Sollten Laien schwerer, als sie können?

  • Sollten Laien schwerer, als sie können?

    Aus "Eben gelacht" als neuer Thread ausgekoppelt.


    audiamus




    "https://www.youtube.com/watch?v=8sUdUxfaJdM"



    Ich weiß gar nicht, worüber ich mehr lachen soll: dass das ganze Stück (besonders ab 3:50 wirds richtig arg!) so dermaßen schlecht und unerträglich gespielt wird, oder dass rechts unten auch noch schön groß der Name des "Orchesters" prangt, als ob das ein Werbevideo wäre, damit sich alle Welt von der Qualität überzeugen kann, oder dass das Publikum am Ende auch noch applaudiert ...


    :thumbup:

  • Du darfst nicht vergessen, daß das Laien sind.
    Die haben u.U. lange dafür geprobt und sind stolz darauf, dies einmal aufgeführt zu haben.


    Dem Publikum ist das sicher auch klar, allen ist das klar.
    Ich habe öfters mit solchen Musikliebhabern zu tun, diese musikbegeisterten Menschen sind auch unser Publikum.
    Es gibt keinen Grund, über sie zu lachen.


    Im Gegenteil sollte man Respekt vor diesen Aktivitäten haben und sich mit Ihnen freuen.
    Und wenn das nicht so toll klingt, wie in diesem Video, na und?


    Darum geht es gar nicht.
    Diese Menschen haben Freude am musizieren, darum geht es.


    Und das Publikum applaudiert zu Recht.

  • Die haben u.U. lange dafür geprobt und sind stolz darauf, dies einmal aufgeführt zu haben.

    Gerade WENN dafür geprobt wurde, hätte schon der Dirigent oder irgendjemand anderer sagen müssen "Nein, sorry, das wird nichts, lernen wir lieber ein einfaches Stück". Die HUG Ouvertüre ist nunmal kein leichtes Stück für Anfänger.


    Stattdessen führt man das Stück hier so auf, und schreibt noch fett den Namen des Orchesters ins Eck, damit jeder weiß, wer da so schlecht spielt.


    Natürlich geht es in erster Linie um den Spaß am musizieren, aber wenn das dann so extrem daneben geht, und wirklich rein gar nichts passt, dann hätte ich als Musiker keine Freude mehr daran. Ich habe auf Youtube öfter Laienorchester gesehen, zumeist Jugendorchester, die ab und zu mal einen Ton verhauen, oder unsaubere Passagen spielen, aber die klangen immer noch viel besser als das hier.

  • Natürlich geht es in erster Linie um den Spaß am musizieren, aber wenn das dann so extrem daneben geht, und wirklich rein gar nichts passt, dann hätte ich als Musiker keine Freude mehr daran.

    Diese Menschen haben aber Spaß daran, und darum geht es.
    Natürlich ist das schlecht gespielt in diesem Video, aber wenn Du es Dir mal genauer anschaust, dann wirst Du feststellen, daß dort viele ältere Menschen zusammen mit jungen Menschen Musik machen.
    Und für beide Generationen ist das eine wichtige Sache.
    Und diese Menschen nehmen das wichtig, gut so! Man kann das sehen, und mir ist dies das wichtigste.
    Nicht die HUG-Overture..........


    Ich finde sowas immer toll und freue mich, daß Musik selber zu spielen immer noch einen Anreiz hat und die Generationen verbinden kann.
    Davon abgesehen erwartet sicherlich niemand im Publikum eine saubere Vorstellung, sondern hört der Oma, dem Opa, der Tochter , dem Sohn etc. zu.


    Ich mag es nicht, solch etwas ins Lächerliche zu ziehen.
    Im Gegenteil bin ich heilfroh, daß es solch etwas immer noch gibt.


    Auch wenn das unfreiwillig komisch wirken sollte, auch das mit dem Schriftzug des Orchesters....who cares?
    Solche Details geben mit Sicherheit gerade den älteren Mitgliedern dieses Orchesters einen Sinn in Ihrem zuende gehenden Leben.


    Das ist mir wesentlich lieber, als wenn z.B. die alten Menschen in diesem Video zuhause vor der Glotze dahinvegetieren.
    Das ist wirklich nicht zum Lachen. ;+)



    Im Grunde genommen ist das liebenswert, beachtlich und eine sehr gute Sache.

  • Ich möchte Michael ausdrücklich zustimmen. Wenn man eine technisch perfekte Aufführung dieser Ouverture besitzen möchte, gibt es eine große Auswahl an Tonträgern und wohl auch die Möglichkeit, Aufführungen zu besuchen.


