La Traviata in Luzern: "Im letzten Akt erlitt dann das Kruzifix ein Hinwerfen auf den Bühnenboden."

  • La Traviata in Luzern: "Im letzten Akt erlitt dann das Kruzifix ein Hinwerfen auf den Bühnenboden."

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    In der spannenden und hoch stehenden Traviata-Inszenierung in Luzern wird einmal ein Kruzifix verkehrt aufgehängt und später auf den Boden geworfen. Ich beachtete dies kaum und war erstaunt über die empörten Leserbriefe im Lokalblatt. Hier ein Beispiel:


    "Ärgerliche Inszenierung
    «Am Ende trägt der Tod Jeans», Ausgabe vom 14. Januar
    Ich habe die zweite Vorstellung der Oper Traviata besucht und war schockiert. Die Inszenierung dieser wunderbaren Oper von Verdi war ein Klamauk mit Verdoppelung von Gags. Verdi wollte mit diesem Stück die damalige Gesellschaft etwas in die Kritik nehmen. In dieser Inszenierung in Luzern wurde das Laster des kleinen Volkes, der Prostituierten, der geilen Männerwelt karikiert.


    Persönlich verletzend fand ich den Umgang mit einem Kruzifix das das erste Mal hinter der Bühne für den Frust der Violetta hinhalten musste und dann von einem Saufbruder verkehrt wieder aufgehängt wurde. Im letzten Akt erlitt dann das Kruzifix ein Hinwerfen auf den Bühnenboden. Das war für mich Blasphemie und ich denke, das lassen sich nur Christen gefallen. Mich beleidigte es und ich frage mich wie es auf die Anwesenden wirkte – es waren, wie ich sah, auch religiös und theologisch gebildete Leute unter den Zuschauern. (…)"


    (Neue Luzerner Zeitung, 25. Januar 2013)



    Für mich gehört dieser Umgang mit einem Kruzifix (am Rand des Geschehens) zur künstlerischen Freiheit des Regisseurs. Wie ist eure Meinung?
    'La Traviata' wurde übrigens in meiner (reformierten) Kirche auch als ökumenischer Theatergottesdienst, gemeinsam mit einem römisch-katholischen Priester, thematisiert – ohne Empörung. Eine Sängerin und ein Sänger des Theaters trugen bei dieser Gelegenheit einige Arien vor.


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    CANTO ERGO SUM

  • Selbstverständlich gehört der Umgang mit religiösen Symbolen auf der Bühne zur künstlerischen Freiheit. Ein Christ, dessen Glaube ins Wanken gerät, weil ein Bühnendarsteller das Kruzifix falsch herum aufhängt, mit dessen Glauben ist es m.E. nicht weit her. Man darf das geschmacklos finden, ebenso wie man "Das leben des Brian" geschmacklos finden darf wenn man will, aber Blasphemie ist das nicht. Hier wird nicht die Religion verspottet (und auch das sollte in einer Demokratie erlaubt sein!), sondern eine Aussage über den Bühnencharakter gemacht, der mit dem Kreuz umgeht.
    Ich bin Christin aber keine Fanatikerin und fühle mich von so etwas nicht beleidigt. Und ich kann immer wieder über "Das Leben des Brian" lachen.

    Ein Paradies ist immer da, wo einer ist, der wo aufpasst, dass kein Depp reinkommt...

  • Der Durchschnittschrist regt sich ja auch nicht auf, wenn irgendwo etwas mit seiner religiösen Symbolik angestellt wird. Geschenkt. Darum tut sich in diesem thread ja auch nichts.


    Ist zwar Stammtisch- und Spon-Forum-Niveau, ich kann aber offenbar nicht anders:


    Aber wehe, in einem Mozartsingspiel wird irgendjemand auf die Bühne gestellt, der irgendwie einen Seitenhieb auf den Propheten - Allahs Segen und Friede ruhe auf ihm - vom Stapel lässt.

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

  • Natürlich ist das kein Skandal und natürlich ist es ziemlich still in diesem Thema, weil man entweder vor lauter Banalität des Problems nichts sinnvolles dazu sagen kann oder, wenn man denn etwas sagte, ziemlich schnell von den Kernthemen des Forums in die gefährlichen Bereiche käme.
    Wie heikel das Ganze dann aber doch wieder ist, zeigt der Idomeneo-Skandal von 2006, auf den, so wie ich ihn verstehe, auch Thomas Bernhard eben angespielt hat. Da hat eine Diskussion über den Umgang mit religiösen Symbolen in einer Operninszenierung nicht nur tagelang die Kulturseiten beherrscht, sondern es sogar bis in die Hauptabendnachrichten gebracht.
    Ich sehe übrigens einen Unterschied darin, ob sich Kritik oder Satire gegen die Kirche oder gegen den Glauben richtet. Die Kirche als Institution ist eine Organisation aus Menschen, über die man sich genauso lustig machen kann wie über eine politische Partei oder den örtlichen Schützen- oder Karnevalsverein. Bei den eigentlichen Glaubensinhalten hingegen halte ich durchaus eine besondere Sensibilität für geboten. Man darf alles verulken, aber es gibt Themen, da muss man es respektvoller, besser und zielsicherer machen als bei anderen.
    Über ein verkehrtherum aufgehängtes Kruzifix auf einer schweizerischen Provinzbühne allerdings brauchen wir uns nun wirklich nicht zu streiten...

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Mit der 'Provinzbühne', liegst du völlig daneben.


    Über ein verkehrtherum aufgehängtes Kruzifix auf einer schweizerischen Provinzbühne allerdings brauchen wir uns nun wirklich nicht zu streiten…


    Mit der 'Provinzbühne', liegst du völlig daneben. Das Luzernertheater steht Bremen, Hamburg und Zürich in Nichts nach.

    CANTO ERGO SUM

  • Es ist ein Unterschied, ob ein Aktionskünstler in einer "Performance" ein Kruzifix auf den Boden schmeißt, dann kopfüber aufhängt, dies als eigene Überzeugung ausgibt und behauptet, dieses wäre Kunst; oder ob ein Regisseur einen fiktiven Charakter in einem fiktiven Stück dasselbe tun lässt.


    Letzteres ist in jedem Falle legitim.


    Man kann als Regisseur auch einen Mord inszenieren, ohne sich deswegen vor Gericht als Mörder verantworten zu müssen.


    Gruß
    MB


    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe


  • Mit der 'Provinzbühne', liegst du völlig daneben. Das Luzernertheater steht Bremen, Hamburg und Zürich in Nichts nach.


    In der Qualität vielleicht nicht, da habe ich selbst in der sogenannten Provinz schon erstaunliche Sachen gehört. Im Rennommee und in der öffentlichen Wahrnehmung steht es den Opernhäusern von Hamburg oder Zürich aber allemal nach!

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Es ist ein Unterschied, ob ein Aktionskünstler in einer "Performance" ein Kruzifix auf den Boden schmeißt, dann kopfüber aufhängt, dies als eigene Überzeugung ausgibt und behauptet, dieses wäre Kunst; oder ob ein Regisseur einen fiktiven Charakter in einem fiktiven Stück dasselbe tun lässt.


    Letzteres ist in jedem Falle legitim.


    Eher anders herum. Der Aktionskünstler kann in seiner Aktion machen, was er will. Aber wenn ein Regisseur "La Traviata" aufführt, hat er ein paar Vorgaben zu beachten.

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

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