Luigi Nono (1924-1990) - einer der ganz Großen

  • Luigi Nono (1924-1990) - einer der ganz Großen

    Soeben gemerkt, dass, außer zu seinem unvergleichlich schönen Streichquartett, noch kein Thread über Luigi Nono eröffnet wurde. Das musste schleunigst geändert werden.


    Dieer Thread soll mit Beiträgen, Hörerfahrungen, Gedanken, News, Links und CD-Empfehlungen etc. zu Nonos Werk gefüllt werden. Gegebenfalls können sich daraus extra Threads abspalten. Füttert also bitte diesen Thread fleißig mit Beiträgen, Anregungen.


    Es sei mit einem Spätwerk begonnen:
    “La Lontananza Nostalgica Utopica Futura („nostalgisch-utopisch-zukünftige Ferne") für Solovioline, 8 Spur Band und 8 – 10 Notenständer (1988/89)


    Diese Komposition, mit einer Spieldauer zwischen 40 bis 60 Minuten, ist räumlich angelegt (was für Nono gar nicht untypisch ist, auch für den frühen Nono der „Intolleranza 1960“), in dem der Sologeiger während der Aufführung zwischen verschiedenen Klangorten wechselt bzw. sich unterschiedlich positioniert. Die Klangregie reagiert während der Aufführung spontan auf den Vortrag des Sologeigers, indem sie das aus dem Material des Tonbandes die entsprechenden Passagen/Teile auswählt und über die Lautsprecher abspielt. Insofern tragen Klangregie und Sologeiger für die Realisierung der Aufführung die gleiche Gewichtung bzw. Verantwortung.
    z. B wie es dieser Ausschnitt deutlicht werden lässt:

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    Die Aufführungen das gleichen Werkes können somit recht unterschiedlich geraten.


    Das achtspurige Tonband ist mit reichhaltigem Klang-Material versehen z. Tl. auf das Spiel von Gidon Kremer rekurrierend; aber auch z.B. alltägliche Umweltgeräusche beinhaltend.


    Die Aufführung dieser Komposition resultiert damit aus lebendigem Zusammenspiel bzw. „polyphonen Interagieren“ (Stefan Drees) zwischen Sologeiger, dessen Part im Notentext festgeschrieben ist und der Klangregie.


    Den räumlichen Klangeindruck auf Tonträger zu bannen, erscheint als unmögliches Unterfangen. Aber wie grandios muss das unmittelbare Live-Erlebnis der Wiedergabe gewesen sein, wenn bereits das auf Tonträger „reduzierte“ Ergebnis den Hörer im Übermaß anzurühren vermag .


    Die Musik dieses Meisterwerkes ist nicht unähnlich z.B. seinem Streichquartett ("Fragmente - Stille, an Diotima") oder seinem "Hay que caminar soñando“ (man muss träumend gehen) (1989) für 2 Violinen ; beides Gipfelwerke der Kammermusik.. Beim Violinenduo sind beide Solisten ebenfalls angehalten, im Raum ihre Positionen zu ändern, wie es dieser String einer Aufführung aus Basel zeigt (leider bisher nicht übern Youtube-Konverter downzuloadbar):
    http://www.youtube.com/watch?v=D5hXMWAeOMs„


    Dem geneigten Ersthörer dieser großartigen Musik von "La Lontananza Nostalgica Utopica Futura" könnten auffallen z.B. langgezogene und anschwellende Akkorde, gehauchte, zart angedeutete Töne, die buchstäblich ins Schweigen, ins Unhörbare münden, kaum enden wollende Klangfäden, Klangfetzen als fernes Echo, die buchstäblich abzuschmecken, abzulauschen sind, feine dünne, schier endlos anmutende Streicherflächen, aggressive, harte, klagende Einschübe.. durchsetzt mit Pausen, die in ihrer Leere zuweilen in drohende Gestalt treten, eingebettet in einem geheimnisvollen, rätselhaften, räumlichen Kontext des fernen Verklingens, der Stille......


    Auf Tonträger sind z. Zt. folgende Einspielungen im Handel.
     


