OFFENBACH: Les contes d'Hoffmann – Märchenhafte Episoden oder postmodernes Drama?

  • Ihr Lieben, woran man mal wieder sieht, welch riesigen Einfluss einstmals die Diven hatten und welche nachträgliche musikwissenschaftliche Verwirrung das heute noch auslöst, ob Madame X koloratufähig war oder Madame Y unbedingt dreigestrichenen Noten wollte.
    Da sollte man doch das Regietheatr loben, wo es solche Sänger-Diktatur nciht mehr gibt! :D
    Ich bin serh auf die von euch angekündigte Fassung/Einspielung gespannt, denn mir scheint es wie gesagt auch logisch, alle vier Frauen von einer Sängerin singen zu lassen, um herauszuheben, dass sie alle nur Facetten Stellas sind. Wenn es dann noch eine Koloratur-Giulietta gibt- tant mieux! :klatsch:
    Wobei dekadente venezianische Lasterhaftigkeit doch eigentlich viel besser zu üppigen Mezzi passt. 8+)


    Ansonsten bin ich aber Areios Ansciht, vor allen Dingen im Fall der Adalgisa!
    Das(nichttransponierte) Original ist eindeutig ein Sopran und viel zu hoch für einen Mezzo , das Rollenverständnis ebenso, denn die Adalgisa ist als junge Priesterschülerin zu Norma im Verhältnis kleine Schwester oder gar töchterlich zu sehen. seit wann werden aber Töchter tiefer besetzt als Mütter bzw jüngere Schwestern als Ältere?
    Alcina und Morgana sind eine ganz ähnliche Konstellation oder Arabella und Zdenka .
    Aber das ist jetzt total OT :stumm:


    F.Q.
    P.S. Seid doch bitte so lieb, beim Zitieren meine allerschlimmsten Wortverdrehungen zu korrigieren... ich werd ja schamrot wenn ich am nächsten Morgen lese, was ich da zwischen Tür und Angel verbrochen habe :hide:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Ich habe diese Oper als solche bisher kaum wahrgenommen udn werde mich nun dank eurer Anregungen aber etwas näher damit befassen.

    F.Q.

    liebe Fairy,
    das solltest Du unbedingt tun, denn die Oper ist nicht nur musikalisch ein Schatz, sondern zählt auch von der Handlung für mich zu den interessantesten überhaupt. Im Freundeskreis erörteterten wir einmal die Frage, welche Oper jeder von uns am liebsten inszenieren würde, und das bei mir ganz eindeutig der Hoffmann. Es gibt hier so viele mögliche Interpretationsansätze, so viele Bedeutungsebenen, dass wohl ein Leben gar nicht ausreicht, um dieses Werk wirklich bis in die tiefste Tiefe auszuloten.
    Wegen dieser Liebe zu den "Contes D'Hoffmann" ist es mir eben auch so extrem wichtig, dass der Sänger der Titelpartie auch ein exzellenter Darsteller ist. Überhaupt wird hier jedem Sänger schauspielerisch einiges abgefordert, Rampensingen geht bei dieser Oper nun wirklich gar nicht. (Deshalb fand ich auch Alfredo Kraus in dieser Partie immer besonders unerträglich, auch wenn er alles perfekt gesungen hat.)
    Araiza zum Beispiel musste immer kämpfen, um über die Runden zu kommen (Nicht im Studio natürlich, wo die Oper häppchenweise eingespielt wurde und er daher immer frisch bei Stimme war), aber er identifizierte sich so 100%ig mit dieser Rolle, "beseelte" sie, um Deinen treffenden Ausdruck wieder einmal zu gebrauchen, zum Mitheulen intensiv, und da verzieh ich ihm gerne, dass er am Ende stimmlich immer in den Seilen hing. Ehrlich gesagt riss er mich mehr mit als Villazón, der bei den zwei Vorstellungen, die ich mit ihm erlebt hatte, bei mir den Eindruck hinterließ, als habe er den Hoffmann noch nicht so 100%ig verinnerlicht.
    lg Severina :wink:

    PS: Sorry, aber korrigieren kann man nur eigene Texte, wir müssen also Deine charmanten Verdreher stehen lassen, aber die sind doch inzwischen Dein Markenzeichen! :D

    "Das Theater ist ein Narrenhaus, aber die Oper ist die Abteilung für Unheilbare!" (Franz Schalk)

  • Liebe Sevi, doch, in Zitaten kann man korrigieren, aber ich meine ja eh nur die Allerschlimmsten, wie heute morgen "Slocher" da wusste ich selbst nciht mehr , was ich da gemeint hatte.... :hide: ,nciht mehr die chc..., das hab ich aufgegeben.

