Sollten Laien schwerer, als sie können?

  • Muss die Arbeit eines musikalischen Laien-Ensembles eine öffentliche Aufführung zum Ziel haben, oder kann sie vielleicht ohne den damit verbundenen Druck unter Umständen sogar mehr persönlichen Gewinn bringen?

    Ich vermute mal: Wenn man regelmäßig zu Hause übt, dazu wenigstens einmal wöchentlich im Ensemble spielt, macht man dies ja mehrfach auf Kosten der Umgebung. Was ein Gewinn auf der einen Seite, ist ein Verlust an sozialen Kontakten auf der anderen Seite. Schon Jugendliche pflegen ja einen rigiden Terminkalender in ihrer Freizeit zu haben. Die Angehörigen, die nun immer nur die eine Stimme (schön, wenn es eine "Mittelstimme" ist) zu Gehör bekommen, können sichin der Regel keinen Reim darauf machen.

    Von daher denke ich, dass eine (halb-)öffentliche Aufführung das Mindeste ist, nur selten werden solche Aufführungen wiederholt (auch hier spielt der allseite Terminzwang eine Rolle). Wer also die Aufführung verpasste, weil er mit seinen Kindern zu einem Kindergartenfest gehen "musste", dem möchte man vielleicht auch das Zusammenklingen des bislang nur partikular gehörten ermöglichen.

    Das Gegenbild ist das "still[!]vergnügte Streichquartett" von erfahrenen Musikfreunden, die nur für sich musizieren und auf Öffentlichkeit überhaupt keinen Wert legen, weil es die gewählte Intimität des Zusammenspiels zerstören würde. Das gilt sicher für alle Formen der Hausmusik, wo es die noch gibt. Aber da erleben eben auch die Leute, die der Qual des Übens (und der größeren, das akkustisch mitzuvollziehen) ausgesetzt sind, die Aufführung, da braucht es keinen größeren Kreis.

    Aber ein Orchester ist eben kein Streichquartett, da drängt es die Beteiligten zur (eingeschränkten) Öffentlichkeit.

    Liebe Grüße Peter

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)

  • Als jemand, der selber in einem Laienorchester musiziert und auch öffentlich aufführt, stellen sich mir beim Hören der Mitschnitte jenes "niederenglischen" Ensembles folgende Fragen.

    Klar: sie müssen schwer an ihrer Intonation arbeiten; das ist m.E. ein Versäumnis des Dirigenten. Allein, wenn ich Streicher, Blech und Holz zusammenführen möchte, komme ich schon mal um eine gründliche Einstimmung nicht hinaus; das kann erfahrungsgemäß bis zu einer halben Stunden dauern....allein schon innerhalb der Holzbläser...

    Dann stellt sich auch die Frage, ob das Orchester regelmäßig gemeinsam probt, z.B. einmal wöchentlich, oder ob es sich auf einen Aufführungstermin hin z.B. einige Wochenenden zuvor zusammensetzt. Das kann natürlich schwer in die Hose gehen, wenn die Leute ihre Stimme bis dahin nicht geübt haben.

    Mein Eindruck war dahingehend, daß womöglich letzteres der Fall ist, da jeder Einzelne sehr mit seiner Stimme beschäftigt scheint, und daher das Stadium eines Gesamtklangs, das sich erst ergeben kann, wenn ich neben meiner Stimme auch Antennen für meine Mitspieler ausfahren kann, hier noch nicht erreicht ist. Das ist schade - aber kein Grund zur Häme.

    Immerhin hat man bei YT die Möglichkeit, etwas Motivierendes in der Richtung zu posten: arbeitet an Eurer Intonation, übt und macht Euch so frei, daß Ihr Eure Ohren in den Raum richten und den Blick über das Notenpult riskieren könnt ;+) .

