast enthusiastisch waren. An Aufnahmen der Bachschen Orchesterwerke herrscht in meiner Sammlung nun wahrlich kein Mangel, aber meine Erfahrung ist, dass man mit anderen Interpretationen auch immer wieder andere Facetten dieser Werke entdeckt.


    Zum Thema der Tempi: Was sollte ein Ensemble heute noch Neues dazu beitragen? Die Bandbreite der HIP-Aufnahmen ist so groß, dass hier von "extrem langsam" bis "extrem schnell" alles bereits vertreten ist. Allerdings: Wenn zwei Ensembles im (nahezu) gleichen Tempo spielen, bedeutet das noch lange nicht, dass beim Zuhörer die gleiche Wirkung entsteht, denn das Tempo ist eben nur ein musikalischer Parameter von sehr vielen. Der dritte Satz des dritten Brandenburgischen Konzerts wirkt bei Musica Antiqua Köln gehetzt auf mich, so als ob da absichtlich an äußersten Tempolimit gespielt und alles andere beiseitegeschoben wird. Der entscheidende Unterschied zu Café Zimmermann ist jedoch, dass dieses Ensemble trotz des schnellen Tempos immer noch musikalisch differenziert gestaltet und nicht dem Tempo alles andere unterzuordnen scheint - und deswegen wirkt das Tempo hier nicht gehetzt auf mich.


    Wem diese differenziert gestaltete, transparente Musizierweise mit historischen Instrumenten in kleiner Besetzung nicht zusagt, der kann ja beispielsweise zu dieser Aufnahme



    greifen. Die Bachsche Polyphonie fällt dabei dem fetten, breiigen Orchesterklang zum Opfer und der Esprit den langsamen Tempi, aber der "Sound" entspricht dann wohl eher den Erwartungen und ist auch nicht mehr so weit von Schostakowitsch entfernt. Ob man allerdings damit Bachs Musik gerecht wird, wäre zumindest bedenkenswert - aber wer denkt schon beim Musikhören. Dass weniger durchaus mehr sein kann, leuchtet dem Hörer, der an üppig besetzte Orchester gewohnt ist, eben nicht unmittelbar ein - dafür muss man sich Zeit lassen, und hier ist es ähnlich wie beim Denken: Wer hat heutzutage schon noch Zeit...


    Viele Grüße,
    Andreas


  • Es ist bedauerlich, dass sich die kritischen Stimmen, die sich hier und hier negativ geäußert haben, nicht an dieser Diskussion beteiligen, denn bisher wurde zumindest in diesem Thread überwiegend Positives geschrieben (was auch weitgehend mit meinen eigenen Höreindrücken übereinstimmt).


    Fände ich auch interessant, zumal der Eindruck des "Gehetztseins" ja bei Algabal genau umgekehrt zwischen MAK und Zimmermann aufgetreten ist.


    Zitat


    Zum Thema der Tempi: Was sollte ein Ensemble heute noch Neues dazu beitragen? Die Bandbreite der HIP-Aufnahmen ist so groß, dass hier von "extrem langsam" bis "extrem schnell" alles bereits vertreten ist.


    extrem langsam? Was hättest Du da im Blick? Die ganz alten (ca. 1965) Harnoncourt-Aufnahmen, bei denen das teils wohl noch an technischen Problemen mit den Instrumenten gelegen haben dürfte?
    Ich bin sicher weit davon entfernt, einen Überblick über die Unzahl an Aufnahmen, besonders der Brandenburgischen Konzerte, zu besitzen (ganz ehrlich gesagt, interessiert mich die Musik auch nicht ausreichend, dass ich das nur annähernd anstreben würde). Daher habe ich auch dieses Schnäppchen nicht genutzt. Aber mein Eindruck von diversen Klangschnipseln ist eher der hier auch schon geäußerte, dass, evtl. mit Ausnahme einiger Einzelsätze (wie der Ecksätze von 3 und 6) die MAK-Tempi, die vor 20-25 Jahren noch als "provokant" empfunden wurden, heute bei den HIPisten Standard geworden sind. Der Eindruck einer extremen Bandbreite hat sich bei mir nicht eingestellt.