    Was Hoffmann angeht, lass ich mich gerne begeistern und stimme dir grundsätzlich natürlich zu- das muss mit Leib und Seele gespielt werden- Offenbach kommt schliesslich von der Operette her und da ist Spielen fast wichtiger als Singen. Aber wenn die Muse als Alter Ego dem Hoffmann die Arbeit abnimmt, weil Selbiger unfähig ist, mit Passion zu spielen, ist das immerhin ein guter Regiekniff. und eine Interpretation..... 8+)
    Araiza hab ich leider nie erlebt und Domingo als Hoffmann war stimmlich super, aber in einer reichlich verstaubten Inszenierung hat mir das weniger Spass gemacht. Ausserdem war die Olimpia so furchtbar, das mir schon darüber die halbe Oper verdorben war. :cursing:
    Und sonst kenne ich leider nur die moderne Psychiatrie-Inszenierung aus Lyon.
    Es gibt also Einiges nachzuholen.

    Komm gesund und munter im neuen Jahr wieder, du wirst sehr vermisst!!!!!
    :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Zitat

    Zitat von Areios:
    Dapertutto hat in der "Originalversion" eine andere, wesentlich dämonischere und weniger operettenhafte Arie, "Tourne, tourne miroir", die zumindest mir viel besser gefällt als das meiner Meinung nach etwas fade und unpassende "Scintille diamant" und viel mehr Drive hat! Du kannst sie dir auf Youtube anhören.

    Ich kann mich erinnern, daß diese Arie vor 40 Jahren in der Wiener Schenk-Inszenierung von Coppelius (als "Brillenarie") gesungen wurde.

  • Das ist AFAIK die Coppelius-Arie in der Choudens-Fassung. (In der Kaye-Keck-Fassung hat Coppelius kein Solo, stattdessen gibt es das grandiose Terzett "Je me nomme Coppélius". - Das hätte auch durchaus in Rideamus' Gänsehautensembles gepaßt!) Zu Text und Szene des Giulietta-Aktes paßt das Stück als Dapertuttos Arie erheblich besser; "Scintille, diamant" empfind ich da als weniger passend.

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

  • Die Tonqualität dieser MET-Aufführung von 1959 (als CD herausgekommen 2005) ist so (mono-)exzellent, daß ich - obwohl das Label LIVING STAGE heißt - eine konzertante Aufführung vermute, zumal der Stimmglanz überwiegt und der seelisch-differenzierte Ausdruck vielleicht manchmal zu sekundär bleibt. Das mag auch am Dirigat Jean Morels liegen. Er bietet einen animierten Offenbach mit schwungvollen und gut dosierten Höhepunkten, gleitet aber über die eleganten Feinheiten eher hinweg, was ein ganz klein wenig oberflächlich anmutet. Die Besetzung wiegt diesen Nachteil aber mehr als auf. Nicolai Gedda in stimmlicher Bestverfassung als Hoffmann war damals wohl die Idealbesetzung, aber noch besser gefällt mir George London in der Rolle der vier Bösen. Da setzt er Maßstäbe. Lucine Amara gibt eine nicht gerade schwindsüchtige aber traumhaft gesungene Antonia. Mattiwilda Dobbs trifft die Koloraturen der Olympia mühelos, es fehlt ihr nur das Federnde, das für mich in dieser Musik liegt. Ähnlich Rosalind Elias als Giulietta: Hervorragender Gesang, aber wo bleibt die Sinnlichkeit? Die anderen Mitwirkenden bieten Ensemblekunst im besten Sinn: Helen Vanni als Niklausse, Alessio de Paolis als vierfacher Diener (hier darf er sogar "seine" Arie singen), George Cehanovsky als Luther usw.

    Die Anschaffung lohnt sich trotz der Einwände unbedingt.

    Liebe Grüße

    Waldi

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Die Tonqualität dieser MET-Aufführung von 1959 (als CD herausgekommen 2005) ist so (mono-)exzellent, daß ich - obwohl das Label LIVING STAGE heißt - eine konzertante Aufführung vermute, zumal der Stimmglanz überwiegt und der seelisch-differenzierte Ausdruck vielleicht manchmal zu sekundär bleibt.