     


    (mit Irvine Arditti und Andre Richard für schlappe 210 € :thumbup: )


    Aus diesen Aufnahmen empfehle ich die mit dem Geiger Clemens Merkel und der Klangregie von Wolfgang Heiniger, weil darin das Anrührende, Geheimnisvolle dieser Komposition – nach bisherigem Eindruck - am trefflichsten realisiert wurde bzw. quasi die „Aura“ dieser Musik mitschwingt.


    Übertroffen wird diese Einspielung noch von einem Youtube-String:
    http://www.youtube.com/watch?v=X-CKVm8MXxU&feature=related”


    Daniele Colombo, violino
    Agostino di Scipio, regia del suono ed elettronica.


    "Registrazione dal vivo effettuata durante la settimana di musica contemporanea (dissonanzen '09) nella chiesa di Santa Maria Maggiore alla Pietrasanta, Napoli, 11/11/2009"


    Es handelt sich mit Sicherheit um einen Live-Mitschnitt. Er unterscheidet sich von den CD-Einspielungen durch seinen spontanen, direkten und kompakten Zugriff. Hier wird zum Ereignis, wie in höchster Intensität Sologeiger und Klangregie (Daniele Colombo & Agostino di Scipio) im Kontrast und Einklang agieren.


    Was beim Reinziehn dieses Mitschnitts an Emotionen, Innigkeit der Musik unvermittelt bzw. schier ungefiltert rüberkommt, ja die spannungsgeladene, sehnsuchtsvolle bis schmerzliche Schönheit dieser meisterhaften Musik, das lässt sich kaum in Worte fassen......


    Dieser Mitschnitt sei jedem, der sich mit der Moderne bisher noch nicht konfrontierte, aber plötzlich von Neugier gepackt ist und jedem Gernhörer der Moderne ans Herz gelegt; für den Nono-Junkie bildet er jedoch ein unbedingtes Muss.
    :wink:

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Dank und Musikvorschlag

    Hallo Amfortas, ich bin Daniele Colombo und Sie haben meine Darbietung von "La lontananza nostalgica utopica futura" rezensiert. Ich habe mich sehr über Ihr positives Urteil gefreut. Da Ihnen mein Spiel gefallen hat, erlaube ich mir Ihnen zwei weitere Videos von mir auf Youtube vorzuschlagen. Es handelt sich hierbei um Stücke eines sehr talentierten amerikanischen Komponisten namens Matthew Bridgham.


    The Possessed Atheist: "http://youtu.be/R5lE41ICPeY"
    When Lorenzo Speaks: "http://youtu.be/SJOL8ZZEIpI"

  • Mitbringsel

    LUIGI NONO


    MAESTRO DI SUONI E SILENZI


    IN QUESTA CASA NACQUE E MORÍ


    1924 - 1990



    (ich wollte eigentlich das Foto einfügen, hab's aber nicht geschafft)


    In Venedig, an dem Haus, in dem Luigi Nono geboren wurde und gestorben ist („nacque e morí“), ist diese Tafel angebracht. Bei der schönen Formulierung, die wohl auf Nonos Librettisten und langjahrigen Mitstreiter, den Philosophen und späteren Bürgermeister von Venedig Massimo Cacciari zurückgeht, muss ich immer an das Streichquartett denken: „maestro di suoni e silenzi“.


    Das ist gar nicht so einfach zu übersetzen:


    - "maestro" : ein umfassenderer Begriff als der deutsche "Meister". Dirigenten, sind's bekanntlich, Kapellmeister, aber auch alle Lehrer. Ein "maestro di pianoforte" ist kein Meisterpianist, sondern ein Klavierlehrer. Und überhaupt verbindet das italienischen Wort die Kompetenz für etwas immer auch mit der Fähigkeit, dies dann anderen zu vermitteln. Glücklich die italienischen Kinder, die über eine "maestrina" in ersten Kontakt mit der Schule kommen.


    - "di suoni" : nicht das absolute "der Klänge", das würde "dei suoni" heißen, sondern "von Klängen" oder so ...


    - "e silenzi" : das Schweigen, die Stille gibt’s im Deutschen nur im Singular. Den Plural müsste man wohl irgendwie umschreiben.


    "Lehrmeister von verschiedenen Arten des Klanges und der Stille" - au weia, das ist schon arg akademisch, grässlich.


