Armer Opernbariton!
Eigentlich müssten die Baritone dem deutschen Komponisten Heinrich Marschner ( 1795 - 1861 ) dankbar dafür sein, dass er ihr Stimmfach quasi " erfunden " und mit gleich zwei Titelpartien beschenkt hat : Der Vampyr und Hans Heiling.
Nun sind die Beiden leider keine Sympathieträger, sondern das Gegenteil davon, was nicht ohne Einfluss auf weitere Komponisten geblieben sein dürfte. Der Blutsauger Lord Ruthwen liebt vergeblich Malwika, die sich zu Edgar Aubry ( natürlich Tenor ) hingezogen fühlt. Erdgeist Hans Heiling wiederum hat gegen den Leibschütz Konrad ( natürlich Tenor ) null Chancen bei Sopran Anna.
Günstiger sieht es da noch bei Mozart aus, dem das Stimmfach allerdings fremd war. Bassisten, die sich seines Don Giovanni, Guglielmo oder Papageno annahmen, konnten sich der Sympathie des Publikums gewiss sein. Und heute sind diese Rollen schierer Balsam für die so häufig geschundene Baritonseele, der es einfach gut tut, dem Sexmonster Don Giovanni und dem einfältigen Naturburschen Papageno Leben einzuhauchen ! Dass Guglielmos Liebeswerben sogar schneller zum Erfolg führt als das seines tenoralen Freundes und Rivalen Ferrando, ist im Kosmos namenns Oper beispiellos. Danke, Mozart !
Ansonsten aber sieht es schlimm aus um den Opernbariton, dessen Konturen Marschner so unheilvoll vorgezeichnet hat.
Beispiele gefällig ?
Almaviva : Bei Mozart arroganter Schürzenjäger, der später, bei Rossini, zum sehnend monogamen Liebhaber avanciert ( natürlich Tenor )
Barbiere : Stimmungskanone ! ( Anders als bei Tenor und Bass gibt es in diesem Stimmfach keinen Buffo.)
Don Pizarro : Ekel !
Valentin : Schöne Vorsingarie - das war`s auch schon.
Escamillo : Angeberischer Lackaffe.
Lindorf/Coppelius/Mirakel/Dappertutto : Fiese Intriganten, wobei Dappertutto wenigstens auf eine Arie hoffen darf, die eigentlich gar nicht in diese Oper gehört....
Eugen Onegin : Ein Sopran schreibt dem Bariton einen Liebesbrief ( wann gibt`s das schon ? ), dessen Aussage er schnöde ignoriert.
Luna : Chancenlos gegen seinen tenoralen Bruder.
Père Germont : Schöne Vorsingarie, ansonsten macht- und kraftlos.
Renato : Sein Chef ( natürlich Tenor ) klaut ihm die Ehefrau.
Posa : Opfert sich für seinen Tenorfreund - immerhin.
Macbeth : Ladyhöriger Schwächling und Zauderer.
Jago : Inkarnation des Bösen schlechthin.
Telramund : Ohne Chance gegen einen Tenor aus fernen Landen.
Wolfram : Seiner Arie fiebert das Publikum stundenlang entgegen. Dabei wollte Wagner eigentlich keine Arien in herkömmlicher Manier schreiben....
Holländer : Herumtreiber, der erneut in See sticht, als er erfährt, dass es einen rivalisierenden Hochtöner gibt.
Alberich : Irgendwann einmal hat es doch geklappt mit dem Sex. Resultat ? Hagen !
Gunther : Weichei, welches sich darauf verlässt, dass der Tenor, ihn stimmlich mehr schlecht als recht kopierend, ihm die Gattin zuführt.
Sachs : Überlässt den Sopran, kampflos resignierend, einem hergelaufenen Angeber.
Wotan : Omnipräsent, omnipotent, Macho, Pantoffelheld und glückloser Spieler.
Amfortas : Das hat er nun davon. Wovon ? No comment !
Marcello : Ob das Zusammmenleben mit seiner koloraturgewandten Kratzbürste wohl klappen wird ?
Marcel : Weiß sich nicht anders zu helfen, als den Tenorrivalen umzubringen.
Scarpia : Scheusal. Will erzwingen, was der Sopran dem Tenor freiwillig zugesteht.
Mandryka : Endlich einer, der geliebt wird !
Jochanaan : Religiöser Eiferer, der aus Liebe den Kopf verliert, allerdings höchst unfreiwillig, denn kopflos wird er durch die Gier des Soprans.
Wozzeck : Niederer Dienstgrad. Verliert sein Sopranweib an einen trommelnden Offizier. Nichtschwimmer.
Dies also ein kleiner Aufriss des Unheils, das Marschner angerichtet hat. Es grenzt an ein Wunder, dass es überhaupt noch Opernbaritone gibt, die sogar Freude an ihrer Betätigung finden. Liegt es vielleicht daran, dass ihnen fast immer die interessanteren Partien anvertraut sind ?
Ich weiß, die Mezzosoprane können ähnliche Stoßseufzer loslassen.
Aber das wäre wiederum ein Kapitel für sich !
Ciao. Gioachino !