Johannes Brahms: Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 73 - Werk und Aufnahmen

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  • Johannes Brahms: Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 73 - Werk und Aufnahmen

    Es war für Johannes Brahms (1833-1897) ein langer Weg bis zur Uraufführung der Ersten Symphonie 1876 – umso rascher folgte die Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 73 nach. Komponiert hat er sie zum Großteil 1877 in Pörtschach am Wörthersee, und uraufgeführt wurde sie am 30.12.1877 in Wien.


    Mit der Symphonie Nr. 1 hat Brahms eine ganz individuelle, persönlichkeitsstarke Lösung gefunden, aus Beethovens übermächtigem Schatten zu treten. Welche Lösungen wählt er nun beim zweiten Versuch mit dieser Werkgattung?


    Auf jeden Fall gilt wie schon zur Ersten Symphonie: Bei Brahms lohnt es sicher, sich einigermaßen mit Sonatenform und Themenverarbeitung auszukennen, man entdeckt damit viele reizvolle Details der Musik, die man sonst überhören könnte. Dadurch löst sich auch eine eventuell fühlbare „Überladung“ der Musik leichter.


    Das großteils freundliche Werk hat wieder vier Sätze und dauert ca. 45 bis 49 Minuten (wenn die Wiederholung der Exposition im ersten Satz gespielt wird, sonst ca. 40 Minuten).


    Was mir beim Anhören so auffiel:


    1. Allegro non troppo
    Ein auffallender Beginn – das Hauptthema ist lyrisch gehalten. (Wie eine „Antwort“ auf die 1. Symphonie.) Die einfallsreiche Überleitung zum Seitenthema beinhaltet auch eine markante Steigerung. Und dann das Seitenthema selbst – Sehnsucht! Ein dritter Gedanke ist rhythmisch punktiert, lebendiger. Wie Brahms am Ende der Exposition noch einmal das Seitenthema kunstvoll einflicht – das hat schon was, das muss einem erst mal einfallen. Kunstvoll ist so ein Allerweltswort, aber auch die Durchführung kann man so bezeichnen – was Brahms mit dem Hauptthema macht, mit Partikeln daraus, das ist eben nun mal kunstvoll im besten Sinn. Und wieder eine Art „Antwort“ auf die 1. Symphonie, in die Reprise nicht mit machtvoller Steigerung, sondern mit Beruhigung des Geschehens zu führen. Das sind Momente, wo es lohnt, den Aufbau eines Sonatensatzes „intus“ zu haben, dann fällt so etwas als „besonders reizvoll“ auf. Genauso lohnt es aufzupassen, wie Brahms in der Reprise die Exposition variiert, mit welchem Einfallsreichtum er hier Akzente setzt. Aus der Coda erwächst dann „fast wie aus dem Nichts“ ein Hornsolo, schon wieder ein reizvoller, „erstehender“ Moment, und dann überrascht Brahms noch mit einer fast schelmischen Passage. Ruhiges Ende.


    2. Adagio non troppo – L´istesso tempo, ma grazioso
    Ein „verflochtener“, schwerblütiger langsamer H-Dur Satz, hörbar „intelligente, durchdachte“ Musik, aber das meine ich ganz positiv, vehement bereichernd. Ein Teil A, dann ein Teil B (vielfach unruhiger, im 12/8 Takt), und bei der Wiederholung des Teils A Verflechtung mit Elementen aus B, auch Kulmination zu einem „königlichen“ Höhepunkt – das ist allerhöchste kompositorische Meisterschaft, möcht´ ich meinen!


    3. Allegretto grazioso (Quasi andantino) – Presto ma non assai – Tempo 1
    Solche Sätze waren mal Menuette oder Scherzi (Haydn, Mozart, Beethoven). Ich habe bei Brahms immer das Gefühl, er will dieses Erbe noch anklingen lassen, setzt aber engagiert völlig neue, innovative Akzente. Das Hauptthema (gespielt von der Oboe) könnte ein gemütliches Menuettthema sein, auch ein Ländlerthema. Der Satz macht sich aber eher zu einer Art Rondo, A – B – A (verkürzt) – C – A (nochmals verändert). Und wieder: man höre genau hin, wie Brahms mit dem Themenmaterial umgeht, wie er variiert, wie er neu ineinanderfügt.


    4. Allegro con spirito
    Selbstbewusster, ruhiger Anlauf, dann jubelt es drauflos, ein zweites, sonores Thema, eine abermals selbstbewusst rhythmische Schlussgruppe, erneut kristallisiert sich ein Sonatensatz heraus. Ich traue mich noch einmal auf eine kunstvolle Durchführung, deutlich beginnend wieder mit dem Hauptthema, zu verweisen (einmal mehr: aufpassen, wie Brahms mit dem Material umgeht), da gibt es vor der Reprise eine „magische Wellenstelle“ und vielleicht eine Inspiration für Gustav Mahler (zwei fallende Quarten, siehe Mahlers Einleitung zur 1. Symphonie) und noch eine „Antwort auf die 1. Symphonie“, die Rückführung zur Reprise wirkt wieder beruhigend. Das Ende der Symphonie? Applausheischende Stretta als Ausklang eines großteils lebensfroh-enthusiastischen Finalsatzes.


