César Franck: Klavierquintett f-moll (1879)

  • [Die folgenden 9 Beiträge aus "Schon gehört? - Die Capriccio-Kaufberatung" habe ich hierhin ausgegliedert, damit die Aufnahmen und Francks Klavierquintett weiter besprochen werden können. Ich denke, das Werk verdient es.
    Gurnemanz]


    Da ich dieses Werk vielleicht demnächst im Konzert erleben werde, aber, wie ich eben etwas überrascht bemerke, keine Aufnahme davon besitze:

    Gibt es Empfehlungen hierfür, am liebsten eine "Referenzaufnahme" ( :D :(

    César Franck: Klavierquintett f-moll ?

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Da ich dieses Werk vielleicht demnächst im Konzert erleben werde, aber, wie ich eben etwas überrascht bemerke, keine Aufnahme davon besitze:

    Gibt es Empfehlungen hierfür, am liebsten eine "Referenzaufnahme" ( :D :(

    César Franck: Klavierquintett f-moll ?

    :wink:

    Ich kann diese Aufnahme nachdrücklich empfehlen:

    Momentan wohl nur schwer resp. überteuert zu bekommen, habe allerdings aus Zeitgründen nicht wirklich recherchiert.
    Übrigens eine der ganz wenigen Aufnahmen, mit denen Richter auch zufrieden war.


    Viele Grüße
    Jean

    "You speak treason" - "Fluently"
    "You've come to Nottingham once too often!" - "When this is over my friend, there'll be no need for me to come again!"

  • Franck Klavierquintett

    höre ich genauso gern und oft wie die Sinfonie.
    Die Richter/BorodinQ-Aufnahme kenne ich nicht, bin mit folgender schon restlos glücklich:

    Amati Quartet, Werner Bärtschi
    Auch klanglich erste Klasse und nicht überteuert zu bekommen.

    Einmal habe ich die Aufnahme des Juilliard Quartet im Radio gehört und fand sie sehr spannend. Kann aber klanglich mit Bärtschi/Amati nicht mithalten.

    Vielleicht hilft ein kleiner Hinweis, meinen Geschmack einzuordnen: Meine persönliche Referenz bei der Sinfonie ist Herreweghe.

    Auf jeden Fall steht das Franck-Quintett demjenigen von Brahms in nichts nach (das sei zu Edwins Freude angemerkt)...

    lg
    Khampan

  • Ich habe das Franck-Quintett im Sommer zum ersten Mal im Konzert gehört. Das ist schon sehr beeindruckend. Aber wer Brahms "zu dick" findet... als Zugabe spielte das Ensemble den 2. Satz aus dessen Klavierquintett. Das klang nach dem Franck wie Haydn... flüssig, klar, transparent...
    Aufnahme kann ich leider keine empfehlen, da ich eigentlich nur die bei Naxos kenne. Und die hatte bei mir nicht die Begeisterung ausgelöst, die ich nach dem Live-Erlebnis (Quatuor Modigliani, Pianist vergessen) immerhin nachvollziehen kann. (Ungeachtet dessen höre ich es vermutlich noch deutlich lieber als die Franck-Sinfonie :hide: )

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Aber wer Brahms "zu dick" findet...

    Ich nicht, es sei denn, man mästet ihn. 8+)

    Danke für die Empfehlungen für Richter/Borodin und Bärtsch/Amati! Werd's mal untersuchen.

    Im Januar gibt's in Heidelberg das Franck-Quintett mit dem Quatuor Ebène und Mitsuko Uchida. Das könnte mich reizen, zumal Debussy und Mozart (d-moll) mit dabei sind.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Aufnahme kann ich leider keine empfehlen, da ich eigentlich nur die bei Naxos kenne. Und die hatte bei mir nicht die Begeisterung ausgelöst,

    Hallo, Quatuor Ludwig hat das für Naxos eingespielt, das ist wahrlich nicht der Hammer, ich schätze seit meinem kürzlichen Erwerb die Aufnahme von Gidon Kremer auf ECM, die sehr außergewöhnlich mit Musik von Tickmeyer (kannte ich vorher gar nicht) und Kancheli (mag ich eigentlich alles, was ich bisher gehört habe) kombiniert ist.

