Hat man früher nur die falschen Aufnahmen gekauft?

  • Hat man früher nur die falschen Aufnahmen gekauft?

    wem geht es ähnlich: vor vielen jahren kaufte man aufnahmen, die einem
    zwar meist nicht als optimum galten - aber dennoch gut bis sehr gut
    gefielen, und es gelüstete einem bislang nicht nach neuen interpretationen
    (natürlich bezieht sich das jetzt nicht auf ALLE
    einspielungen). nachdem aber nun viele aufnahmen von den firmen
    geradezu verschleudert werden, greift man zu und findet: diese sind ja
    viel besser zumeist oder decken ganz andere musikalische
    elemente/strukturen auf. und das bezieht sich nicht nur auf die nun
    zugänglichen historischen aufnahmen, sondern auch auf viele der
    50er-80er etc.


    wie kommt das? reife, wandel des geschmacks, damaliges angebot, musikalische weiterentwicklung?


    letzten endes macht es ein wenig unzufrieden, da man immer denkt, es
    könnte wohl doch noch eine andere und bessere aufnahme geben ...
    abdererseits freut es einen, da man eben eine 'bessere' gefunden hat.


    doch letzten endes: die räume voll, der geldsäckel leer ... ;( X(

    Muss es sein? - Es muss sein!

  • Bon soir König.


    Zitat

    doch letzten endes: die räume voll, der geldsäckel leer ... ;( X(

    Ich denke Deine schöne Signatur gibt ganz gute Antwort :D . - So ist´s im Leben - wir werden nie erfahren ob es die uns am meisten entsprechende Aufnahme eines geliebten Werkes gibt . . . . . .


    Wünsche schöne Abendstunden


    Bernhard



    "Alles Syphilis, dachte Des Esseintes, und sein Auge war gebannt, festgehaftet an den entsetzlichen Tigerflecken des Caladiums. Und plötzlich hatte er die Vision einer unablässig vom Gift der vergangenen Zeiten zerfressenen Menschheit."
    Joris-Karl Huysmans

  • Ich denke, oft liegt die anfängliche Begeisterung einfach daran, dass die neue Aufnahme eben NEU ist. Was man hat, daran ist man gewöhnt, das ist Routine - man mag es zwar, aber es haut einen nicht mehr um. Und was man nicht kennt, erscheint aufregend und viel besser als alles Gewohnte. Ist das nicht auch oft bei Beziehungen so? :D
    Erst die Zeit zeigt dann, ob die neue Aufnahme wirklich besser ist. Hat man sie oft genug gehört, erscheinen die beiden Aufnahmen möglicherweise wieder gleichwertig, oder vielleicht treten dann auch die Vorzüge der alten mehr hervor, die Begeisterung angesichts des Neuen relativiert sich. Oder aber die neue Version bleibt auch nach längerer Zeit überlegen.
    Ich finde wirklich, da gibt es sehr deutliche Parallelen zu Beziehungen. Bei mir ist glücklicherweise die neue auch nach längerer Zeit besser als die alte :D

    Canto, ergo sum.

  • Hallo Fliu.

    Ich finde wirklich, da gibt es sehr deutliche Parallelen zu Beziehungen.

    Da stimme ich Dir irgendwie zu und ich brauche nur wenig von

    So ist´s im Leben - wir werden nie erfahren ob es die uns am meisten entsprechende Aufnahme eines geliebten Werkes gibt . . . . . .

    in: So ist´s im Leben - wir werden nie erfahren, ob es das uns am meisten entsprechende Wesen des bevorzugten Geschlechts gibt . . . . . - Ach, wie gerne bin ich doch Fatalist :D .


    Schönen Abend


    Bernhard



    "Alles Syphilis, dachte Des Esseintes, und sein Auge war gebannt, festgehaftet an den entsetzlichen Tigerflecken des Caladiums. Und plötzlich hatte er die Vision einer unablässig vom Gift der vergangenen Zeiten zerfressenen Menschheit."
    Joris-Karl Huysmans

  • also, ich sehe da überhaupt keine parallelen - jedenfalls für mich nicht ;)


    und der faktor des neu-seins spielt auch keine rolle für mich. viele neue aufnhamen finde ich auch schlechter als meine alten. mir scheint es nur zu sein, daß sich eben meine vorlieben gewandelt haben und meine kenntnisse, worauf ich achte, ebenso. und vielleicht auch, daß es viele aufnahmen gar nicht zu der zeit gab, sondern erst jetzt wieder herauskommrn.


    ein beispiel: viele der von mir heiß geliebten karajan/bernstein-etc-einspielungen kann ich nicht mehr hören, da für mich die chöre bzw. die chorkultur unerträglich geworden sind bzw ist. alte stimmen, klangbrei, undifferenziert ...

    Muss es sein? - Es muss sein!

  • Ich finde wirklich, da gibt es sehr deutliche Parallelen zu Beziehungen.

    Liebe Fliu, daran habe ich noch gar nicht gedacht. Aber deiner Sichtweise schließe ich mich nur allzu gerne an.
    Dann komme ich nämlich doch noch zu einem Harem! :klatsch:

  • Bon soir, Roi.