    Da ich zwei Aufnahmen dieses Schlags (MAK und Giardino Armonico) besitze, würden mich eher solche interessieren, die flexiblere (und ggf. breitere Tempi) und einen weniger auf extreme Brillanz, Drive usw. ausgelegten Ansatz pflegen. Hier habe ich Harnoncourts aus den 1980ern, wobei der eben immer seine speziellen Eigenheiten hat. Was für Alternativen gäbe es da noch? Jacobs und Minkowski haben die Werke nicht dirigiert? Kennt jemand Savalls? (Die wären mir vermutlich zu teuer, aber vielleicht doch lohnend.)

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Dass weniger durchaus mehr sein kann, leuchtet dem Hörer, der an üppig besetzte Orchester gewohnt ist, eben nicht unmittelbar ein - dafür muss man sich Zeit lassen, und hier ist es ähnlich wie beim Denken: Wer hat heutzutage schon noch Zeit...


    Was soll denn der Blödsinn? Wenn Du, lieber Fugato, Deine Augen öffnen würdest, könntest Du weiter oben lesen, welche Aufnahmen ich besitze. Also laß doch den polemischen Karajan-Quatsch, bitte. Die Café Zimmermann- CDs habe ich erstmal beiseite gelegt und überhaupt noch nicht vollständig gehört, so daß ich auch weiter nichts zum Thema beitragen kann. Irgendwann werde ich sie komplett hören und dann, wer weiß, höre ich sie mit geläuterten Ohren. Und, so hoffe ich jedenfalls, auch mit Verstand. :D
    calisto

  • Was soll denn der Blödsinn? Wenn Du, lieber Fugato, Deine Augen öffnen würdest, könntest Du weiter oben lesen, welche Aufnahmen ich besitze.

    Wie kommst Du darauf, dass ich mit dem "Hörer, der an üppig besetzte Orchester gewöhnt ist", ganz konkret Dich gemeint haben könnte? Das ist für mich nicht nachvollziehbar und eine Unterstellung, die ich ganz entschieden zurückweise.


    Dein Beitrag trägt leider nichts zur Sache bei - es wäre schon interessant gewesen zu lesen, was im Detail zu Deiner negativen Bewertung geführt hat. Wenn es andere Aufnahmen sind, die Du kennst, wäre es hilfreich, sie hier auch zu nennen.


    Viele Grüße,
    Andreas


  • Wie kommst Du darauf, dass ich mit dem "Hörer, der an üppig besetzte Orchester gewöhnt ist", ganz konkret Dich gemeint haben könnte? Das ist für mich nicht nachvollziehbar und eine Unterstellung, die ich ganz entschieden zurückweise.


    Wenn das von Dir nur so in den Wind geschrieben war, möchte ich mich förmlich für meine haltlose Unterstellung bei Dir entschuldigen!
    Weiteres zum Thema: Eben gehört, Nr. 5977.


    calisto

  • So - endlich habe ich den Rest der Box auch gehört...


    Mein Urteil bleibt bestehen: es ist eine herrlich schlanke, transparente Aufnahme mit ordentlich Dampf dahinter. Mir ist allerdings aufgefallen, daß bei den Concertos, die als Soloinstrumente das Cembalo haben, der sanfte Klang des Instruments bzw. der Instrumente manchmal vom B.C. etwas zugedeckt werden. Ich halte das so gerade akzeptabel, weil die Instrumente ihre Solopartien noch "hörbar" realisieren können, aber sie verschwinden in den Tutti-Stellen sofort im Gesamtklang. Das ist sicherlich so gewollt gewesen. Wie gesagt, ich mag diesen gedämpften Klang der Cembalos, aber in dem Fall wäre es wohl doch besser gewesen, sie näher ans Mikro zu stellen bzw. lauter abzumischen.


