HÄNDEL: Utrecht Te Deum and Jubilate (HWV 278 und 279)

  • HÄNDEL: Utrecht Te Deum and Jubilate (HWV 278 und 279)

    Wir schreiben das Jahr 1713. Der Spanische Erbfolgekrieg (1701-1714) fand für das englische Königreich sein Ende durch die im niederländischen Utrecht ausgehandelten und am 11. April 1713 unterzeichneten Friedensverträge. Aus der Teilung Spaniens erhielt das Empire Gibraltar und Menorca, außerdem das Monopol für den Sklavenhandel mit den spanischen Kolonien in Amerika. Der Krieg mit Frankreich war beendet und England erhielt in Nordamerika das französisch besetzte Gebiet um die Hudson Bay zurück sowie zusätzlich Neufundland, Neuschottland und Neubraunschweig. Man kann England als den Hauptprofiteur des Friedens von Utrecht bezeichnen. Solche Siege wurden üblicherweise in Gottesdiensten gefeiert, die oftmals durch ein Te Deum abgeschlossen wurden.


    Der Auftrag des englischen Könighauses, ein solches Te Deum zur Feier des Friedensvertrages zu komponieren, ging nicht an einen Engländer, sondern an Georg Friedrich Händel, der zwar noch in Diensten Hannovers stand, aber bereits in London weilte. Es war der erste offizielle Auftrag, den die britische Königsfamilie an Händel vergab, und damit ein bedeutender Schritt auf der Karriereleiter für ihn. Nach den Vorbildern des Te Deum and Jubilate von Henry Purcell (1694) und des Te Deum and Jubilate von William Croft (1709) ergänzte Händel das Te Deum um ein Jubilate nach dem 100. Psalm.


    Der Kompositionsauftrag muss bereits während der laufenden Friedensverhandlungen erteilt worden sein, denn Händel stellte das Utrecht Te Deum and Jubilate mehrere Wochen vor der Unterzeichnung des Friedensvertrages fertig. Schon am 5. März 1713 fand eine öffentliche Probe des Werks in St. Paul's Cathedral in London statt, d.h. über fünf Wochen vor dem Friedensschluss. Die offizielle Erstaufführung des Utrecht Te Deum and Jubilate erfolgte am 7. Juli 1713 im Rahmen eines feierlichen Dankesgottesdienstes wiederum in der St. Paul's Cathedral.


    Zeitgleich mit dem Utrecht Te Deum and Jubilate verfasste Händel die Ode for the Birthday of Queen Anne (HWV 74), in welcher die Monarchin - ebenfalls mit Blick auf den anstehenden Frieden von Utrecht - als Friedensstifterin gepriesen wird. Beide Werke brachten Händel die Gunst der Königin, das Utrecht Te Deum and Jubilate zusätzlich eine jährliche Pension ein.


    Besetzt ist das Utrecht Te Deum and Jubilate mit sechs Solisten (zwei Soprane, zwei Alt, Tenor und Bass), gemischtem Chor, Orchester (Streicher, Trompeten, Flöten, Oboen, Fagott) und Basso continuo. Der Chor nimmt eine sehr dominante Rolle ein, wird zumeist fünfstimmig geführt.


    Hier die Sätze des Werks:


    Te Deum:


    We praise Thee, O God (Adagio)
    To Thee all Angels cry aloud (Largo e staccato)
    To Thee Cherubin and Seraphim (Andante)
    The glorious Company of the Apostles (Andante - Adagio - Allegro - Adagio - Allegro)
    When thou took’st upon thee to deliver man (Adagio - Allegro - Adagio - Allegro)
    We believe that thou shalt come to be our judge (Largo)
    Day by day we magnify thee (Allegro)
    And we worship thy name
    Vouchsafe, O Lord (Adagio)
    O Lord, in thee have I trusted (Allegro)

    Jubilate:


    O be joyful in the Lord, all ye lands
    Serve the Lord with gladness
    Be ye sure that the Lord he is God
    O go your way into his gates
    For the Lord is gracious
    Glory be to the Father
    As it was in the beginning


    Leider wird in einigen Einspielungen das Jubilate weggelassen (z.B. bei Nikolaus Harnoncourts Aufnahme mit dem Concentus musicus Wien) und nur das Te Deum gegeben. Auch im Konzertsaal hörte ich letzten Monat lediglich das Te Deum (dargeboten vom Collegium 1704 unter der Leitung von Václav Luks). Das ist mir nicht recht verständlich, enthält doch gerade das Jubilate wirklich herrliche Chöre.