    Wie schon zur Ersten Symphonie bin ich wieder Feuer und Flamme. Das ist singuläre, originelle, im besten Sinn intelligente Musik, die genaues Zuhören fordert, und wenn man bereit ist sich dem hinzugeben, kann man gar nicht genug kriegen von den vielen zu entdeckenden reizvollen Details der Musik. Nach „Beethovens Zehnter“ nun die „Brahms Pastorale“? Für mich ist dies einfach seine einzigartige Zweite.


    Persönliche Höreindrücke:



    Ich beginne meinen Hörvergleich wieder mit Leonard Bernstein und den New Yorker Philharmonikern (Aufnahme vom 17.9.1962 aus der Philharmonic Hall, nun Avery Fisher Hall, New York City, aus der „Leonard Bernstein Symphony Edition“ der Sony). Bernsteins Leidenschaft vermag ich mich erneut nicht zu entziehen. Irgendwie spüre ich da besonders stark die Psychologie hinter oder über der Musik. Das ist aus dem Leben gegriffen, nichts Menschliches (auch allzu Menschliches) ist Bernstein fremd, wie er das Seitenthema des ersten Satzes auskostet, auch die Coda dieses Satzes, das fast grobschlächtig Bauerntänzerische in den Prestoteilen des dritten Satzes, dann endlich den Schlussjubel, dieser Musiker lebt einfach, und er überträgt das auf das Orchester und somit auf mich als Hörer. Da schwingt auch so eine Art Selbstironie mit. Wie auch bei der Aufnahme der Ersten Symphonie aus New York wiederholt Bernstein die Exposition im ersten Satz nicht.



    Das Uraufführungsorchester, die Wiener Philharmoniker, haben dieses Werk mehrmals eingespielt, zuletzt mit Leonard Bernstein (1982), Carlo Maria Giulini (1991) und James Levine (1995). Mit Carlos Kleiber gibt es eine Radioaufnahme von 1988 und eine Fernsehaufzeichnung von 1991. Bernsteins Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern, live aufgenommen im September 1982 für Ton- und Bildträger im Großen Wiener Musikvereinssaal (4 CD Box DGG 415 570-2 oder 50 CD Box der DGG „Wiener Philharmoniker Symphony Edition“, auch neuere Bernstein Brahms Box, siehe Abbildung, oder DGG Einzel CD) verklärt die Musik zu vollendeter Schönheit in erlesenster Wiener Klangkultur. Das ist quasi „schöner als das Werk“, nahezu traumhaft schön. Den zweiten Satz etwa zelebriert Bernstein in über zwölf Minuten. Da ist man als Hörer gebettet in Wohlklang sondergleichen. Hier wiederholt Bernstein die Exposition des ersten Satzes.



    Nikolaus Harnoncourts Liveaufnahme mit den Berliner Philharmonikern (März 1996 in der Philharmonie, 3 CD Box Teldec 0630-13136-2) lässt mich das Werk erneut herrlich frisch und spannend durchhörbar mitleben. Auch diese Aufnahme ist wie ich finde fein in mehrfacher Hinsicht – Harnoncourt modelliert feingeistig und feinsinnig, und die Schattierungen der Musik kommen feinfühlig zum Vorschein. Die Klangkultur des Orchesters glaube ich als „gelebte Tradition“ im besten Sinn bestechend durchzuhören, bei aller Akzentuierung Harnoncourts. Mir ist diese Aufnahme ungemein sympathisch. Auch Harnoncourt wiederholt die Exposition im ersten Satz.


    Am 1.10.2003 wiederholte der Radiosender Ö 1 eine Konzertaufzeichnung vom 20.3.1988 aus dem Großen Musikvereinssaal in Wien. Damals dirigierte Carlos Kleiber die Wiener Philharmoniker bei Mozarts Symphonie KV 425 und bei Brahms´ Zweiter. Habe davon beim Ö 1 Audioservice eine CD Kopie bestellt und erhalten – und nun für diesen Hörvergleich endlich ganz konzentriert durchgehört. Das toppt an meinem vierten Brahms Zwei Tag hintereinander alles bisher Gehörte. Kleiber bringt eine eigene Stringenz in die Farben des Werks, das ist wieder ganz anders und doch irgendwie nah an Bernstein und Harnoncourt, aber sowas von „ganz“ in der Musik, geschmeidiger, ungemein farbig. Kleiber wiederholt die Exposition nicht. Die Steigerung in die Durchführung des ersten Satzes, die Konflikte darin – nicht nur das gestaltet Kleiber ungemein spannend. Kleiber hat einen faszinierenden Sinn für die Dramaturgie der Musik. Alles wirkt gleichzeitig total angespannt und völlig losgelöst. Diese Balance wird er auch bei den Neujahrskonzerten 1989 und 1992 erreichen. Die Risiken des Wiener Horns hört man einmal im ersten und einmal im zweiten Satz ganz kurz, das unterstreicht die prickelnde Liveatmosphäre der Aufnahme. Die Farben, die Kleiber im zweiten Satz aufblitzen lässt, die packende Verdichtung im Mittelteil dieses Satzes, der flottere dritte Satz, der keineswegs der Verlockung widersteht, auch als Orchester-Bravourstück (in den Teilen B und C) rüberzukommen, und dann doch, im Ausklang des Satzes, Wienseligkeit pur, und dann das Finale, der Jubel wie eine Explosion, wie ein Feuerwerk, mit unglaublicher Strahlkraft und Energie, bei allem differenziertem Farbenreichtum. Keine Scheu vor ausgespielter und als solche erkennbare Virtuosität.