    Das ist das einzige Manko, was ich an diesen Aufnahmen sehe. Ansonsten macht mir die Box viel Freude, und durch die äußerst hervorragenden Texte im Booklet wurde einem das Umfeld des Kaffeehauses Zimmermann in Leipzig sehr gut nahegebracht - inklusive einer kleinen Analyse jeden Concertos. Mit solchen Veröffentlichungen wird Alpha immer punkten können. :thumbup:


    Fazit: :juhu: :juhu: :juhu: :juhu:



    jd :wink:

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    Hudebux

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    Jean Paul

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    jd

  • Wie gesagt, ich mag diesen gedämpften Klang der Cembalos, aber in dem Fall wäre es wohl doch besser gewesen, sie näher ans Mikro zu stellen bzw. lauter abzumischen.

    Das wäre auch der einzige Kritikpunkt, den ich bei diesen Aufnahmen anzubringen hätte - das Cembalo ist mir, insbesondere bei den Cembalokonzerten und beim 5. Brandenburgischen Konzert, etwas zu leise.


    Allerdings kann dieser Eindruck auch durch Hörgewohnheiten entstanden sein, die sich durch andere Aufnahmen gebildet haben, bei denen möglicherweise die Tontechnik das Instrument in den Vordergrund gestellt hat. (Man hat ja irgendwie die Erwartung, dass das Soloinstrument im Stereopanorama in der Mitte angeordnet ist und sehr deutlich zu hören ist.) Vielleicht hat man hier nur versucht, die natürliche Balance zwischen Cembalo und dem übrigen Ensemble zu belassen und nicht tontechnisch nachzuhelfen, um so die Erwartung des Hörers zu erfüllen.


    Viele Grüße,
    Andreas


  • Vielleicht hat man hier nur versucht, die natürliche Balance zwischen Cembalo und dem übrigen Ensemble zu belassen und nicht tontechnisch nachzuhelfen, um so die Erwartung des Hörers zu erfüllen.

    Ich hatte es selbst bereits erwähnt: es ist bestimmt gewollt gewesen. Ich empfinde den zurückhaltenden Klang der Cembali grundsätzlich als sehr angenehm, und der Klang schmiegt sich wunderbar ins Ensemble ein. Normalerweise kenne ich Aufnahmen, bei denen ich meine Anlage 10 dB leiser stellen muß, weil das Cembalo einfach nur hart und laut plärrt (nur bei Solo-Einspielungen). Ich schätze zwar den präzisen Metallklang, aber je nach Modell kann das zu Gehörstürzen führen... :D



    jd :wink:

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    jd

  • Klassik.com hat jetzt eine äußerst positive Rezension des sechsten und letzten Volumes der Box veröffentlicht.


    Gruß, Carola

    Vom Schlechten kann man nie zu wenig und das Gute nie zu oft lesen. Arthur Schopenhauer

  • Ihr habt mich überzeugt, ich habe mich diese Woche auch ins Cafè Zimmermann aufgemacht und bin heute erstmals akkustisch eingekehrt.


    Durchgehört habe ich bisher nur die CD1, allerdings gehören das BW 1052 und das 5.Brandenburgische auch gleich zu meinen Lieblingskonzerten. Darüberhinaus liebe ich solistische Holzbläser, also eine geeignete Einstiegs-CD für meinen persönlichen Geschmack.


    Mir ganz persönlich hat die Einspielung neue Perspektiven auf die Bachschen Konzerte eröffnet. Es stimmt, zu jedem Konzert gibt es 'nur' eine Fassung (mit einer Ausnahme: (BWV 1055 für Oboe d'Amore und für Cembalo), so dass ich für die anderen Fassungen nach wie vor andere Einspielungen heranziehe.


