Bruckner: Die Sinfonien - Gesamteinspielungen: Empfehlungen der Capricciosi

  • [Die folgenden 7 Beiträge habe ich nach Rücksprache mit der Fragestellerin aus der allgemeinen Besprechung von Kaufempfehlungen ausgegliedert und hier zusammengefaßt.
    :wink:
    Gurnemanz]


    Liebe Forianer,


    zur Zeit beschäftigt mich der Gedanke, ob ich mir nicht ein GA der Bruckner Symphonien zulegen soll. Wenn ich mich aber hier und anderswo umschaue, weiß ich immer weniger, welche wohl die richtige sein könnte. Habt Ihr hier von einschneidenden Hörerlebnissen in irgendeiner Richtung zu berichten: Wand, Jochum, Barenboim, Solti, Skrowaczewski, Maazel... Es schwirrt mir der Kopf und die Ohren.


    Eure Tipps sind mir herzlich willkommen! 8o :thumbup:


    Bis bald
    corda vuota


    PS: Vielleicht gab es hier schon einmal eine solche Fragestellung, allein ich fand sie nicht. ;(

  • Zu einzelnen Bruckner-Symphonien gibt es hier bereits Diskussionen, einen Thread mit Gesamtbesprechungen meines Wissens noch nicht.


    Mein Einstieg in den Bruckner-Kosmos erfolgte mit Eugen Jochum, mit den Berliner Philharmonikern und dem Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks, aufgenommen in den 1960ern:


     


    Beide Boxen dürften dieselben Aufnahmen enthalten. Ich habe die links abgebildete, bei der auch ein informatives Booklet dabei ist (u. a. erläutert der Dirigenten eigene Lesarten).


    Mich hat es nie nach einer Alternative (außer in Einzeleinspielungen) gedrängt. Näheres evt. in den Amazon-Rezensionen, die Jochums Bruckner unterschiedlich bewerten.


    Es gibt mit Jochum noch eine weitere Gesamteinspielung mit der Staatskapelle Dresden, die nicht so gelungen sein soll, wie ich mehrfach gelesen und gehört habe (kenne die aber selbst nicht).


    Ich hoffe, das hilft Dir ein wenig weiter. ;+)


    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz


    Wissen Sie denn nicht, daß die Menschen manchmal nicht auf der Höhe ihrer Werke sind?
    Jean-Paul Sartre


    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.

    Helmut Lachenmann

  • Nicht unwichtig erscheint mir die Vorüberlegung, welche Fassung man erwerben will. Die Urfassungen findet man zB bei Inbal



    Kult war in der internationalen Newsgroup die Einspielung unter Tintner (kann man nur einzeln erwerben, aber bis auf die Neunte sind sie alle noch zu haben)



    Als einen zuverlässigen Einstieg denke ich kann man Wand wählen, damals bejubelt der erste Zyklus mit den Kölnern



    nachgelegt mit den Berlinern



    Den Empfehlungen zu Jochum kann ich gut folgen.


    Justg my 5 cts


    Liebe Grüße Peter

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)


  • nur kurz zur Korrektur:



    Vielen Dank, das macht ihn natürlich attraktiver. Ich habe ihn mir damals CD für CD bei Erscheinen zugelegt, Bei amazon habe ich die Box nicht gefunden. Gut, dass Du noch bei unserem anderen Partner nachgesehen hast. Für 11 (so vorzüglich gefüllte) CDs ist die Box ausgesprochen preiswert.


    Liebe Grüße Peter

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)

  • Die Bruckner-Symphonien unter der Leitung von Günter Wand hatte ich auch schon ins Auge gefasst, zumal ich die legendäre Einspielung der Neunten mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR aus dem Jahre 1979 in der Basilika von Ottobeuren hier habe. Die Einmaligkeit dieser Aufnahme lässt natürlich nicht auf die Qualität anderer Einspielungen unter seinem Dirigat schließen.


    Kennt jemand die Einspielung unter Daniel Barenboim mit den Berliner Philharmonikern?


    Sergiu Celibidache scheint mir hier auch großartige Aufnahmen eingespielt zu haben. Hier müsste ich jedoch mir die GA einzeln zulegen (was ja wiederum nicht tragisch wäre).


    Die Tinter-Einspielungen, die Peter erwähnte, werde ich mir auch mal genauer anschauen, Danke für den Tipp!