    LG Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Ja, ich meinte Levinas/Q. Ludwig. Wobei mir die auch nicht direkt schlecht gefallen hatte.
    Es gibt inzwischen noch eine weitere Naxos-Aufnahme Ortiz/Fine Arts, leider sind die Kundenrezensionen nichtsagend. Die eine offenbar von einem notorischen Schwafler, die andere, die meint "korrigierend" eingreifen zu müssen, enthält ebenfalls Unsinn, denn die Spieldauern der Werke sind keineswegs ungewöhnlich kurz (ich vermute, dass im Kopfsatz des Streichquartetts eine Wdh. fehlt, aber ich kenne dieses Stück zu schlecht und besitze nur eine Aufnahme auf CD (Fitzwilliam/Decca eloquence), die etwa 3-4 min länger ist).

    Schade, dass die Richter-Aufnahme nicht erhätlich ist, die würde mich auch interessieren. Eine weitere, die ich als LP-Überspielung besitze und die mir sehr gut gefallen hat, ist mit Samson Francois (Quatuor Bernede, von dem ich sonst nichts weiß). Die ist aber leider nur in der vergriffenen Introuvables und in der superkompletten EMI-Box sämtlicher Aufnahmen Samson Francois' zu haben.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Hallo zusammen,

    Hallo, Quatuor Ludwig hat das für Naxos eingespielt, das ist wahrlich nicht der Hammer


    Es gibt aber nicht nur diese Aufnahme des Franck-Klavierquintetts bei Naxos. Es gibt noch eine neuere mit dem Fine Arts Quartet und Cristina Ortiz.

    Da ich persönlich Cristina Ortiz sehr schätze, würde mich diese neuere Aufnahme schon sehr interessieren. Auch du 'Kater Murr' hast wahrscheinlich von der älteren Aufnahme gesprochen - oder?

    Edit: Wow - da ist die Antwort schon direkt über diesem Beitrag hier, bevor ich überhaupt die Frage gestellt hatte! ;+)

    Viele Grüße
    Frank


    From harmony, from heavenly harmony
    this universal frame began.

  • Eigentlich war ich vorhin felsenfest davon überzeugt, eine Aufnahme des Quintetts unter meinen CDs zu finden. Jetzt bin ich doch noch fündig geworden, habe mich in den Keller begeben und dort tatsächlich eine alte Decca-LP entdeckt: eine Aufnahme mit Clifford Curzon und dem Wiener Philharmonischen Quartett (Willi Boskovsky, 1. Vl., Otto Strasser, 2. Vl., Rudolf Streng, Vla., Emanuel Brabec, Vc.., aufgenommen 1961 oder früher): Die klingt recht beeindruckend, aufnahmetechnisch hervorragend und auch musikalisch: spannungs- und kontrastreich, leidenschaftlich - die Wiener Streicher legen ordentlich auf - und einem gut integrierten Pianisten (gerade bin ich im Finalsatz).

    Als CD ist diese Aufnahme offensichtlich ebenfalls erschienen, gekoppelt mit Dvořáks Klavierquintett A-dur op. 81, gebraucht nicht einmal überteuert:

    http://www.amazon.de/Klavierquintet…22755362&sr=1-8
    [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/61xOjjDTtiL._SL500_.jpg]

    Zum Werk selbst: Das ist ja schon ein heftig bewegtes Stück, voller Feuer und Dramatik, durchgehend düster - und motivisch offensichtlich recht dicht durchgearbeitet. Francks Freunde sollen - so die Erläuterung auf der LP - nicht eben verständnisvoll reagiert haben, und der Pianist der Uraufführung 1880, kein Geringerer als Camille Saint-Saëns, habe sich hinterher entsetzt davongemacht. Das Werk ist dreisätzig (1. Molto moderato quasi lento - Allegro, 2. Lento, con molto sentimento, 3. Allegro non troppo, ma con fuoco). Dauer: ca. 35 Minuten.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Ein diskografisches Detail zur Aufnahme mit Swjatoslaw Richter und dem Borodin-Quartett möchte ich gern anmerken: Philips gibt das Aufnahmedatum unzutreffend mit "12/1981" an. Tatsächlich handelt es sich um einen Live-Mitschnitt aus Moskau vom 31. Dezember 1986.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

    Einmal editiert, zuletzt von music lover (2. Mai 2022 um 22:11)

  • Eine großartige, leidenschaftliche, farbige und klug gestaltete Aufnahme des Quintetts ist in dieser Box enthalten:

    Neben Jascha Heifetz spielen Israel Baker, Virginia Majewski, William Primrose und Gregor Piatigorsky. Allerdings: Bei dem Preis, der derzeit bei Amazon für die Box verlangt wird, könnte ich mich mit dem Verkauf vielleicht sanieren...

    Viele Grüße,

    Christian

  • [...] könnte ich mich mit dem Verkauf vielleicht sanieren...