    Wem fällt was Gescheiteres ein?

  • Seit kurzem kann man sich über Youtube einen TV-Mitschnitt von Nonos Al gran sole carico d'amore reinziehn.
    Könnte sich sogar um die UA handeln, weil nach dem Schluss neben Claudio Abbado auch Luigi Nono auf der Bühne zu sehen ist. Tonquali ist historisch-unterirdisch, also kein Vergleich zum geilen Oe1-Radiomitschnitt aus Salzburg vom 02.08.09 unter Metzmacher.
    Peter Konwitschny hat sich m.E. wichtige Anregungen für seine Inszenierung Hannover/Leipzig von der Mailänder Inszenierung rüberwachsen lassen; also z.B. seine choreographische Umsetzung der Schlussszene erinnert etwas an das Mailand-Video.


    Nach bisherigen Eindruck kommt selbst in dieser mega-beschissenen Tonquali (inlusive Aussetzer zum Ende des 1. Teils) Nonos hochfetzig-aggro-bis-lyrisch-hochspannungsgeladene Mucke super rüber. Der Hörer wird von Al-gran-sole-Mucke unmittelbar eingeschnürt...
    => für jeden Nono-Junkie ein Muss.....


    http://www.youtube.com/watch?v=zK2Ez-4Wmao“
    http://www.youtube.com/watch?v=gLZYqbYxSC02
    http://www.youtube.com/watch?v=tgBDdibH4hs2
    http://www.youtube.com/watch?v=gItoldf4Fqy“
    http://www.youtube.com/watch?v=GFE3UxrFwEI“
    http://www.youtube.com/watch?v=V1HPJ9ricko“
    http://www.youtube.com/watch?v=0mJlHKCNNcg“
    http://www.youtube.com/watch?v=y6gjYTJYMgc“


    Nuria Nono-Schönberg über Nonos Al gran sole:
    http://www.ricordi.de/de-DE/News/2015/03/Interview-Nuria-Schoenberg-Nono.aspx“

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • :wink:


    Oben gennante Sendung des SWR2 habe ich auch gehört. Zu Beginn wird natürlich auch zu Leben und Werk des Vaters, Arnold Schönberg, erzählt. Die Musikausschnitte waren auch trefflich gewählt, vor allem die alten Aufnahmen von Uraufführungen stachen natürlich besonders heraus. Die Sendung ist wirklich empfehlenswert!


    Gruß, Frank

  • Oben gennante Sendung des SWR2 habe ich auch gehört. Zu Beginn wird natürlich auch zu Leben und Werk des Vaters, Arnold Schönberg, erzählt. Die Musikausschnitte waren auch trefflich gewählt, vor allem die alten Aufnahmen von Uraufführungen stachen natürlich besonders heraus. Die Sendung ist wirklich empfehlenswert!

    dann bin ich äußerst gespannt drauf. Hätte es nämlich sonst verpasst, ohne Nachhörfunktion, da zu sehr auf Donaueschingen-Abschlusskonzert fixiert..

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Letzten Donnerstag (23.3.17) habe ich drei Werke Luigi Nonos live miterleben dürfen. Das KlangForum Heidelberg eröffnete im TankTurm Heidelberg eine neue Reihe: "Musik im Kontext". Es war ein Gesprächskonzert mit dem Gast Nuria Schoenberg Nono, Witwe Nonos, die seinen Nachlaß in Venedig betreut, und, wie der Name verrät, Tochter Arnold Schönbergs, geboren 1932.


    Es war ein sehr eindrückliches Erlebnis, über das ich aus Zeitgründen nur das Wichtigste berichten kann.


    Von Nono erklangen La fabbrica illuminata (1964) für Sopran und Vierspurtonband, ..... sofferte onde serene ... (1976) für Klavier und Tonband und A Pierre. Dell' azzurro silenzio, inquietum (1985) für Kontrabaßflöte in G, Kontrabaßklarinette und Live-Elektronik.


