hierzu ein kleines Fragezeichen:
War es tatsächlich "Hausmusik", die für das Fortleben J.S. Bachs vor Mendelssohn relevant war? Wurde Bach in relevantem Maß von Amateuren gespielt? Oder war es das Tasteninstrument der Berufsmusiker (nicht zuletzt die Orgel), das die Bachpflege trug?
Das weiß ich im Detail nicht so genau, wobei die Grenzen nicht so scharf gezogen waren. Im Falle von Bachs Musik vermute ich auch eher Ausbildung professioneller Musiker. Aber da ich die Corelli-Nachdrucke erwähnt hatte, die dürften eher Hausmusik adliger und großbürgerlicher Amateure gewesen sein. Auch Händels Claviersuiten waren verbreitet. Spohr verwendet in den 1810ern? das "Grobschmidt"-Thema für Variationen in einem Kammermusikwerk. Meine anekdotischen Belege dafür, dass JS Bach zumindest dem Namen nach nicht nur bei Spezialisten einigermaßen geläufig gewesen sein muss, sind z.B. die berühmte Ankündigung des Wunderkindes Beethoven um 1780, in der es heißt, dass der Knabe aus dem Wohltemperierten Klavier spiele.
Oder die geniale Kreisler-Episode Hoffmanns, in der Kreisler die Goldbergvariationen einer (ungeachtet der beißenden Darstellung anscheinend nicht völlig ignoranten) Gesellschaft vorspielt und dabei in eine Art Trance gerät und immer neue Variationen entstehen.
Um 1800 lagen jedenfalls die zentralen Werke Bachs für Tasteninstrumente schon in Drucken vor und jemand wie Beethoven hatte die in seinem Regal, wobei nach wie vor wohl nicht ganz klar ist, ob er auch Vokalwerke kannte. Vielleicht in Auszügen; er war jedenfalls in Kontakt mit Nägeli, der die h-moll-Messe herausgeben wollte.
Es wird m.E. nicht nur das "Vergessen" Bachs überbetont, nicht zuletzt, weil es eben der Normalfall war und Bach eher weniger "vergessen" wurde als einige seiner Zeitgenossen, wie etwa Vivaldi, der schon gegen Ende seines Lebens aus der Mode gekommen war. Ebenso werden auch einige kritische Anmerkungen der Zeitgenossen, sowie die Tatsache, dass z.B. Telemann und Händel angesehener waren, als zu negativ gedeutet, da sich oft aus denselben Quellen entnehmen lässt, dass Bach typischerweise unter den angesehensten 5-8 Komponisten genannt wird.
z.B. aus dem wikipedia-Artikel zu JS Bach: "Nach seinem [Bachs] Tod erschien im selben Band von Mizlers Musikalischer Bibliothek, in dem 1754 auch der Nekrolog abgedruckt wurde, eine Aufzählung der „berühmtesten deutschen Musiker“. Die dort gewählte Reihenfolge ist die folgende: 1. Hasse, 2. Händel, 3. Telemann, 4. die ]beiden Graun, 5. Stölzel, 6. Bach, 7. Pisendel, 8. Quantz und 9. Bümler."
Daran sieht man, dass der "moderne" Stil Hasses damals anscheinend sogar schon Telemann und Händel ausgestochen hatte; dennoch wird der schon verstorbene Bach immerhin an 6. Stelle genannt.