Shakespeare verfilmt

  • Da es von diesem durchaus interessanten Stück so weit ich weiß nur zwei Verfilmungen gibt, habe ich mir diese noch bestellt, auch, weil ich mit den Inszenierungen vom London Globe aus den 10 Jahren dieses Jahrhunderts eigentlich immer gut gefahren bin.

    Leider fällt diese Produktion dann doch ab, was u.a. auch an den Schauspielern liegt. Dominic Rowan, ein durchaus guter Herzog in der Globe-Produktion von 'Measure for Measure' überzeugt hier als Heinrich eher weniger. Ihm fehlt schlichtweg die Persönlichkeit im Spiel wie auch als Schauspieler auf dieser großen Bühne. Ian McNeice, den ich bislang nur als komischen Sidekick in der TV-Serie 'Doc Martin' kannte und wo er als schrulliger Dorfinsasse wirklich sehr köstlich ist, scheint mir hier mit der anspruchsvollen Rolle des Cardinal Wolsey ziemlich überfordert, was v.a. daran deutlich wird, dass er seinen Text permanent in das Rund hineinbellt, so dass Differenzierungen im Ausdruck nicht vorkommen. Zudem fehlt ihm, trotz seiner Körperfülle, die Statur dieses Kirchenmannes, der scheinbar ein Fels im Geschehen ist, an dem nichts und niemand (zunächst) vorbeikommt. Geradezu ärgerlich finde ich die Rollenanlage der Queen Katherine, gespielt von Kate Duchene. Sie hat so gar nicht die Autorität einer Königin, sie leidet nicht in stiller, aber dann auch durchaus ausbrechender Verzweiflung, sie ist eigentlich nur ein keifendes Weib, so dass Henry's rühmende Worte über sie nicht zu verstehen sind, man eher denkt, er solle doch froh sein.... Schade, denn gerade Katherine hat ganz starke Szenen, z.B. vor Gericht oder auch in der Auseinandersetzung mit den römischen Kardinälen.

    Und so schleppt sich die ganze Inszenierung hin, gewinnt kaum an dramatischem Fluss, bebildert eher, wenn es auch ab und an schöne Regieeinfälle gibt. Trotzdem bereue ich den Kauf nicht, weil, wie gesagt, das Angebot bei diesem Stück sehr überschaubar ist und es, für mich jedenfalls, immer spannend ist, unterschiedliche Regieansätze kennenzulernen.

    :wink:Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Heute erhielt ich eine zweite Box mit Aufzeichnungen aus dem Londoner Globe Theatre. Erstes Werk in dieser Box ist und von daher zunächst in den Player geschoben:

    Meine Haltung zu dem Stück ist unverändert, obwohl die Inszenierung wirklich brillant ist. In den letzten Tagen habe ich noch einmal drei Komödien aus dem Globe mir angeschaut, aus einem bunten, heiteren Theaterraum. Hier nun ist plötzlich alles schwarz verhängt, dunkle Sonnensegel begrenzen den sonst offenen Raum nach oben hin, die Beleuchtung ist dürftig und der hintere Bühnenraum nur noch ein schwarzes Loch.

    Und in diesem Dunkel entfaltet sich nun diese fürchterliche Geschichte, vor einem Publikum, dass durch seine Reaktionen zeigt, wie sehr das Bühnengeschehen an seine Nieren geht. Und das gilt nicht nur für die Zuschauer vor Ort, mir ging es genauso. Der Regisseur kann all die Bluttaten natürlich nicht so zeigen, wie es in dem Film mit Antony Hopkins noch möglich war, aber es reicht, es ist deutlich genug. Und gerade im Fall von Lavinia (vergewaltigt, Zunge herausgeschnitten, Hände abgehackt) wird einem kaum etwas erspart.

    Ich bin überhaupt kein Freund von Blut auf der Leinwand und von daher nehmen mich das Stück und auch diese Inszenierung schon sehr mit. Aber das Stück ist eben so und diese Inszenierung weicht dem nicht aus, 'badet' aber zum Glück nicht in diesen Szenen. Wenn man dieses Stück kennenlernen möchte, ist hier sicherlich eine gute Gelegenheit. Es ist durch die Bank großartig gespielt, die Inszenierung, ganz 'klassisch', verzichtet auf jede, oftmals quälende Modernisierung, ist zügig, genau, biete den Akteuren den notwendigen Raum und ist, wie gesagt, nie sensationslüstern.

    Ein wirklich toller Film über ein 'grauenhaftes' Stück. Die Frage, warum man 'Titus' überhaupt inszenieren muss, welche neuen Sichtweise es zu dem Werk gibt, in welchem Kontext man die Brutalität und gleichzeitig die oftmals wunderschöne, lyrische Sprache vielleicht auch einbetten könnte - all das aber beantwortet die Inszenierung nicht. Man bekommt das Stück, nicht mehr, nicht weniger, das aber auf hohem Niveau.

    :wink:Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

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