    Zu den Einspielungen komme ich im nächsten Posting.

  • Man kann England als den Hauptprofiteur des Friedens von Utrecht bezeichnen

    Keine Bemerkung zur Musik sondern zum historischen Hintergrund. Immerhin bekamen die Bourbonen ganz Spanien und die Habsburger (das heutige) Belgien, Mailand, Sardinien und Neapel. Dagegen waren die "Gewinne" der Briten eher gering.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Nun zu den Einspielungen des Werks:


    1.) Komplette Einspielungen des Utrecht Te Deum and Jubilate haben vorgelegt:


    Simon Preston /The Academy of Ancient Music
     [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/41W7HMNNVAL.jpg]


    Geraint Jones/Geraint Jones Orchestra


    Jos van Veldhoven/The Netherlands Bach Society


    Außerdem gibt es noch diese Aufnahmen, von denen ich anhand des Covers vermute, dass sie identisch sind (Amazon nennt als Interpreten einerseits "Venuti / Knutson / Possemeyer", andererseits steht auf dem zweiten Cover der Name H. R. Zöbeley)
     [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/61V1N2zGnJL._SL500_AA300_.jpg]



    2.) Nur das Te Deum in englischer Sprache:


    Nikolaus Harnoncourt/Concentus musicus Wien
     



    3.) Nur das Te Deum in deutscher Sprache:


    Dietrich Knothe/Kammerorchester Berlin
     



    4.) Eine bei Wikipedia sowohl in der englisch- als auch in der deutschsprachigen Version genannte Aufnahme Christopher Hogwoods aus dem Jahr 1998 (veröffentlicht auf Decca) habe ich nicht gefunden. Ich vermute mal, dass die Aufnahme Simon Prestons vom Juli 1979 (erschienen auf Decca) für eine Aufnahme Hogwoods gehalten wurde - hervorgerufen möglicherweise durch dieses Album mit beiden Namen:

  • Keine Bemerkung zur Musik sondern zum historischen Hintergrund. Immerhin bekamen die Bourbonen ganz Spanien und die Habsburger (das heutige) Belgien, Mailand, Sardinien und Neapel. Dagegen waren die "Gewinne" der Briten eher gering.

    Es gab den Frieden von Utrecht (1713) und den Rastatter Frieden (1714), mit welchem der Spanische Erbfolgekrieg (1701-1714) erst beendet wurde. Im Rastatter Frieden fielen in der Tat die von Dir genannten Besitztümer an Österreich. Was den Frieden von Utrecht anbetrifft, halte ich mich an das, was in Wikipedia steht ("https://de.wikipedia.org/wiki/Friede_von_Utrecht"):


    Zitat

    Am stärksten profitierte Großbritannien vom Frieden von Utrecht. Es hatte erstmals den neuen Gedanken des Gleichgewichts ins Spiel gebracht und es gewann strategisch wichtige Flottenstützpunkte im Mittelmeer. Seine Position als Großmacht zur See konnte es damit ausbauen. Die Vergrößerungen seiner Besitzungen in Nordamerika legten die Grundlage für Britisch-Nordamerika. Dies bildete die Basis für den späteren Erfolg im Frieden von Paris.

  • Es gab den Frieden von Utrecht (1713) und den Rastatter Frieden (1714), mit welchem der Spanische Erbfolgekrieg (1701-1714) erst beendet wurde. Im Rastatter Frieden fielen in der Tat die von Dir genannten Besitztümer an Österreich. Was den Frieden von Utrecht anbetrifft, halte ich mich an das, was in Wikipedia steht ("https://de.wikipedia.org/wiki/Friede_von_Utrecht"):

    Du hast recht! Ich hatte nur den Frieden von Utrecht in Erinnerung, da bekannter (vielleicht wegen Händel :) )