    An DVD Konzertaufnahmen stehen mir Bernsteins oben genannter Wiener Mitschnitt und Carlos Kleibers Konzertwiederholung 1991 genau des Programms von 1988 zur Verfügung.



    Die Aufnahme mit Leonard Bernstein (2 DVD Box DGG 00440 073 4331) wartet wieder mit einer kurzen Einführung durch den Dirigenten auf. Bernstein erinnert sich an leidenschaftliche Konzerte mit Sergei Kussewizki, die er in Boston erlebt hat. Und er erinnert an den Bostoner Kritiker Philip Hahn, der Brahms nicht mochte. Bernstein meint, heute streiten nur Snobs, ob man Brahms mag oder nicht. Er spielt am Klavier die ersten fünf Takte an, dann zeigt er, ebenfalls am Klavier, wie Brahms aus dem zweiten Thema heraus die Musik weiter entwickelt, und er fasst zusammen, wie das erste Motiv des Werks bestimmend für alle Sätze ist. Mit dem gefilmten Konzert wird das Schwelgerische der Interpretation noch unterstrichen. Optisch ist Bernstein erst recht ein Überzeugungstäter, der auswendig dirigiert und mit jeder Faser Leidenschaft für die Musik verströmt und mit seiner Unbedingtheit mitzureißen versteht. Gleich zwei Konzertmeister sitzen da an den ersten Pulten, Gerhart Hetzel und Rainer Küchl, und angefangen von ihnen bis zu den letzten Pulten sind alle bereit, auf die winzigsten Zeichen Bernsteins hin ihre schönsten Klänge zu geben.


    Nach seinem überstürzten Abbruch einer Probe zu einem Philharmonischen Abonnementkonzert in Wien im Jahr 1982 bedeutete „La Boheme“ 1985 in der Wiener Staatsoper eine erste Wiederannäherung Carlos Kleibers mit dem Orchester, und nicht zuletzt die Geschäftstüchtigkeit aller Beteiligten sorgte für die sehr wohl noch weiter möglichen Konzertsternstunden mit Carlos Kleiber und den Wiener Philharmonikern, etwa bei den Neujahrskonzerten 1989 und 1992. Die ersten Konzerte nach 1982 gab es am 18.3.1988 im Linzer Brucknerhaus sowie am 19. und 20.3.1988 im Wiener Musikverein im Aboprogramm, zur Radioaufzeichnung davon habe ich schon geschrieben.


    Genau dieses Programm, Mozarts „Linzer“ Symphonie KV 425 und die Zweite Symphonie von Johannes Brahms, wurde am 6. und 7.10.1991 im Wiener Musikverein erneut geboten, diesmal vor Fernsehkameras. 1991 war ja Mozartjahr, und die Wiener Philharmoniker hatten allein zwischen Mitte September und Mitte Oktober 1991 drei außergewöhnliche Konzertprogramme anzubieten. Am 15.9. debütierte der greise Sandor Vegh im Konzerthaus bei diesem Orchester, live vom ORF übertragen, mit Mozarts Symphonien KV 504 und KV 543 sowie mit dem Klavierkonzert KV 488, gespielt von Radu Lupu. Am 29.9. gab es nach vielen Jahren wieder eine Zusammenarbeit mit Friedrich Gulda, der im Musikverein (und danach auch in Bratislava) Mozarts Konzert KV 466 sowie sein eigenes „Concerto for myself“ vom Klavier aus leitete, für die Wiener Gulda Fans wie ich einer war ein Pflichttermin. (Und Bekannte hatten die Ö 1 Übertragung aufzunehmen.) Und schon am 6. und 7.10.1991 folgte also der nächste Höhepunkt, eben mit Carlos Kleiber.


    Irgendwie habe ich es geschafft, das Geld für eine Karte aufzutreiben und saß also am 6.10. mittendrin auf der Musikvereinsgalerie, das erste Mal im Leben Carlos Kleiber live erleben könnend. (Das zweite und letzte Mal war dann am 18.3.1994 die erste von drei „Rosenkavalier“ Vorstellungen in der Wiener Staatsoper.) Habe nachher in meinen privaten Konzerterinnerungen zum Brahms vermerkt: Das pastorale „Feeling“ der ersten beiden Sätze, das totale Eintauchen in die romantische Welt, die herrliche innere Ruhe im Beginn des dritten Satzes, in dem die Prestopassagen wie nette kleine Keckheiten wirken, das totale Begeistertsein nach dem schon die Spannung anheizenden stillen Beginn des Finalsatzes, in diesem Klangbild, es wird unvergesslich bleiben.



