Menahem Pressler - Tröstende Noten

  • Menahem Pressler - Tröstende Noten

    Der Aufhänger für diesen Thread ist eine Dokumentation die vor zwei Wochen bei Arte lief. Gewidmet war sie Menahem Pressler, dem Gründer des Beaux-Arte-Trios. Der Titel lautete "Tröstende Noten" Den Rahmen des Films gibt eine Reise des Pianisten durch das winterliche Deutschland, dazwischen weitere Sequenzen die den Künstler beim Unterrichten in Bloomington zeigen - wo Pressler seit über 50 Jahren unterrichtet - und natürlich beim Musizieren. Mich hat dieser Film unglaublich berührt: die Biographie Menahem Presslers, 1923 als Max Pressler in Magdeburg geboren, ist typisch für viele der deutschen Juden, die dem Holocaust entgingen, weil sie das Land noch rechtzeitig verlassen konnten. Im Fall Menahem Presslers und seiner Familie führte der Weg über Triest nach Palästina und dann weiter in die USA. Viele seiner Verwandten wurden während des Holocausts durch die Nationalsozialisten ermordet.


    Presslers Antwort auf die Frage, wie es ihm gelang trotz dieser traumatischen Erlebnisse nicht nur weiterzuleben, sondern sich von dieser nicht zerstören zu lassen, war die Musik. Ohne die Musik hätte er das nicht vermocht. Die Musik als Trost - so ja auch der hebräische Vorname des Pianisten, der auf Deutsch "Tröster" bedeutet. Trotz seiner über neunzig Jahre wirkt Pressler vitaler und heiterer als mancher jüngere Zeitgenosse. Bevor ich diese Dokumentation sah, war mir Menahem Pressler nur dem Namen nach ein Begriff, ebenso wie das Beaux-Arte-Trio. Jetzt würde ich gerne Aufnahmen dieses außergewöhnlichen Künstlers, Musikers und Lehreres kennenlernen. Welche kennt Ihr?


    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Presslers Antwort auf die Frage, wie es ihm gelang trotz dieser traumatischen Erlebnisse nicht nur weiterzuleben, sondern sich von dieser nicht zerstören zu lassen, war die Musik. Ohne die Musik hätte er das nicht vermocht. Die Musik als Trost - so ja auch der hebräische Vorname des Pianisten, der auf Deutsch "Tröster" bedeutet. Trotz seiner über neunzig Jahre wirkt Pressler vitaler und heiterer als mancher jüngere Zeitgenosse. Bevor ich diese Dokumentation sah, war mir Menahem Pressler nur dem Namen nach ein Begriff, ebenso wie das Beaux-Arte-Trio. Jetzt würde ich gerne Aufnahmen dieses außergewöhnlichen Künstlers, Musikers und Lehreres kennenlernen. Welche kennt Ihr?

    Ich habe Menahem Pressler zweimal persönlich erlebt: Während meines Studiums als Teilnehmer bei einem Trio-Kurs beim Beaux-Arts-Trio in Luzern (wo mich der Cellist Bernard Greenhouse nicht minder beeindruckte), und dann wieder vor drei Jahren, als er in der HfM Detmold einen Kurs gab und am Ende auch selbst in einem Abschlusskonzert mit Professoren und Studenten spielte. Im Unterricht war er durchaus streng, aber diese Strenge entsprang immer seiner spürbaren Liebe zur Musik und der daraus erwachsenden großen Verantwortung des Interpreten. Beim Abendessen nach dem Konzert beeindruckte er mich vor allem durch seine unglaubliche Vitalität, er erzählte stundenlang bewegende, spannende und vor allem auch witzige Erlebnisse aus seinem langen Leben, interessierte sich aber mit gleicher Intensität für seine Gesprächspartner, für die Qualität des Restaurant-Essens, für die Hochschule und vieles mehr. Es war beinahe komisch anzusehen, wie die übrigen - allesamt wesentlich jüngeren - Gäste am Tisch allmählich müde wurden, während er noch einmal Appetit bekam und einen weiteren Gang bestellte. Am nächsten Tag fuhr er in aller Frühe nach Hamburg, um in der Musikhalle Debussy und Schubert zu spielen. Zum Abschied blickte er mich sehr ernst mit seinen wunderbar ausdrucksvollen Augen an und sagte: "Denken Sie daran: Es lohnt sich zu leben!". Er muss sich das selbst im Laufe seines Lebens sehr oft gesagt haben...
    An seinem Klavierspiel bewundere ich neben vielem anderen vor allem seinen leuchtenden, kantablen und flexiblen Klang. Was mich gelegentlich stört, ist ein gewisser Manierismus, wenn er z.B. das Seitenthema im Kopfsatz aus Schuberts Es-Dur-Trio in einer Weise rhythmisch verzerrt, die mir unnatürlich und unnötig kompliziert erscheint. Auch sein Dogma, bei langen Steigerungen zwischendurch immer wieder zurückzugehen, weiter unten neu anzusetzen, finde ich etwas schematisch. Aber das sind letzten Endes eher Geschmacksfragen. An seinem Rang als einem der allergrößten Kammermusiker kann kein Zweifel bestehen. Seinen wunderbaren Klavierklang kann man z.B. in dieser Aufnahme genießen:



