Joachim Raff - Kammermusik
Eine kleine Renaissance erlebt zur Zeit der deutsch-schweizerische Komponist Joachim Raff (1822- 1882), der im "Schulenstreit" des 19. Jahrhunderts ähnlich zwischen den Stühlen saß wie Felix Draeseke. Im Gegensatz zu Draeseke war er allerdings zu Lebzeiten sehr erfolgreich und war auch außerhalb Deutschlands ein anerkannter Komponist (z.B. schätzte ihn Tschaikowsky sehr). Insbesondere seine Symphonien genossen hohes Ansehen - auch, weil Brahms seine Beiträge noch nicht komponiert hatte. Dennoch sank sein Stern bereits kurz nach seinem Tod, wahrscheinlich schon in seinen letzten Lebensjahren. Das mag vor allem daran liegen, dass weder die "Leipziger" noch die Neudeutschen für Raffs Musik Sympathien hatten, und nachdem Raffs Freund und Förderer von Bülow gestorben war, wurde es sehr still um Raffs Musik.
Im Rahmen der - noch recht bescheidenen - Wiederentdeckung Raffs scheint mir allerdings vor allem die Orchestermusik im Blickpunkt zu stehen, weniger seine Kompositionen auf anderen Gebieten. Sehr zu Unrecht, wie ich finde. Denn während ich mit Raffs Symphonien bis jetzt noch nicht warm geworden bin, halte ich einige seiner Kammermusiken für ganz hervorragend. Dieser Thread soll einen Überblick über Raffs Kammermusikschaffen bieten.
Raff schrieb, so weit mir bekannt: 8 Streichquartette, 1 Streichoktett, 1 Streichsextett, 1 Klavierquintett, 2 Klavierquartette, 4 Klaviertrios, 5 Violinsonaten und 1 Cellosonate.
Bis auf die Cellosonate und jene Streichquartette, die bisher noch nicht eingespielt wurden (3-5 und 8), besitze ich alle von den angeführten Werken Aufnahmen. Die Qualität der Musik ist nicht durchgehend gleich hoch (aber immer zumindest gut), aber so manches würde ich als wirklich hervorragend bezeichnen. Ähnlichkeiten weist Raffs Musik am ehesten mit der Camille Saint-Saens' auf: Im Grundsatz ekklektizistischer, nicht epigonaler!, Stil mit hoher kompositorischer Meisterschaft und einzigartigem Klangsinn. Letzterer kommt vor allem Raffs Kompositionen mit Klavier zugute, weshalb mich auch seine Kammermusiken für Streicher und Klavier am meisten überzeugen. Allen voran begesitern mich 4 Klaviertrios, die für mich alles aufweisen, was gute Kammermusik haben sollte: Stringenz, Klangbalance und gute Themen. Vor allem das vierte Klaviertrio, op. 158, ist für mich ein wirklicher Reißer. Ähnlich gut, aber mit weniger markentem thematischen Material gesegnet, sind die Klavierquartette und das Klavierquintett, für welches sich von Bülow so begeisterte. Sehr hörenswert sind auch das Streichsextett und das Streichoktett. Die Streichquartette (1,2, 6, 7) und die Violinsonaten finde ich ein gutes Stück weniger interessant, nicht zuletzt deshalb, weil ihnen die Stringenz der zuvor genannten Werke abgeht.
Einige empfehlenswerte Aufnahmen:
Die Klaviertrios sind bereits auf 5.99 euro herabgepreist. Da heißt es also zugreifen ;+) .
Mehr zu den einzelnen Werken ein anderes Mal.