    Nun also nicht mehr nur als verklärende Erinnerung, sondern mittels DVD (Philips 070 161-9, jetzt aber offenbar zur Decca gewechselt) noch einmal ganz unmittelbar zurück ins Jahr 1991. Die Musikvereinswände sind wie bei Bernstein rot verkleidet. Kleiber wird besonders herzlich vom Publikum empfangen. Und sofort mit Beginn der Musik ist diese stringente Leichtigkeit da, diese ganz spezifische Geschmeidigkeit. Kleiber zaubert wie ein Magier subtile Klangfarben aus dem Orchester. Das ist auch ästhetisch spannend anzusehen, wie er „hineinsticht“ und dann wieder erwartungsvoll „zuhört“. Wieder wiederholt er die Exposition im ersten Satz nicht. Die Wiener Geigen, ganz anders, differenzierter, klangsatt als bei Bernstein, sind trotzdem unüberhörbar WIENER Geigen, wie im Schanigarten. Erneut sitzen zwei Konzertmeister nebeneinander, diesmal Rainer Küchl und Werner Hink. Die Fernsehaufnahme wirkt perfekter als die Radioaufzeichnung von 1988, mir ist diese, die Ö 1 Aufnahme, aber genau deswegen, wegen der umso spannenderen Spontaneität, die mitschwingt, noch ein bisschen lieber.


    Ich bin überzeugt: Wieder wird es spannend zu lesen und zu diskutieren sein, welche Aufnahmen andere Capricciosi bevorzugen, was ihnen zum Werk einfällt, wie der Threadersteller nur so irren kann, weil diese und jene Aufnahme nun so gar nicht zu gefallen hat aus Gründen 1, 2, 3 usw. ;+) – ich freu mich drauf!

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Danke für die schöne Einführung zu einem meiner absoluten Lieblingswerke, eigentlich das erste, das nach Mozart bei mir voll einschlug, es muß ungefähr 1980 gewesen sein, live in der Philharmonie, nebem dem Violinkonzert, gespiet von Tretjakow.
    Das damalige Programmheft hat mich mit dem motivischen Spiel bei Brahms vertraut gemacht, allerdings auch erst bei späterem wiederlesen.
    Nur ein paar sympathische anekdotische Brahmszitate aus dem Umkreis der Zweiten:


    "Am Wörther See, da fliegen die Melodien, daß man sich hüten muß keine zu treten"


    "Die Symphonie bitte ich mit Trauerrand erscheinen zu lassen" (an einen Verleger, die Heiterkeit des Werkes ironisierend...)


    PS
    wer schafft es, im ersten Satz die synkopisch verschobene Stelle am Ende der Exposition so mitzuzählen, daß er am Ende wieder auf der Eins im Takt landet? Ich muß gestehen: mir gelingts partout nicht. Nur mit Noten, aber das ist ja leicht.
    (Es geht um die Tutti-Stelle, wo aufsteigende drei Töne zwischen hohen und tiefen Stimmen enggeführt werden, begleitet von hysterisch galoppierenden Hörnern...
    Erst am Schluß dieser Passage merkt man, daß irgendwas mit dem Rhythmus komisch gewesen sein muß, weil da im Übergang zur variierten Dur-Wiederholung des Seitenthemas irgendwie Schläge fehlen oder zuviel sind...,)


    Das "Scherzo"ist eins der großartigsten Stücke überhaupt: das erste B der Rondoform ist erstmal sowieso eine Variation von A, und das Thema ist eigentlich eine Umkehrung des Anfangsmotivs aus dem ersten Satz.
    Das des Finales übrigens auch...


    Also bei aller Heiterkeit und Besinnlichkeit bzw gnadenlos hemmungsloser Lebensfreude im Finale ist das so phantastisch beziehungsreich und motivisch dicht komponiert, daß man die relativ konventionelle Form direkt für Understatement erklären könnte:
    Wer so gekonnt ganze Symphonien aus kleinsten Motivzellen entwickelt, braucht keine formalen Experimente zu starten! (Passt auch in "Abseits, wer ists?", den thread über den konservativen versus fortschrittlichen Brahms..)


    Na ja, und es geht ja nicht nur heiter zu: in der Durchführung des ersten Satzes entwickelt das besinnliche Dreiklangsthema schon bedrohliche Qualitäten, werden die einfachen Tonwechsel des Anfangs zum saugenden Strudel...


    Das ist tatsächlich eine neue Qualität des symphonischen Komponierens, die ich in der Ersten so noch nicht bemerkt habe. Aber ich lasse mich gerne aufklären...
    Es gibt teilweise Ahnungen von dieser Dichte bei Schumann, wo die Kunst, die Sätze durch unauffällige (!) motivische Beziehungen zu verknüpfen, schon sehr entwickelt ist. Und Brahms selbst hat ja keinen Hehl draus gemacht, wieviel er Mozart und Beethoven verdankt...


    Aber diese Zweite, das ist schon echt der Hammer!

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • auch in der Instrumentierung: In den Terzen des fis-moll-Seitenthemas die Celli über die Bratschen zu setzen, verrät den Komponisten, der lange Praxis im komponieren für Orchester gesammelt hat..

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Bernstein meint, heute streiten nur Snobs, ob man Brahms mag oder nicht. Er spielt am Klavier die ersten fünf Takte an, dann zeigt er, ebenfalls am Klavier, wie Brahms aus dem zweiten Thema heraus die Musik weiter entwickelt, und er fasst zusammen, wie das erste Motiv des Werks bestimmend für alle Sätze ist. Mit dem gefilmten Konzert wird das Schwelgerische der Interpretation noch unterstrichen.