    Christian

  • Was für eine schône Beschreibung! Allein das macht schon Lust diesen Musiker zu hören. Danke. :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Beim Abendessen nach dem Konzert beeindruckte er mich vor allem durch seine unglaubliche Vitalität, er erzählte stundenlang bewegende, spannende und vor allem auch witzige Erlebnisse aus seinem langen Leben, interessierte sich aber mit gleicher Intensität für seine Gesprächspartner, für die Qualität des Restaurant-Essens, für die Hochschule und vieles mehr. Es war beinahe komisch anzusehen, wie die übrigen - allesamt wesentlich jüngeren - Gäste am Tisch allmählich müde wurden, während er noch einmal Appetit bekam und einen weiteren Gang bestellte. Am nächsten Tag fuhr er in aller Frühe nach Hamburg, um in der Musikhalle Debussy und Schubert zu spielen. Zum Abschied blickte er mich sehr ernst mit seinen wunderbar ausdrucksvollen Augen an und sagte: "Denken Sie daran: Es lohnt sich zu leben!". Er muss sich das selbst im Laufe seines Lebens sehr oft gesagt haben...


    Faszierend diese Vitalität, dieser Lebensmut allen schrecklichen Erinnerungen zum Trotz. Danke für diese sehr persönlichen Eindrücke!


    Das Dvorak-Quintett habe ich mir gestern noch gleich bei itunes besorgt - es musste eben schnell gehen ;+)


    :wink: :wink:


    Christian

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    Cato der Ältere

  • Ob Mozart, Haydn oder Beethoven ich habe von ihnen allen die Klaviertrios. Und natürlich alle vom Beaux Arte Trio.
    Genialere Aufnahmen davon gibt es nicht.


    :juhu: :juhu: :juhu: :klatsch: :klatsch: :juhu:

    Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum (Nietzsche)
    In der Tat spuckte ... der teuflische Blechtrichter nun alsbald jene Mischung von Bronchialschleim und zerkautem Gummi aus, welchen die Besitzer von Grammophonen und Abonnenten von Radios übereingekommen sind Musik zu nennen (H Hesse)
    ----------------------------
    Im übrigen bin ich der Meinung, dass immer Sommerzeit sein sollte (gerade im Winter)

  • Es gibt aber auch ein Bell'Arte Trio. "www.youtube.com/watch?v=MdvqAP11DpI"


    Gruß
    MB


    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Es gibt aber auch ein Bell'Arte Trio.


    Und ein BosArt Trio.

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    "...es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen." - Johannes Brahms

  • Den sehe ich auch nicht. Aber trotzdem herzlichen Dank für alle Tipps zur korrekten Schreibweise ;+)


    Wir können dann jetzt zum eigentlich Thema des Threads zurückkehren: Menahem Presslers Trio ;+)


    Eine Bemerkung Presslers in der Arte-Dokumentation fand ich interessant: Pressler sagte, dass die Nationalsozialisten durch die Vertreibung vieler Juden vor 1939 das Musikleben jenseits des Atlantiks stark europäisierten.


