Wie dem auch sei: jemand der so rücksichtslos agiert und denkt wie Mahler hat Feinde. Deshalb kann man nicht jeden Widerstand gegen Mahler a priori als antisemitisch einstufen. Darum ging es mir ja auch ursprünglich.

Exil im Exil: Vertriebene und geflohene Musiker/Dirigenten im 20. Jahrhundert
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Zu den bedeutenden Dirigenten gehörte auch Erich Leinsdorf (eigentlich Landauer), 1912-1993, ein gebürtiger Wiener, Assistent Bruno Walters und Arturo Toscaninis, der 1937 wegen der immer unerträglicheren Naziherrschaft nach New York auswich und ein paar Jahre später dann die amerikanische Staatsbürgerschaft erwarb. Leinsdorf gilt vor allem als Opernspezialist, war aber weit mehr als das.
Zu Leinsdorf finde ich zufällig einige Informationen, die vielleicht zu einem Thema des aktuellen Präsidentschaftswahlkampf in den USA, aber auch zu einigen Debatten hierzulande passen.
Leinsdorf hatte noch in Europa zwei Amerikaner kennen gelernt: den sehr reichen und einflußreichen Zeitungsverleger Charles E. Walsh und dessen Freundin Alice Glass. 1938 hatte Leinsdorf sein erstes Dirigat an der Met und besuchte die beiden in Walshs traumhaft schönen Anwesen "Longlea". Er berichtete, dass sein Visum für die USA in 8 Tagen ablaufe und er dann keine andere Wahl hatte, als nach Europa in eine völlig ungewisse Zukunft zurück zu kehren. Auf seinen Antrag auf Verlängerung habe er nie eine Reaktion erhalten. Alice Glass wollte unbedingt helfen und wandte sich über Walsh an einen damals sehr jungen Kongressabgeordneten namens Lyndon B. Johnson. Als Leinsdorf Johnson vorgestellt wurde und ihm sein Visum-Problem unterbreitete, schien Johnson zunächst zwar freundlich aber wenig interessiert. Tags drauf rief Johnson dann aber an und teilte mit, dass Leinsdorfs Problem gelöst würde. Die Einwanderungsbehörde hatte zwar Johnson bestätigt, dass der Verlängerungsantrag abgelehnt worden sei, weil die Quote der Einwanderer aus Österreich keine weiteren Aufnahmen zuließen. Der Ablehnungsbescheid sei aber aus irgendwelchen Gründen nicht abgesandt worden. Die ursprüngliche Formulierung in dem Bescheid "Sie haben noch 7 Tage zur Ausreise" sei auf Johnsons Intervention inzwischen geändert worden in "Sie haben noch 6 Monate zur Ausreise". Um eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu erreichen, müsse Leinsdof allerdings zunächst aus den USA ausreisen und dann offiziell im Rahmen eines Kontingents zur Aufnahme europäischer Flüchtlinge wieder einreisen. Hierfür böte sich Kuba an, da das Kontingent der aus Kuba in die USA einreisenden Flüchtlinge nicht ausgeschöpft sei.
So geschah es dann auch: nach Leinsdorfs "Wiedereinreise" aus Kuba erhielt er eine unbeschränkte Aufenthaltserlaubnis. Johnson hatte durch zahlreiche Anrufe beim amerikanischen Konsul in Havanna dafür gesorgt, dass alles reibungslos klappte. Laut Leinsdorf lief die Sache wie ein Uhrwerk ab. Leinsdorf war Johnson zeitlebens dankbar für die Aktion und erwähnte sie öffentlich als Johnson Vizepräsident wurde. Johnson soll darauf belustigt reagiert haben: Man müsse bei der "Story" aber an Stelle von "Havanna" irgendeine andere Stadt einsetzen (kurz nach der Kuba-Krise).
Die Geschichte über Johnsons Umgang mit Leinsdorfs Problem wird im ersten Band der großen Johnson-Biografie von Robert A. Caro "The Path to Power" (S. 481f.) geschildert. Leinsdorf schildert sie selbst in einem Interview für die Johnson Library "http://www.lbjlib.utexas.edu/johnson/archives.hom/oralhistory.hom/Leinsdorf-E/Leinsdorf1.pdf"
Caro stellt sie in den Zusammenhang von Johnsons Bestreben, einflussreiche Personen - hier den Zeitungsverleger Walsh - für sich einzunehmen, vielleicht auch, um dessen höchst attraktive Freundin Alice Glass zu beeindrucken, die einige Jahre lang Johnsons geheime Geliebte war. Sie passt auch zu Caros Leitthema, dass Johnson sich rückhaltlos für eine Sache einsetzte - wenn sie ihm denn irgendwie nützte.
