Carl Philipp Emanuel Bach- der große, kleine Bruder

  • Zweifellos, doch trifft dies bereits auf Josquin zu und auch auf die Mehrzahl der namhaften Komponisten nach (und vermutlich auch vor!) Josquin.


    Ich stimme selbstverständlich zu. Wogegen ich mich gewandt habe, ist die allzu strikte Unterteilung in angeblich eindeutig unterscheidbare Epochen. In diesem Sinne, ist zwar die Umdeutung des Musikers vom Handwerker zum Künstler natürlich während der Aufklärung am deutlichsten greifbar, aber die Verehrung unzähliger früherer Komponisten - z.B. Josquin oder Monteverdi - deutet doch auf eine schon zuvor bestehende sehr viel differenziertere Sicht hin (z.b. Schütz über Monteverdi: "der göttliche Claudio")


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    Im Verlauf dieses Threads jedenfalls wurde, so weit ich sehe, die "Tattergreis-These" nur von jenem aufgestellt, der sie zu widerlegen sucht ;+) .


    Offensichtlich ;+)


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    Sie verlief auch konsequenter als bei Friedemann Bach, und sehr viel konsequenter als bei vielen anderen musikalischen Vater-Sohn-Beziehungen.
    CPE verwirft viele tradierte Formen, doch zugleich findet er beim Vater Modelle, etwa für den Sonatensatz (z.B. BWV 902/1).


    Das hängt wohl mit dem, von dir bereits hervorgehobenem, pädagogischen Talent J.Sebastians zusammen. Der Alte hatte wohl nicht zufällig GF Telemann zum Paten seines Sohnes auserkoren. Offensichtlich war er gegenüber anderen Stilen sehr tolerant, wenn er sich auch nicht für alle begeistern konnte. Es ist allerdings auffällig, dass CPE genau das nicht tat, was J.S. wirklich gar nicht abkonnte: Opern komponieren und programmatisch-galante Tastenmusik schreiben (Wenn man von J.S.s frühen Capriccio sopra la lontananza etc.. absieht)


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    Das ist gewiss kein Zufall und auch keine JSB-Einwirkung "ex negativo". Und natürlich verschlief JS die letzten beiden Dekaden seines Lebens nicht, die eben nicht nur dem Spätbarock, sondern zugleich bereits dem Postbarock angehören. Was gerade bei einem gelahrten Fugenwerk wie dem "Musikalischen Opfer" deutlich wird.


    Ich sehe: we agree to agree.


    Zitat

    Und wer nach der Verbindung zwischen dem alten Bach und Haydn sucht, mag hier, trotz oder gerade wegen der sehr individuellen Tonsprache Carl Philipp Emanuels, tatsächlich fündig werden - was man sich allerdings sukzessive erhören/-lesen/-spielen muss.


    Beim Spielen muss ich aussetzen, aber Hörsessions mit CPE Bachs Musik habe ich bereits begonnen.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Das Salär von CPE Bach betrug zum Anfang seiner Anstellung 300, später 500 Taler. Quantz, der Flötenlehrer von Friedrich II war, und ihm wohl auch Kompositionen geliefert hat, die der unter seinem Namen veröffentlichte, bekam zu der Zeit 2000 Taler. Also eine deutliche Diskrepanz, und Zeichen der Geringschätzung Friedrichs, der Bach in erster Linie als Begleiter nutzte und ihn ansonsten nicht besonders hoch einschätzte.


    Ein "Zeichen der Geringschätzung" kann ich nicht erkennen. Als der König von Preußen ihn abwarb, war Quantz Star-Instrumentalist am berühmtesten deutschen Orchester und seit Friedrichs Jugendjahren dessen Musiklehrer, wodurch eine enge persönliche Bindung entstand, die nicht zuletzt in einem exzeptionellen Gehalt mündete.


    Bach hingegen kam gewissermaßen als unbekannter Jurastudent aus Frankfurt an der Oder. Obwohl er noch nichts publiziert hatte, engagierte ihn Friedrich und erhöhte relativ bald das Salär, ungeachtet der Tatsache, daß die musikalischen Geschmäcker kaum kompatibel waren. Mit einem Gehalt von 500 Talern war Bach einer der höchstbezahlten Hofcembalisten. Das war allerdings nur eine Art Grundsicherung am perfekten Standort, war doch Berlin mit seiner explosionsartigen Bevölkerungszunahme ein ideales Pflaster, um an Privatschüler aus der upper class zu gelangen.