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Lieber music lover,


    herzlichen Dank für die Vorstellung des - wie ich meine - leider etwas im Schatten des mit großer Geste komponierten "Dettinger Te Deum" stehende Werk. Inhaltlich kann und will ich nichts ergänzen, dafür aber noch auf eine ausgesprochen schöne, mich rundum glücklich stimmende Aufnahme des Stückes hinweisen, die Dir bei Deinen Recherchen anscheinend durch die Lappen gegangen ist. ;)


    Es handelt sich um diese



    John Scott (1997) - Sophie Daneman, Julia Gooding, Robin Blaze, Rogers Covey-Crump, Mark Le Broq, Andrew Dale Forbes, The Choir of St Paul's Cathedral, The Parley of Instruments [20:30]


    Sie ist derzeit übrigens ziemlich günstig zu bekommen. Auch den Blow und den Boyce kann man sehr gut hören.


    :wink1: Agravain

  • Inhaltlich kann und will ich nichts ergänzen

    Dabei hatte ich doch gerade darauf gehofft, dass Du uns, wenn ich erstmal den Faden eröffnet habe, auch in Bezug auf das Utrecht Te Deum and Jubilate noch weitere profunde Beiträge liefern wirst :D


    Die John Scott-Aufnahme ist mir in der Tat durchgerutscht. Leider wieder nur das Te Deum, ohne das Jubilate.


    Ich höre gerade die Harnoncourt-Einspielung des Te Deum, in der Sängerriege besetzt mit einem Sopran, einem (Frauen-)Alt, drei Tenören und Bass. Preston hat demgegenüber zwei Soprane, einen Countertenor, zwei Tenöre und Bass am Start. Der Arnold Schönberg-Chor in der Harnoncourt-Aufnahme singt einfach herrlich (was ich von seinen Solisten beileibe nicht durchweg sagen kann)! Auch hier ist es ein wirklicher Jammer, dass das anschließende Jubilate fehlt. Zu Preston gibt es, obwohl ich mit seiner Aufnahme auch nicht rundum glücklich bin, wohl kaum eine bessere Alternative, wenn man denn auf das komplette Werk Wert legt.


  • Dabei hatte ich doch gerade darauf gehofft, dass Du uns, wenn ich erstmal den Faden eröffnet habe, auch in Bezug auf das Utrecht Te Deum and Jubilate noch weitere profunde Beiträge liefern wirst :D


    Gut, dann halte ich es mit dem Kaiser und sage: "Schau'n mer mal." ;)


    :wink1: Agravain

  • Die Hyperion-Aufnahme sehe ich auch zum ersten Mal... Ich habe das "Utrechter" als gegenüber dem etwas einseitig "bombastischen" Dettinger Tedeum als abwechslungsreicher in Erinnerung, müsste aber meine Aufnahmen nochmal hören, um konkreter zu werden (Wenn ich so einen Schnipsel wie "We praise thee" oder "Day by day... vage im Kopf habe, weiß ich nicht, aus welchem der Te Deums es stammt...)
    Da ich mit dem "unvollständigen" Harnoncourt und dem Preston auch nicht ganz zufrieden gewesen bin, habe ich mir vor ein paar Jahren noch den Van Veldhoven gekauft (u.a. weil mir die Existenz der Hyperion nicht bekannt war, sonst hätte ich die sicher auch in Erwägung gezogen) und meine mich zu erinnern, dass ich mit dem sehr zufrieden war. (Für den wohl erstmals eingespielten Croft muss man sie nicht unbedingt haben.)
    Gleichwohl halte ich die sehr preiswerte CD mit Harnoncourt + Gardiner's Ways of Zion do mourn für empfehlenswert, es sei denn, man hat den Gardiner schon.)

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • 4.) Eine bei Wikipedia sowohl in der englisch- als auch in der deutschsprachigen Version genannte Aufnahme Christopher Hogwoods aus dem Jahr 1998 (veröffentlicht auf Decca) habe ich nicht gefunden. Ich vermute mal, dass die Aufnahme Simon Prestons vom Juli 1979 (erschienen auf Decca) für eine Aufnahme Hogwoods gehalten wurde

    Das wird wohl der Grund für die Verwechslung sein - Hogwood spielte in der Preston-Aufnahme das Continuo. Als Dirigent hat er nie eine Aufnahme von den Werken gemacht.



    jd :wink1:

    "Interpretation ist mein Gemüse."