Ein etwas anderes Licht auf das Verhalten Johnsons werfen neuere Veröffentlichungen zur sog. "Operation Texas", die erst nach dem Erscheinen von Caros erstem Band über Johnson, der diesen Zeitraum behandelt, erschienen sind: "http://lyndonjohnsonandisrael.blogspot.de"
Danach war Johnson Inspirator und zentrale Figur eines geheim angelegten Projekts, um zahlreichen europäischen Juden die Einwanderung nach Texas zu ermöglichen, sie in der National Youth Agency, deren texanischer Leiter Johnson gewesen war, zu beschäftigen und finanziell zu unterstützen. Ob es diese "Operation Texas" tatsächlich in dieser Form gegeben hat, ist nicht durch eindeutige Quellen belegt, es gibt es auch keine Äußerungen von Johnson selbst zu dem Thema: "http://www.aish.com/ho/i/Operation-Texas-LBJs-Mysterious-Mission-to-Save-Jews.html".Vielleicht bringt der letzte (dann fünfte) noch ausstehende Band von Caros riesiger Johnson-Biographie noch Licht in das verbleibende Dunkel zur "Operation Texas" - wenn er denn jemals erscheint. Rober A. Caro schreibt seit über 30 Jahren an dem Werk, und verzettelt sich in in einer unglaublichen Masse von Details - von denen jedes einzelne aber viel spannender und aufschlussreicher ist, als eine nur auf die Person begrenzte Darstellung je sein könnte.
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Wir haben hier auch die Gedenktafel:
Die Namen bewahren - Die Capriccio-Gedenktafel für Opfer des Nationalsozialismus aus dem MusiklebenEine der besten und verdienstvollsten Seiten dieses Forums. Genau genommen sehe ich zwischen "Opfer" und "Vertriebenen" zumindest einen denkbaren Unterschied, den ich eigentlich in diesem Sinne immer respektiert habe und der dieses neue Thema zu einer sinnvollen Ergänzung macht.
@Opfer
Also Nico Richter (1915-1945) z.B. wird obwohl er Ausschwitz und das Arbeitslager Dora um wenige Monate überleben konnte zurecht im Thema der "Opfer" erwähnt.
(siehe"http://klassik-resampled.de/nicorichter")@Vertriebener
Dagegen habe ich immer Probleme gehabt den von mir sehr geschätzten Brahms-Schüler Robert Kahn (1865-1952) unter den "Opfern" einzuordnen, da er das Glück hatte 1939 gerade noch rechtzeitig nach England zu emigrieren. Wo er sehr emsig sein überwältigendes Spätwerk komponierend den Nazi-Irrsinn überlebt hat. Vertrieben - aber zum Glück eben nicht Opfer, gerade weil sein spätes Schaffen praktisch täglich unter Beweis stellte, dass die Nazis keine Macht über Kahn bekommen sollten und eben auch nicht bekommen haben.
(siehe "http://kahn.resampled.de"
und "http://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00003101"
und "http://www.exilarchiv.de/DE/index.php?option=com_content&view=article&id=4012%3Akahn-robert&catid=24&lang=de")Kurz: gut dass es hier jetzt beide Themen gibt.
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In diesem Zusammenhang möchte ich auf ein Konzert am So., 24. April. um 11 Uhr in der Allerheiligenhofkirche in München hinweisen.
Im Zentrum steht das Rosé-Quartett, dessen Mitglieder teilweise vertrieben oder getötet wurden.
Arnold Rosé und der Cellist Buxbaum flüchteten nach London. Von den wechselnden Mitgliedern des Quartetts sind einige emigriert, einige starben in Lagern/Ghettos (Rosés Tochter Alma starb in Auschwitz, sein Bruder Eduard und der Bratschist Julius Stwertka in Theresienstadt).24.04. München Allerheiligenhofkirche Hommage an das Rosé-Quartett
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