Dreh- und Angelpunkte der Rede waren Geburt und Tod. Ich habe diese nicht so aufgefasst, als habe Frau Lewitscharoff für/gegen künstliche Befruchtung und Ähnliches plädieren wollen sondern einfach ein intimes Stimmungsbild gezeigt. Deshalb kommt es mir so vor, als ginge die meiste Kritik an ihren Äußerungen (mal abgesehen vom Nazivergleich) vorbei. Sie macht nicht erst im ZDF-Morgenmagazin deutlich, dass ihr die eigenen Gefühle nicht geheuer sind (nur soviel zum Stichwort "Überlegenheitsdenke"). Beim Vorwurf des religiösen Fanatismus, des antimodernen Familienbildes, der Verklemmtheit kann ich nur mit dem Kopf schütteln. All ihre Bewunderung für ihre so gestriggläubige Großmutter speist sich doch nur aus dem Eindruck, dass diese eine ganz eigene Fähigkeit hatte, sich von den Zumutungen des Lebens nicht unterkriegen zu lassen. Dass eine solche Fähigkeit heute niemand mehr entwickeln kann und will, auch Frau Lewitscharoff nicht, ist doch völlig klar. Ähnlich wirksame Fähigkeiten, aber ohne Auferstehungshoffnung, ohne Rückhalt einer jahrzehntelang zusammengewachsenen Familie, ohne Monogamie sind gefragt und werden anscheinend oft nicht gefunden. Und das bedeutet, dass Frau Lewitscharoff zum Rückwärtsgang auffordert?
Die Provokation, wenn man auf dieses Etikett nicht verzichten kann, beginnt doch dann schon am Anfang der Rede. Als Kind war sie mit dem Selbstmord ihres Vaters, eines Gynäkologen, konfrontiert. Was ist schlimmer, das Leiden, das einen Menschen zu dieser Tat treibt oder das Leiden, das den Hinterbliebenen damit angetan wird? Man muss nicht versuchen, diese Frage zu beantworten und man kann es unangemessen finden, dass Frau Lewitscharoff ihre Vorwürfe gegen ihren Vater derart unverblümt öffentlich gemacht hat. Mir käme es allerdings absurd vor, ihr nun vorzuwerfen, sie habe Suizidgefährdete herabwürdigen wollen.
Sie zeigte sich angewidert vom Sterbetheater, dass sie bei nahestehende Menschen miterleben musste. Ist das menschenverachtend? In meinen Ohren klang das nach schierer Angst, dass so etwas "dem Menschen", also vielleicht auch ihr selbst, drohen kann.
In ihrem Auftritt im ZDF-Morgenmagazin sagt sie noch vor dieser aufgedrängten Zurücknahme des Halbwesen-Satzes, dass diese ihre Abscheu vor dem "künstlich" gezeugten Menschen genau in dem Moment gegenstandslos wird, da es um einen konkreten Menschen geht. Und das wäre nicht bereits in ihrer Rede deutlich geworden? Ich staune.
Viele Grüße