    Hudebux

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    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..."

    jd

  • des - wie ich meine - leider etwas im Schatten des mit großer Geste komponierten "Dettinger Te Deum" stehende Werk.

    Interessant, daß Du das so siehst. Ich habe das immer anders wahrgenommen, und es ist auch tatsächlich anders angelegt. Das Utrecht Te Deum war für die groß angelegte offizielle Siegesfeier nach dem Friedensschluß in St. Pauls geschrieben, das Dettingen Te Deum "nur" für eine gewonnene Schlacht und die heile Rückkehr des Königs daraus (er wäre bei der Schlacht von Dettingen beinahe in französische Gefangenschaft geraten). Dementsprechend fand die Aufführung auch nur im relativ privaten Rahmen (es war nur der Hof anwesend) im St James's Palace statt. Zumal in der zweiten Hälfte dominieren (trotzt der allfälligen Verwendung von pauken und Trompeten) auch eher intime Abschnitte.
    Vielleicht liegt es daran, daß das Dettingen Te Deum aus Händels späterer Schaffensperiode stammt und seine stilistischen Ähnlichkeiten mit dem ein Jahr zuvor entstandenen Messiah unüberhörbar sind?

    viele Grüße


    Bustopher



    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Interessant, daß Du das so siehst. Ich habe das immer anders wahrgenommen, und es ist auch tatsächlich anders angelegt.

    Wie schön, dass Du historisch korrekt wahrnimmst. ;)


    Das Utrecht Te Deum war für die groß angelegte offizielle Siegesfeier nach dem Friedensschluß in St. Pauls geschrieben, das Dettingen Te Deum "nur" für eine gewonnene Schlacht und die heile Rückkehr des Königs daraus (er wäre bei der Schlacht von Dettingen beinahe in französische Gefangenschaft geraten). Dementsprechend fand die Aufführung auch nur im relativ privaten Rahmen (es war nur der Hof anwesend) im St James's Palace statt.

    Genau. In der Chapel Royal. Muss ein ziemlicher Lärm gewesen sein. Zumindest zu Beginn. ;)


    Vielleicht liegt es daran, daß das Dettingen Te Deum aus Händels späterer Schaffensperiode stammt und seine stilistischen Ähnlichkeiten mit dem ein Jahr zuvor entstandenen Messiah unüberhörbar sind?

    Natürlich liegt es am veränderten Stil Händels. Das Utrecht Te Deum scheint mir beispielsweise in Sachen Harmonik und Stimmführung noch allerlei von der geistlichen Musik des "römischen" Händel zu haben. Das betrifft ja auch noch die 1717/18 für Cannons komponierten Chandos Athems, wenngleich sich hier m.E. schon eine Weiterentwicklung/Veränderung in Richtung der 1727 komponierten "Coronation Anthems" abzeichnet, die (wiederum: m.E.) den ersten großen Ausdruck dessen, was ich gerne ganz nonchalant den "britischen Repräsentationsstil" Händels nenne, darstellen. Die Anthems in "Saul" oder "Isreal in Egypt" (hier kann man die beiden Eckteile ja als ausgedehnte Anthems auffassen) führen diesen dann fort - und das Dettingen Te Deum, da gebe ich Dir vollkommen Recht, natürlich auch.


    :wink1: Agravain

  • Die John Scott-Aufnahme ist mir in der Tat durchgerutscht. Leider wieder nur das Te Deum, ohne das Jubilate.

    Das Jubilate sollte mit drauf sein.

    Good taste is timeless / "Ach, ewig währt so lang " "But I am good. What the hell has gone wrong?" Old soldiers never die ...

  • Das ist überraschend, steht doch auf dem CD-Cover ausdrücklich nur "Utrecht Te Deum", ohne Erwähnung des Jubilate. Aber umso besser!

  • Hier geht eindeutig hervor, dass das Jubilate in der Scott-Aufnahme enthalten ist:
    "http://www.hyperion-records.co.uk/dc.asp?dc=D_CDH55359"


    Armin

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

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