    Bei aller Wertschätzung für Heifetz, Piatigorsky & Co.: Auf meine Mithilfe bei Deiner Sanierung mußt Du leider verzichten. :D

    Dafür ist die ebenfalls gelobte Aufnahme mit Richter & Borodin bei den internationalen Amazonen einigermaßen erschwinglich zu bekommen.

    Zum Werk selbst: Beim Hören gestern ist mir deutlich geworden, daß es sich um - auch für romantische Verhältnisse - erstaunlich expresssive, bestürzende Musik handelt. Ich kann das Entsetzen von klassizistisch orientierten Zeitgenossen wie Saint-Saëns durchaus verstehen. Womöglich wäre das auch Brahms zu heftig gewesen (trotz der Nähe zu dessen eigenem Klavierquintett - weiß nicht, ob der das Quintett überhaupt kannte). Ob Franck das Brahms-Quintett (1865, also 14 zuvor entstanden, ebenfalls in f-moll) als Vorbild hatte?

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Mir liegt eine Einspielung mit Jascha Heifetz sowie Israel Baker, William Primrose, Gregor Piatigorsky und Leonard Pennario als inzwischen offenbar vergriffene Einzel-CD vor. Ich habe sie eben noch einmal gründlich gehört, aber auch beim dritten oder vierten Versuch kann ich mit diesem Klavierquintett (im Gegensatz zum Brahmsens Op. 34) nicht das Geringste anfangen. Ich höre nur ein permanentes Wühlen im chromatischen Morast und finde im ganzen Werk keine einzige melodische Linie, die mich unmittelbar anspricht. Definitiv ist das nicht meine Musik :thumbdown: , wobei ich auch Francks d-moll-Sinfonie, die im Quintett motivisch immer wieder grüßen lässt, nicht wirklich gerne höre...

    Beste Grüße

    Bernd

  • Hallo Bernd,

    wenn du Chromatik ("Farbigkeit"!) als Morast empfinden kannst und unmittelbar ansprechende Melodien zur Bedingung machst, dann kann es schon sein dass C.Franck nichts für dich ist. Vielleicht kannst du dann jan deine Heifez/Piatigorsky-CD an andere bedürftige abgeben (mir zum Beispiel, ich kenne sie nämlich nicht)...

    Das Finale von Francks Quintett hat auf mich mindestens einen solchen Ohrwurm-Effekt wie das Scherzo von Brahms. Überhaupt das mitreißendste was ich von Franck kenne.

    lg Khampan

  • Was ich oben schrieb, klang vielleicht kritischer als es gemeint war.
    Besonders live fand ich es ein sehr eindrucksvolles, leidenschaftliches und mitreißendes Stück und ich finde nicht nur das "Motto"?, sondern auch andere Themen durchaus einprägsam, wenn auch nicht als Ohrwürmer. (Sie werden ja auch in allen Sätzen wiederholt und steter Tropfen...)
    Zweiter und dritter Satz fallen m.E. ein wenig gegenüber dem Kopfsatz ab und ich stehe auch weiterhin zu der Äußerung, dass der Brahms demgegenüber transparent, schlank und "klassisch" erscheint. Brahms, Schumann, Dvorak stehen mir zwar etwas näher, aber das Franck-Quintett möchte ich nicht missen und mir gefällt es besser als seine Sinfonie. (Faurés Quintette kenne ich noch zu schlecht, die sind verglichen mit Franck auch schlanker, aber auch deutlich "cooler")

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Zitat

    Zweiter und dritter Satz fallen m.E. ein wenig gegenüber dem Kopfsatz ab

    Speziell den Kopfsatz empfand ich vorhin als besonders quälend. Stets dachte ich "Jetzt, jetzt gleich passiert es! Jetzt muss es passieren, jetzt kommt er auf den Punkt!", aber für meine Ohren kommt Franck nicht auf den Punkt. Und dadurch nimmt der Satz kein Ende - ich war wirklich froh, als er endlich vorbei war, was mir bei romantischer Kammermusik selten so geht. Das Lento bot dagegen dann schon wieder eine gewisse Erholung...

    Zitat

    Vielleicht kannst du dann jan deine Heifez/Piatigorsky-CD an andere bedürftige abgeben....

    Würde ich gerne tun, wenn auf dieser CD nicht noch Dvoraks "Dumky"-Trio enthalten wäre!