    :wink: :wink:


    Christian

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    Cato der Ältere

  • Wenn Du das "und" einfach weglässt, weiß auch jeder, welches Trio gemeint ist, egal wie man das schreibt :hide: .


    In der Tat, ist auch sprachlich schöner. Ich ändere das ab ;+)


    Christian

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    Cato der Ältere

  • In der Tat, ist auch sprachlich schöner. Ich ändere das ab ;+)


    Christian


    Du findest "Menahem Pressler sein Trio" wirklich sprachlich schöner? :hide: Das sollte doch wohl zumindest "Menahem Pressler ihm sein Trio" heißen... ;+)


    Spaß beiseite: was für eine faszinierende Musikerpersönlichkeit! Ich bin auf youtube auf einen Fernsehmitschnitt der Sendung gestoßen - leider auf Französisch, eine Sprache, die ich nicht beherrsche. Trotzdem werde ich mir die Dokumentation demnächst mal ansehen, allein schon wegen der (englischen) Interviews mit Pressler und der dargebotenen Musik.


    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler


  • Eine Bemerkung Presslers in der Arte-Dokumentation fand ich interessant: Pressler sagte, dass die Nationalsozialisten durch die Vertreibung vieler Juden vor 1939 das Musikleben jenseits des Atlantiks stark europäisierten.

    Da fällt mir als erstes der Geiger Walter Levin ein, der ebenfalls aus Nazi-Deutschland fliehen musste und nach einigen Jahren in Palästina in die USA ging und dort das LaSalle-Quartett gründete.


    Was Menahem Pressler und sein Beaux Arts Trio angeht, so habe ich gestern mal wieder einige Aufnahmen angehört. Sehr schön finde ich die Box mit den Beethoven-Trios, aber auch die Aufnahme der beiden Rachmaninov-Klaviertrios. Das sind aber beides Aufnahmen aus den Achtzigern, die sowohl klanglich als auch interpretatorisch noch sehr frisch wirken. Anders sieht es da bei den früheren Aufnahmen aus den Sechziger und Siebzigern aus, zum Beispiel die Schubert- oder Mozartrios. Vor allem das extrem vibratoreiche und schwelgerische Spiel der Geige missfällt mir hier, in meinen Ohren klingt das ein wenig rührselig und allzu behäbig. Irgendwann danach hat es dann aber einen Wechsel in der Besetzung gegeben, der Geigenpart wird nicht mehr von Daniel Guilet gespielt, sondern von Isidore Cohen. Ab da gefallen mir die Aufnahmen deutlich besser.


    Gruß, Carola

    Vom Schlechten kann man nie zu wenig und das Gute nie zu oft lesen. Arthur Schopenhauer

  • Zitat von »Caesar73«
    Menahem Pressler und sein Trio ;+)


    Menahem Pressler und sein Trio? Ja, genau, ich erinnere mich, die vier haben tolle Aufnahmen gemacht, zum Beispiel diese:



    Gruß
    MB


    :wink:

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  • Liebe Capricci,


    die Dokumentation, die bei Arte vor drei Wochen ausgestrahlt wurde, die der Anlass dieses Threads war, ist bei Yotube unter folgendem Link zu finden - nehmt Euch die Zeit, es lohnt sich:


    "http://www.youtube.com/watch?v=dnS5w140n5Q"


    :wink: :wink:


    Christian

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    Cato der Ältere

  • Im Unterricht war er durchaus streng, aber diese Strenge entsprang immer seiner spürbaren Liebe zur Musik und der daraus erwachsenden großen Verantwortung des Interpreten