    La fabbrica verarbeitet Tonbandaufnahmen aus einem Stahlwerk, in dem, so der Text, katastrophale Arbeitsbedingungen geherrscht haben müssen (die Rede ist von "Todesfabrik" und KZ), die Sprechchöre vom Tonband und die Sopranistin (Sarah Maria Sun) bildeten ein eindrucksvolles Hörerlebnis. Das Werk durfte seinerzeit zunächst nicht aufgeführt werden, so Frau Schoenberg Nono im Interview (es gab zwei ausführliche Gesprächsrunden).


    Nono war mit Maurizio Pollini und seiner Frau Marilisa befreundet. ..... sofferte onde serene ... entstand in Gemeinschaftsproduktion mit dem Pianisten, der nach Vorgaben des Komponisten eine große Anzahl von Klangschnipseln spielte, die er dann - als eine Art Dialog mit sich selber - live aufführte. In Heidelberg war es J. Marc Reichow, der "mit Pollini musizierte". Das Stück hat einen sehr ernsthaften biographischen Hintergrund: Nonos Mutter war gestorben und Pollinis Frau gebar ein Kind, das nur wenige Tage lebte. Das Klavier bildet Höreindrücke nach, wie sie von Ferne entstehen, wenn am Abend Venedigs Kirchenglocken gleichzeitig erklingen.


    A Pierre ist Pierre Boulez gewidmet. Beide Komponisten waren zunächst befreundet, aber es war zum Bruch gekommen. Trotzdem komponierte Nono dieses Stück (in eigentümlicher Bestzung) zum 60. Geburtstag Boulez'. Es ist eine merkwürdig knarzige, düstere, zutiefst meditativ-statische Musik.


    Für die Klangregie zuständig waren Mitglieder des SWR-Experimentalstudios, mit dem Nono viele Jahre in Freiburg/Br. zusammengearbeitet hat.


    Außerdem spielte das Ensemble Aisthesis (instrumentaler Teil des KlangForums) die Gigue aus Schönbergs Suite op. 29.


    Frau Schoenberg Nono erzählte natürlich viel aus ihrer gemeinsamen Zeit mit "Gigi"; immerhin waren sie 36 Jahre verheiratet, von 1954 bis zu Nonos Tod 1990. Interessant fand ich Bemerkungen zur Einteilung der Werke des Komponisten in verschiedene Zeitphasen, was sie äußerst kritisch sieht: Der gängigen Auffassung, das Spätwerk Nonos (ab ca. 1980, beginnend etwa mit dem Streichquartett und Prometeo) sei als eine Abwendung von leidenschaftlichem politischen Einsatz hin zum Privaten bzw. allgemein Philosophischen, trat sie entschieden entgegen, indem sie Denken in Schubladen kritisierte und meinte, auch das persönlich Emotionale richte sich aufs Politische bzw. könne das tun. Genauer kann ich das nicht ausführen, da Frau Schoenberg Nono das nur andeutete und ich selbst mich im Werk Luigi Nonos zu wenig auskenne, um das beurteilen zu können.


    Kurz gesagt, geht es hier wohl um die Frage, ob dem Spätwerk Nonos wirklich eine Art Entpolitisierung attestiert werden darf.


    :wink:


    PS: Hier noch ein Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung: http://www.rnz.de/kultur-tipps…rg-Nono-_arid,263806.html

    Es grüßt Gurnemanz


    Wissen Sie denn nicht, daß die Menschen manchmal nicht auf der Höhe ihrer Werke sind?
    Jean-Paul Sartre


    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.

    Helmut Lachenmann

  • Danke fürs Feedback !

    und A Pierre. Dell' azzurro silenzio, inquietum (1985) für Kontrabaßflöte in G, Kontrabaßklarinette und Live-Elektronik

    würde ich mir auch zu gern mal richtig live reinziehn

    Der gängigen Auffassung, das Spätwerk Nonos (ab ca. 1980, beginnend etwa mit dem Streichquartett und Prometeo) sei als eine Abwendung von leidenschaftlichem politischen Einsatz hin zum Privaten bzw. allgemein Philosophischen, trat sie entschieden entgegen, indem sie Denken in Schubladen kritisierte und meinte, auch das persönlich Emotionale richte sich aufs Politische bzw. könne das tun.

    echt fetziges Statement von Frau Nono-Schönberg.

