Yuja Wang - eine Ausnahmepianistin startet durch
Nachdem bereits der Thread
Sergei Rachmaninoff - die Klavierkonzerte
mit Yuja Wang eröffnet wurde und nachdem Don Fatale im Thread
Pianisten von heute - Capriccios Lieblinge
vorschlug, ihr einen eigenen Thread zu widmen, übernehme ich es gern, einen solchen zu eröffnen.
Zu den biografischen Details:
Yuja Wang wurde am 10. Februar 1987 in Peking geboren, ist also 24 Jahre alt. Sie begann früh mit dem Klavierspiel und gab bereits als Kind erste Konzerte in China, Australien und Deutschland. Im Alter von 7 Jahren nahm sie ein Musikstudium am Zentralen Konservatorium in Peking auf (ihre Lehrer waren dort Ling Yuan und Zhou Guangren). 1998, also mit 11 Jahren, hatte sie ihren ersten Wettbewerbserfolg, indem sie den dritten Platz beim Internationalen Wettbewerb für junge Pianisten in Ettlingen (Deutschland) errang. Von 1999 bis 2001 war sie Teil eines chinesisch-kanadischen Kulturaustauschprogramms, in dessen Rahmen sie am Morningside Music summer program des Mount Royal College in Calgary (Kanada) teilnahm. 2001 (mit 14 Jahren) übersiedelte sie ganz nach Kanada und studierte am Mount Royal College Conservatory in Calgary (ihre dortigen Lehrer: Hung Kuan Chen und Tema Blackstone). Im selben Jahr gewann sie beim Internationalen Musikwettbewerb in Sendai (Japan) sowohl den 3. Preis als auch den Spezialpreis der Jury für den besten Pianisten in der Altersklasse unter 20 Jahren. 2002 kam der erste Wettbewerbssieg, nämlich der erste Preis bei der Aspen Music Festival Concerto Competition. 2003 nahm sie Gary Graffman unter seine Fittiche, bei welchem sie fortan am Curtis Institute of Music in Philadelphia studierte. Ihre dortige Ausbildung schloss sie im Mai 2008 ab.
Ihr Europadebüt mit einem Orchester gab sie bereits 2003 mit dem Tonhalle-Orchester Zürich unter der Leitung von David Zinman (sie spielte Beethovens Klavierkonzert Nr. 4). Im September 2005 erhielt sie den Gilmore-Preis 2006 für den vielversprechendsten Pianisten im Alter bis zu 21 Jahren (Gilmore Young Artist award), welcher - neben dem Preisgeld - mit Auftritten beim Gilmore Festival 2006 sowie der Vergabe einer Auftragskomposition, also eines speziell für sie zu komponierenden Klavierwerks, verbunden war. Ab 2005 festigte sich ihr Ruf in Nordamerika als "Einspringerin" für Pianisten, die einen Konzertauftritt abgesagt haben, beispielsweise Martha Argerich, deren vier Konzerte mit dem Boston Symphony Orchestra unter der Leitung von Charles Dutoit (Tschaikowsky Klavierkonzert Nr. 1) sie im März 2007 übernahm. In den Jahren 2006 und 2007 (also immer noch vor Abschluss ihrer Ausbildung) spielte sie u.a. mit dem New York Philharmonic Orchestra, dem Houston Symphony Orchestra, dem Chicago Symphony Orchestra, dem San Francisco Symphony Orchestra, dem NHK Symphony Orchestra (Tokyo), den St. Petersburger Philharmonikern und dem China Philharmonic Orchestra (Peking). Das New York Philharmonic Orchestra unter Leitung von Lorin Maazel nahm sie auch auf eine Tournee durch Japan und Korea im Jahre 2007 als Solistin mit. Weitere Tourneen folgten, z.B. mit der Academy of St. Martin-in-the-Fields unter der Leitung von Sir Neville Marriner durch die USA im Jahre 2008 und eine größere Solotournee durch die USA im selben Jahr, welche sie vom ursprünglich vorgesehenen, aber verhinderten Murray Perahia übernahm. Die Kritiken waren überschwänglich. Nach ihrem ersten Klavierabend in San Francisco schrieb The San Francisco Chronicle: "The arrival of Chinese-born pianist Yuja Wang on the musical scene is an exhilarating and unnerving development. To listen to her in action is to re-examine whatever assumptions you may have had about how well the piano can actually be played". In Bezug auf ihre Konzerte kamen Begriffe wie "she delivered a knockout performance", "astounding", "a phenom", "a sensation" oder gar "superhuman" auf. Wenn man sich ihre bei youTube abrufbaren Videos aus dieser Zeit ansieht, dann versteht man schon, weshalb diese unvorstellbar virtuose junge Pianistin als fast schon "übermenschlich" beschrieben wird. Ein Video mit dem Titel "the fastest piano player in the world ever: Yuja Wang"
"http://www.youtube.com/watch?v=6EqBlHyBZtQ"
auf welchem sie Cziffras Transkription des "Hummelflugs" von Rimsky-Korssakow spielt, mag als Beispiel dienen.
