Christian Zacharias (1997)
Im Gedenkjahr 1997 veröffentlichte EMI zwei Gesamtaufnahmen. Die übervollständige von Tirimo und die minimale von Zacharias.
Dort sind nämlich nur die Sonaten zu finden, die zweifelsohne von Schubert fertig komponiert wurden. Dies schließt allerlei Fragmente aus, worunter leider die Reliquie und die f-moll Sonate D625. Geblieben sind 11 Werke in einer preiswerten Box, die wohl hierzulande etwas unterschätzt ist, denn Zacharias' Interpretation ist oft unspekatulär aber vereinnahmend.
Den ersten Satz der D850 spielt Zacharias sehr differenziert, mit Dynamik-, Artikulations-, Tempowechseln. Das erste Subjekt kommt mal verzögert, mal beschleunigt vor. Die Exposition ist ein ständiges Wechselbad der Gefühle. Etwas zu viel für meinen Geschmack, denn es grenzt an Preziosität, wo mir sogar eine gewisse Brutalität lieber wäre. Diese überspitzte Differenzierung wird im ganzen Satz fortgetragen, bis und inklusive der Coda, die dann ihren fluchtartigen Charakter verliert.
Man fürchtet für den Rest der Sonate aber schon bei zweiten Satz ändert sich die Perspektive. Die Differenzierung ist jetzt kanalisiert sozusagen. Zacharias zeigt ein schönes Legato, markiert die Kontraste aber überspitzt sie nicht. Die Verzierungen bei der Rückehr des ersten Subjekts sind delikat, die dynamischen Gradationen klar aber nicht so stark wie beispielsweise mit Wührer. Der Satz entwickelt eine innere Spannung, die im pp der Coda weiterschwingt.
Das Scherzo ist allegro non troppo vivace. Auch hier sind die Rhythmen markiert aber nicht frenetisch unterstrichen. Im zweiten Subjekt zeigt Zacharias einen schönen Kontrapunkt in der linken Hand. Das Trio ist nicht verlangsamt und das dynamische Auf- und Abschwellen gelingt überzeugend. Die Rückkehr des Scherzos unterscheidet sich, wie geschrieben, von der prima volta. Sie ist heller, leichter.
Beim Thema des Finales wird man daran erinnert, daß es ursprünglich ein Tanz ist. Eine gewisse Entschiedenheit vermeidet jede Süße. Die Couplets sind nicht besonders stark kontrastiert, kommen eher rhapsodisch vor, und die jeweilige Rückkehr des Refrains wird dadurch integriert. Dieser Satz vollzieht die Entwicklung der beiden vorangegangenen.
Alles in allem eine lyrische Lesart der Sonate, die den Entwicklungsweg der Sonate überzeugend wiedergibt. Dazu ein schöner Anschlag und ein Sinn für Agogik ... wäre nicht der erste Satz, der leider etwas over the top vorkommt.