    Ich kann das schon sehr gut nachvollziehen, mein letztes Erlebnis war die Beethoven-Aufnahme von Leibowitz - was für eine Offenbarung. Meine erste Gesamtaufnahme der Symphonien war die erste Bernstein-Einspielung mit dem New York Philharmonic - ich liebe nach wie vor die Sieben - und ich war ganz zufrieden damit, es kamen andere hinzu, z. B. die Hippies Hogwood und Immerseel, aber die Leibowitz-Interpretation - immerhin zu etwa der selben Zeit wie Bernstein I (Anfang der Sechziger) entstanden - macht mich sprachlos. - Natürlich werde ich nie erfahren können, ob ich die Leibowitz-CD´s zu dem Zeitpunkt - kurz nach dem Beginn des nun auch schon wieder ein paar Jahre zählenden Jahrtausends - an dem ich die erste Bernstein-Einspielung lieben lernte, grauenhaftgefunden hätte. - Den Bernstein mag ich heute noch, seine zweite Einspielung aller Neune bei DG finde ich verzichtbar. - Irgendwo da draußen gibt es aber bestimmt eine Aufnahme, die meinem Ideal - das ich wahrscheinlich nicht kenne, nicht kennen kann - entspricht, und ich werde sie nie hören, oder ich habe sie bereits gehört und ich war zu betrunken :pfeif: oder sonstwie verhindert, um sie zu erkennen :cry: .


    So, jetzt winke ich auch ´mal :wink:


    Bernhard



    "Alles Syphilis, dachte Des Esseintes, und sein Auge war gebannt, festgehaftet an den entsetzlichen Tigerflecken des Caladiums. Und plötzlich hatte er die Vision einer unablässig vom Gift der vergangenen Zeiten zerfressenen Menschheit."
    Joris-Karl Huysmans

  • Ich kann das schon sehr gut nachvollziehen, mein letztes Erlebnis war die Beethoven-Aufnahme von Leibowitz - was für eine Offenbarung.

    Hallo Bernhard,


    die Leibowitz-Aufnahmen sind natürlich grandios. Allerdings kann ich sie auch nicht immer hören. Als "Ausgleich" zu Leibowitz höre ich in letzter Zeit sehr gerne



    Ich bin sicher kein HIP-Fanatiker, aber diese Produktion hat genauso wie Leibowitz ihren eigenen Reiz.


    Viele Grüße und winke, winke :wink:



    Roger


    (Sorry, ist natürlich leicht OT :whistling: )

    "Ich brauche keine Musikkritiker"
    (Gennadi Roshdestwenskij)

  • und der faktor des neu-seins spielt auch keine rolle für mich. viele neue aufnhamen finde ich auch schlechter als meine alten. mir scheint es nur zu sein, daß sich eben meine vorlieben gewandelt haben und meine kenntnisse, worauf ich achte, ebenso. und vielleicht auch, daß es viele aufnahmen gar nicht zu der zeit gab, sondern erst jetzt wieder herauskommrn.
    ein beispiel: viele der von mir heiß geliebten karajan/bernstein-etc-einspielungen kann ich nicht mehr hören, da für mich die chöre bzw. die chorkultur unerträglich geworden sind bzw ist. alte stimmen, klangbrei, undifferenziert ...


    Natürlich spielen hier sehr viele Gründe mit. Viele davon hast du ja auch schon in deinem Eröffnungspost angeführt, die m.E. alle ihre Berechtigung haben. Ich wollte nur eine zuätzliche Möglichkeit aufzeigen ;)


    in: So ist´s im Leben - wir werden nie erfahren, ob es das uns am meisten entsprechende Wesen des bevorzugten Geschlechts gibt . . . . .


    Natürlich gibt es das uns am meisten entsprechende Wesen des bevorzugten Geschlechts. Das heißt ja nicht, dass es uns zu 100% entsprechen muss - vielleicht auch nur zu 10%. Wenn uns alle anderen aber nur zu 0-9% entsprechen, so ist dasjenige mit den 10% dennoch das uns am meisten entsprechende Wesen :D Die Frage ist nur, ob man es auch findet.
    Dasselbe trifft auch auf die uns am meisten entsprechende Aufnahme eines geliebten Werkes zu :D

    Canto, ergo sum.

  • Für mich ist seit gut 20 Jahren die Leibowitz-Aufnahme die Aufnahme schlechthin, die ich mir immer wieder gerne anhöre

    Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum (Nietzsche)
    In der Tat spuckte ... der teuflische Blechtrichter nun alsbald jene Mischung von Bronchialschleim und zerkautem Gummi aus, welchen die Besitzer von Grammophonen und Abonnenten von Radios übereingekommen sind Musik zu nennen (H Hesse)
    ----------------------------
    Im übrigen bin ich der Meinung, dass immer Sommerzeit sein sollte (gerade im Winter)