    Vorostergrüße

    Magus

    "Whenever we hear sounds, we are changed, we are no longer the same..." Karlheinz Stockhausen 1972

  • Zitat

    Allein, wenn ich Streicher, Blech und Holz zusammenführen möchte, komme ich schon mal um eine gründliche Einstimmung nicht hinaus; das kann erfahrungsgemäß bis zu einer halben Stunden dauern....allein schon innerhalb der Holzbläser...

    Am Rande bemerkt: Von dergleichen in etlichen Laienorchestern leider üblichen Einstimmorgien halte ich aufgrund langjähriger Erfahrungen überhaupt nichts. Klar, die Streicher müssen ihre Instrumente vernünftig stimmen, aber wenn ich als Bläser nicht über ein Mindestmaß an genereller Intonationssicherheit verfüge und einigermaßen weiß, wo ich mich mit meinem Material befinde, ist es verlorene Zeit, ewig lange nach dem richtigen a zu suchen. Nach Auffinden desselbigens stimmt dann der nächste Ton im nächsten Akkord schon wieder nicht mehr....

    Viele Grüße

    Bernd

  • Schade! Es gelingt mir nicht, das Video erst anzuhören.

    "Solange Menschen denken, dass Tiere nicht fühlen, müssen Tiere fühlen, dass Menschen nicht denken."

    (Unbekannt)

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    Das Video aus dem ersten Beitrag, das ja nach kurzer Zeit gelöscht wurde, wurde wieder hochgeladen!

    Bei ca. 5:17 gibts einen Schwenk über das Publikum - die pure Begeisterung! :D

  • Bei ca. 5:17 gibts einen Schwenk über das Publikum - die pure Begeisterung! :D


    Naja, sein Publikum kann man sich halt nicht immer aussuchen.

    Sicherlich verfügst Du da über bessere Erfahrungen, wenn Du konzertierst.

    Grüße

    Magus

    "Whenever we hear sounds, we are changed, we are no longer the same..." Karlheinz Stockhausen 1972

  • Ich überlasse das konzertieren denen, die es können, und gebe mich keinen falschen Illusionen hin


    Warum so schüchtern?

    Im Internet scheint man doch so ziemlich alles tun zu dürfen, von dem man keine Ahnung hat. Egal welches Thema.

    Außer Konzertieren gibt es doch so viel: Diskussionen über Fußball, Literatur, Musik jeder Richtung, Orchideen, Autos, Haustierhaltung ... wie hoch würdest Du denn die Latte legen wollen, um beispielsweise über etwas zu schreiben?

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • gibts einen Schwenk über das Publikum

    Hmmm, was hättest Du denn erwartet, dass das Publikum vor Begeisterung auf den Bänken tanzt?
    Z.B. hier "

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    " scheint mir das Publikum auch nicht begeisterter auszuschauen (ich hab übrigens nur deshalb die Berliner Philharmoniker ausgewählt weil ich weiss dass hier die Chance höher ist das Publikum zu sehen weil da hinter dem Orchester noch Sitzplätze sind also bitte nicht als Kritik an den Musikern auslegen!)
    Wenn es nach den Begeisterungsausbrüchen des Publikums geht würde ich mal die These aufstellen, dass der mangelnde Enthusiasmus an der Art der aufgeführten Musik liegt . Bei einem Rock/Popkonzert wo die Musiker Laien sind und ähnlich viele "falsche" Töne usw. produzieren wäre die Stimmung wohl trotzdem super, das gibt HuG halt nicht her...:-I

  • Bei einem Rock/Popkonzert wo die Musiker Laien sind und ähnlich viele "falsche" Töne usw. produzieren wäre die Stimmung wohl trotzdem super, das gibt HuG halt nicht her...:-I

    Da hast du völlig recht. Bei Rock/Popmusik erwartet man keine Höchstleistungen oder irgendeinen Anspruch, da zählt das Auftreten mehr.

    Aber ich denke, dass das Publikum auch wenig begeistert wäre, wenn der Walkürenritt oder z.B. Mozarts Requiem derart verschandelt werden. Hat nichts mit HUG selber zu tun.