    Es ist aber definitiv keine, habe grade nochmal in Jacksons MET-Chronik nachgeschlagen.

    “There’s no point in being grown up if you can’t act a little childish sometimes” (Doctor Who, der Vierte Doktor)

  • Danke, lieber Armin! In diesem Fall: Gratulation dem/r damaligen Toningenieur/in! Den Wiederaufbereitern natürlich auch.

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Da Fairy mir geraten hat, meine Ansicht zum Thema „Antonia“ in den Hoffmann-Thread zu stellen, und ich gerne tue was die Feenkönigin mir rät, erlaube ich mir, mich hier kurz selbst zu zitieren (ursprünglich stand das im Thema „Schleichender Tod der Kirchenmusik...?“)
    Wir haben in besagtem Thema darüber gesprochen, welch wichtige Ausdrucksform der Gesang ist, und mir ist spontan Antonia eingefallen, der diese Ausdrucksform verweigert wird.

    Zitat

    Wie wichtig Singen ist, wußte auch E.T.A. Hoffmann und mit ihm Jacques Offenbach: das Mädchen Antonia stirbt nicht an der Schwindsucht, wie auf der Bühne immer wieder fälschlicherweise angedeutet. Sie stirbt auch nicht weil ihr Ehrgeiz nicht befriedigt und ihr eine glänzende Karriere als Sängerin vorenthalten wird, sie stirbt, weil sie sich auf Geheiß des Vaters in ihrer ureigensten Sprache nicht äußern darf. Weil sie es heimlich und im verborgenen tun muß. Als sie Hoffmann wieder sieht machen sie nicht rum, wie man es bei Liebenden die lange getrennt waren vermuten würde, sie SINGEN. (Und das nicht nur, weil in der Oper nunmal immer gesungen wird ).
    Antonia stirbt, weil sie sich viel zu lange selbst verleugnen mußte und, einmal von Mirakel verführt die Selbstgeißelung aufzugeben, sich nicht mehr zurückhalten kann und sich ihre Seele in viel zu lange verbotenen Freuden auflöst.

    Ich fand es schon immer unpassend, daß in dieser Oper die, richtig aufgeführt, zu den Dämonischsten und Unheimlichsten überhaupt gehören kann, Antonias geheimnisvolles Leiden mit einer „langweiligen“ TBC-Erkrankung erklärt wird.
    Natürlich mag das nahe liegen, da auch Violetta und Mimi diesem Leiden erliegen, und Antonia zu der gleichen Sorte femme fragile gehört. Außerdem scheint es endlich mal „logisch“ daß leidenschaftliches Singen ohnehin vorgeschädigten Lungen nicht gut tun kann, und Logik ist in der Oper ein seltenes (und m.E. auch nicht besonders erstrebenswertes) Gut. Aber ich finde es dennoch wesentlich gespenstischer wenn die genaue Ursache ihres Todes im Dunkeln bleibt.
    Was denkt ihr, stirbt Antonia in dieser wunderbaren Oper, in der die Naturgesetze und die Logik nun wirklich keinen Platz haben, tatsächlich an einer ordinären Überbelastung ihres Herz-Kreislauf-Systems oder einem Lungenversagen?

    Ein Paradies ist immer da, wo einer ist, der wo aufpasst, dass kein Depp reinkommt...

  • Liebe Mina,

    die einfache Antwort ist: natürlich hast Du Recht. Antonia überlebt ihre Freisetzung nicht und singt sich infolge einer Wahnvorstellung zu Tode. Damit wäre Dr. Mirakel eigentlich der Mann, der Antonia aus der Tyrannei des Vaters befreit und sich nur in seinen Mitteln verschätzt.

    Aber: würde das nicht bedeuten, dass die eigentlichen Schurken der Oper gar nicht Coppelius, Mirakel und Dapertutto sind, sondern Spalanzani, Antonias Vater und Schlemil?

    Konsequent durchdacht, lässt sich damit inszenatorisch natürlich auch etwas anfangen, aber erst einmal ist das nur so ein Gedanke, bei dem ich erst einmal durchhören müsste, ob die Musik den auch trägt. E.T.A. Hoffmann wäre über diese Lesart wahrscheinlich nicht unglücklich.