    Kurz gesagt, geht es hier wohl um die Frage, ob dem Spätwerk Nonos wirklich eine Art Entpolitisierung attestiert werden darf.

    Spannende Frage, die einen Nono-Junkie zu folgender Spekulation verlocken könnte:
    Ist Nonos Mucke bloß politisch, durch seine Wahl eines historisch bis aktuellen Stoffs, wie z.B. in Intolleranza, Al gran sole oder Como una ola de fuerza y luz (sein „Klavierkonzert“) ? Ich finde nämlich (ohne h): nee !
    Nonos Mucke verrottete mit der Wahl derlei Stoffe dabei nicht zur schrottigen Agit-Platt-Propaganda a la Ostbereich: letztlich bloß armseliges Revers des westlichen Entertainment -Trichters.


    Möglicherweise wurde Nonos Mucke später sogar „politischer“, durch ihre besondere Gestalt, die du als „ knarzige, düstere, zutiefst meditativ-statisch“ beschreibst; und das eben ohne dabei im geringstem zum kunstgewerblichen Innerlichkeitskitsch abzukacken. Denn, sogar wenn sie bloß von verschwindend wenigen Hörern eingeschmissen wird, bildet Nonos Mucke damit so was wie unversöhnlichen Kontrapunkt zum tendenziell alles einschleimenden standardisierten Kommunikationsbrei. Das wäre quasi das "politische"....


    Durch ihren Hang zum Sich-Verpissen zückt sie gegen den propagierten Elan des Tollwut-Käfigs des "freien“ Marktes die Schiri-Arschkarte.
    Modell dafür m.E. auch sein Streichquartett, La lontananza nostalgica utopica futura oder auch “Hay que caminar” sognando für zwei Violinen.... aber ebenso die quasi an sich zweifelnde Pathetik in Con Luigi Dallapiccola (1979) für 6 Schlagzeuger und Live-Elektronik .. und .. und .. und ....

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • letztes Jahr wurde in der Hertha-Stadt Nonos „La lontananza nostalgica utopica futura“ mit Isabelle Faust als Saitenquälerin gestemmt .
    Dass Nonos Mucke auch Isabelle Faust begeistert, davon zeugt folgendes Interview:
    https://blog.berlinerfestspiel…ostalgica-utopica-futura/
    M.E. ist ihr Statement ist nah am Ausdrucksgehalt von Nonos mega-fetziger Lontananza-Mucke.


    Leider gabs von diesem Event keine Radioübertragung.


    Inzwischen kommt mir die Wiedergabe mit Gidon Kremer ebenso bärenstark rüber, wie die mit Daniele Colombo und Clemens Merkel.....

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Wörtlich eher: Es gibt keine Wege, man muss wandern :)

    Übersetzung für Nonos Muckentitel Non Hay Caminos, Hay Que Caminar... Andrej Tarkovskj (1987 fabriziert => späte Nono-Mucke) kam von SWR-2-Anmoderation rüber.

    Booklet eines handelbaren SWR-SO-Gielen-Mitschnitts lässt folgende Variante rüberwachsen: „Pilger, es gibt keinen Weg, es gibt nur das Weitergehen“.


    Meinen Brägen vorstellbar, dass Stockhausens schier unverwüstliche, rassige Groupies für 3 Orchester für die Aufteilung in sieben Instrumentengruppen, sowie Giacinto Scelsis Mucke fürs ständige Abhängen am Ton g wichtige Anregungen für Nonos fetzige Notenquälerei mitgeben.

    Aber Nonos Non hay kommt beim Reinziehn geneigten Lauscherchen nicht entfernt souverän rüber, wie geile 3 Groupies vom jungen Stockhausen.


    Nee, nee ganz im Gegentum.. . ..
    .. sogar viel doller als in seiner Streichquartett-Mucke, verstärkt durch Aufladung von Details inklusive Pausen und Verpissen in jeder quasi Mini-Sekunde, vor allem im jüngstem SWR2-Mitschnitt unter Maxime Pascal ein Feeling, als müsste Nonos Non hay, wenn es im Begriff ist, auseinander sich zu klamüsern, anschließend mühsam erneut sich gestalten …

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    Einmal editiert, zuletzt von Amfortas09 ()

  • Wörtlich eher: Es gibt keine Wege, man muss wandern :)

    Übersetzung für Nonos Muckentitel Non Hay Caminos, Hay Que Caminar... Andrej Tarkovskj (1987 fabriziert => späte Nono-Mucke) kam von SWR-2-Anmoderation rüber.