    :thumbup:
    Wenn Bernstein Brahms erklärt, das ist toll!
    Dann kann man auch "schwelgerisch" interpretieren! Die schwelgerische romantische Oberfläche mit raffiniertester motivischer Konstruktion verbunden zu haben, ist Bahms Verdienst, und ich finde, man tut dem keinen Gefallen, wenn man das konstuierte extra hervorhebt (im Musizieren): es trägt den Bau des Werkes ja eh...

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Bevor die üblichen Verdächtigen

    wieder erwähnt werden, um die in der Tat kein Sammler und Brahms Begeisteter herumkommt (Szell, Toscanini, Levine, Klemperer, Furtwängler, HvK und andere) möchte ich zwei Aufnahmen erwähnen, die heute ziemlich selten zu haben sind, aber keinesfalls vergessen werden sollten:
    Fritz Busch, der leider bereits 1951 verstarb, hinterlies eine schwungvoll und lebensbejahende Aufnahme. (13.34,8:48, 4:48, 7 :58)
    Die Aufnahme mit dem Dänischen Rundfunkorchester habe ich leider nicht als Foto gefunden, (diese hier aus London: dürfte sich aber kaum davon unterscheiden. falsch. Siehe unten)
    Garantiert Mono! :thumbup:


    Tja und dann gibt es den großen und ernsten Meister aus Leningrad. Da ist dann bereits im 1. Satz "Schluss mit lustig", da fliegt einem das "russische Blech" nur so um die Ohren.
    Ich habe diese hier von 1978


    Gruß aus Kiel

    "Mann, Mann, Mann, hier ist was los!"

    (Schäffer)

  • Die Aufnahme auf der Busch-Folge der Great Conductors IST mit dem Dänischen Orchester (1947); ich weiß nicht, ob es einen weiteren Mitschnitt gibt. Da Buschs Lehrer Steinbach unmittelbar aus dem Brahms-Kreis stammte, dürfte das eine der authentischsten Interpretationen des Werks sein. Sie ist jedenfalls sehr hörenswert.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Ahh, das ist prima!
    Dann ist es genau die Aufnahme, die ich auch habe.
    Gruß aus Kiel


    PS Es gibt noch eine mit der Dresdener Staatskapelle von 1931 Quelle "http://www.max-reger-institut.de/media/busch_diskografie.pdf".
    Da hätte ich auch gleich nachschauen können! :whistling:

    "Mann, Mann, Mann, hier ist was los!"

    (Schäffer)

  • "Die neue Symphonie ist so melancholisch, daß Sie es nicht aushalten. Ich habe noch nie so etwas Trauriges, Molliges geschrieben: die Partitur muß mit Trauerrand erscheinen. Ich habe genug gewarnt. Denken Sie denn wirklich, sich noch so ein Ding zuzulegen?" (Brahms)


    Brahms’ zweite Symphonie wird ja als seine „Pastorale“ bezeichnet. Während er lange um die Fertigstellung der ersten Symphonie ringen musste, genügte ein einziger glücklicher Sommer im Jahre 1877 am Wörther See, um die Zweite reifen zu lassen. In diesen südlichen Gefilden muss Brahms’ Seele weit und frei geworden sein, denn seine Zweite ist die unbeschwerteste und poetischste seiner vier Symphonien. Sie ist voller Grazie, Leichtigkeit und Frohsinn, wenn auch die für Brahms typische leise Melancholie unter der Oberfläche deutlich spürbar bleibt. Brahms gab diesem Werk kein Programm mit, dennoch zaubert sie viele schöne Bilder vor dem geistigen Auge – sie ist die zugänglichste aller Brahms-Symphonien.


    Zwei Aufnahmen, die mich prägten:


    Eine „gute“ Interpretation sollte nicht nur das Bild eines glücklichen Sommers vermitteln, sondern darüber hinaus – trotz des lichten Grundcharakters – das Grüblerische hinter all dem scheinbar Leichten erahnen lassen. Hinreißend hat m.E. Bruno Walter mit dem Columbia Symphony Orchestra (1960) dieses Werk interpretiert.


    1991 mit Carlos Kleiber: Ich liebe diesen Dirigenten, der Live-Mitschnitt ist großartig. Kleiber betont stärker als Walter die melancholischen Aspekte, seine Interpretation klingt dramatischer und mitreißender. Dabei vernachlässigt er aber nicht den lichten Grundcharakter, lässt auch herrlich durchsichtig spielen. Die Details kommen vielleicht noch stärker als unter Walter zur Geltung, die Aufnahme unter Kleiber wirkt auf mich dadurch insgesamt intensiver. (Wobei ich die Walter-Aufnahme aber nicht abgewertet wissen möchte, ich liebe sie beide. Besonders Walters frische Dynamik gefällt mir sehr.)


    Herrlich ist natürlich, Kleiber in Aktion zu sehen. Trotz der stellenweise auf ein Mindestmaß reduzierten Gestik durchlebt er die Musik geradezu. Was für ein Dirigent!


    Gardiner als neuere und Toscanini und Furtwängler als historische Aufnahmen liegen mir noch vor. Intuitiv greife ich am häufigsten zu Walter und Gardiner...

