Johannes Ciconia
gilt als eine der wichtigsten Figuren am Übergang von Ars nova/Trecento zur franko-flämischen Vokalpolyphonie (=Renaissance, oder auch nicht).
Ursprünglich im Kapitel des 14. Jahrhunderts untergebracht, entdeckte man, dass man da einen Vater mit seinem Sohn vermischt hatte, weshalb einige Daten zu Ciconia mit Vorsicht zu genießen sind. Momentan geht man davon aus, dass er um 1370 geboren wurde.
Aus Lüttich kommt er nach Italien, um dort die französischen Stilelemente mit den italienischen auf höchst persönliche Weise zu vermischen. Das ist besonders an den 4 isorhythmischen Motetten von um 1410 gut zu erkennen: Die Isorhythmie kommt von Machaut, jedoch entzieht er dieser Technik den zugrundeliegenden gregorianischen Ausschnitt, der als Tenormelodie und inhaltlicher Bezugsgeber gedient hatte, stattdessen komponiert er eine neue Melodie für das Fundament. Dadurch geht ein Teil der intellektuellen Komponente verloren, auch sonst wird die Musik leichter durchhörbar: Die Texte der Oberstimmen sind metrisch identisch und haben in der Musik ihre Zäsuren gleichzeitig, außerdem sind die Strophen mitunter gleich gegliedert, kanonische Abschnitte mit solistisch abwechselnden Oberstimmen werden abgelöst von Hoquetuspartien und vollstimmigen Abschlüssen. Diese Aufwertung der Imitation, die größere Durchhörbarkeit, die Loslösung vom gregorianischen Fundament, an dessen Stelle eine Bass-Linie tritt, die öfter mal Quart- und Quintschritte macht, was "tonaler" klingt, sind Neuheiten, die von der ersten franko-flämischen Generation nicht übernommen werden, erst bei Josquin setzt sich das dann durch.
Ciconia experimentierte aber in recht unterschiedlichen Stilen, so gibt es einen Kanon, in dem die Oberstimmen im rhythmischen Verhältnis 4:3 stehen (der aber vielleicht nicht von Ciconia ist) und andere Ars-Subtilior-Stücke.
Ich höre mich jetzt durch diese Box durch:
einer der ersten Unternehmungen des Labels Ricercar, begonnen um 1980.
Dass auch die "Textbehandlung" in die Zukunft weisen soll (Richtung Josquin) kann ich bislang nicht nachvollziehen.
Da ich in letzter Zeit recht viel Ars Nova/Subtilior und Trecento gehört habe, spricht mich die Musik gleich an.