Beethoven: Symphonie Nr. 7 in A-Dur, op. 92 - Werk und Aufnahmen

  • Das sind doch immer die Subdominantparallelen? fis-moll ist in A-Dur Tonikaparallele. Es ging doch um F-Dur in A-Dur. Das ist die erniedrigte Terz nach unten. Auf engl. glaube ich flat submediant? Bin jetzt sehr verwirrt...

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Hab grad mitgelesen. Bin weniger Kenner der Funktionsharmonik als ihr. Bin aber jetzt auch irritiert wie der Kater ...


    :D Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Das sind doch immer die Subdominantparallelen? fis-moll ist in A-Dur Tonikaparallele. Es ging doch um F-Dur in A-Dur. Das ist die erniedrigte Terz nach unten.


    Die Tonika-Gegenklänge sind in Dur-Tonarten mit den Dominantparallelen identisch. In C-Dur ist der Tg e-moll, was zugleich die Dp zur Dominante G-Dur ist. Dass fis-moll in A-Dur die Tp ist, stimmt. Der Tg wäre hier cis-moll, identisch zur Dp zur Dominante E-Dur.


    F-Dur ist in A-Dur ohne weiteren harmonischen Kontext m. E. nicht ohne weiteres zu deuten. Auf dem Papier könnte es z. B. auch die Parallele zur Moll-Subdominante (also d-moll) sein. Eine Ableitung von der Tonikaparallele fis-moll halte ich für wacklig, da man dafür sowohl das Tongeschlecht ändern als auch eine Alteration (Halbtonschritt nach unten) vornehmen muss.


    So oder so: das F-Dur im dritten Satz ist bemerkenswert. Wenn man vom a-moll des zweiten Satzes ausgeht, ist es einfach der tG, also der Dur-Gegenklang zur Moll-Variante der Tonika. Das halte ich im Gesamtkontext des Stücks für plausibel.


    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Eine Frage, die mir aufgrund der Diskussion des harmonischen Verlaufs gerade gekommen ist, ist die Beziehung zwischen harmonischem Verlauf und Semantik. Soll heißen: die Ecksätze in A-Dur bilden m. E. einen harmonischen und semantischen Rahmen (helle, überschwängliche Stimmung). Der zweite Satz bildet eine Art Gegenwelt (Moll-Tonika) ab, eingeleitet durch einen signalhaften Akkord. Der dritte Satz ist eine Art Übergang, zurück aus der Gegenwelt in den Rahmen. Dementsprechend ist die Tonart des Hauptteils des dritten Satzes in der harmonischen Welt des vierten Satzes nicht wirklich prominent, es ist gleichsam ein Zwischending, das aber durch das Trio in D-Dur (Subdominante in A-Dur) Bindung zurück in Richtung A-Dur erhält.


    Interessant ist damit auch noch die Beziehung von D-Dur zum F-Dur des Hauppteils im dritten Satz. Ich bin ja geneigt, das als Rückung der Dominante C-Dur um eine Stufe nach oben zu hören, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.


    LG :wink:

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  • Ebenfalls hüstel... Fis-moll ist kein tG, weil es eine Moll-Tonart ist. Wenn, dann ist es ein Tg zur Tonika D-Dur. (Klugschieter-Modus aus.

    hier ist der Witz, daß es eben tG ist also der Gegenklang zur Tonika, wenn sie nach Moll verwandelt ist. (s.u.)

    Der zweite Satz bildet eine Art Gegenwelt (Moll-Tonika) ab, eingeleitet durch einen signalhaften Akkord. Der dritte Satz ist eine Art Übergang, zurück aus der Gegenwelt in den Rahmen.

    eben weil wir aus dem a-moll des 2.Satzes kommen, kommt uns das F-.Dur hier garnicht so weit weg vor, eben als der besagte tG (tonikaGegenklang). Das wirklich unvermittelte Nebeneinander von Medianttonarten finden wir dann im Übergang zum 4.Satz: F-Dur - A-Dur, hier vermittelt dadurch, dass im Finale erstmal die Dominante E-Dur erklingt die im Kontext F-Dur als Rückung um einen Halbton nach unten erscheint, also relativ eingängig.