  • Lange Zeit war diese Aufnahme mein Favorit:



    London Classical Players; Ltg.: Sir Roger Norrington; EMI, aufg. 1992


    Der historischen Aufführungstradition verpflichtet, nimmt Norrington die Streicher zurück, sowohl in der Zahl als auch im vibratoarmen Spiel, die Holz- und Blechbläser treten deutlicher hervor, wodurch das kontrapunktische Geflecht hörbar wird (viel mehr als z. B. bei Klemperer, den ich früher als Brahms-Dirigent bevorzugte). Auch die rhytmischen Vertracktheiten werden nicht zugedeckt, sondern deutlich herausgehoben. Für mich sind das Kriterien für eine gelungene Brahms-Aufführung.


    Vor wenigen Wochen lernte ich eine weitere Einspielung kennen, die grundsätzlich den gleichen Weg geht:



    Scottish Chamber Orchestra; Ltg.: Sir Charles Mackerras; Telarc, aufg. 1997


    Mackerras gelingt es, das, was ich oben bei Norrington angeführt habe, noch klarer zu gestalten. Dabei finde ich diese Aufnahme insgesamt musikalischer, flexibler in den Tempomodifikationen und im Blech noch prägnanter, was mich vor allem im Finale hell begeistert.


    Ähnliches ist mir auch bei den anderen drei Symphonien aufgefallen: Mackerras und seine Schotten sind für mich derzeit die erste Wahl. Daß beide die Exposition im 1. Satz wiederholen, muß vermutlich nicht betont werden.


    Ich meine der Zweiten anzuhören, daß der Komponist hier - nach den jahrelangen Mühen mit seiner Ersten - entspannter und gelöster ans Werk gehen konnte. Insgesamt eine für Brahms' Verhältnisse recht helle Symphonie! In der Dritten und Vierten kommt die Melancholie wieder mehr zu ihrem Recht.


    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz


    Wissen Sie denn nicht, daß die Menschen manchmal nicht auf der Höhe ihrer Werke sind?
    Jean-Paul Sartre


    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.

    Helmut Lachenmann

  • "Die neue Symphonie ist so melancholisch, daß Sie es nicht aushalten. Ich habe noch nie so etwas Trauriges, Molliges geschrieben: die Partitur muß mit Trauerrand erscheinen. Ich habe genug gewarnt. Denken Sie denn wirklich, sich noch so ein Ding zuzulegen?" (Brahms)

    Das war das Zitat, was ich meinte, danke für die ausführliche Version!
    Ich mag die Brahmssche Selbstironie...

    Mackerras gelingt es, das, was ich oben bei Norrington angeführt habe, noch klarer zu gestalten. Dabei finde ich diese Aufnahme insgesamt musikalischer, flexibler in den Tempomodifikationen und im Blech noch prägnanter, was mich vor allem im Finale hell begeistert.


    klingt interessant.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • klingt interessant.

    Es liegt mir fern, Deine Verarmung zu befördern. :D


    Dem Werk selbst war in der Reihe Musik-Konzepte (hrsg. von H.-K. Metzger und R. Riehn) 1990 ein eigener Band gewidmet:



    Wenn ich mich richtig erinnere, beleuchten die hier versammelten Aufsätze - exemplarisch an der 2. Symphonie - kompositorische Probleme Brahms', Stichwort: "Krise der Symphonie" (Krisen, wohin man blickt... :D ).


    Kennt jemand das Buch und kann etwas dazu sagen?


    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz


    Wissen Sie denn nicht, daß die Menschen manchmal nicht auf der Höhe ihrer Werke sind?
    Jean-Paul Sartre


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    Helmut Lachenmann

  • Bei mir spielt Brahms 2. Sinfonie zwischen zwei Eckwerten : die schon erwähnte Busch - Aufnahme und Schurichts Einspielung, hier enthalten :
    Na endlich mal ein Bild !

    Good taste is timeless / "Ach, ewig währt so lang " "But I am good. What the hell has gone wrong?"

  • Die Aufnahme mit Leonard Bernstein (2 DVD Box DGG 00440 073 4331) wartet wieder mit einer kurzen Einführung durch den Dirigenten auf. Bernstein erinnert sich an leidenschaftliche Konzerte mit Sergei Kussewizki, die er in Boston erlebt hat. Und er erinnert an den Bostoner Kritiker Philip Hahn, der Brahms nicht mochte. Bernstein meint, heute streiten nur Snobs, ob man Brahms mag oder nicht. Er spielt am Klavier die ersten fünf Takte an, dann zeigt er, ebenfalls am Klavier, wie Brahms aus dem zweiten Thema heraus die Musik weiter entwickelt, und er fasst zusammen, wie das erste Motiv des Werks bestimmend für alle Sätze ist.


    Die Einführung gibt es übrigens bei Youtube, zusammen mit einer zur Ersten:


    "http://www.youtube.com/watch?v=xyUpyFm_O-k"


    Auch wenn's hier nicht ganz hinpasst: Diese ausführliche Einführung zum Kopfsatz der Vierten ist da auch zu finden: :juhu:


    "http://www.youtube.com/watch?v=wXo2Ab_KFsE&list=PL99BD88268BCF56E5"



    Viele Grüße
    Frank

  • Swetlanow (Warner, Melodiya - Aufnahme 1983)

    Der in Beitrag 5 von Hans gezeigten Mrawinsky-Aufnahme ("da fliegt einem das "russische Blech" nur so um die Ohren") möchte ich die
    Swetlanow-Aufnahme an die Seite stellen, die ebenfalls mit absolutem Herzblut und der swetlanowschen Sidehitze interpretiert ist.


