Christian Thielemann: "Das ist für mich sehr wichtig, dass es einen guten Ausgang nimmt."
[Die beiden folgenden Konzertberichte lösten eine hitzige Diskussion um den Dirigenten Christian Thielemanns aus, auch darum, wo die Grenzen von Polemik gezogen werden können. Ich habe die Passagen, die sich auf den Dirigenten selbst und seine Leistungen beziehen, hier zusammengefaßt.
Verwiesen sei auch auf den Faden Thielemann und die Münchner Philharmoniker vor dem Bruch? Dort ging es um Thielemanns Abschied von München, und auch daran knüpften sich bereits kritische Bewertungen der Leistungen des offensichtlich umstrittenen Künstlers.
Anmerkung: Das Zitat im Titel bezieht sich auf Beethovens Fünfte und stammt vom Maestro selbst, genauer: aus einem ZEIT-Interview (Quelle: http://www.zeit.de/2011/13/Dirigent-Christian-Thielemann).
Gurnemanz]
[...]
So war mein frischester Konzertbesuch folgender:
Die Berliner Philharmoniker mit Christian Thielemann und als Solist Albrecht Mayer.
Auf dem Programm das Oboen-Konzert von Strauss sowie die 4. Bruckner.
Zunächst: Thielemann wird beliebter in der Philharmonie. Das wird nicht zuletzt daran liegen, dass er bekannter wird, sein Name häufiger fällt. Jedenfalls war das Haus pickepakevoll, was in früheren Zeiten bei Thielemann-Gastdirigaten nicht durchgängig der Fall war. Zudem ist die Resonanz eine freundlichere geworden. Aber was heißt schon freundlich? Am Ende applaudiert das Orchester, das Publikum steht, Thielemann wird noch mal allein rausgeklatscht. Inwieweit das durch außermusikalische Umstände gemacht ist, vermag ich nicht zu sagen. Für den Bruckner war es meines Erachtens aber auch verdient.
Zu Anfang also Strauss. Mir sagt sein Oboen-Konzert nicht so viel. Insofern bin ich bestimmt ungerecht, wenn ich feststelle, dass mich das zeitweilig irgendwie an Filmmusik erinnerte (zu einem Film, den ich eigentlich nicht sehen möchte). Die Musik fließt, gewiss, und hat dabei auch etwas Rätseliges, schon weil es so aus der Zeit (1945/1948) gefallen scheint, aber ich fühle mich nicht angesprochen - also ein subjektives Problem. Mayer und seine Kollegen harmonieren fraglos. Mit dem Namen Mayer verknüpft sich aber mein zweites Problem mit diesem ersten Teil des Konzerts: Mayer, den ich sonst sehr gern höre, kam wie ein dermaßen selbstverliebter Fatzke rüber, dass ich ernsthaft genervt war. Seine Feststellung - vor der eilfälligen Zugabe -, dass er froh sei, dass wir in der Philharmonie seien statt "Deutschland sucht den Superstar" zu gucken, war etwas daneben (Zielgruppe?). Dann die Zugabe, Bach-Sinfonia, für mein Empfinden karajenesk, so nicht meine Sache.
Dann der Bruckner, den ich schon lange nicht mehr gehört hatte. Ein schönes, intensives Wiederhören. So viele Details und dennoch ein - immer wieder unterbrochener und doch im Ganzen erkennbarer - Spannungsbogen. Erstaunliche Steigerungen, die trotz aller Kraft, die ihnen schon im ersten Satz zukommt, tatsächlich im Finale einen echten Höhepunkt erfährt. Thielemann agierte da unglaublich sicher, und so eben das Orchester, dem es offenkundig Freude bereitete, in jenem Moment an jener Stelle zu sitzen. Dabei wurde es keine selbstgefällige Spiegelei, sondern in all seinen Brüchen ein ungemein spannendes Erlebnis. So hatte ich das Gefühl, dass diesmal auch das Publikum gleichsam auf der Stuhlkante zu sitzen schien. Verdiente Anerkennung für alle Beteiligten (Stefan Dohr, Solo-Hornist!).
Am Freitag dann schon mein nächster Thielemann-BPhil-Abend: Mit der Pathétique, den Nocturnes von Debussy (!) sowie den Poemes pour mi von Messiaen (!!). Na, da bin ich mal gespannt.