    Interessant ist damit auch noch die Beziehung von D-Dur zum F-Dur des Hauppteils im dritten Satz. Ich bin ja geneigt, das als Rückung der Dominante C-Dur um eine Stufe nach oben zu hören, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.

    eigentlich scheint mir eher eine Vorausnahme des Vorgehens im Finale vorzuliegen: das Scherzo endet auf dem unisono-A (Terz), das dann zur Quinte von D-Dur umgedeutet wird. Man könnte es als stellvertretend für ein A-Dur (Dominante von D-Dur) hören, ausgespielt wird diese Funktion hier nicht.

    Die Tonika-Gegenklänge sind in Dur-Tonarten mit den Dominantparallelen identisch.

    jep, also in A-Dur cis-moll. (Tonart des Seitensatzes im 1.Satz, wenn ich mich nicht täusche - esvwird da schon sehr eifrig moduliert... - ganz eindeutig ist cis-moll dann Nebentonart im Finale)
    in der Einleitung zum 1.Satz taucht ja auch schon mal sehr prominent das F-Dur auf, als lieblicher Kontrast zum "feierlichen" A-Dur-Start)

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Nun ist das Scherzo aber genauso überschwänglich wie die Ecksätze, oder? (Es hat von allen symphonischen Beethovenscherzi auch die schnellste Tempoangabe und den stärksten Kontrast Scherzo-Trio) D.h. die relativ weit entfernte Tonart markiert nicht unmittelbar einen Stimmungskontrast (wie es bei langsamen Sätzen ja fast immer der Fall ist). Scherzo in A-Dur (ggf. mit Trio in D-Dur) wäre traditionell und unproblematisch gewesen, aber vielleicht erschien Beethoven das mit einem 2. Satz in a-moll/A-Dur als zu wenig harmonischer Kontrast? Oder auch eine Aufwertung des Scherzos, zumal in einem Werk mit einem relativ "leichten" und nicht langsamen langsamen Satz.

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    (B. Pascal)

  • F-Dur ist in A-Dur ohne weiteren harmonischen Kontext m. E. nicht ohne weiteres zu deuten.

    Taucht ja auch in der zeitlichen Folge nach dem a-moll des 2-Satzes auf.


    Direktes Nebeneinander von mediantisch "verwandten", also eher "entfernt" empfundenen Tonarten finden wir bei Beethoven gerne im Verhältnis zu langsamen Sätzen z.B. 3. und 5. Klavierkonzert: c-moll - E-Dur (das ist nicht mal wirklich mediantisch zur Tonika sondern zur Subdominante und Dominante) bzw Es-Dur - H-Dur.

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  • hier ist der Witz, daß es eben tG ist also der Gegenklang zur Tonika, wenn sie nach Moll verwandelt ist. (s.u.)


    Fis-moll ist nicht der Gegenklang zur Moll-Tonika. Fis-moll kann sogar gar kein "tG", sondern nur ein "Tg" sein. Der tG ist, wie Du richtig bemerkst, F-Dur.


    LG :wink:

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  • D.h. die relativ weit entfernte Tonart markiert nicht unmittelbar einen Stimmungskontrast (wie es bei langsamen Sätzen ja fast immer der Fall ist).

    wiederum: der Kontext, in dem das F-Dur-Scherzo anhebt, ist das ruhige a-moll des 2.Satzes.

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  • Ebenfalls hüstel... Fis-moll ist kein tG, weil es eine Moll-Tonart ist. Wenn, dann ist es ein Tg zur Tonika D-Dur. (Klugschieter-Modus aus.)

    fis-moll ist in A-Dur Tonikaparallele.

    Ja, richtig ... Tp.


    Gruß
    MB


    :wink:

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  • Das wirklich unvermittelte Nebeneinander von Medianttonarten finden wir dann im Übergang zum 4.Satz: F-Dur - A-Dur, hier vermittelt dadurch, dass im Finale erstmal die Dominante E-Dur erklingt die im Kontext F-Dur als Rückung um einen Halbton nach unten erscheint, also relativ eingängig.