    Bis bald
    corda vuota

  • Der erste Bruckner-Zyklus unter Wand in Köln ist natürlich nicht schlecht. Im allgemeinen würde ich aber eher Wands Live-Aufnahmen mit dem NDR empfehlen. Sogar noch vor den Aufnahmen mit den Berlinern.


    Viele Grüße
    MB


    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Bruckner: Die Sinfonien - Gesamteinspielungen: Empfehlungen der Capricciosi

    Bis hierhin die ausgegliederten Beiträge.


    Hinweis: Erfreulicherweise gibt es zu allen Symphonien Bruckners auch Einzelbesprechungen. An diesem Ort geht es also mehr um das "Große und Ganze", z. B.: Welche Gesamteinspielung eignet sich am besten zum Einstieg in den Bruckner-Kosmos? Wer ist der "beste" Bruckner-Dirigent?


    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz


    Wissen Sie denn nicht, daß die Menschen manchmal nicht auf der Höhe ihrer Werke sind?
    Jean-Paul Sartre


    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.

    Helmut Lachenmann

  • Ich möchte da noch einmal den Finger in die Wunde legen: Nach den inzwischen diskographisch erschlossenen Urfassungen - sollte man da die verstümmelten Bearbeitungen empfehlen, die über lange Zeit das Bild von Bruckner geprägt haben? Nicht, dass die Bearbeitungen ihren Sinn verloren haben, es gibt auch Gewinne dabei. Aber zunächst sollten doch mE die Erstfassungen stehen, auf die Brückner für seine Nachwelt baute. Und dann kann man ins Reich der Bearbeitungen gehen, die ja nicht unbedingt den Willen Bruckners repräsentieren. Als Brucknerfreund habe ich beides im Schrank stehen, im Netz gibt es da eine nützliche Brucknerseite, bei der man erfahren kann, welche Partituredition der jeweiligen Einspielung zugrunde lag.


    Also. ich plädiere für HIP bei Bruckner ;+)


    Liebe Grüße Peter
    (... ohne die verdienstvollen Aufnahmen der Rezeptionsgeschichte zu vernachlässigen. Auch jene mit viel Weihrauch)

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)

  • Eine unglaublich Entdeckung schwebt bei mir durch die Räume (Die hatte sich einfach im Regal versteckt). Sie könnte mir bei der Entscheidung zur GA sehr hilfreich sein:


    Sergiu Celibidache und Münchner Philharmoniker: Bruckner Sinfonie Nr. 4



    Über die Aufnahmen mit den Münchnern stolpere ich hier immer wieder. Wer kenn sie in ihrer Gesamtheit?


    Was ich höre beeindruckt mich sehr! :rolleyes: 8o


    Bis bald
    corda vuota


    PS: Danke, Gurnemanz, für die Ausgliederung. Bei all den Bruckner-Koryphäen hier im Forum hätte ich mich dies selbst nie getraut. :hide:

  • Nun, wenn man bei Celibidache Blut geleckt hat, dann soll es der wohl sein ... Da musst Du Dir wohl Einzelausgaben zulegen, bei Amazon sah ich eine 'Box (3-9), die nicht gerade preiswert ist



    Liebe Grüße Peter

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)

  • Danke, Gurnemanz, für die Ausgliederung.

    Gern geschehen. :)

    Zitat

    Wer kennt sie in ihrer Gesamtheit?

    Spezielle Fragen wie diese passen evt. besser bei den Einzelbesprechungen, in diesem Fall z. B. hier.


    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz


    Wissen Sie denn nicht, daß die Menschen manchmal nicht auf der Höhe ihrer Werke sind?
    Jean-Paul Sartre


    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.

    Helmut Lachenmann

  • Nun, wenn man bei Celibidache Blut geleckt hat, dann soll es der wohl sein ... Da musst Du Dir wohl Einzelausgaben zulegen, bei Amazon sah ich eine 'Box (3-9), die nicht gerade preiswert ist



    Liebe Grüße Peter



    Warum amaz. den Celibidache zum Mondpreis anbietet, erschließt sich mir auch nicht. jpc scheint da jedenfalls etwas realistischer zu sein.



    Und übrigens auch amaz. (gerade gesehen), wie man wohl zu deren Ehrenrettung mitteilen muss.


  • Gut, dass Du da gleich wieder nachgeschaut hast :P Der jpc-Preis ist vollkommen in Ordnung. Zu einer Gesamteinspielung fehlen zwar noch die vier frühen Sinfonien, aber die kann man ja einzeln erwerben (und die 1. gibts AFAIK auch von Celibidache).