    Langweilige Aufnahmen der Sinfonie Nr.2 haben bei mir keine Chancen - nur die, die das Werk "aus dem Dornröschenschlaf" holen.
    :thumbup: Dazu gehört eindeutig die Swetlanow - Aufnahme. Swetlanow, hat sich nach eigenen Worten durch Bernstein-Live-Konzerte der Sinf.Nr.1 und 2 in Wien, denen er in den 80ern beiwohnte, anregen lassen die Brahms Sinfonien auch selber aufzunehmen. Man merkt von daher deutlich den Einfluss Bernsteins bei den Sinfonien Nr., 1 und 2 (Nr.3 und 4 sind viel Eigenständiger; aber auch der helle Wahnsinn!). Was mir nicht ganz so liegt, ist das lange auszelebrierern (a la Bernstein in Wien) der Sätze 1 und in etwa auch 2 (21:22 und 10:40). Er wiederholt auch die Exposition im 1.Satz (was bei mir allerdings kein Qualitätskriterium ist, denn mein absoluten Favoriten Bernstein (SONY); und auch Szell und Karajan gestalten den Satz mit ~15Min so kurzweiliger). :angel: Im Finalsatz legt er aber dann ein für meinen Geschmack das richtige Tempo vor und bietet das Allegro con spirito als eine der spannensten Interpretationen des Satzes, die ich je hörte, in feurigen 8:48.


    *** Auch sehr erfreulich (für eine russische Aufnahme nicht selbstverständlich, wenn man an manche Mrawinsky-Aufnahmen denkt) ist die wirklich gute Klangtechnik dieser Brahms-Sinfonien -GA (1. + 2.von 1983; 3.+4. von 1982). Ein Detailreichtum (und absolut kein Klangbrei) gepaart mit Swetlanows fabelhaft disponiertem Staatlichen SO der UDSSR und seinen fantastischen Blechbläsern. Da kommt mit Swetlanow richtig Hörspass auf !



    WARNER, Melodiya-Aufnahmen 1982-83
    Es ist nicht angegeben ob ADD oder DDD (ich vermute eher ADD) - ist ja auch vollkommen egal und kein Klangkriterium !

    ______________


    Gruß aus Bonn


    Wolfgang

  • Dorati (Newton, 1957)

    Ich möchte auf eine noch weitere Spitzen-Aufnahme der Sinfonie Nr.2 mit Dorati / Mineapolis SO (Newton, 1957) hinweisen. Ich habe der Aufnahme, die wegen des recht starken Rauschfaktors und über die Boxen gehört einen etwas historischen Klang offenbart, zuerst nicht die volle Aufmerksamkeit geschenkt (die 2te ist die Älteste in der Dorati-Brahms-GA und die einzige mit dem Mineapolis SO). Gestern mit Kopfhörer gehört wirkte diese auch klanglich weit angenehmer.
    :thumbup: Und ich kann nur sagen: Diese Int tritt in die gleichen begeisterungswürdigen Fussstapfen, wie die im Vorbeitrag mit grosser Begeisterung genannte Swetlanow-Aufnahme. Mit unbändiger Energie spornt Dorati das Orchester zu energiegeladenen Grosstaten an. Die Blechbläser haben sogar das russische Feeling derSwetlanow-Aufnahme.
    OK, die Exposition des 1.Satzes wird nicht wiederholt - sei es drum. Von daher auch die flotte und für meinen Geschmack voll angemessene Spielzeit insgesamt. Hier die straffen Daten aller 4 Sätze: 13:53 - 9:46 - 4:33 - 9:01.



    NEWTON, 1959-1963, 1957 (2.), ADD




    :vv: Auch mein bei mir alteingesessener Favoritfür die Brahms-Sinfonien insgesamt - Solti / Chicago SO (Decca) (der bei den Brahms-Sinfonien alle Wdh-Zeichen beachtet) tritt in diese erwähnten Fussstapfen. Die Blechbläser des Chicago SO wirken absolut perfekt und präsent. Es gibt Leute bei Capriccio, die das als Brasssound bezeichnen. Aber an die Wucht, die Sidehitze offenbarende Klangfeeling der Russen (bei Swetlanow) kommen die einfach nicht heran.

    ______________


    Gruß aus Bonn


    Wolfgang

  • Brinkmann / Carlos Kleiber


    Ja. Es handelt sich nicht wie sonst oft bei den Musik-Konzepten um einen Sammelband mit Aufsätzen, sondern um eine Monographie von Reinhold Brinkmann (1990 erschienen). Gibt erschöpfend Auskunft zu Entstehungsgeschichte und Konzeption des Werks und beinhaltet vor allem eine ca. 100seitige Analyse des Werks, die über weite Strecken auch von musiktheoretisch Halbgebildeten wie mir relativ gut nachvollzogen werden kann. Es werden auch ein paar Aspekte der Interpretationsgeschichte (Tempofragen usw.) anhand von etwa zwölf Aufnahmen der Symphonie behandelt. Gehört insgesamt sicher zu den empfehlenswerteren Bänden der Reihe.