    Beste Grüße

    Bernd

  • Dank dieses Threads habe ich mir zum erstenmal seit langer Zeit wieder Francks Klavierquintett aufgelegt, in der Borodin-Richter-Aufnahme. Die Borodins gehen erwartungsgemäß in die Vollen, Espressivo-Spiel vom Feinsten. Richter dagegen agiert trotz Francks teilweise großzügigen Dynamikangaben erstaunlich zurückhaltend. Das passt erstaunlich gut zusammen. Eine "schlankere" Aufnahme würde mich ggf. aber doch mal interessieren.

    Ich kenne das Stück schon recht lange, aber nicht gut. Den Kopfsatz fand ich schon immer packend, aber diesmal haben sich mir auch Lento und Finale erschlossen - insbesondere der langsame Satz in seinem ständigen Fließen hat enorme Melodie- und Klangreize. Obwohl ich auch in die Noten gelugt habe, hat sich mir die "Formidee" des Kopfsatzes nicht ganz erschlossen, insb. die Art und Weise, wie Anfangs-"Motto" und Hauptthema sich zueinander verhalten. Gut hörbar ist, dass das Hauptthema in den beiden Folgesätzen variiert wiederkehrt und auch dort mit dem ebenfalls variierten Motto-Thema kombiniert wird. Dieses zyklische Prinzip ist ja auch (in der von mir sehr geschätzten) d-moll-Sinfonie und der Violinsonate virulent. Finde ich als Kompositionsprinzip ziemlich interessant. Unabhängig davon ist das Klavierquintett aber einfach mitreißende Musik.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Wer Interesse hat an der Swjatoslaw Richter/Bolshoi Theater Quartett-Einspielung, welche bisher nur auf Vinyl oder als MP3 Download erhältlich war: Endlich gibt es auch eine CD-Ausgabe der russischen Firma Vista Vera (nur direkt beziehbar, nicht bei Amazon & Co.)! Die Franck-Einspielung, deren Entstehungsjahr von Vista Vera mit 1949 angegeben wird (nicht 1956, wie man es in Richter-Diskografien liest), ist gekoppelt mit einer Aufnahme des Haydn-Streichquartetts Nr. 66 G-Dur op. 77 Nr. 1 aus dem Jahr 1956 (in hervorragender Tonqualität übrigens).

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

    Einmal editiert, zuletzt von music lover (2. Mai 2022 um 22:13)

  • Franck, César: Klavierquintett f-moll - an der Schwelle zum Spätwerk

    Franck komponierte sein einziges Klavierquintett in den Jahren 1878-79. Es markiert den Übergang zum Spätwerk des Komponisten, wozu man zählen mag:

    - „Prélude, Choral et Fugue“ für Klavier (1884)
    - „Variations symphoniques“ für Klavier und Orchester (1885)
    - Violinsonate A-Dur (1886)
    - „Prelude, Aria et Finale“ für Klavier (1887)
    - Symphonie d-moll (1887-88')
    - Streichquartett D-Dur (1889)
    - „Trois Chorals“ für Orgel (1890)

    Das Spätwerk beinhaltet also die meisten der einigermaßen bekannten Werke des belgisch-französischen Meisters. Es sei erwähnt, dass in jener Zeit auch zwei Opern („Hulda“/1879-85, „Ghiselle“/1888-90) sowie die sinfonischen Dichtungen „Le chasseur maudit“ (1882), „Les Djinns“ (1884) und „Psyche“ (1888') entstanden.

    Für César Franck ist im Spätwerk die Form der „sonate cyclique“, der zyklischen Sonate, typisch. Einen ersten Ansatz dafür findet man sogar schon im frühen Klaviertrio fis-moll op. 1 Nr. 1 (um 1840). Bei dieser Form werden einzelne Themen in mehreren Sätzen verwendet. Dies geschieht aber nicht unbedingt, um (etwa wie bei Bruckner in den Sinfonien 3, 4, 5, 7 und 8') Finalapotheosen herbeizuführen, sondern um satzübergreifende Einheit herzustellen. Man denke also eher an den Schicksalsrhythmus in Beethovens 5. Sinfonie oder das chromatisch ansteigende Motiv, mit dem in Brahms‘ 1. Sinfonie sowohl die Einleitung als auch der eigentliche Sonatenhauptsatz beginnt und welches in späteren Sätzen wiederkehrt. Auch der Gedanke an die „idée fixe“ in Berlioz‘ „Sinfonie fantastique“ liegt nahe. In Francks d-moll-Sinfonie wird das Hauptthema des ersten Satzes sogar in einer verklärten Form gegen Ende der Sinfonie rekapituliert, der Eindruck ist der einer „negativen Apotheose“ und den triumphierend-affirmativen Wirkungen bei Bruckner geradezu entgegen gesetzt. Der zyklischen Form begegnen wir auch im Klavierquintett, hier nimmt das zweite Thema des ersten Satzes die satzübergreifende Rolle des „zyklischen Themas“ ein.