    Booklet eines handelbaren SWR-SO-Gielen-Mitschnitts lässt folgende Variante rüberwachsen: „Pilger, es gibt keinen Weg, es gibt nur das Weitergehen“.

    Zu den genauen Hintergründen des von Nono gewählten Titels besteht nach wie vor eine gewisse Unklarheit. Bekanntermaßen gibt es ein Gedicht des spanischen Lyrikers Antonio Machado (1875-1939), welches eine etwas andere Formulierung benützt, wodurch aber der tiefere Sinn von Nonos Titel sehr deutlich wird:

    Nono soll die von ihm benützte Formulierung No hay caminos, hay que caminar nach eigenen Äußerungen in einem Kreuzgang des Franziskanerklosters San Juan de los Reyes in Toledo als "Inschrift" aus dem 14. Jhdt. gefunden haben. Das Kloster wurde jedoch erst im 16.-17. Jhdt. gegründet (siehe Wikipedia...). Es wurde dann durch spätere Informationen von Nonos Frau allerdings auch richtiggestellt, dass es sich nicht um eine antike Inschrift, sondern um ein (womöglich zeitgenössisches) Graffito handelte:

    In einem Gespräch mit dem Musikwissenschaftler Klaus Kropfinger soll Nono auf den Hinweis der Ähnlichkeit zu dem Gedicht die Vermutung geäußert haben, dass Machado eventuell ebenfalls die "Inschrift" gefunden und dann für sein Gedicht verwendet hatte. Dies erscheint aber sehr unwahrscheinlich, da es sich eben tatsächlich um ein Graffito handelt, was wohl kaum schon zu Lebzeiten Machados existiert hat. Es ist wohl eher wahrscheinlich, dass umgekehrt das Graffito ein nachempfundenes freies Zitat aus dem Gedicht ist.


    Laut Esterbauer hat Nono in seiner Machado-Ausgabe das folgende Gedicht umrandet, das ebenfalls das Thema des Wanderns beinhaltet: "Todo pasa y todo queda / pero lo nuestro es pasar, / pasar haciendo caminos, / caminos sobre la mar“.

    Nono hat seinen Machado also sicher sehr gut gekannt, denn er hatte ja bereits 1960 in dem Chorstück "Ha venido, Canciones para Silvia" Texte von dem spanischen Dichter verwendet. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass ihm das oben zitierte Gedicht aus den Proverbios y Cantares völlig unbekannt war. Der dann gewählte Titel No hay caminos, hay que caminar wird ihm sicher als prägnantere und kürzere Form im Vergleich zu den Gedichtzeilen erschienen sein.


    :wink: leverkuehn

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    Was ist heute Kunst ? Eine Wallfahrt auf Erbsen. (Thomas Mann, Doktor Faustus, Kap. XXV)

  • Hey. Supi. gleichfalls 1 000 Dank für spannende Infos !
    Mein Brägen versucht momentan diese verkürzte Machodo-like-Sentenz von Nonos Mucken-Titel Non Hay Caminos, Hay Que Caminar wie folgt sich eigen zu machen…

    Brägen will Nonos Mucken-Titel nicht als Programm sich reinziehen, sondern momentan scheint es vielleicht ein Versuch Nonos über verzapfte Notenquälerei sich zu orientieren… denn Nonos Non Hay alles andere als in sich geschlossen .. ..


    Mucken aus seiner früheren Phase wie Intolleranza oder Canti di vita e d'amore m.E. vergleichsweise vitaler, kompakter verzapft …das stockende, durchbrochene, versiegende Fließen des Non Hay dagegen ohne Richtung, ohne Weg.. .


    dazu drängt kurioserweise sich auf, dass Brägen kürzlich mal Anmerkung über oll-griechisches Wort (hat von dieser toten Sprache aber keinen Schimmer) für freien Weg sich reinzog:

    "Porein“ = Weg und "Aporeia/Aporie" = kein gangbarer Weg .. im Medium von Denke käme sowas als Ausweglosigkeit, Unlösbarkeit von Frage/Widerspruch rüber … Nonos Non Hay mäandert im begriffslosen Medium Mucke gleichsam richtungs- und weglos….