    :wink: Rideamus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Liebe Mina!

    Wei man bei vielen Aufführungen des Hoffmanns sieht, kann doch Antonia die TBC gar nicht von der Mutter geerbt haben,

    denn zumeist ist die Mutter, die Dr. Mirakel aus dem Bild holt, ein Koloß, da hat sie eher Freßsucht gehabt.

    Ein Beispiel der Salzburger Hoffman von 2003, mit Ruggero Raimondi in den 4 Bösewicht-Partien.

    Liebe grüße sendet Dir mit Handkßuß Peter aus Wien. :wink: :wink:

  • Liebe Mina,

    die einfache Antwort ist: natürlich hast Du Recht. Mina überlebt ihre Freisetzung nicht und singt sich infolge einer Wahnvorstellung zu Tode.



    8|

    Ich hoffe für Mina, daß ihr - trotz hoffentlich weiterhin viel Singerei - dieses Schicksal erspart bleibt... :D

  • Liebe Mina, deine bestechende Theorie lâsst sogar tiefenpsychologische Deutungen der Oper zu!
    Antonias Vater will nicht, dass er seine Tochter verliert wie seine Frau. Er verbietet ihr zu Singen. Singen hier als Symbol für freiwerden, Frau werden, die Melodie des eigenen selbstbestimmten Lebens ausdrücken. Antonia hat das leider nie gelernt und geht an der Grenzüberschreitung Vater/Hoffmann zugrunde.
    Wenn das Singen symbolisch für die Liebe zu Hoffmann steht und Antonia mit ihm singt (metaphorisch : liebt) muss sie sterben. Das erinnert in dieser Variante dann total an Gilda, die muss auch sterben, weil der Vater sie nicht loslassen kann und sie nicht gelernt hat, selbstbestimmt zu leben. Dei Grenzüberschreitung Rigoletto/Duca kann sie nciht überleben.

    Und die Perversion des ganzen Vater/Tochter Geschehens ist dann Olymia, denn die ist nicht mal ein lebendiges Wesen sondern die Puppe ihres "Vaters".

    Wann werden wir endlich als Regisseurinnen-Doppel entdeckt?????
    Also wer das hier liest und uns engagieren will........ wir haben noch viel mehr auf Lager und sind auch gar nicht teuer!!!!!! :yes: :wink: .

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Bei euren Deutungen in Bezug auf Antonias Ende ist noch ein weiterer Aspekt nicht uninteressant. Hoffmann hat zunächst nichts dagegen, dass Antonia singt. Nachdem er aber den Streit zwischen Dr. Mirakel und Rat Crespel belauscht hat und nun weiß, dass Antonia vom Singen Lebensgefahr droht, ist er plötzlich auch dagegen und will, dass sie das Singen aufgibt.

    Anders betrachtet, nachdem Hoffmann zunächst auf Seiten der Geliebten steht und so seine Beziehung zu ihr, einen Ausweg für sie bedeutet, schlägt er sich letztendlich auf die Seite ihres Vaters.

    -----------------------

    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
    Di glorie e di sublimi rapimenti
    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?

  • Bei euren Deutungen in Bezug auf Antonias Ende ist noch ein weiterer Aspekt nicht uninteressant. Hoffmann hat zunächst nichts dagegen, dass Antonia singt. Nachdem er aber den Streit zwischen Dr. Mirakel und Rat Crespel belauscht hat und nun weiß, dass Antonia vom Singen Lebensgefahr droht, ist er plötzlich auch dagegen und will, dass sie das Singen aufgibt.

    Anders betrachtet, nachdem Hoffmann zunächst auf Seiten der Geliebten steht und so seine Beziehung zu ihr, einen Ausweg für sie bedeutet, schlägt er sich letztendlich auf die Seite ihres Vaters.

    Na ja, es erscheint mir als ziemlich naheliegend, dass Hoffmann die Geliebte am Singen hindern will, nachdem er weiß, dass dies für sie tödlich ist.