    Die Musiker sind mit Liebe bei der Sache. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass sie das Werk eben nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch verstanden haben und es als Gemeinschaft mit den ihnen zu Gebote stehenden begrenzten Mitteln verwirklichen.


    Wer darüber lacht, weiß sicherlich nicht, was Pädagogik bedeutet. Viele Schulorchester können genau das leisten und nicht mehr und sind doch vielleicht Sprungbrett für einzelne Begabte und von daher unabdingbar.


    Gut - vielleicht hätte es nicht dieser Name sein müssen, vielleicht auch nicht die Veröffentlichung auf YouTube. Und doch gibt es da viel, viel Schlimmeres. Ich verweise wieder einmal auf den folgenden Zeitgenossen.


    Hier wird jemand vom Größenwahn geleitet. Die Zahl seiner Aufnahmen im Internet und sogar CDs beweist es. Er hält sich für einen Profi, hat die Attitüde eines Profis, einen Dummen (oder ganz besonders Schlauen??) am Klavier gefunden. Das Resultat ist bei Weitem schlimmer als das Bemühen dieses Orchesters (oder meine Versuche am Klavier mit Musik, der ich technisch einigermaßen gewachsen bin.)


    "https://www.youtube.com/watch?v=1tBcA432btI"


    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Ich finde sowas immer toll und freue mich, daß Musik selber zu spielen immer noch einen Anreiz hat und die Generationen verbinden kann.

    Ich finde es auch generell gut, aber kann man hier noch von "Musik" reden? Ernsthaft: wenn ich als Dirigent oder Musiker merke, dass SOWAS dabei rauskommt, dann spiele ich doch lieber etwas, was halbwegs gut klappt und gut klingt, dann hat man auch ein Erfolgserlebnis.


    Was ich lustig fand und finde, ist einfach die Kombination aus allem: die Interpretation, der Dirigent, der da hochprofessionell agiert, als ob das gut klänge, rechts unten der Name des Orchesters, womöglich damit man es buchen kann, und alles zusammen auch noch in der Kirche gespielt - da müsste mal Whoopie Goldberg für Ordnung sorgen! :thumbup:

  • Zitat

    Ich finde es auch generell gut, aber kann man hier noch von "Musik" reden?


    ?(


    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Wer darüber lacht, weiß sicherlich nicht, was Pädagogik bedeutet. Viele Schulorchester können genau das leisten und nicht mehr und sind doch vielleicht Sprungbrett für einzelne Begabte und von daher unabdingbar.

    Da gebe ich dir ja auch völlig recht, aber worin liegt die Pädagogik, wenn man ein Stück einstudiert, das meilenweit entfernt ist von dem, was man selber kann? Da ist doch überhaupt kein Erfolgserlebnis dabei. Das ist ja keine Impro-Session, wo es keine falschen Töne gibt, sondern ein komplexes Stück Musik, das von Profis gespielt werden müsste.


    Ich gönne den Musikern ja ihren Spaß, aber was ich nicht verstehe ist, warum der Dirigent nicht etwas leichteres aussucht, oder die Ouvertüre wenigstens umarrangiert, damit sie leichter zu spielen ist.

  • Was soll diese Frage? Hätte ich dann die letzten beiden Beiträge geschrieben?


    Allerdings habe ich größere Probleme mit dem zitierten Satz. Wieso soll das keine Musik sein? Und wenn es denn keine Musik ist, wieso findest Du "es generell gut"?


    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Ich sehe grade, das Orchester hat eine eigene Website.


    Auf dem Programm stehen u.a. folgende Werke:



    -Bizet: L’Arlesienne 1 Prelude


    -Humperdinck: Hansel and Gretel


    -Weber: Bassoon Concerto


    -Parker: Clarinet Concerto


    -Haydn: Surprise Symphony mvts 2 and 3



    Der Dirigent wird als "multi-talented" bezeichnet, und es heißt sogar "experience a delight for your ears". "The whole afternoon is a feast for the eyes, ears (...)"



    Selbstbewusst sind sie, das muss man ihnen lassen!

  • Allerdings habe ich größere Probleme mit dem zitierten Satz. Wieso soll das keine Musik sein?

    Hör dir bitte 3:55 - 4:10 an, und sag mir, ob das für dich nach Musik klingt, und wenn ja, warum.


    Und wenn es denn keine Musik ist, wieso findest Du "es generell gut"?

    Nicht die Musik, sondern wenn Leute generell Musik machen (solange es sie nicht überfordert, wie das hier offensichtlich der Fall ist).

