HOLLIGER : Schneewittchen - Ein Märchen über ein Märchen über ein Märchen...
Am bekanntesten ist der Schweizer Heinz Holliger den meisten sicherlich als herausragender Oboist für den zahlreiche Stücke geschrieben wurden, u.a. von Hans Werner Henze, Krzysztof Penderecki, György Ligeti, Elliott Carter, Witold Lutoslawski, Karlheinz Stockhausen oder Luciano Berio. Er hat sich sowohl für die Neue Musik eingesetzt, als auch für vergessene Komponisten aus dem 18. Jh. wie Jan Dismas Zelenka and Ludwig August Lebrun.
Aber er war eben auch selbst Komponist. Sein Werk erstreckt sich auf alle Genres.
Als Auftragswerk für die Bühne schrieb Holliger die Oper „Schneewittchen“, die 1998 am Opernhaus Zürich uraufgeführt wurde. Der Komponist hat den Text aus dem Werk von Robert Walser, in diesem Text treffen sich, im Gegensatz zu Grimms Märchen, die Schatten der Figuren nach der eigentlichen Geschichte. Die Figuren sind Schneewittchen, das Königspaar, der Prinz und der Jäger. Alle sind weniger das, als was wir sie im alten Märchen kennen. Es ist eine psychoanalytische Überarbeitung des Märchens, die Analyse der komplexen Beziehungen zwischen den Rollen
Die Königin ist hier z.B. nekrophile Bestie, liebende Mutter und Nymphomanin von einem zum anderen Moment.
Roman Brotbeck erkennt in dieser Oper die Vermischung von Monoperspektive und Polyperspektive und geht so weit zu sagen :
„Die reale Handlung ist mithin ein 'Maskenball', etwas Vorgespieltes, um zu verstecken, dass hier einer eine Monoperspektivik als fünffache Persönlichkeitsspaltung durchführt und sich quasi in eine pentaphone Schizophrenie hineinsteigert.“
Besetzung :
Schneewittchen · Sopran
Königin · Mezzosopran
Prinz · Tenor
Jäger · Bariton
König · Bass
Die Entwicklung von der Monoperspektive in sich langsam auffächernde Polyperspektiv ist im vorangestellten Prolog Holligers (in Walsers Stück gibt es keinen) exemplarisch dargestellt : Orchester und Sänger atmen alle gleichzeitig, daraus entsteht ein Unisono-Ton, alle Sänger singen auf derselben Tonhöhe und erst dann finden sich allmählich alle Stimmen in ihre eigene Lage.
Aufbau
Prolog
1.Szene 1
2.Interlude 1-2 (Invention)
3.Szene 2, Teil 1
4.Fughetta (In Nomine Fluminis)
5.Szene 2, Teil 2
6.Interlude 2-3
7.Quasi Fuga
8.Szene 3
9.Interlude 3-4
10.Szene 4
11.Interlude 4-5
12.Szene 5
13.Epilog (Choral-Variationen)
Holliger selbst findet :
„Wichtig ist mir natürlich die Rondoform...Ständig wird das Gleiche gespielt, aber nie eine Lösung gefunden. Im Text von 'Schneewittchen' gibt es mindestens drei solcher Rondo-Durchgänge, die ich natürlich auch in der Musik ausgenützt habe.“
Es finden sich auch allerlei musikhistorische Zitate aus anderen Werken.
Einen Artikel zum Werk und dessen Aufführung gibt es hier : "http://www.zeit.de/1998/44/Zerstaeubte_Klangfarben“