Luigi Nono (1924-1990) - einer der ganz Großen
Soeben gemerkt, dass, außer zu seinem unvergleichlich schönen Streichquartett, noch kein Thread über Luigi Nono eröffnet wurde. Das musste schleunigst geändert werden.
Dieer Thread soll mit Beiträgen, Hörerfahrungen, Gedanken, News, Links und CD-Empfehlungen etc. zu Nonos Werk gefüllt werden. Gegebenfalls können sich daraus extra Threads abspalten. Füttert also bitte diesen Thread fleißig mit Beiträgen, Anregungen.
Es sei mit einem Spätwerk begonnen:
“La Lontananza Nostalgica Utopica Futura („nostalgisch-utopisch-zukünftige Ferne") für Solovioline, 8 Spur Band und 8 – 10 Notenständer (1988/89)
Diese Komposition, mit einer Spieldauer zwischen 40 bis 60 Minuten, ist räumlich angelegt (was für Nono gar nicht untypisch ist, auch für den frühen Nono der „Intolleranza 1960“), in dem der Sologeiger während der Aufführung zwischen verschiedenen Klangorten wechselt bzw. sich unterschiedlich positioniert. Die Klangregie reagiert während der Aufführung spontan auf den Vortrag des Sologeigers, indem sie das aus dem Material des Tonbandes die entsprechenden Passagen/Teile auswählt und über die Lautsprecher abspielt. Insofern tragen Klangregie und Sologeiger für die Realisierung der Aufführung die gleiche Gewichtung bzw. Verantwortung.
z. B wie es dieser Ausschnitt deutlicht werden lässt:
„
Die Aufführungen das gleichen Werkes können somit recht unterschiedlich geraten.
Das achtspurige Tonband ist mit reichhaltigem Klang-Material versehen z. Tl. auf das Spiel von Gidon Kremer rekurrierend; aber auch z.B. alltägliche Umweltgeräusche beinhaltend.
Die Aufführung dieser Komposition resultiert damit aus lebendigem Zusammenspiel bzw. „polyphonen Interagieren“ (Stefan Drees) zwischen Sologeiger, dessen Part im Notentext festgeschrieben ist und der Klangregie.
Den räumlichen Klangeindruck auf Tonträger zu bannen, erscheint als unmögliches Unterfangen. Aber wie grandios muss das unmittelbare Live-Erlebnis der Wiedergabe gewesen sein, wenn bereits das auf Tonträger „reduzierte“ Ergebnis den Hörer im Übermaß anzurühren vermag .
Die Musik dieses Meisterwerkes ist nicht unähnlich z.B. seinem Streichquartett ("Fragmente - Stille, an Diotima") oder seinem "Hay que caminar soñando“ (man muss träumend gehen) (1989) für 2 Violinen ; beides Gipfelwerke der Kammermusik.. Beim Violinenduo sind beide Solisten ebenfalls angehalten, im Raum ihre Positionen zu ändern, wie es dieser String einer Aufführung aus Basel zeigt (leider bisher nicht übern Youtube-Konverter downzuloadbar):
„http://www.youtube.com/watch?v=D5hXMWAeOMs„
Dem geneigten Ersthörer dieser großartigen Musik von "La Lontananza Nostalgica Utopica Futura" könnten auffallen z.B. langgezogene und anschwellende Akkorde, gehauchte, zart angedeutete Töne, die buchstäblich ins Schweigen, ins Unhörbare münden, kaum enden wollende Klangfäden, Klangfetzen als fernes Echo, die buchstäblich abzuschmecken, abzulauschen sind, feine dünne, schier endlos anmutende Streicherflächen, aggressive, harte, klagende Einschübe.. durchsetzt mit Pausen, die in ihrer Leere zuweilen in drohende Gestalt treten, eingebettet in einem geheimnisvollen, rätselhaften, räumlichen Kontext des fernen Verklingens, der Stille......
Auf Tonträger sind z. Zt. folgende Einspielungen im Handel.
(mit Irvine Arditti und Andre Richard für schlappe 210 € )
Aus diesen Aufnahmen empfehle ich die mit dem Geiger Clemens Merkel und der Klangregie von Wolfgang Heiniger, weil darin das Anrührende, Geheimnisvolle dieser Komposition – nach bisherigem Eindruck - am trefflichsten realisiert wurde bzw. quasi die „Aura“ dieser Musik mitschwingt.
Übertroffen wird diese Einspielung noch von einem Youtube-String:
“http://www.youtube.com/watch?v=X-CKVm8MXxU&feature=related”
Daniele Colombo, violino
Agostino di Scipio, regia del suono ed elettronica.
"Registrazione dal vivo effettuata durante la settimana di musica contemporanea (dissonanzen '09) nella chiesa di Santa Maria Maggiore alla Pietrasanta, Napoli, 11/11/2009"
Es handelt sich mit Sicherheit um einen Live-Mitschnitt. Er unterscheidet sich von den CD-Einspielungen durch seinen spontanen, direkten und kompakten Zugriff. Hier wird zum Ereignis, wie in höchster Intensität Sologeiger und Klangregie (Daniele Colombo & Agostino di Scipio) im Kontrast und Einklang agieren.
Was beim Reinziehn dieses Mitschnitts an Emotionen, Innigkeit der Musik unvermittelt bzw. schier ungefiltert rüberkommt, ja die spannungsgeladene, sehnsuchtsvolle bis schmerzliche Schönheit dieser meisterhaften Musik, das lässt sich kaum in Worte fassen......
Dieser Mitschnitt sei jedem, der sich mit der Moderne bisher noch nicht konfrontierte, aber plötzlich von Neugier gepackt ist und jedem Gernhörer der Moderne ans Herz gelegt; für den Nono-Junkie bildet er jedoch ein unbedingtes Muss.