    Aber nach der ersten CD bin ich sehr glücklich mit der Einspielung! Ich werde mich sukzessive weiter durch'fressen', wobei mein unerhörter Stapel immer noch meterhoch liegt... :juhuu:

    Lucius Travinius Potellus
    Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety. (B.Franklin)

  • Ihr habt mich überzeugt, ich habe mich diese Woche auch ins Cafè Zimmermann aufgemacht und bin heute erstmals akkustisch eingekehrt.


    Durchgehört habe ich bisher nur die CD1, allerdings gehören das BW 1052 und das 5.Brandenburgische auch gleich zu meinen Lieblingskonzerten.


    Bei mir, lieber Travinius, war auch das 5. Brandenburgisches ein Prüfstein, denn wenn man in den schnellen Sätzen das Tempo zu sehr anzieht, muss man das Cembalo spätestens bei den Zweiunddreißigstel "verstecken" (wie es vor allem im 3. Satz bei Il Giardino Armonico geschieht - der zweite Satz ist bei ihnen wunderschön). Café Zimmermann hat die Probe gut bestanden - das Cembalo ist, wie auch hier bemerkt - durchweg gut hörbar, so dass nicht ausgerechnet im Finale eine Rücknahme dessen geschieht, was im ersten und zweiten Satz aufgebaut wird.


    Von den bisherigen Eindrücken her gesehen bin ich von dem Ensemble begeistert. Ich freue mich auf weitere Entdeckungen in der Box.


    Liebe Grüße Peter

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)

  • Bei meinem letzten Hereinhören im Klassikladen meines Vertrauens habe ich mich fast eine halbe Stunde mit Cafe Zimmermann's Bach-Box beschäftigt, immerhin gehe ich seit einigen Wochen sehr regelmäßig dorthin (ein Kunde von mir sitzt in der Katharinenstr. 6 in Leipzig, dort heftet die Tafel, dass dort das Cafe Zimmermann gewesen sei). Ich habe in fast alle CD's hereingehört und habe nichts gefunden, was mich gegenüber den mir vorliegenden Aufnahmen (Klavierkonzerte mit R.Egarr, Brandenburgische mit Musica Antiqua) als noch nicht gehört angesprungen hätte. Ich bin den Musikern grundsätzlich sehr offen gegenüber, weil ich sie in München (in anderen Besetzungen und deswegen unter anderen Namen) schon öfter gehört habe und immer sehr angetan aus diesen Konzerten gegangen bin, aber ich kann nicht feststellen, dass diese Aufnahmen mehr wären als 'state of the art-HIP-Musikzieren. Kann mir jemand eine Stelle nennen, an der das der Fall wäre?


    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • ich kann nicht feststellen, dass diese Aufnahmen mehr wären als 'state of the art-HIP-Musikzieren

    Ich schon, und einer der wesentlichen Punkte dabei ist das, was in der Rezension geschrieben wurde, die Carola oben verlinkt hat (Hervorhebung von mir):

    Zitat

    Intonatorisch bleiben auch in druckvoller Attacke keinerlei Wünsche offen, dazu gehört die detaillierte und doch in einen übergeordneten Kontext integrierte Artikulation zu den ganz starken Aspekten der Aufnahme: Nichts geschieht da zufällig, nichts scheint vernachlässigt, alle Teile des Stimmengeflechts sind sorgfältig ausgeleuchtet, die pulsierende Basslinie ist perfekt kontrolliert.

    Die (im Vergleich zu anderen Aufnahmen, die ich kenne) sehr differenzierte Artikulation, die aber trotz ihres Detailreichtums immer auf das Gesamte bezogen bleibt und nicht eher zufällig, sondern sinnvoll eingesetzt wird, führt zu einem sehr lebendigen und durchsichtigen Stimmengewebe - bei Bachs polyphon angelegtem Satz ein enorm wichtiger Aspekt.


    Viele Grüße,
    Andreas


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