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

    4 Mal editiert, zuletzt von Amfortas09 ()

  • ... also ich muss sagen, daß mich diese von Pausen eingeteilten vielschichtigen Cluster und Klangflächen auch auf eine Art und Weise ansprechen, sodaß ich zumindest eine interessante Spannung in dieser akustischen Klanglandschaft entdecken kann, die mich im Grunde genommen vergleichbar wie bei ähnlichen elektronischen Soundscapes momentan recht gerne weiterhören lassen. Ist sicher nach wie vor nicht meine bevorzugte Art von Musik, aber tolle Klangkombinationen, die mich mal wieder staunen lassen, was mit einem akustischen Orchester mit perkussiver Schlagwerkergänzung klangtechnisch so möglich ist. Ja, das muss wohl auch entscheidend mit am Komponisten liegen, ist bestimmt auch recht anspruchvoll zu spielen, insbesondere auch für die Blechbläser, die hier in gleitend abwechselnder Zusammenarbeit so etwas wie Obertonreisen von Oszillatoren in Synthesizermusik überzeugend rüberbringen. Eindrucksvoll!

    ... Alle Menschen werden Brüder.
    ... We need 2 come 2gether, come 2gether as one.
    ... Imagine there is no heaven ... above us only sky

  • Nonos Non Hay mäandert im begriffslosen Medium Mucke gleichsam richtungs- und weglos….

    Ich habe mir eben die Aufnahme mit Michael Gielen angehört. Ich glaube, dass es keinen großen Sinn macht, diese Musik über eine konventionelle Stereo-Anlage zu hören. Ob es mit irgendwelchen Surround-Techniken besser wird, weiß ich nicht.

    Das Wesentliche an der Komposition, nämlich die Räumlichkeit der Musik durch die aufgesplitterte Anordnung des Orchesters, wo man als Zuhörer dazwischen sitzt, und damit eines räumlichen Frage- und Antwortspiels der einzelnen Gruppen geht im Wohnzimmer verloren. Man kann diese Musik wahrscheinlich nur bei einer Aufführung richtig erfassen.

    Irgendwo habe ich auch gelesen, dass Nono sehr starke Vorbehalte bzw. Zweifel am Sinn von Aufnahmen seiner Werke hatte (zumindest seiner späten Phase, die eben stark mit der Räumlichkeit verknüpft ist).

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    Was ist heute Kunst ? Eine Wallfahrt auf Erbsen. (Thomas Mann, Doktor Faustus, Kap. XXV)

  • Ich habe mir eben die Aufnahme mit Michael Gielen angehört. Ich glaube, dass es keinen großen Sinn macht, diese Musik über eine konventionelle Stereo-Anlage zu hören.

    Das Wesentliche an der Komposition, nämlich die Räumlichkeit der Musik durch die aufgesplitterte Anordnung des Orchesters, wo man als Zuhörer dazwischen sitzt, und damit eines räumlichen Frage- und Antwortspiels der einzelnen Gruppen geht im Wohnzimmer verloren.

    Nono-Reinziehn mit und/oder ohne Raumklang bzw Elektronik/Live-Elektronik über Tonträger macht meinen Lauscherchen durchaus großen Sinn. :jaja1:

    Zugegeben: Sinnvoller aber Reinziehn eines Live-Events von nämlicher Mucke.
    Aufteilung der Instrumente in 7 Groupies zwar wichtiges Essential von mega-fetziger Non-Hay-Notenquälerei, aber die erschöpft darin sich nicht … da kommt beim Reinziehn noch viel mehr rüber..

    Man kann diese Musik wahrscheinlich nur bei einer Aufführung richtig erfassen.