    Vielen Dank
    Peter

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)

  • Packende Bruckner-GA

    Hallo Corda,


    es ist erst einmal eine Geschmacksfrage, wie man seinen Bruckner erleben möchte. Wenn ich von Peter Brixus zum beispiel lese: "Ich plädiere für HIP", dann geht mir das total gegen den Strich = geht IMO gar nicht !!! Ich will diese grosssinfonischen Werke so hören wie sie komponiert sind und keinesfalls abgespeckt. Das ist mir schon schwer bei den Schumann-Sinfonien mit Gardiner aufgestossen ...


    :!: Meine Präferenzen bei Bruckner sind, dass die Grösse dieser Werke voll zur Geltung kommt; die Rhythmik betont wird; die Blechbläser müssen Schmackes haben; die Pauken dürfen nicht im Orchesterklang verschwimmen; langegezogene ausgewalzte Interpretationen sind mit bei Bruckner ein Graus - ein vorwärsschreitender Gestus liegt mir weit mehr.
    Tintner (NAXOS) hatte ich in mehreren Einzelaufnahmen, die mich wegen des viel zu langsamen Tempos und der wenig ansprechenden Orchesterleistung überhaupt nicht überzeugt hatten - - alle Tintner-CD´s schnell wieder verhökert ...


    Als Ergänzung, nicht als Grundstock, finde ich die Inbal-Aufnahmen (Teldec) mit den Urfassungen interessant. Die möchte man und kann man als Bruckner-Fan in den Inbal-Aufnahmen wirklich empfehlen. Inbal verschleppt nichts, sondern interpretiert mit angemessenen straffen Tempi; keinesfalls so fürchterlich wie Tintner die Urfassung der Nr.3.
    Es hatte seinen Grund, warum Bruckner und seine Schüler weitere Fassungen erstellten - mir gefallen diese ausgewogenen Fassung durchweg besser, als die Urfassungen (besonders extreeem besser als die Erstfassung der Nr.4).


    :thumbup: Die von mir o.g. Punkte werden von meinen Lieblings-GA seit vielen Jahren voll erfüllt:



    Solti / Chicago SO
    Decca, ADD/DDD


    Als Ergänzung muss man zu der auch klanglich absouten Sitzenklasse-Solti-GA aber unbedingt die Sinfonie Nr.8 mit den Wiener PH/Solti (Decca-Eloquence) dazukaufen, weil die nicht nur eine Steigerung zu der in der GA enthaltenen Nr.8 ist, sondern das fastzinierenste Finale, das man sich vorstellen kann, enthält (die Paukenstellen und das Paukenmotiv sind die absolute Wucht). Der Anfang des 4.Satzes und das sich wiedeholende Paukenmotiv ist der helle Wahnsinn bei Solti ... diese Stelle sehne ich schon in den Vorsätzen herbei - Whow !


    Und als Ergänzung bereits lange vorher besessen: (Karajan hatte bei mir mit grössem Erfolg meiner Ertse, die Jochum-GA auf LP (DG) abgelöst!)

    Karajan / Berliner PH
    DG, ADD



    *** Trotz meiner Vorlieben für Solti und Karajan habe ich mir wegen der
    durchweg guten Kritiken jetzt aktuell auch Günter Wands Kölner Zyklus (RCA) zugelegt.


    :thumbup: Ich bin schlichweg begeistert und kann sagen: Spät habe ich zu Wand gefunden ! Meine ersten Wand-CD´s sind das nebenbei :pfeif:


    Günter Wand liefert insgesamt ungeheuer packende Interpretationen ab. Mit der Sinfonie Nr.5 wurde sein Bruckner-Zyklus eingeleutet; dafür hat er ganz zu recht den gefeierten Schallplattenpreis erhalten. Klug disponiert Wand zieht die Spannungsbögen; die beinahe brutale Wucht der Blechbläser hat etwas aufwühlendes, fern von jeglichem Schönklang - einfach packend. Die Pauken kommen auch keinesfalls zu kurz.


    Ich muste auch mit Genugtuung feststellen, dass Wands Temporelationen, die nie etwas verschleppen aber auch nirgens gehetzt wirken, mir geschmacklich voll liegen. Wand ist eher auf der schnelleren Seite - TOP.
    :angel: Ich freue mich die an allen Ecken und Enden gelesenen Lobpreisungen nun auch voll erleben und nachvollziehen zu können.


