Schostakowitsch: 24 Präludien und Fugen op. 87
Liebe Leute,
auch ich oute mich als Fan von Schostakowitschs Solostücken für Klavier. Neben den Aphorismen, Op. 13 (1927) haben es mir besonders die Präludien und Fugen, Op. 87 angetan. Aber diese weltbewegende Erkenntnis möchte ich nicht in der "Eben gehört"-Ecke verkünden - obwohl bei mir gerade die Naxos-Scherbakov-CD im Hintergrund läuft - sondern die Gunst der Stunde für den eigenen Thread nutzen, den diese Stücke verdient haben.
Schostakowitsch wählte für seinen größten Klavierzyklus nicht zufällig die Abfolge von 24 Präludien-Fugen-Paaren. Als er die 48 Stücke zwischen dem 10. Oktober 1950 und dem 25. Februar 1951 schrieb, war seine Musik noch mit dem offiziellen "Formalismus"-Bann belegt (Schdanow-Erlass von 1984), er komponierte (mit der Ausnahme von Filmmusik) in dieser Zeit nur für die Schublade. Die unmittelbare Anregung für den Klavierzyklus war das Fest zum 200. Todesjahr von J. S. Bach in Leipzig im Jahr 1950, an dem Schostakowitsch - trotz der Ächtung seiner Musik - als hochrangiger Funktionär teilnahm. Dort begeisterte ihn das Spiel der jungen Tatjana Nikolajewa so sehr, dass er ihr den Zyklus, den er nach der Reise begann, zudachte. Nikolajewa erreichte 1952 eine offizielle Absegnung der Stücke, sodass sie in der SU veröffentlicht und gespielt werden konnten. Zuvor waren nur besonders genehmigte Aufführungen (mit Schostakowitsch am Piano) möglich, zumeist vor einem Publikum aus Parteisoldaten und echten Soldaten ...
Nicht nur das Bachfest in Leipzig, und auch nicht alleine das Vermeiden von anstößigen "modernistischen" Elementen erklärt Schostakowitschs Rückwendung zu einer Zyklenform, die untrennbar mit dem Namen Bachs verbunden ist. Die 48 Präludien und Fugen sind nämlich auch Ausdruck einer lebenslangen Verehrung Schostakowitschs für den großen Meister, DSCH spielte ihn jeden Morgen auf dem Klavier. Und ein besonderer Anreiz war für ihn sicher die Möglichkeit, eigene Stimmungen und Befindlichkeiten - meist melancholischer, seltener auch heiterer oder gar aggressiver Natur - in einer strengen Form zu bändigen.
Schwer zu sagen, ob Schostakowitschs Rückwendung zu Bach eher eine von den äußeren Verhältnissen provozierte Selbstfesselung darstellt oder ein gesundes Gegenmittel zu seiner Hypernervosität und -sensibilität.
---
Zu den Einspielungen. Auch ich kann vorbehaltlos Konstantin Scherbakov (Naxos) empfehlen:
Preislich noch unterboten wird die Naxos-Doppel-CD von der Brilliant-Doppel-CD, die die französisch-litauische Pianistin Mûza Rubackyté eingespielt hat:
Die hatte ich mir zwar zuerst gekauft, höre sie aber seltener. Warum, weiß ich aber nicht.
Und dann besitze ich noch eine dritte CD, die ich mir eher aus Neugier gekauft habe, die aber mit den anderen Aufnahmen durchaus mithalten kann. Logo, sitzt doch der Meister himself an den Tasten.
Leider hat Schostakowitsch nur insgesamt 16 der 24 Präludien-Fugen-Paare eingespielt, aber andererseits .... ich jedenfalls tue mich schwer, große Unterschieden zwischen den vorhandenen Einspielungen zu erkennen. Aber als Zuckerl für die Liebhaber seiner 10. Symphonie spielt DSCH ebendieselbe als Klavierauszug für 4 Hände zusammen mit Moisei Vainberg. (Die Aufnahmen sind übrigens von 1951-54, also noch aus der "bleiernen Zeit" vor Stalins Tod 1953 bzw. der folgenden Tauwetterperiode.)
---
So, jetzt nach diesen langen Erläuterungen und Präludien meine Frage an euch:
Was sind eure liebsten der 48 Präludien und Fugen? Und wenn ihr diese zusätzlich noch beschreiben wollt, welche Stimmung verkörpern diese für euch?
Über Empfehlungen freue ich mich sehr, weil mir das Gelegenheit gäbe, das eine oder andere Stückchen mal aufmerksamer anzuhören. (Oft lässt bei mir nach einigen Stücken die Aufmerksamkeitsspanne nach.)
Natürlich ist in diesem Thread alles rund ums Op. 87 erwünscht, also auch Besprechungen weiterer CDs. Insbesondere die Jarrett-CD würde mich nach dem Anhören der Tonschnipsel sehr interessieren - Jarretts Spiel klingt unübertreffbar - , sie ist aber leider ziemlich teuer.
Grüße,
Jürgen