    Auf diese Weise dürfte er sein Jahreseinkommen ungefähr verdreifacht haben (schon Johann Sebastian bezog in Leipzig nur einen Bruchteil seines realen Gesamteinkommens aus der öffentlichen Kasse). Trotz verschiedener Angebote fand CPE Bach seine subalterne Stellung offenbar so erträglich, daß er beinahe dreissig Jahre in der Preussischen Hauptstadt lebte und erst wechselte, als eine Traumofferte aus der größten Freien Reichsstadt hereinflatterte.




    Ich schon. Will einem Landsmann gar nicht unmittelbar widersprechen - doch was hätte Burney denn realistischerweise erwarten wollen?
    Einen Haufen Genies, versammelt an einem einzigen Hof? Das wäre ohnhin kein Vorteil für den höfischen Musikbetrieb gewesen....
    Darüber hinaus: an welchem Hof hätte denn schon der begabteste Komponist die bestbezahlte Stellung innerhalb eines solchen Musikbetriebs innegehabt? Waren Heinichen und Hasse genialer als Zelenka?


    Bei genauerer Betrachtung war der Preußische Hof dieser Zeit sogar eine Ausnahme, denn kaum irgendwo, vielleicht nicht einmal in Mannheim oder Wien, dürften in dieser Zeit so viele exzellente Komponisten zusammengefunden haben. Wenn Janitsch, Kirnberger, Nichelmann oder Schaffrath Epigonen im Sinne Burneys gewesen sein sollten, gäbe es entschieden zuwenig davon ! Kollegen dieser bemerkenswerten Qualität dürften für Bach durchaus ein weiterer Reiz gewesen sein, den er allerdings in Hamburg entbehren mußte.

  • Mit einem Gehalt von 500 Talern war Bach einer der höchstbezahlten Hofcembalisten. Das war allerdings nur eine Art Grundsicherung am perfekten Standort, war doch Berlin mit seiner explosionsartigen Bevölkerungszunahme ein ideales Pflaster, um an Privatschüler aus der upper class zu gelangen.

    Von allen Musikern die bei Amtsantritt von Friedrich eingestellt wurden hatte CPE Bach das niedrigste Gehalt bekommen. Zitat aus dem Band "Die Bach Söhne" von Marc Vignal:


    "Als ersterCembalist erhalt Carl Philipp Emanuel das mäßige Gehalt von 300 Talern jährlich, wohingegen Franticek Benda 800, Johann Gottlieb Graun 1200 und Carl Heinrich Graun und Quantz je 2000 bekommen, letzterer zusätzlich eine ansehnliche Summe für jedes neue Werk und für jede neue Flöte, die er baut. Friedrich II spielt auf seiner Flöte ausschließlich Werke von Quantz oder eigene Kompositionen, und von allen seinen Musikern ist Quantz der einzige, dem es erlaubt ist, ihn mit einem vernehmlichen »Bravo!« für eine erfolgreiche Interpretation zu loben. Von der bevorzugten Position Quantz' in Berlin zeugt ein Witz, der seinerzeit kursierte: »Wer regiert den Preußischen Staat? Der kleine Hund der Madame Quantz, denn der König lässt sich von Quantz regieren, der von seiner Frau und diese wiederum von ihrem kleinen Hund.«"


    CPE Bach war 30 Jahre in den Diensten des Königs, und hat kaum eine nennenswerte Aufwertung seines Salärs erfahren. Friedrich war zweifellos ein Mäzen der Künste, aber er brauchte auch Geld für seine zahlreichen Kriege.

    Auf diese Weise dürfte er sein Jahreseinkommen ungefähr verdreifacht haben

    Diese Möglichkeit stand aber auch allen anderen offen.


    Kollegen dieser bemerkenswerten Qualität dürften für Bach durchaus ein weiterer Reiz gewesen sein, den er allerdings in Hamburg entbehren mußte.

    Das ist wohl war, aber Bach war ein vielseitig gebildeter Mensch, dem vor allem an Literatur gelegen war, und hat als Ersatz für Musikerkollegen mit Klopstock, Claudius oder Lessing verkehrt.


    Eusebius

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Ich bin gerade auf ein sehr schönes youtube-Video gestoßen, das Rachel Podger and Kristian Bezuidenhout nach der Aufnahme ihrer CPE Scheibe aufgenommen habe. Sie kommen meinem Verständnis sehr nahe, was diese Musik sein will:


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    Für Neugierige sind das gut investierte sechseinhalb Minuten ...


    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Allerdings, sehr aufschlussreiches Video! Mir kam es schon immer so vor, als hätte ich ein Problem mit Aufnahmen, nicht mir der Musik von CPE Bach als solcher. Das hat etwas Licht ins Dunkel gebracht.

    Helli

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