    Außerdem ist es ja gar nicht so, dass Hoffmann vorher Antonias musikalischen Ambitionen unkritisch gegenüberstand. Schließlich sagt er schon lange vor dem Terzett mit Crespel und Mirakel: "La musique m'inspire un peu de jalousie, tu l'aimes trop!" Auf Antonias Frage, ob er ihr auch das Singen verbieten wolle wie ihr Vater, antwortet er nicht. Natürlich, gleich darauf singt er mit ihr zusammen "ce doux chant d'amour", und vermutlich hat er auch gegen ein wenig heimelige Hausmusik nichts einzuwenden, aber es gibt keinen Hinweis, dass er sie zunächst in ihrem Wunsch nach einer wirklichen Künstlerkarriere (die ihr eine sowohl von ihrem Vater als auch von ihm, Hoffmann, selbst unabhängige Existenz ermöglichen würde) unterstützt.

  • Lieber Thorstein, das erinnert mich an Clara und Robert Schumann... Lieder komponieren zum Geburtstag wunderbar! Die Pianistinnenkarriere dagegen eine Bedrohung für die Ehe und dagegen wurden alle möglichen Argumente aufgefahren . U.A. ständige Schwangerschaften udn Hausfrauenpflichten. Clara hat sich schliesslich zwar durchgesetzt aber eigentlich erst, nachdem Robert nicht mehr im Hause lebte bzw tot war.
    Allerdings spielten sich bekanntlich in diesem Fall der Vater und der Geliebte nicht gegenseitig die Bälle zu- im Gegenteil.

    Bei Hoffmann stellt sich fûr mich auch die Frage, inwieweit er Antonia auch ohne ihren Gesang lieben würde.
    Und die Parallele zu Olympia, die ja auch mit Gesang betört, zeigt sich erneut. Wenn die vier Frauen eigentlich nur eine Frau sind, dann sind Olympia und Antonia gerade auch in ihrer Eigenschaft als Singende zwei Seiten derselben Medaille und das Vaterproblem spielt eine ganz besondere Rolle.
    Der vater als Marionettenzieher, der seine Puppe singen lâsst und die Puppe die daran stirbt. Und der Vater, der seine Puppe nicht singen lassen will, weil sie sonst für ihn als Puppe stirbt?
    So gazn und gar versteh ich den Zusammenhang zwar noch nciht, aber wir nâhern uns ann, scheint mir......

    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Projektionen auf Stella: Das Mädchen ohne eigenen Willen, das sich von Hoffmann leiten und lenken lässt - ein Traum, der zerschlagen wird wie Olympia. Die Sängerin, die zugunsten Hoffmanns auf ihre Karriere verzichtet - Stella weigert sich und singt weiter. Das hinterhältige Luder, das Hoffmann für ihre Zwecke ausnützt - Hoffmann entledigt sich dieses Weibes durch Mord.

    Bleibt für ihn nur noch die Muse...

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Die Sängerin, die zugunsten Hoffmanns auf ihre Karriere verzichtet - Stella weigert sich und singt weiter.

    Antonia ja letztendlich auch. Und damit ist sie gestorben - jedenfalls für Hoffmann, dessen Perspektive die "Erzählungen" wiedergeben. Kein Wunder: wer sich in eine Puppe "verlieben", also sich damit zufriedengeben konnte, sein eigenes Empfinden auf sie zu projizieren, das geliebte Wesen, à la Pygmalion, selbst auszugestalten, wird mit einer Frau, die sich nicht damit begnügt, Spiegel des Künstlers zu sein, sondern eigenes Künstlertum dagegenstellen kann, wohl kaum zurechtkommen.

  • Zitat

    Schließlich sagt er schon lange vor dem Terzett mit Crespel und Mirakel: "La musique m'inspire un peu de jalousie, tu l'aimes trop!" Auf Antonias Frage, ob er ihr auch das Singen verbieten wolle wie ihr Vater, antwortet er nicht. Natürlich, gleich darauf singt er mit ihr zusammen "ce doux chant d'amour", und vermutlich hat er auch gegen ein wenig heimelige Hausmusik nichts einzuwenden, aber es gibt keinen Hinweis, dass er sie zunächst in ihrem Wunsch nach einer wirklichen Künstlerkarriere (die ihr eine sowohl von ihrem Vater als auch von ihm, Hoffmann, selbst unabhängige Existenz ermöglichen würde) unterstützt.