    Ich habe nicht erwartet, dass das Publikum völlig ausrastet - das wäre angesichts des überwiegend älteren Publikums auch schwer vorstellbar :D
    Was ich vielmehr witzig fand war, dass man in vielen Gesichtern sehen kann, dass die unangenehmen Klänge, die da produziert wurden, auch ein bisschen wehtaten.

  • Da hast du völlig recht. Bei Rock/Popmusik erwartet man keine Höchstleistungen oder irgendeinen Anspruch, da zählt das Auftreten mehr.

    Ich glaube darauf können wir uns einigen. Bei dem Auftritt dieses Orchesters erwartet genausowenig jemand eine Höchstleistung/hat einen Anspruch wie bei einem Laien-Rock/Popmusik-Auftritt. Das Publikum tut mir auch nicht allzu arg leid, da gibt es sicher einen groß genugen Teil der gar nicht merkt wie falsch gespielt wird (es sind ja nicht alles so "Musikvielhörer" wie die Leute hier im Forum). Und die Leute die davon Ahnung haben, werden keine falschen Erwartungen an die Veranstaltung haben weil sie eben wissen dass es hier keine Höchstleistung gibt.

  • Das Publikum tut mir auch nicht allzu arg leid, da gibt es sicher einen groß genugen Teil der gar nicht merkt wie falsch gespielt wird

    Ich weiß dass es Leute gibt die auf der 1 und der 3 klatschen, und dass es Leute gibt die ein Halbtonintervall nicht hören können. Aber bei DIESEM Auftritt nicht zu merken, dass das ein klein wenig schief klingt, und NICHT taub zu sein, das halte ich für unmöglich.

    dass es hier keine Höchstleistung gibt.

    In diesem Fall gab es eigentlich gar keine Leistung. Die Intonation und das Timing waren völlig daneben. M. Schlechtriem hat schon einmal gesagt, dass man im Orchester nicht einfach nur für sich alleine seinen Part runterspielt, sondern auch auf die anderen hören muss. In diesem Video aber scheint jeder für sich zu spielen, ich sehe da überhaupt keine Versuche, irgendwie wieder "reinzukommen" - was (und das muss man fairerweise auch sagen) natürlich schwierig ist, wenn der Rest auch nicht passt.

  • Aber bei DIESEM Auftritt nicht zu merken, dass das ein klein wenig schief klingt, und NICHT taub zu sein, das halte ich für unmöglich.

    Da gibt es 2 Aspekte.
    Du weißt halt wie es sich anhören sollte, ich bin schwer davon überzeugt dass es Musikrichtungen gibt die dem Ergebnis dieses HuG nicht ganz unähnlich sind. Woher soll jemand der sich nicht damit auskennt das auseinanderhalten können?
    Ich kenne Leute (die ich in Konzerte mitgenommen habe) die ein Piccoloflötensolo nicht aus dem Profiorchester raushören. Die sind nicht taub aber ich würde auch nicht drauf wetten, dass die merken, dass hier was nicht stimmt (ist im Prinzip ja von Vorteil für die Musiker und für die Zuhörer).

  • Du weißt halt wie es sich anhören sollte

    Das stimmt, aber ich denke, auch wenn ich ein Konzert besuchen würde von einem Stück das ich NICHT kenne und nicht in den Ohren habe, und das dann derart verhunzt klingt, würde ich das ebenfalls merken.

    ich bin schwer davon überzeugt dass es Musikrichtungen gibt die dem Ergebnis dieses HuG nicht ganz unähnlich sind.

    Das sicher, aber das Thema HUG sowie die Entstehungszeit sprechen nicht wirklich für Zwölftonmusik oder irgendwelche Klangspielereien aus dem 20. Jahrhundert. Auch wurde das Stück in einer Kirche oder sowas aufgeführt, da glaube ich auch nicht, dass die da sowas aufführen würden.