  • Sorry, ich verstehe nicht, was Du meinst. Das ist Humperdinck, von Laien sehr schlecht gespielt und daher nicht leicht zu erkennen. Ähnliches macht Mozart in seinem Dorfmusikantensextett. Aber was soll es denn anderes sein als "Musik"?

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • OK. Dann muss ich zugeben, dass meine Sympathien jetzt sinken. :S

    Als ob vorher eine dagewesen wäre :D


    Aber ich sehe schon, jetzt wird es wieder persönlich, deswegen sage ich zu dem Thema nichts mehr. Ich habe meinen Standpunkt klar gemacht, das muss reichen.

  • Irgendwie ist jetzt ein Beitrag von mir verschwunden. Ein Fingerzeig des Himmels, endlich in die Heia zu gehen! :P


    Nochmals an alle (oder erstmals ?( :( Gute Nacht!


    Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Da gebe ich dir ja auch völlig recht, aber worin liegt die Pädagogik, wenn man ein Stück einstudiert, das meilenweit entfernt ist von dem, was man selber kann? Da ist doch überhaupt kein Erfolgserlebnis dabei. Das ist ja keine Impro-Session, wo es keine falschen Töne gibt, sondern ein komplexes Stück Musik, das von Profis gespielt werden müsste.


    Ich gönne den Musikern ja ihren Spaß, aber was ich nicht verstehe ist, warum der Dirigent nicht etwas leichteres aussucht, oder die Ouvertüre wenigstens umarrangiert, damit sie leichter zu spielen ist.


    Naja, wahrscheinlich hast Du Recht!


    Zum dritten Mal: Gute Nacht!

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Gute Nacht!

    Und guten Morgen!

    Diese Menschen haben Freude am musizieren, darum geht es.

    Eben, sehe ich genauso.

    Die Musiker sind mit Liebe bei der Sache. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass sie das Werk eben nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch verstanden haben und es als Gemeinschaft mit den ihnen zu Gebote stehenden begrenzten Mitteln verwirklichen.

    Ich denke auch, darauf kommt es an. Ich selbst probiere mich seit Jahren an Stücken, die viel zu schwer für mich sind. Ja und?


    Das Video habe ich eben angesehen und gehört: Wenn ich ein Laienensemble wie das dort finden würde, ich glaube, da wäre ich gern dabei. Vielleicht könnte ich da sogar einigermaßen mithalten.


    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz


    Wissen Sie denn nicht, daß die Menschen manchmal nicht auf der Höhe ihrer Werke sind?
    Jean-Paul Sartre


    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.

    Helmut Lachenmann

  • Vermutlich wollten die Musiker dieses Werk gemeinsam erarbeiten und durchdringen.


    Jetzt haben sie es verstanden und können das Stück, wenn sie es irgendwo hören, ganz anders wahrnehmen.


    Ich habe in meiner Jugend so viele Konzerte aufgeführt, gute und Schlechte, aber immer Spaß an der Musik gehabt und denke immer noch, wenn ich die Werke höre: mei, das hast Du auch schon gespielt. Und schön war's.
    Waren immerhin auch bekannte und große Werke drunter (im jeweiligen Genre); wir waren oft sehr gut, aber niemals auf Profi-Niveau. Aber ich glaube, das Publikum hat es trotzdem immer genossen.

    Lucius Travinius Potellus
    Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety. (B.Franklin)

  • Erst einmal Glückwunsch zum Thread-Titel "Sollten Laien schwerer, als sie können", lieber Audiamus.
    Für mich persönlich kann ich bestätigen, dass ich immer schwerer als ich kann, will heißen: von einem professionellen Standpunkt aus war ich noch nie einem von mir gespielten Werk gewachsen. Dennoch habe ich fast immer Freude am Spiel gehabt. Wenn es allerdings ganz schräg wurde, gab's schon auch mal Kopfschmerzen.
    Merkatzens Punkt ist ja aber, wenn ich ihn richtig verstehe, nicht, dass da nett zusammen gespielt wird, man generationenübergreifend was Sinnvolles macht, vielleicht nicht einmal, dass man das konserviert und veröffentlicht, sondern der doch ziemlich steile Anspruch, es handle sich bei den Ergebnissen um experience and delight for your ears.
    Unlängst wurde hier über eine ähnliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit beim Laienmusikertum heftig diskutiert. Ich für meinen Teil bin leidenschaftlicher Laienmusikant, aber einen gesunden Abstand zu dem, was ich da so produziere, werde ich mir hoffentlich noch lange erhalten.

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