    Stimmt, das ist wirklich ein tolle Kniff von Beethoven, der mir bisher noch nicht aufgefallen ist.


    eigentlich scheint mir eher eine Vorausnahme des Vorgehens im Finale vorzuliegen: das Scherzo endet auf dem unisono-A (Terz), das dann zur Quinte von D-Dur umgedeutet wird. Man könnte es als stellvertretend für ein A-Dur (Dominante von D-Dur) hören, ausgespielt wird diese Funktion hier nicht.


    Stimmt, dass könnte man in der Tat als Antizipation deuten.


    Nun ist das Scherzo aber genauso überschwänglich wie die Ecksätze, oder? (Es hat von allen symphonischen Beethovenscherzi auch die schnellste Tempoangabe und den stärksten Kontrast Scherzo-Trio) D.h. die relativ weit entfernte Tonart markiert nicht unmittelbar einen Stimmungskontrast (wie es bei langsamen Sätzen ja fast immer der Fall ist).


    Anders gesagt: im Hauptteil passt der Duktus, aber nicht die Tonart zum Rahmen. Im Trio ist es umgekehrt: dieses passt harmonisch, ist aber im Duktus zu behäbig, um in den Rahmen einzugehen. Das Finale würde dann diese Spannung auflösen.


    Direktes Nebeneinander von mediantisch "verwandten", also eher "entfernt" empfundenen Tonarten finden wir bei Beethoven gerne im Verhältnis zu langsamen Sätzen z.B. 3. und 5. Klavierkonzert: c-moll - E-Dur (das ist nicht mal wirklich mediantisch zur Tonika sondern zur Subdominante und Dominante) bzw Es-Dur - H-Dur.


    Im Fall des 5. Klaiverkonzerts handelt es sich m. E. um eine Halbton-Rückung des zweiten Satzes. Diese führt nach dem ersten Satz (plötzlich und unerwartet) statt nach B-Dur nach H-Dur, und diese formale Rückung wird dann "auskomponiert" zurückgenommen, wenn der Übergang in den dritten Satz vorbereitet wird.


    LG :wink:

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  • wiederum: der Kontext, in dem das F-Dur-Scherzo anhebt, ist das ruhige a-moll des 2.Satzes.


    Das scheint mir auch der offensichtliche harmonische Zusammenhang zu sein.


    LG :wink:

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  • Im Fall des 5. Klaiverkonzerts handelt es sich m. E. um eine Halbton-Rückung des zweiten Satzes. Diese führt nach dem ersten Satz (plötzlich und unerwartet) statt nach B-Dur nach H-Dur,

    Eine "Rückung" höre ich hier nicht, zumal es ja nach dem Es-Dur-Schluß des 1.Satzes keine Erwartung eines irgendwie auftauchenden B-Dur gibt. Eher wirklich mediantische "Ent-Rückung": das Es wird als Dis plötzlich Terz von H-Dur. Eigentlich hört man hier Ces-Dur

    und diese formale Rückung wird dann "auskomponiert" zurückgenommen, wenn der Übergang in den dritten Satz vorbereitet wird.

    die Rückung der Tonika einen Halbton nach unten in die Dominante des nächsten Satzes ist hier dieselbe wie in der 7. zwischen Scherzo und Finale, nur daß sie hier komplett noch innerhalb des langsamen Satzes stattfindet, wie ja auch schon das Thema des Finales schon langsam tastend angespielt wird.

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  • Ja, aber A-Dur wie "üblich" wäre natürlich genauso möglich nach dem a-moll-allegretto. Nur wäre das eben "08/15" und das will Beethoven normalerweise nie sein.