  • Bei Rock/Popmusik erwartet man keine Höchstleistungen oder irgendeinen Anspruch, da zählt das Auftreten mehr

    Wer ist "man"? Schreib doch lieber "merkatz".
    Ich jedenfalls erwarte auch dort, daß sich die Musiker mit der Musik so weit beschäftigt haben, daß sie zu jedem Ton stehen können.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Es ehrt dich ja, wenn du gleich auf die Barrikaden steigst, wenn jemand etwas pöses über die Rockmusik sagt.

    Du hast sicher Verständnis dafür, dass mich dein erneuter Versuch, MICH hier zum Gesprächsthema zu machen, herzlich wenig tangiert. :tee:

  • Hier noch mal meine Begründung, dass man so etwas nicht öffentlich darbieten darf:

    Ich habe lange Jahre in einem Laienorchester gespielt. Auch der Dirigent war kein Profi. Und manche Musiker hatten es nicht so mit dem Üben. Manche Stücke hätten uns überfordert. Aber: In so einem Fall hätte der Dirigent gesagt, das wird so nicht aufgeführt. Entweder:

    - Mehr und länger üben, Aufführung ggf. verschieben. Oder:
    - Ein paar "Helfer" (Profimusiker) organisieren, welche die heiklen Stellen durchziehen. Oder:
    - Das Stück komplett beiseite legen.

    So etwas kann und muss man von jedem Orchester verlangen, selbst von Kinderorchestern, und das wird im Normalfall auch so gehandhabt.


    Und man muss da immer drauf hinweisen, sonst reißt das ein, am Ende gibt es dann Erlebnisse wie vor ein paar Jahren in Palermo:

    Ballett "Nussknacker", Palermo, Teatro Massimo (Italiens größtes und Europas drittgrößtes Opernhaus). Äußerst mittelmäßige Vorstellung. Aber die Besucher waren hin und weg. "Che bello!"

    Zwei Wochen später der "Schwanensee" in Dortmund. Deutsche Provinz. Die Vorstellung war um 3 Klassen besser, da lagen Welten dazwischen. Wie kann es sein, dass eine überschuldete Provinzstadt eine Weltstadt mit einem weltbkannten Opernhaus so alt aussehen lässt: Das liegt nicht am Geld. Das liegt daran, dass das Publikum in Palermo offensichtlich null Qualitätsanspruch hat. Sowas zieht sich dann durch die gesamte Gesellschaft.


    Thomas

  • Und man muss da immer drauf hinweisen, sonst reißt das ein, am Ende gibt es dann Erlebnisse wie vor ein paar Jahren in Palermo:

    Ballett "Nussknacker", Palermo, Teatro Massimo (Italiens größtes und Europas drittgrößtes Opernhaus). Äußerst mittelmäßige Vorstellung. Aber die Besucher waren hin und weg. "Che bello!"

    Zwei Wochen später der "Schwanensee" in Dortmund. Deutsche Provinz. Die Vorstellung war um 3 Klassen besser, da lagen Welten dazwischen. Wie kann es sein, dass eine überschuldete Provinzstadt eine Weltstadt mit einem weltbkannten Opernhaus so alt aussehen lässt: Das liegt nicht am Geld. Das liegt daran, dass das Publikum in Palermo offensichtlich null Qualitätsanspruch hat. Sowas zieht sich dann durch die gesamte Gesellschaft.

    Man sollte die Größe des Gebäudes nicht mit der Größe der Institution verwechseln. Nur weil das Teatro Massimo mehr Zuschauer fasst als die Münchner oder Wiener Staatsoper, ist die dort beheimatete Oper noch nicht eine der großen Europas.

    Auch wenn man sich in Palermo seit den 90er Jahren anscheinend wieder berappelt hat: Man spielt nach wie vor eine Stagione-Sparversion mit 7-9 Opern pro Spielzeit. Es würde mich nicht wundern, wenn der Etat des Teatro Massimo nur unwesentlich über dem der Dortmunder Oper liegt. Wenn überhaupt.

    Davon unbenommen ist natürlich, dass auch an den größten Häusern der Welt miserable Aufführungen stattfinden können. Und an kleinen Häusern ganz hervorragende.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

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