    Die beiden von Alexander im Eingangsbeitrag empfohlenen Aufnahmen mit Carlos Kleiber und den Wiener Philharmonikern finde ich großartig, teile auch Alexanders vergleichende Einschätzung: der Rundfunkmitschnitt von 1988 orchestral nicht ganz perfekt, aber ungeheuer lebendig, die spätere Fernsehaufzeichnung etwas gesetzter, aber nur in Nuancen. In beiden Fällen höre ich ein unnachahmliches Fließen der Musik, eine große Natürlichkeit der (geringen) Tempomodifikationen und (bei den Wiener Philharmonikern nicht immer gegeben) eine schöne Balance zwischen klanglicher Wärme und Transparenz.


    Beide Mitschnitte gibt es auch online:


    Rundfunk 1988: "http://www.youtube.com/watch?v=SC31NjiGVvs"


    Fernsehen 1991: "http://www.youtube.com/watch?v=APYhgPuozIc"



    Viele Grüße


    Bernd

    .

  • Danke lieber Bernd für Deine Einschätzung der Kleiber Aufnahmen.
    Übrigens ist mir (Bernstein und Kleibers Fernsehaufnahmen gesehen habend) aufgefallen, dass Kleiber die deutsche Orchesteraufstellung bevorzugt, mit den Celli in der Mitte.
    Am Sonntag 9.6.2013 gibt es um 8 Uhr am Morgen die Möglichkeit, eine Fernsehaufnahme dieses Werks mit Mariss Jansons im NDR zu sehen und zu hören. Die Aufnahme stammt vom Lucerne Festival 2012, es spielt das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
    "http://www.ndr.de/fernsehen/epg/epg1157_sid-1372999.html"
    Ich werde das sicher aufnehmen.
    (Unmittelbar danach folgt laut Programmvorschau als "Musik-Füller" die Akademische Festouvertüre.)

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Ähnlich wie bei Mahler lassen sich Leonard Bernsteins Aufnahmen was Johannes Brahms betrifft in drei Abschnitte gliedern. Nach einer Aufnahme der 4. Symphonie 1953 mit dem New York Stadium Symphony Orchestra für Decca nahm Bernstein in den 60ern die vier Symphonien mit den New Yorker Philharmonikern für Columbia (CBS/Sony) auf, in den 70ern entstanden Fernsehaufnahmen der vier Symphonien (1 und 3 in Israel, 2 und 4 in Tanglewood, Unitel Classica), und in den 80ern gab es dann noch einmal alle vier, diesmal für Ton- und Bildträger, mit den Wiener Philharmonikern (DGG, CD und DVD).



    Bernstein war selbst Student bei der alljährlichen Sommerakademie des Berkshire Festivals in Tanglewood. Später kehrte er als Leiter der Dirigentenklasse und als Berater immer wieder dorthin zurück. Die Fernsehaufnahme der Symphonien 2 und 4 mit dem Boston Symphony Orchestra entstand im August 1972 (DVD medici arts/Unitel Classica 2072138). Sommerliche amerikanische Atmosphäre vermittelt schon die Kleidung bei der Aufführung der 2. Symphonie, Bernstein dirigiert in einem grauen Blazer, das Orchester spielt in Hellblau, in Mitteleuropa ungewöhnliche Farben bei klassischen Konzerten. Bernsteins Unbedingtheit und mitreißende Leidenschaft packt hier einmal mehr, er scheut sich auch nicht vor Schwelgereien, ohne allerdings dabei ins Kitschige abzugleiten. Bei Bernstein ist diese 2. Symphonie Bekenntnismusik, er ist mit Leib und Seele dabei und zieht alle mit. Akustisch wirkt alles etwas blass, ein quasi nur sanft in die Breite erweiterter Mono-Mischklang ist zu hören. Die klangtechnischen Möglichkeiten bei Fernsehaufnahmen wurden seither erheblich verfeinert. Ich habe die Symphonie nach ein paar Wochen Pause erstmals wieder gehört und konnte die kompositorischen Feinheiten fast wie neu miterleben. Was war Brahms doch für ein einmaliger Symphoniker, was war Bernstein doch für ein unvergleichlicher Bekenntnismusiker!

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • RE: Bernstein

    Was war Brahms doch für ein einmaliger Symphoniker, was war Bernstein doch für ein unvergleichlicher Bekenntnismusiker!



    :-OOOO- Ein toller Schlusssatz, lieber Alexander, der unendlich viele Wahrheiten in jeder Hinsicht beeinhaltet. :vv:


    Schade, dass die Bostoner Aufnahmen klangtechnisch nicht auf analogem CD-Niveu sind und in Mono. Sonst hätte ich mich dafür interessieren können. Aber mit Bernsteins Aufnahmen (SONY und DG) - ganz besonders mit Bernstein/NY (SONY), bin ich sehr sehr zufrieden.

    ______________


    Gruß aus Bonn


    Wolfgang

  • Hallo,


    mein Bestand an Aufnahmen dieser Symphonie liegt bei ungefähr: 60.


    Ich greife immer wieder auf A. Toscanini (NBC Orchestra, 1952), A. Dorati (Minneapolis Symphony Orchestra) oder Ch. v. Dohnányi (Cleveland Orchestra) zurück.


    Aber besonders empfehlen kann ich die Aufnahme aus den 1970er Jahren von H. v. Karajan. Ich bin kein überaus großer "Fan" von H. v. Karajan. Aber diese Einspielung ist eine Aufnahme der Spitze der Spitzenklasse.



    z. B. aus dieser Zusammenstellung


    Bis dann.

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