    Wer beklagt, dass der Meister von St. Florian so wenig Kammermusik hinterlassen hat, der gebe dem Oeuvre von César Franck eine Chance. Bruckner und Franck waren beide Organisten, sie wurden beide zu Lebzeiten überwiegend als solche geschätzt und als Komponisten für geringer angesehen, beide hatten einen Hang zum Mystischen. Grund genug für Freunde Bruckners Musik, sich mit dem belgisch-französischen Meister näher zu befassen.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Anlass und Rezeption

    Gerüchten zufolge war der Anlass zur Entstehung des Quintetts eine Liebesaffäre mit Augusta Holmès, einer Schülerin César Francks.

    Nach der Uraufführung widmete Franck das Werk dem Komponisten Camille Saint-Saens, der den Klavierpart gespielt hatte. Saint-Saens schnitt darauf nur eine verächtliche Grimasse, verließ den Saal und ließ die ihm gewidmete Partitur auf dem Flügel zurück. Später versuchte er, weitere Aufführungen zu verhindern. Claude Débussy sprach von einem immerwährenden Paroxysmus. Zu Francks Lebzeiten sind fünf Aufführungen des Werkes in Paris nachweisbar.

    Die Rezeption von Francks Klavierquintett nach 1945 scheint im Schatten der „großen drei“ (Schumann, Brahms, Dvorak) zu stehen. Dieses Schicksal teilt das Werk unter anderen mit den Gattungsbeiträgen von Vierne, Widor, Fauré, Elgar und Schostakowitsch, wobei sich das Letztere in jüngster Zeit verstärkter Aufmerksamkeit zu erfreuen scheint.

    Von den Streichquartetten der „ersten Reihe“ scheinen nur die folgenden das Quintett eingespielt zu haben:

    - Amadeus-Quartett mit Clifford Curzon (live)
    - Borodin-Quartett mit Svjatoslav Richter (derzeit vergriffen)
    - Petersen-Quartett mit Artur Pizarro

    Ob das Hollywood String Quartet (mit Victor Aller) oder das Mandelring-Quartett (mit Kalle Randalu) in diese Kategorie gehören, mag jede(r) selbst entscheiden. Es existieren ferner Aufnahmen mit dem Quartett der Wiener Philharmoniker (wiederum mit Clifford Curzon), mit dem Fine Arts Quartet (mit Cristina Ortiz), mit dem Quatuor Ludwig (mit Michael Levinas), mit dem Capet String Quartet (mit Marcel Ciampi) u. a. Da die großen Namen in auffälliger Weise fehlen – ich denke z. B. an das Melos-Quartett, das Alban-Berg-Quartett, das Takacs-Quartett, das Hagen-Quartett, das Emerson Quartet, das Guarneri-Quartett, das Quartetto Italiano oder unter den jüngeren Ensembles etwa an das Belcea-Quartett oder das Quatuor Ebène - scheint dieses Werk vor allem die Domäne der Quartette aus der zweiten Reihe zu sein.

    Dies mag vor allem daran liegen, dass das Klavierquintett als vergleichsweise schwierig zugänglich gilt. Diese Einschätzung scheint mir jedoch wenig haltbar zu sein. Vielleicht wird hier nur ein Vorurteil von Generation zu Generation weitergegeben. Jedenfalls lohnt die Auseinandersetzung mit diesem Werk sehr. Die Musik ist formal recht einfach fasslich und weist eine Menge Charakteristika auf, die hohen Wiedererkennungswert haben und schon beim ersten Hören ohrenfällig werden. Daher ist der Zugang entgegen der oft kolportierten Meinung vielleicht nicht allzu schwierig. Zu diesen Charakteristika gehören etwa die Bevorzugung von Terzverwandtschaften im Großen (1. Satz f-moll, 2. Satz a-moll/Des-Dur/a-moll, 3. Satz F-Dur) wie im Kleinen (z. B. die Harmonik des „zyklischen Themas“) oder zahlreiche chromatische Linien und abfallende Skalen.

    Ein rauschhafter, geradezu manischer Zug ist dem Werk über weite Strecken eigen (Débussy: Paroxysmus), das alleine sollte einer positiven Rezeption aber nicht im Wege stehen – man denke nur an „Tristan und Isolde“ oder an Schönbergs „Verklärte Nacht“.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

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