Atemberaubende Fingerfertigkeit ist aber nur einer von vielen Aspekten ihres Klavierspiels. Sie ist weit davon entfernt, eine Art David Garrett des Klaviers zu sein (nach dem Motto: bildschön und steht im Guiness Book of Records als schnellster Geiger/schnellste Pianistin der Welt). Als ich sie in der letzten Woche live mit dem Royal Philharmonic Orchestra London unter der Leitung von Charles Dutoit erlebte (es gab Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 3), habe ich ihr Klavierspiel viel mehr als ausgesprochen poetisch empfunden, mit einer ausgeprägten Binnendifferenzierung (sie holte Nebenstimmen aus dem vertrackten Klavierpart heraus, die ich noch nie zuvor wahrgenommen habe), großer gestalterischer Reife und (was durch ihre intensive Beschäftigung mit Kammermusik kommen mag) völliger Übereinstimmung mit dem sie begleitenden Orchester. Ganz besonders frappierend war, wie schnell und gestochen scharf sie im Pianissimo-Bereich zu spielen vermag. Eine Cziffra-Zugabe gab es übrigens auch, bei welcher sie es gehörig krachen ließ (es war Cziffras Transkription der "Tritsch Tratsch-Polka" von Johann Strauß). Dann aber kam die zweite Zugabe, nämlich Glucks "Reigen seliger Geister" aus "Orfeo ed Euridice" in einer von Yuja Wang selbst erstellten Transkription, welche auf Giovanni Sgambati basiert. Das war so etwas von hauchzart gespielt, so berückend schön. Sie ist wirklich weitaus mehr als nur eine Virtuosin.
Zurück zur Biografie: im Januar 2009 unterzeichnete Yuja Wang einen Exklusivvertrag mit der Deutschen Grammophon Gesellschaft. 2009 gab sie auch ihr Carnegie Hall Debüt mit Orchester (und zwar dem You Tube Symphony Orchestra unter der Leitung von Michael Tilson Thomas), welchem 2011 das Carnegie Hall Debüt als Solistin folgte. 2011 erhielt sie in Berlin den "Echo Klassik"-Preis als beste Nachwuchskünstlerin im Bereich Klavier. Sie lebt inzwischen in New York City, ist aber quasi auf einer Dauer-Tournee durch alle großen Konzertsäle der Welt und demzufolge nach eigener Aussage kaum zu Hause. In einem Interview mit der "BZ"
"http://www.bz-berlin.de/kultur/musik/die-rasende-yuja-wang-in-berlin-article1209876.html"
soll sie gesagt haben: „Ich fühle mich nirgendwo zu Hause, nicht mal in New York, wo ich wohne. Meine Heimat ist meine Handtasche“ (Anmerkung der "BZ": So nennt sie ihren Reisetrolley. Anmerkung des Threaderöffners: Sie wird im Interview "bag" gesagt haben. Jeder Flugreisende weiß, was mit "bag" gemeint ist). „Darin ist alles, was ich brauche: Mein Kleid, meine High Heels, mein iPod und iPad.“
Ihre Auftritte beim Verbier Festival (als Solistin und als Kammermusikerin) wurden vor wenigen Wochen bei arte ausgestrahlt (und sind auch bei youTube abrufbar) und haben mich schwer beeindruckt (vor allem ihr Scriabin-Spiel).
Beeindruckend ist auch, dass Yuja Wang nicht nur im Konzertsaal Ligeti spielt - hier ein Live-Mitschnitt auf youTube
"http://www.youtube.com/watch?v=ECC6l7fAhJQ"
sondern auch auf ihrer Debüt-CD bei der Deutschen Grammophon:
Sie hat auch eine Shchedrin-Uraufführung verantwortet. Näheres hierzu hat Lionel im "Eben gehört"-Thread geschildert:
Eben gehört
Als zweite Yuja Wang-CD folgte
welche zur "CD des Monats" im Grammophone Magazine wurde und auch sonst sehr gute Kritiken erhielt. Für diese CD hat sie den oben bereits erwähnten "Echo Klassik" 2011 bekommen.
Als dritte Veröffentlichung erschien eine Rachmaninow-CD mit dem Mahler Chamber Orchestra unter der Leitung von Claudio Abbado
So, das war's erst mal von meiner Seite. Jetzt seid Ihr dran ;+)