Jedem, der des Englischen mächtig ist, lege ich nahe, Conan Doyle im Original zu lesen. Es ist vedrhältnismäßig einfach, sich einzulesen, sein Wortgebrauch ist nicht exorbitant - und es macht im Laufe der Lektüre mehr und mehr Vergnügen, ihm zu folgen. Da es aber nun mal eine Übersetzung auf Platz 2 (i.W. zwei) der Bestsellerliste geschafft hat, meine umgehende Empfehlung. Es handelt sich um einen der längeren Texte "The Valley of Fear", aber das dürfte der Schmökerei nicht entgegen stehen
Conan Doyle: Das Tal des Grauens
Eine schöne Ausgabe, die Illustrationen sind auf dem Kindle natürlich (nur) schwarzweiß - aber das gilt BTW auch für meine Buchausgaben. Für mich ist es wichtiger, dass es die Illustrationen gibt (und zwar die aus dem Strand Magazine) - und die wirken in Schwarzweiß angemessen. Nun zur Übersetzung: Gleich ein Pluspunkt sei notiert: Der Übersetzer ist angegeben, der Verlag würdigt also seine Leistung. Glanz und Elend der Übersetzerkunst kann man allerdings auch ablesen. Ich erlaube mir einmal die Eingangspassage im Original und in zwei Übersetzung (Herzog ist die von mir empfohlene Kindle-Ausgabe, die neue von Wolf gibt es auch bei Amazon, die kostet nur 0,99 €)
Zitat"I am inclined to think -" said I.
"I should do so," Sherlock Holmes remarked impatiently.
I believe that I am one of the most long-suffering of mortals, but I'll admit that I was annoyed at the sardonic interruption. Really, Holmes," said I severely, "you are a little trying at times."
Eigentlich gut verständlich und - denkt man - nicht schwierig zu übersetzen. Hans Wolf schreibt
Zitat"Ich denke ..." sagte ich
"Das wäre ratsam", bemerkte Sherlock Holmes unwillig.
Ich glaube, ich bin einer der langmütigsten Sterblichen; dennoch muss ich gestehen, dass mich diese hämische Unterbrechung ärgerte.
"Also wirklich Holmes,", sagte ich unwirsch, "manchmal ist es mit Ihnen kaum auszuhalten."
Die zögerliche Einleitung "I am inclined" (Ich bin geneigt ...) wird einfach gekappt - warum? "Impatiently" ist einfach "ungeduldig", "trying" ist mit !anstrengend" eigentlich ausreichend wiedergegeben, "severely" ist aber eher "streng, ernst" als "unwirsch".
Was macht nun H. O. Herzog daraus?
Zitat"Ich bilde mir ein, -" sagte ich.
"Ich würde mir nichts einbilden", unterbrach mich Sherlock Holmes spöttisch.
Ich bin sicherlich einer der fügsamsten und geduldigsten Menschen dieser Welt, aber dieser Ausfall meines Freundes brachte mein Blut doch ein wenig in Wallung.
"Mein lieber Holmes," antwortete ich mit aller Schärfe, derer ich fähig bin, "Sie sind manchmal unleidlich."
Man reibt sich erstaunt die Schuppen ... Die Aufgabe am Anfang ist zwar nicht wörtlich, aber sinngemäß gut gelöst, die Unterbrechung ist in den Satzzeichen deutlich vorgegeben, der Ball wird gespielt und zurückgespielt. "Spöttisch" ist für mich adäquater als "hämisch". Warum das sinnfällige "mortals" nicht wörtlich übersetzt wird, leuchtet mir nicht ein, "Ausfall" übertreibt ein wenig ... und eben das "ein wenig" ist hier zuviel. Aus "annoyed" "brachte mein Blut in Wallung" zu machen, ist für mich nicht ganz nachvollziehbar, aber dann darf einen der Mut nicht verlassen und man darf nicht mit "ein wenig" zurücknehmen, was man gewagt hat. "Severely" ist mir aber hier weniger angemessen übersetzt - Schärfe und Ernsthaftigkeit sind doch zwei verschiedene Gefühlsgebiete, aber "unleidlich" trifft es wieder gut.
Doch mal unabhängig von der Kleinkrämerei, ich finde beide Übersetzungen akzeptabel, sie sind lebendig geschrieben, stilistisch weit besseres Deutsch als man in so manchen Originalbüchern begegnet. Wenn man schon Doyle in Übersetzung liest, dann kann man es sicherlich in beiden Ausgaben zufriedenstellend tun
Bei mir gewinnt allerdings das Original, aber das ist auch ein gutes Zeichen. Wer Sir Conan Doyle noch nicht entdeckt hat, bekommt hier die Gelegenheit. Also zugreifen ...
Liebe Grüße Peter
[EDIT]Das E-Book steht inzwischen auf Platz EINS der Kostenlos-Besten-Liste![/EDIT]