Nur: Kommt man wirklich der Wahrheit von Mozart- oder Brahms-Konzerten dadurch nahe, dass man zwanghaft "den besten" Interpreten sucht?
Für mich persönlich kann ich antworten: Ja. Ich suche für mich immer den besten Interpreten eines Werks. Für mich, also rein subjektiv. Aber oftmals stelle ich fest, dass das, was sich für mich subjektiv als bestmöglich erweist, auch intersubjektiv als bestmöglich betrachtet wird. Aber das heißt natürlich überhaupt nicht, dass man den (subjektiv) zweitbesten und (subjektiv) drittbesten usw. Pianisten nicht genauso spannend findet und selbstredend in seiner Sammlung hat. Ganz im Gegenteil: Ich habe oftmals von einem bestimmten Werk bis zu 20 verschiedene Interpretationen in meiner Tonträgersammlung. In aller Regel will ich auf keine von ihnen verzichten, und zwar aus den Gründen, die Du nennst. Die Dinge sind vielschichtig, und mannigfache Sichtweisen kennenzulernen, macht die Sache ja erst spannend. Aber am Ende des Tages bleibt man dann doch letztlich immer bei seiner Lieblingsinterpretation hängen. Und da wüsste ich nicht ein einziges Werk, bei dem ich bei Ashkenazy hängenbleiben würde. So gut ich diesen Pianisten letztlich auch finde.
Ein persönliches Erlebnis mit Ashkenazy in der Hamburger Musikhalle möchte ich übrigens noch als kleine Anekdote loswerden: Er betrat damals das Podium, verbeugte sich, setzte sich auf den Klavierschemel - und blieb dort mehrere Minuten lang regungslos sitzen. Er rührte sich einfach nicht. Ganz offensichtlich störte er sich an den Hustern und sonstigen Publikumsgeräuschen. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit war es mucksmäuschenstill und er begann mit den nachgelassenen drei Schubert-Klavierstücken. Das Hamburger Abendblatt schrieb damals: "Ashkenazy erzwang die Stille". Ich fand das damals ziemlich cool.