    Ein Klassikhörer bei tamino hatte bei Wand den manchmal quäkigen Blechbläsersound kritisiert. Ich kann in der RCA-Neuausgabe die mit 24Bit neu remastert wurde auch klanglich nichts negatives feststellen. Auch diese Erstaufnahme in der Kölner GA von 1974 klingt tontechnisch einwandfrei; da quäkt nichts ! Gerade die wuchtigen Blechbläer des Kölner RSO finde ich Megaklasse; und das nicht nur in der Sinfonie Nr.5. Auch wie er in der Ersten, dem kecken Besserl, die Post abgehen und die Blechbläser schmettern lässt - Super.



    Wir hatten einen ähnlichen Fall mit dem 24Bit-Remastering bei den Beethoven-Sinfonien mit Bernstein (SONY). Da hatte ich mir die GA im 24Bit-Remastering auch nochmal gekauft, obwohl ich die GA mit 20Bit-Remastering bereits hatte. Es waren mehrere Stimmen mit totaler Begeisterung über den Unterschied laut geworden. Ich glaube hier bei Wand sind die Erstausgaben noch älter als mein Beethoven-Beispiel, sodass auch klanglich was wirklich feines rausgekommen ist. Ich bin voll zufrieden in jeder Hinsicht - das hat auch von der Dynamik her DDD-Qualität.


    @Corda - diese GA sollte es für dich sein !


    Zu einem Hammerpreis zu haben, da man diese Hammer-GA bereits ab 15-16Euro NEU bekommen kann:

    RCA, 1974-1981, ADD/DDD (auf der Box nirgends angegeben; die Aufnahmen ab 1980 müssten eigentlich Digital sein !?!)

    ______________


    Gruß aus Bonn


    Wolfgang

  • Lieber Wolfgang,


    so einseitig bin ich da gar nicht, ich habe eine ganze Anzahl von Bruckner-Zyklen und nicht zuletzt alles, was es von Furtwängler zu dem Thema gibt. Damit bin ich aufgewachsen und das hat für lange Zeit mein Brucknerbild bestimmt. Ich habe dann aber dankbar die Bestrebungen zur Kenntnis genommen, den ganzen Reichtum der Fassungen zur Verfügung zu stellen. Eine ganze Anzahl von Aufführungen unter Norrington, Harnoncourt u.a. habe ich auch im Konzert erlebt. Insofern bin ich kompromissbereit: es sollten alle Fassungen gehört werden. Aber ich würde mich einfach mal dafür interessieren, wie jemand, der nicht wie ich durch die traditionelle Brucknerpflege geprägt wurde, den Weg von den Ur- bis zu den Endfassungen geht (und nicht wie ich sozusagen rückwärts).


    Liebe Grüße Peter

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)

  • Fassungen

    Ich möchte da noch einmal den Finger in die Wunde legen: Nach den inzwischen diskographisch erschlossenen Urfassungen - sollte man da die verstümmelten Bearbeitungen empfehlen, die über lange Zeit das Bild von Bruckner geprägt haben? Nicht, dass die Bearbeitungen ihren Sinn verloren haben, es gibt auch Gewinne dabei.


    Es wird m.E. der Fassungsfrage bei Bruckner nicht gerecht, die späteren Versionen der Sinfonien als "Bearbeitungen", zudem auch noch als "verstümmelte" zu apostrophieren. Das mag in Einzelfällen, wie etwa beim Finale der Dritten, sogar zutreffen. Es ist aber gerade ein interessantes, sogar aufregendes Charakteristikum der Bruckner'schen Sinfonien, dass es oft nicht die "eine", die "verbindliche" Fassung gibt. Wenn man die ständige Redaktion der Werke durch Bruckner - keinesfalls nur auf Einflüsterungen von "Freunden" und Beratern zurückzuführen - in Rechnung stellt, scheint es (nicht nur mir) eher berechtigt zu sein, von einem work in progress zu sprechen. Bruckner kürzt nicht nur, er fügt auch hinzu und ersetzt ganze Satzteile, teils sogar Sätze.


    Du hast Recht: Es ist gewinnbringend, alle Fassungen zu kennen. Dass die Reihenfolge des Kennenlernens prägt, ist ja nicht überraschend. Gerade in den Foren hört man immer wieder Stimmen von Usern, die zuerst die Erstfassungen gehört haben und diese bevorzugen.