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    (B. Pascal)

  • Eine "Rückung" höre ich hier nicht, zumal es ja nach dem Es-Dur-Schluß des 1.Satzes keine Erwartung eines irgendwie auftauchenden B-Dur gibt. Eher wirklich mediantische "Ent-Rückung": das Es wird als Dis plötzlich Terz von H-Dur. Eigentlich hört man hier Ces-Dur

    die Rückung der Tonika einen Halbton nach unten in die Dominante des nächsten Satzes ist hier dieselbe wie in der 7. zwischen Scherzo und Finale, nur daß sie hier komplett noch innerhalb des langsamen Satzes stattfindet, wie ja auch schon das Thema des Finales schon langsam tastend angespielt wird.


    Das meine ich ja: zwischen dem ersten und zweiten Satz hört man keine Rückung, sondern lediglich einen gewissen Wechsel der Klangwelt (in das "helle" H-Dur). B-Dur hingegen entspräche der Erwartung gemäß Konvention.


    Dieser Kniff wird erst durch die hörbare Rückung bei der Vorbereitung des dritten Satzes explizit nachvollziehbar.


    LG :wink:

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  • Ja, aber A-Dur wie "üblich" wäre natürlich genauso möglich nach dem a-moll-allegretto. Nur wäre das eben "08/15" und das will Beethoven normalerweise nie sein.


    Ein (in der Wiener Klassik) vollkommen konventioneller harmonischer Verlauf der Sätze wäre A-Dur - fis-moll - A-Dur - A-Dur. Von diesem weicht Beethoven deutlich ab. Bleibt die Frage: ist das Selbstzweck (Vermeidung der Konvention), oder korrespondiert es mit einer musikalischen Semantik? Ich meine, dass letzteres der Fall ist.


    LG :wink:

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  • Ja, oder a-moll, D-Dur oder E-Dur für den langsamen Satz.
    Meine Schwierigkeit mit der semantischen Deutung (wie ungefähr sähe die denn aus?) ist eben, dass ich den Stimmungskontrast des Scherzos eher vernachlässigbar finde. Wenn es ein nachdenkliches Intermezzo in langsamerem Tempo wäre, das irgendwie von dem prozessionsartigen Schreiten des allegretto zum wilden Finale führen würde. Aber es ist halt ein gestisch und rhythmisch recht typisches Beethoven-Scherzo, das von der Stimmung usw. her keinen allzu starken Kontrast zu den Ecksätzen bildet. Daher vermute ich, dass Beethoven einen stärkeren harmonischen Kontrast gesucht hat. Nicht aus Unkonventionalität um ihrer selbst willen, sondern um Farbigkeit und Kontrast zu erhöhen.

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    (B. Pascal)

  • Spannend sind nicht nur die Tonartenverhältnisse, sondern auch die Stimmungen von Blech und Pauken.


    1. Satz (A-Dur): Hörner in A, Trompeten in D, Pauken in A, e


    2. Satz (a-Moll): Hörner in E, Trompeten in D, Pauken in A, e


    3. Satz (F-Dur): Hörner in D, Trompeten in D, Pauken in A, f (!)
    Als Besonderheit endet der A-Teil des Scherzos nicht auf der Dominante wie wohl seit über 100 Jahren üblich, sondern in A-Dur ...
    Trio in D-Dur ...


    4. Satz (A-Dur): wie der Kopfsatz - Hörner in A, Trompeten in D, Pauken in A, e


    Gruß
    MB


    :wink:

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  • 3. Satz (F-Dur): Hörner in D, Trompeten in D, Pauken in A, f (!)
    Als Besonderheit endet der A-Teil des Scherzos nicht auf der Dominante wie wohl seit über 100 Jahren üblich, sondern in A-Dur ...
    Trio in D-Dur ...

    Das scheint mir in der Tat ein ganz wesentlicher Hinweis.
    Wie das Ende des A-Teils beginnt der B-Teil in A-dur. Das hat eine immense Bedeutung für die Wiederholung dieses Teils, und beides zusammengenommen hat wiederum einen Einflus auf die Wirkung der Tonart des Trios.
    Der B-Teil endet zwar regulär in F-Dur, aber auf einem 4taktigen Unisono-A, das elegant von F-Dur nach A-Dur zurückleitet in die Wiederholung. Beim zweiten Mal erwartet der Hörer nun wieder A-Dur (für den Beginn des Trios). Stattdessen erscheint nun überraschend D-Dur. Auf mich wirkt das wie ein veritabler Quintfall, wie Spannung auf dem A (ergänze -Dur) und Entspannung im darauffolgenden D-Dur.
    Wer die Wiederholung nicht kennt (Karajan u.a.), erlebt dagegen nur F-Dur > D-Dur, zwei Tonarten, die wenig miteinander zu tun haben.