  • Ich habe sicher immer wieder die "falschen " Aufnahmen gekauft (aus heutiger Sicht) - aber damals hat es für mich gepasst. Wenn ich ein Werk erst kennenlerne, kann ich das erst einmal grob erfassen und sagen, ob es mir gefällt. Erst durch wiederholtes Hören und Hören auch anderer Aufnahmen relativiert sich vielleicht die erste Meinung, weil man dann in der Lage ist, differenzierter zu hören. Ich bin keine Musikerin, habe sozusagen Schweinsohren (copyright: Severina), bin schnell zu begeistern und muss halt dann später sagen: gut, in der anderen Aufnahme ist "mehr drin".
    Und dann gibt's noch die Fälle, wo ich etwas gekauft habe, ohne vorher kompetente Meinungen einzuholen. So kommt man dann zu einem Karajan-"Boris" :pfeif: . Aber die Plattenindustrie muss doch auch leben und auch ein Irrweg ist meist zu etwas gut (o.k. nicht jeder ;) )


    Liebe Grüße,
    :wink:
    Renate

    Unsre Freuden, unsre Leiden, alles eines Irrlichts Spiel... (Wilhelm Müller)

  • "Falsch" ist eine schwierige Kategorie. Ich habe 1980 angefangen LPs zu kaufen - und bei vielen Werken kenne ich inzwischen "bessere" Aufnahmen als die damals erworbenen, obwohl ich schon früher nicht blind gekauft habe, sondern häufig den ausgezeichneten Empfehlungen der Zeitschrift HifiStereophonie gefolgt bin.


    Am Beispiel der Beethoven-Sinfonien erläutert: Ich hatte von den Metronomangaben und auch von der Existenz der Leibowitz-Aufnahmen gelesen und hätte die (damals anscheinend vergriffenen?) LPs gerne gehabt. Aber wie das seinerzeit so war: Auf die entsprechende schüchterne Nachfrage (ich war ungefähr 15 Jahre alt) beim örtlichen Schallplattenhändler wurde mir beschieden, dass mit Klemperer und Karajan die beiden maßgeblichen Alternativen zur Verfügung stünden - andere Aufnahmen seien nicht notwendig. Auf experimenteller Basis habe ich damals schon die LP mit Klemperers Eroica mit 45 Umdrehungen pro Minute abgespielt :D. Dann kam Gielens Eroica aus Cincinatti auf den Markt, die mir der besagte Händler mit hochgezogener Augenbraue bestellte: eine Offenbarung. Auf breiterer Basis war der nächste Schritt der sukzessive Erwerb der Norrington-Einspielungen aus London, die seit ungefähr 1986 erschienen und die ich bis heute sehr gerne höre. Klemperer wurde ins Regal verbannt und nicht mehr gehört, ich konnte die bleiernen Tempi nicht mehr ertragen. Aber irgendwann vor ein paar Jahren hab ich's mal wieder versucht und konnte (ein wenig nostalgisch gefärbtes) Gefallen an den Aufnahmen finden.


    Oder die Bach-Passionen: Obwohl es Harnoncourt etc. um 1980 ja schon gab, habe ich sie mit den Eugen-Jochum-Einspielungen aus Amsterdam kennengelernt (großes Orchester, Riesen-Chor, donnernde Konzertorgel, schleppende Tempi). Später kamen dann Harnoncourts ältere Aufnahmen, die zuerst ein Schock waren, dann andere HIP-Einspielungen, auf die ich heute geeicht bin. Vor wenigen Monaten habe ich seit ewiger Zeit mal wieder die Jochum-LPs mit der Matthäuspassion aufgelegt: Das ging gar nicht mehr (die Choräle :pinch: ), die Platten wanderten zurück in den Schrank und da werden sie erstmal auch bleiben.


    Trotzdem habe ich es nie bereut, dass ich mit diesen teils teuer erworbenen Aufnahmen begonnen habe und erst später die jetzt favorisierten Interpretationen kennengelernt habe (so auch Leibowitz mit Beethoven). Meine "Hörbiographie" möchte ich nicht missen und man bekommt ein gewisses Gespür für den Wandel der Aufführungspraktiken, wenn man ihn selbst mitgemacht hat bzw. wenn man erlebt, wie frühere Außenseiter zum Mainstream werden.



    Viele Grüße


    Bernd

    .

  • Hallo,


    früher hat man vielleicht nicht die falschen Aufnahmen gekauft, sondern die einzige die einem richtig schien, ich will sagen mein Portemonnaie erlaubte mir nicht diese Freiheiten wie heute.


    Ich war froh daß ich eine für mich anständige Aufnahme von z.B. Sibelius Violinkonzert mit Kremer/Muti hatte, und die ist heute auch noch top.


    Es gab nicht so viele Vergleichsmöglichkeiten (außer Fono-Forum, Stereoplay) wie heute das Internet mit ihren Foren (heute hat jeder Musiker seine Webseite), Musikzeitschriften und Konzertbesuche waren aus finanziellen Gründe Mangelwaren.


    Heute sieht die Musikwelt anders aus. Früher hat an sich als Einstieg in die Musikwelt auf das wesentliche beschränkt, heute wenn es einem das Portemonnaie erlaubt steht einem die ganze Musik-Medien-Kommerz-Welt (Suchtfaktor) zu Verfügung.


    On a le choix


    gruß
    romain

    Dieser Thread muß weitergeführt werden!!!

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