    Zugegeben „wahrscheinlich“ mildert deine Skepsis gegen Tonträgerei von Nonos raumorientierter Mucke ab, dennoch käme es vielleicht fruchtbar rüber, aufzudröseln, was „richtiges Erfassen“ von Mucke bedeutet:

    .. etwa unmittelbares Komplett-Erfassen aller Strukturen, Beziehungen (innerhalb vom Mucken“raum“) beim Reinziehn .. funzt sowas überhaupt beim Live-Event? ……………..


    … wie dem auch sei; was Nonos Non Hay angeht:
    wäre das zu Erfassende, lediglich im/durch/als Raumklang verortet/vermittelt und sonst kaum was drüber hinaus, Menno, dann hätten meine Löffel 0-Bock auf so ein Live-Event, weil Chose dann bloß als vegane Magerkost rüberkäme: also Schrumpf-Non-Hay ohne viel weitere fetzige Gehalte, Beziehungen, Bestimmungen, ohne was darin noch so kreucht und fleucht …

    Irgendwo habe ich auch gelesen, dass Nono sehr starke Vorbehalte bzw. Zweifel am Sinn von Aufnahmen seiner Werke hatte

    auch in diesem Fall vielleicht fruchtbar aufzudröseln, worin Nonos Zweifel/Vorbehalte verortet....

    (zumindest seiner späten Phase, die eben stark mit der Räumlichkeit verknüpft ist).

    Meine Lauscherchen zogen folgende raumklang-orientierte Nono-Fetzigkeiten erst via Tonträger später als Live-Event sich rein:

    a. aus früheren Phasen: La fabbrica illuminata, Al gran sole und Intolleranza..

    b. aus seiner späteren Phase: sofferte onde serene, Con Luigi Dallapiccola für 6 Schlagzeuger, 4 Pickups und Live-Elektronik und seinem geilen Schwanengesang Hay que caminar sognando für 2 Violinen…
    Fazit: selbst in retrospektiver Perspektive machte auch vorheriges Reinzien via Tonträger großen Sinn für meine Löffel…


    Ja, ja, okay, okay, okay eingeräumt, Live-Reinziehn vom z.B. Nonos Prometeo, La lontananza nostalgica utopica futura, Como una ola de fuerza y luz wären meinen Löffeln wünschbare quasi Non-plus-Ultra-Events, doch derartige Notenquälereien leider nicht im Stamm-Repertoire vom Muckenbetrieb zu finden. :( :( :heul1: :heul1:

    ... also ich muss sagen, daß mich diese von Pausen eingeteilten vielschichtigen Cluster und Klangflächen auch auf eine Art und Weise ansprechen, sodaß ich zumindest eine interessante Spannung in dieser akustischen Klanglandschaft entdecken kann, die mich im Grunde genommen vergleichbar wie bei ähnlichen elektronischen Soundscapes momentan recht gerne weiterhören lassen

    :top: :top: :top: Bleib am Ball, bitte, bitte :jaja1: :jaja1: :jaja1: :jaja1:

    Ist sicher nach wie vor nicht meine bevorzugte Art von Musik,

    ja, ja, okay, okay, okay zugegeben, Nonos Mucke kommt auch mit Stacheln und Widerspenstigkeiten einen rüber, aber die machen ebenso Fetzigkeiten aus ....glaubs mir :jaja1:

    aber tolle Klangkombinationen, die mich mal wieder staunen lassen, was mit einem akustischen Orchester mit perkussiver Schlagwerkergänzung klangtechnisch so möglich ist. Ja, das muss wohl auch entscheidend mit am Komponisten liegen, ist bestimmt auch recht anspruchvoll zu spielen, insbesondere auch für die Blechbläser, die hier in gleitend abwechselnder Zusammenarbeit so etwas wie Obertonreisen von Oszillatoren in Synthesizermusik überzeugend rüberbringen. Eindrucksvoll!

    Non-Hay mit vielen Schichten.. meine Löffel bisher weit davon entfernt alle von denen zu erfassen, deshalb bleiben sie weiterhin drauf geil ..

    mega-supi, dass Funke von Nono-Mucke rüberspringt.. :jaja1: :jaja1: :jaja1: :thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup:

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

    6 Mal editiert, zuletzt von Amfortas09 ()

  • Ich habe ja zum Glück noch meinen AKG 1000 - Kopfhörer ... Grins1

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