    Noch auf einen Aspekt der Sinfonie als Ganzes möchte ich hinweisen.
    Schon in der Einleitung des 1. Satzes fällt ganz prominent eine Tonartrückung von F-Dur nach E-Dur auf. Und zwar genau auf dem Höhepunkt der Einleitung. Das plötzliche E-Dur macht abrupt Schluss mit der ganzen vorhergehenden Entwicklung, ab diesem Moment bleibt das E wie eine Haltenote bis zum Einsatz des Hauptthemas bestehen (der gleiche Ton e ist übrigens das persistierende Element im Hauptthema des 2. Satzes).
    Die Verbindung von F-Dur und E-Dur zeigt sich noch mehrfach in der ganzen Sinfonie. Zum Beispiel wird im 1. Satz das Expositionsende (regulär in E-Dur) nochmal über F-Dur ein paar Takte davor erreicht (Takt 156 und 162, hier klar als neapolitaniche Sextakkorde fungierend).
    Der Clou findet mit dem Finale statt, und zwar zunächst direkt mit dem Beginn:
    Scherzo Ende = F-Dur / Finale Beginn = E-Dur (!)
    Bei der Überleitung von der Durchführung zur Reprise kehrt Beethoven zunächt die Richtung um: bei Takt 197 endet der Hauptstrang der Durchführung auf einem Unisono E (pianissimo). Unvermittelt beginnt Takt 198 ein Überleitungsabschnitt in F-Dur. Das F im Bass (Fagott) bleibt bis zum Beginn der Reprise Takt 220 bestehen, die Reprise beginnt wieder - ebenso überraschend wie der Anfang des Satz - in E-Dur.


    Das Spiel mit der Rückung um einen Halbton ist aus meiner Sicht ein wesentliches Kennzeichen der ganzen Sinfonie. Mehr oder weniger versteckt passiert vergleichbares an vielen weiteren Stellen.
    Wie Symbol richtig bemerkt hat, ist im 5. Klavierkonzert die Überleitung zum Finale ganz ähnlich gestrickt. Diese Überleitung unterstreicht für mich den "entrückten" Charakter des 2. Satzes, indem sie sozusagen wieder in die Realität zurückführt.


    Vergleichbare Halbtonrückungen gibt es in den Werken dieser Schaffensperiode mehrfach, auf Anhieb fällt mir das Finale der 8. Sinfonie ein, und als deutlichstes (und verrücktestes) Beispiel das Finale der Violinsonate op 96 G-Dur: Das Thema dieses Variationssatzes besteht aus einem G-Dur- und einem Fis-Dur-Abschnitt. Wie Beethoven in jeder Variation aufs Neue hin- und her wechselt, ist schlicht abenteuerlich.
    Es scheint mir geradezu, dass Beethoven sich über die überkommenen Tonartbeziehungen lustig machen wollte. Denn wer mir nichts dir nichts einen Halbton rauf und runter wechseln kann, kann praktisch überall hin.


    :wink: Khampan

  • Vergleichbare Halbtonrückungen


    Das Thema dieses Variationssatzes besteht aus einem G-Dur- und einem Fis-Dur-Abschnitt.


    Hammerklaviersonate: B-Dur gegen h-Moll (von Beethoven ausdrücklich in einem Skizzenblatt mit "schwarze Tonart" bezeichnet).


    Aber der klassische Gegensatz von Tonika und Dominante wurde schon früher aufgeweicht bzw. geweitet. Spontan fällt mir die Waldsteinsonate ein - zweites Thema im Kopfsatz in E-Dur.


    Gruß
    MB


    :wink:

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