    Ich möchte aber (nicht nur wegen meiner anderen "Prägung") auf die in der Drittfassung der Dritten in der Durchführung des Kopfsatzes hinzugefügte kühn-dissonate Steigerung ungern verzichten, auch nicht auf viele umgearbeitete Partien im Kopfsatz der Vierten in der Zweitfassung, ebenfalls nicht auf das dortige "Jagdscherzo", insbesondere nicht auf den Totenuhr-Schluss des Kopfsatzes der Achten, das neukomponierte Trio in deren Scherzo, viele Klangwunder im Adagio usw. usf.


    Die Rehabilitation der Erstfassungen seit den 80er Jahren war zweifellos eine Großtat. Die späteren Fassungen haben dadurch aber nichts von ihrem Wert verloren. Und es war nicht nur eine idiosynkratische Entscheidung von Günter Wand, dass er (fast) immer die Letztfassungen aufgeführt und eingespielt hat (Harnoncourt übrigens auch, soweit ich sehe).



    Viele Grüße


    Bernd

    .

  • Bruckner-GA unter Jochum EMI/Brilliant

    Es wurde Eugen Jochum bereits erwähnt - mit den DGG-Einspielungen.


    Brilliant hat ja diese Box im Programm:



    Auf der Rückseite steht, daß die Aufnahmen von EMI Classics stammen. Wie ordnet ihr denn diese Aufnahmen ein? Sollen die wirklich nicht so gut sein wie die von der DGG?



    jd :wink:

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    jd

  • Immer an dem Wand lang!

    Mit Günter Wand und seiner Kölner Einspielung macht man gerade bei dem aktuellen Preis definitiv keine Fehler.
    Ich habe eine ältere Auflage, wenn das Remastering so gelungen ist, wie Wolfgang es beschreibt, dann: Hut ab.
    Ansonsten käme mir eigentlich nur noch Bernard Haitink in den Sinn, der Ende der 60iger alle Bruckner Sinfonien sehr gut eingespielt hat. Die Aufnahme ist aktuell schwer zu erhalten und teuer. leider...(seltsame Repertoirepolitik)


    Von Jochum würde ich als Anfänger die Finger lassen: Zu weihevoll und die Unart, in Steigerungen immer schneller zu werden, geht mir ab.
    Da aber Jochum für die Bedeutung Bruckners eine wesentliche Rolle in den letzten 50 Jahren gespielt hat, wird ein Sammler nicht ohne ihn auskommen.
    Die EMI Box aus Dresden wurde seinerzeit in Einzelaufnahmen von der Zeitschrift HiFI Stereophonie quasi als "hinterwäldlerischer Bruckner" bezeichnet und deutlich schlechter als die DGG Aufnahmen Jochums bewertet.


    Gruß aus Kiel

    "Mann, Mann, Mann, hier ist was los!"

    (Schäffer)

  • Nach den inzwischen diskographisch erschlossenen Urfassungen - sollte man da die verstümmelten Bearbeitungen empfehlen, die über lange Zeit das Bild von Bruckner geprägt haben? Nicht, dass die Bearbeitungen ihren Sinn verloren haben, es gibt auch Gewinne dabei. Aber zunächst sollten doch mE die Erstfassungen stehen, auf die Brückner für seine Nachwelt baute. Und dann kann man ins Reich der Bearbeitungen gehen, die ja nicht unbedingt den Willen Bruckners repräsentieren.


    Wenn ich das richtig verstanden habe, ist ja noch komplizierter. Es gibt von vielen Sinfonien Erstfassungen (von den Nrr. 5, 6 & 7 wohl aber nicht), dann Zweit- oder sogar Drittfassungen, die zweifellos von Bruckner selber stammen, auch wenn die mitunter dadurch zustande kamen, dass er sich von Freunden massiv reinreden ließ. Aber Original sind die alle.
    Dann gibt es noch Bearbeitungen, die wohl wirklich als Verfälschungen der Originale bezeichnet werden können. Die scheinen aber nach dem 2. Weltkrieg praktisch keine Rolle zu spielen (außer bei Knappertsbusch oder so). Eine Ausnahme gibt es allerdings: Die Haas-Version der 8ten, die sogar Boulez bei seiner Einspielung verwendet hat.


    Tja, und dann kommt Bruckner-Experte Cohrs und sagt, die eine oder andere Urfassung sei ein "Fake" bzw. eine versuchte Rekonstruktion.

    Nur weil etwas viel Arbeit war und Schweiß gekostet hat, ist es nicht besser oder wichtiger als etwas, das Spaß gemacht hat. (Helge Schneider)

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