    Ich will das noch etwas ausführlicher beschreiben: Er weigerte sich zunächst, überhaupt mit dem Unterricht zu beginnen, weil die Studenten nicht daran gedacht hatten, eine zweite Partitur für ihn mitzubringen. Das heißt, eigentlich war es keine Weigerung sondern aus seiner Sicht eine schlichte Selbstverständlichkeit: "Wie soll ich Euch unterrichten, wenn ich die Noten nicht habe?" Es ging um das Ravel-Trio, welches er nach eigenen Angaben etwa fünfhundertmal öffentlich gespielt hat... Während hektisch versucht wurde, irgendwo noch eine Partitur aufzutreiben, wandte er sich an die Studierenden im Publikum: Man könne doch die Zeit nutzen, indem er Fragen beantwortete. Er wunderte sich sehr, dass - wenigstens zunächst - niemand eine Frage stellen wollte und tadelte die Studierenden gleich dafür. Dass das in keiner Weise "großkotzig" gemeint war, konnte man spätestens merken, als er später im kleineren Kreis seinerseits zahlreiche Fragen an seine Gesprächspartner stellte. Als der Unterricht dann begann, stand er immer wieder in der Mitte des Ensembles, quasi mit gleichem Abstand zu allen drei Spielern, und zeigte so schon rein äußerlich deren Geichberechtigung. Er bestand auf penibler Umsetzung aller Partiturvorschriften, vor allem der Dynamik-Anweisungen, erklärte immer wieder Strukturen, Stimmführungen usw., arbeitete fordernd, aber zugleich mit der nötigen Geduld am gemeinsamen Klang (er beschrieb das Ravel-Trio als "Werk für ein Instrument namens "Trio", nicht für Klavier, Geige und Cello"). Wenn die Studierenden z.B. über eine besondere Stelle hinwegspielten, konnte er direkt aufbrausend werden ("Ihr quält den Komponisten, und das quält mich!"), strahlte aber umgekehrt Dankbarkeit und Glückseligkeit aus, wenn etwas besonders schön gelang. Zusammengefasst war er voller Hingabe, dabei unerbittlich alles fordernd, was die Musik aus seiner Sicht verlangte. Keine schlechte Schule für die Studierenden...


    Christian

  • Danke für diesen wunderbaren Link. Man muss nicht unbedingt französisch können, um diese Sendung zu geniessen, es wird sehr viel englisch gesprochen und vor allen Dingen sehr viel musiziert.
    Pressler wirkt genauso beeindruckend, leidenschaftlich der Musik und dem Leben hingegeben und dabei tief-menschlich wie Christian Köhn ihn aus persönlicher Erfahrung beschreibt. Solche Menschen im Leben persönlich zu treffen, muss Nahrung für die Seele sein. Was er zur Musik Schuberts im Vergleich zu Beethoven sagt und wie er das anhand der Klaviersonate D960 zeigt :fee: Und wie er (trotz alledem) für die deutsche Sprache und Kultur eintritt :angel: Und wie er die Solokarriere gegen das Trio eingestauscht und keinen Moment bereut hat- es gibt soviele beeindruckende Passagen, dass man sich unbedingt die Zeit nehmen sollte, diese Sendung zu sehen. Im Gegensatz zu Carola ist er übrigens von dem ersten Geiger des Trios David Guilet total bebeistert und bezeichnet ihn als einer der grössten Musiker überhaupt, vielleicht sind wir heute für ausgeprâgtes Vibrato durch die HIP Bewegung einfach verdorben.
    Ich werde mich gewiss nach weiteren Aufnahmen des Trios umsehen- das kann bei dieser Einstellung nichts anders als Vollblutmusik sein.
    Solche Links hier zu finden ist wirklich ein Gewinn. Danke dafür. :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Danke für diesen wunderbaren Link.


    Gern geschehen, liebe Fairy ;+) Mich hatte die Dokumentation sehr beeindruckt und da wollte ich Euch die Möglichkeit nicht vorenthalten, das Vergnügen ebenfalls haben zu können ;+) Pressler beim Unterrichten zuzusehen war wirklich faszinierend. Ernsthaft, hingebungsvoll - und voll Begeisterung. Das übertrug sich soggar trotz Konserve, wie viel eindrücklicher muss das sein, wenn man dies selbst erleben durfte.


    :wink: :wink:


    Christian

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    Cato der Ältere

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