Ligeti, György: „Requiem“ (1963-65) und „Lux aeterna“ (1966)
„Requiem“ und „Lux aeterna“ entstanden in zeitlicher Nähe. Beider Text ist der Missa pro defunctis der katholischen Kirche entnommen. Beide Werke haben einen für neue Musik ungewöhnlichen Bekanntheitsgrad durch Verwendung in Stanley Kubricks Film „2001: A Space Odyssey“/“2001: Odyssee im Weltraum“ erhalten. Darum, und weil ein eigener Thread für „Lux aeterna“ vielleicht etwas schmal wäre, mögen beide hier gemeinsam besprochen werden.
Ligeti begann bereits im Jahr 1953, damals noch in Ungarn, mit dem Konzept für eine Requiem-Komposition und notierte einige Skizzen. Im Jahr 1956 griff er diesen Gedanken nochmals auf, bis seine Flucht nach Wien andere Themen wichtiger werden ließ.
1963 erhielt der Komponist vom Schwedischen Rundfunk den Auftrag für ein größeres Werk, das zum zehnjähriges Bestehen der Konzertreihe „Nutida musik“ uraufgeführt werden sollte. Er nahm den früheren Gedanken wieder auf und vertonte aus dem kanonischen Text der Missa pro defunctis den Introitus „Requiem aeternam“, das Kyrie sowie die Sequenz „Dies irae“, die er korrekterweise mit „De die judicii sequentia“ überschrieb. Von Letzterer trennte Ligeti die letzten sechs Zeilen („Lachrimosa“) als eigenen Satz ab und gab ihm die Rolle eines nach innen gekehrten Epilogs; die Chöre schweigen darin, der Orchestersatz ist recht sparsam. Die übrigen Teile (Offertorium, Sanctus, Agnus Dei und Communio) setzte er nicht in Musik, was eventuell dem gesetzten Termin der Uraufführung am 14. März 1965 geschuldet war. Damit war das Werk viersätzig: 1. Introitus, 2. Kyrie, 3. De die judicii sequentia, 4. Lachrimosa.
Die Besetzung sieht Sopran und Mezzosopran als Solisten vor, ferner zwei fünfstimmige Chöre (Ligeti: „Mindestens hundert Sänger“) und ein groß besetztes Orchester mit dreifachem Holz (auch Piccolo, Englisch Horn, Es-, Bass- und Kontrabassklarinette, Kontrafagott), vier Hörnern, drei Trompeten, Basstrompete, 2 Posaunen, Kontrabassposaune, Kontrabasstuba, Schlagzeug, Celesta, Harfe, Cembalo und Streichern. Liliana Poli, Barbro Ericson sowie Chor und Orchester des Schwedischen Rundfunks brachten das Werk unter Michael Gielen in Stockholm zur Uraufführung. Die Chöre wurden von Eric Ericson einstudiert.
Die beiden Chöre werden nicht antiphonal eingesetzt, der zweite Chor dient lediglich fallweise der Verstärkung des ersten Chores. Die vom Komponisten in der Partitur vorgegebene Aufstellung trägt dem Rechnung: Die Stimmen des zweiten Chores stehen hinter oder neben ihren Gegenstücken im ersten Chor. - In einer revidierten Fassung aus dem Jahre 1997 verlangt Ligeti nur noch einen Chor.
“Lux aeterna“ (1966) erscheint vor dem Hintergrund des nicht vollständig komponierten Requiem-Textes wie eine Ergänzung, doch ist die Klangwelt dieses Werkes eine andere, ungleich zerbrechlichere – nicht nur durch die a-capella-Besetzung mit einem 16stimmigen gemischten Chor. Clytus Gottwald brachte das Werk am 2. November 1966 mit der Schola Cantorum in Stuttgart zur Uraufführung.