    Das ist für mich eine Schlüsselstelle in der Beziehung Hoffmann-Antonia. Hoffmann hat m.E. ganz eindeutig Angst, nicht die einzige Liebe in Antonias Leben zu sein. Daß es da etwas geben könnte daß ihr ebenso wichtig ist wie er, vielleicht sogar wichtiger, ist ein Gedanke,der ihm nicht behagt. Ich sehe das wie Fairy und Thorstein: Hausmusik gut und schön. Eine musikalische Ehefrau kann den Gatten unterhalten und in Gesellschaft kann er mit dieser hübschen und begabten Frau glänzen. Und damit, daß sie seinetwegen(!) auf eine große Karriere verzichtet hat.
    Die (aufrichtige) Angst um Antonias Leben kommt erst später. Hier hat er zunächst nur Angst, daß Antonia sich durch ihre Liebe zur Musik von ihm emanzipiert und daher unabhängiger von ihm wird: ihr Glück wäre nicht nur von ihm allein abhängig. Das gefällt dem Herrn nicht. Ich glaube sogar, daß er dabei nicht nur Angst vor einer Karriere Antonias hat, sondern generell davor, daß ihr etwas ein ebenso großes Glück, eine ebensolche Lebenshilfe bescheren kann wie seine Liebe. Ich denke, wir alle wissen, daß Musik mehr sein kann als ein hübscher Zeitvertreib, sie kann über vieles im Leben hinweghelfen. Wenn einem bei dem Satz nicht so entsetzliche Assoziationen kämen würde ich sagen „Musik macht frei“.
    Frei von all den Widrigkeiten des Alltags. „O holde Kunst, in wieviel grauen Stunden...“
    Diese Freiheit will Hoffmann Antonia nicht zugestehen. Dabei nimmt er sie selber für sich durchaus in Anspruch.

    Man kann es wenn man will noch weitertreiben: keine der Frauenfiguren ist wirklich unabhängig, alle sind sie Geschöpfe eines (oder mehrerer) Männer: Olympia die Puppe, die keinen eigenen Willen hat (nicht mal einen der mißachtet wird). Antonia, die Sängerin der das Singen verboten wird und die im wahrsten Sinne des Wortes zum Verstummen gebracht werden soll, Giulietta, die als Kurtisane nicht mehr Herrin über ihren Körper und in diesem Fall auch nicht mehr über ihre Seele ist: die hat sie Dappertutto verkauft. Sie ist seine Sklavin wie sie selbst sagt und bringt ihm immer neue Opfer für die sie mit Schmuck, Luxus und Selbstbestätigung („Bezweifelst du deiner schönen Augen Macht?“) belohnt wird.
    Die Einzige die nicht ganz so unfrei ist, ist Stella: zwar geht auch sie dem Teufel auf den Leim, aber immerhin trifft sie am Ende der Opert die sehr verständlich Entscheidung, sich nicht an einen Man binden zu wollen, der ein offensichtliches Alkoholproblem hat. Da man davon ausgehen kann, daß sie dennoch sehr verliebt in ihn ist, ist das sicher eine mutige und schwere Entscheidung.

    Ein Paradies ist immer da, wo einer ist, der wo aufpasst, dass kein Depp reinkommt...

  • Man kann es wenn man will noch weitertreiben: keine der Frauenfiguren ist wirklich unabhängig, alle sind sie Geschöpfe eines (oder mehrerer) Männer:

    Sie sind ja auch (also die Frauenfiguren der drei Binnenakte) Männer-Phantasien: Kreationen der Phantasie Hoffmanns, Figuren seiner "Erzählungen". Und er, der Künstler, kann sich eine Frau anscheinend nur als von Männern abhängig denken.

    Die Einzige die nicht ganz so unfrei ist, ist Stella

    Und die ist ja, gottlob, die einzige (fiktionsintern) reale Frau von den vieren.


    zwar geht auch sie dem Teufel auf den Leim

    Och, der Teufel, ob der wirklich so schlimm ist ... Was tun die "Bösewichte", bei Licht betrachtet, denn so Böses? Es ist ja nicht Coppelius, sondern Spalanzani, der Hoffmann mit der Puppe hereinlegt - Coppelius macht Hoffmann vielmehr auf seine Selbsttäuschung aufmerksam, wofür dieser ihm dankbar sein sollte (was freilich im wirklichen Leben in vergleichbaren Fällen auch nur selten geschieht). Und wenn wir vorläufig mal bei dem Gedanken bleiben, dass Antonias Sterben nur ihren gesellschaftlichen Tod innerhalb einer Männerwelt bedeutet, in Wirklichkeit aber für Befreiung und Autonomie steht, dann ist Mirakel ihr Befreier.

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